Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 10 U 66/02
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. März 2002 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über dem zu vollstreckenden Betrag abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe des im Erdgeschoss des Gebäudes B. 68 in D. gelegenen, von dem Beklagten zu 1) mit Vertrag vom 29.05.1998 angemieteten Ladenlokals nebst Hallenfläche in Anspruch. Wegen der näheren Einzelheiten des erstinstanzlichen beiderseitigen Vorbringens und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 239-241 GA) verwiesen.
3Das Landgericht hat die Beklagten mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Gründe ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 241-243 GA), antragsgemäß verurteilt. Das Mietobjekt ist zwischenzeitlich im Wege der Zwangsvollstreckung geräumt und an den Kläger übergeben.
4Gegen die Verurteilung richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und führen ergänzend und korrigierend aus: Die auf § 57a ZVG gestützte Kündigung des Klägers vom 14.04.1999 (Bl. 24 f. GA) als Ersteher des Grundstücks B. 68 sei mit Blick auf den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 26.03.1999 (65 a K 78/98; Bl. 22 f. GA) verspätet. Am 28. oder 29.03.1999 habe sich der Kläger dem Beklagten zu 1) nicht nur als neuer Eigentümer vorgestellt, ihm sei - entgegen dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten - auch eine Kopie des Mietvertrages überlassen worden. Zudem sei er von dem Beklagten zu 1) auf die Undichtigkeit des Flachdaches und die deshalb um 70 % geminderte Mietzinszahlung hingewiesen worden. Überdies habe der Verwalter des Grundstücks B. 68, der Zeuge K., am 06.04.1999 mit dem Kläger eingehend "das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu 1) einschließlich der Mietkürzungen" besprochen. Der schriftliche Mietvertrag sei dem Kläger von dem Verwalter ohnehin erst nach dem 14.04.1999 überlassen worden. Eine auf das Sonderkündigungsrecht gestützte Kündigung hätte daher spätestens am 06.04.1999 erfolgen müssen.
5Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung. Er hebt nochmals hervor, dass der Verwalter K. in der Karwoche (29.03.1999-05.04.1999 = Ostermontag) nicht erreichbar gewesen sei, was unstreitig ist. Erst nachfolgend habe er von dem Verwalter die aktuelle Mieterliste nebst dazugehörenden Mietverträgen und Unterlagen erhalten. Noch am 06.04.1999 habe er alsdann einen Besprechungstermin mit seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten auf den 13.04.1999 vereinbart. Als Folge der Beratung habe er das Sonderkündigungsrecht am 14.04.1999 ausgeübt.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
7E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
8Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
9I.
10Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die Beklagten gemäß §§ 556 Abs. 1, 3, 985 BGB mit Ablauf des 31.12.1999 zur Räumung und Herausgabe des Ladenlokals B. 68 in D. verpflichtet sind. Denn das Mietverhältnis des Beklagten zu 1) mit der Voreigentümerin, in das der Kläger mit Zuschlag gemäß § 57 ZVG i.V.m. § 571 BGB eingetreten ist, war aufgrund der Kündigung des Klägers vom 14.04.1999 gemäß §§ 57a Satz 1 ZVG, 565 Abs. 1a BGB am 31.12.1999 beendet. Damit ist auch das Besitzrecht des Beklagten zu 2) entfallen.
111. Die Bestimmung des § 57a Satz 2 ZVG, wonach die Kündigung ausgeschlossen ist, wenn sie nicht für den ersten zulässigen Termin erfolgt, steht der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Zwar hätte der Kläger gemäß § 565 Abs. 1a BGB theoretisch schon zum 3. Werktag im April 1999 (06.04.1999) das Sonderkündigungsrecht ausüben können. Die bloße theoretische Möglichkeit bestimmt jedoch nicht den ersten zulässigen Termin für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts. Maßgebend ist vielmehr, ob dem Kläger die Ausübung des Rechts unter Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bis zum 06.04.1999 tatsächlich möglich war (vgl. Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl. § 57a Rdnr. 5.2; Böttcher, ZVG, 3. Aufl., §§ 57-57d, Rdnr. 12; jeweils m.w.N.). Dabei muss dem Ersteher grundsätzlich Gelegenheit eingeräumt werden, die Sach- und Rechtslage zu überprüfen, sich über Umstände zu informieren, die für oder gegen ein Verbleiben des Mieters sprechen, und die interne Willensbildung im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes durchzuführen (Senat Urteil vom 26.06.1986, Rechtspfleger 1987, 513). Das gilt insbesondere dann, wenn der Zuschlag - wie hier (26.03.1999) - unmittelbar vor dem Beginn des rechnerisch ersten zulässigen Termins für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts erfolgt. Der Begriff des ersten zulässigen Termins darf daher nicht zu überspannten Anforderungen führen. Es ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls derjenige Termin, für den die Kündigung dem Ersteher ohne vorwerfbares Zögern möglich ist (vgl. RGZ 98, 273, 275; Zeller/Stöber, a.a.O.).
