Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 44/01
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 6.12.2001 (VK 1/01 bis 8/01 Vs) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Antragstellerinnen in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antrag-stellerinnen im Beschwerdeverfahren notwendig.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 10.000 Euro
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I. Der Antragsgegnerin (zugleich Vergabestelle) ist im Nachprüfungsverfahren durch Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 9.3.2001 (VK 1/01 bis VK 8/01) im Wesentlichen aufgegeben worden, bestimmte Verkehrsdienstleistungen, die seinerzeit von den Antragstellerinnen zu 1 sowie zu 3 bis 6 und zu 7 des Nachprüfungsverfahrens erbracht wurden, nicht ohne ein Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu vergeben. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin sowie die Anschlussbeschwerden der (meisten der insgesamt acht) Antragstellerinnen hat der Senat die Antragsgegnerin unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel und Nachprüfungsanträge durch Beschluss vom 8.5.2002 (Az. Verg 8 bis 15/01) verpflichtet, Verkehrsdienstleistungen, die in der Zeit zwischen dem 8.1.2001 und 31.5.2001 von den Antragstellerinnen zu 1, 2, 3, 4 und 7 tatsächlich erbracht worden sind, nicht ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu vergeben. Die Entscheidung der Vergabekammer erwies sich damit als überwiegend richtig.
3Nach Zustellung des Beschlusses der Vergabekammer vom 9.3.2001 an die Antragsgegnerin (und während des zweitinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens) haben die Antragstellerinnen des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens (zugleich Antragstellerinnen zu 4 und 7 des Nachprüfungsverfahrens) die Vollstreckung aus diesem Beschluss beantragt und dies damit begründet, die Antragsgegnerin habe zwischenzeitlich entgegen dem Tenor der Entscheidung der Vergabekammer verschiedene Aufträge für Verkehrsdienstleistungen, die Gegenstand der vorbezeichneten Entscheidung gewesen seien, vergeben, ohne dass eine Ausschreibung (und zwar durch vorherigen öffentlichen Aufruf zum Wettbewerb) gemäß den Vorschriften des 4. Teils des GWB durchgeführt worden sei. Im Beschwerderechtszug des Nachprüfungsverfahrens ist in Bezug auf diesen Vortrag, der bereits Gegenstand jenes Nachprüfungsverfahrens war, festgestellt worden:
4Im zweiten Quartal des Jahres 2001 und nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer vom 9.3.2001 schloss die Antragsgegnerin mit den Antragstellerinnen zu 1 und 2 des Nachprüfungsverfahrens (Autobus S. GmbH und K. O. GmbH & Co. KG), die die mit ihnen bestehenden Beförderungsverträge wirksam zum 31.5.2001 gekündigt hatten, neue Beförderungsverträge ab. Im selben Zeitraum nahm die Antragsgegnerin am Altvertrag der Antragstellerin zu 3 (H. Reisen F. K. GmbH & Co. KG) im Zusammenwirken mit dieser Änderungen vor, die bei wertender Betrachtung einer Neuvergabe gleich kamen. Die Neuabschlüsse und die Vertragsänderung betrafen den Zeitraum von Juni 2001 bis Dezember 2002. Mit der Antragstellerin zu 4 (F.-R. GmbH& Co. KG, zugleich Antragstellerin zu 1 im vorliegenden Verfahren) und der Antragstellerin zu 7 (K.-R. GmbH & Co. KG, zugleich Antragstellerin zu 2 im vorliegenden Verfahren), die die mit ihnen unterhaltenen Beförderungsverträge ebenfalls wirksam zum 31.5.2001 gekündigt hatten, verhandelte die Antragsgegnerin zwar; jedoch kam es zu keiner Einigung über eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen. Die bislang von den Antragstellerinnen zu 4 und 7 ausgeführten Verkehrsdienstleistungen schlug die Antragsgegnerin anderen Busunternehmen (u.a. der Antragstellerin zu 1 des Nachprüfungsverfahrens) zu; zum Teil übernahm die Antragsgegnerin diese auch selbst (siehe hierzu den Senatsbeschluss vom 8.5.2002, Beschlussabdruck S. 19 ff.).
5Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin - um diese zur Befolgung ihres Beschlusses vom 9.3.2001 anzuhalten - für jeden Fall einer weiteren Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 1.000 DM angedroht. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, die Antragsgegnerin habe ihren Verpflichtungen aus dem Beschluss vom 9.3.2001 zuwider gehandelt. Sie habe im Vollstreckungsverfahren eingeräumt, zumindest solche Verkehrsdienstleistungen, die zuvor von den Antragstellerinnen dieses Verfahrens erbracht worden waren, im Wege neuer Verträge auf andere Busunternehmen verteilt zu haben.
6Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde beantragt die Antragsgegnerin,
7- den Beschluss