12Bei Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die auf § 57a ZVG gestützte Kündigung des Klägers vom 14.04.1999 nicht als verspätet dar. Selbst nach dem Vorbringen der Beklagten hatte der Verwalter des erstandenen Hausgrundstücks den Kläger erst am 06.04.1999 über das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu 1) einschließlich der Mietkürzungen informiert. In diesem Besprechungstermin soll - nach Darstellung der Beklagten - nicht einmal der schriftliche Mietvertrag mit den Zusatzvereinbarungen übergeben worden sein. Es kann dahinstehen, ob und wann der schriftliche Mietvertrag dem Kläger nachfolgend von dem Verwalter übergeben wurde. Denn nach dem beiderseitigen Vorbringen war dies jedenfalls nicht vor dem 06.04.1999 der Fall. In diesem Zusammenhang kann ebenfalls offen bleiben, ob der Beklagte zu 1), wie die Beklagten nunmehr geltend machen, dem Kläger bereits am 28. oder 29.03.1999 eine Kopie des in seinem Besitz befindlichen Mietvertragsexemplars übergeben hat. Maßgebend für den Entscheidungsprozess des Erstehers, ob er von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen will, sind zuverlässige Informationen über den Vermietungsstand des ersteigerten Grundstücks. Verlässliche Informationen wird der Ersteher aber in der Regel nur von dem Voreigentümer oder - wie hier - dessen Verwalter erlangen können. Auf Auskünfte der Mieter oder ihm von diesen überlassenen Unterlagen, die als Kopien ohnehin manipulierbar sind, muss er sich nicht verweisen lassen. Die danach maßgebenden Informationen durch den Verwalter hat der Kläger frühestens am 06.04.1999 erhalten. Eine Entscheidung über die Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts noch am gleichen Tage konnte von ihm angesichts der unklaren Sach- und Rechtslage nicht erwartet werden.
13Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gestaltete sich schon deshalb als schwierig, weil der Beklagte zu 1) in der Zusatzvereinbarung zu § 21 des Mietvertrages die Verpflichtung übernommen hatte, den ihm bekannten "Renovierungs- und Reparaturstau" im Bereich der hinteren Halle des Mietobjekts auf eigene Rechnung zu beseitigen (Bl. 11 GA), er die Undichtigkeit des Flachdachs der Halle indes in der Folge gleichwohl zum Anlass nahm, die Miete von 6.300 DM auf 1.590 DM monatlich zu mindern. Ob dies gerechtfertigt oder der Beklagte zu 1) nur leistungsunwillig war, konnte der Kläger nach den Unterlagen - soweit sie ihm überhaupt vollständig überlassen wurden - nicht ohne weiteres beurteilen. Denn eine weitere Vereinbarung vom 29.05.1998 zwischen der Voreigentümerin und dem Beklagten zu 1) (Bl. 16 GA) enthält unter den Unterschriften den Zusatz, dass der Vermieter das Flachdach der Halle abdichten werde. Hiervon ausgehend kann es dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen, wenn er vor der Entschließung über die Ausübung des Sonderkündigungsrechts die Absprachen aufklären und vor allem rechtskundigen Rat einholen wollte. Dass dies abschließend nicht am 06.04.1999 durchführbar war, liegt auf der Hand.
142. Der erste zulässige Termin im Sinne des § 57a ZVG für die außerordentliche Kündigung nach § 565 Abs. 1a BGB war folglich der 3. Werktag im Juli 1999. Dieser Termin ist mit der Kündigung vom 14.04.1999 gewahrt. Die zu frühe Angabe des Endtermins (30.06.1999) ist unschädlich. Wird ein zu früher Endtermin angegeben, endet das Mietverhältnis regelmäßig zu dem gesetzlich vorgesehenen Termin, hier gemäß § 565 Abs. 1a BGB also dem 31.12.1999. Anhaltspunkte dafür, der spätere Termin sei für den Kläger als Ersteher ohne Interesse, sind nicht vorgetragen (vgl. hierzu: BGH NJW-RR 1996, 144).
153. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung untergegangen. Denn die Räumung und Herausgabe des Grundstücks an den Kläger erfolgte im Wege der Zwangsvollstreckung. Bei einer Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil tritt indes ohne Hinzutreten weiterer - hier nicht vorliegender - Umstände keine Erfüllung ein (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 362 Rdnr. 12 m.w.N.).
16II.
17Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
18Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
19Streitwert für das Berufungsverfahren: 38.653,67 EUR (= 75.600 DM).
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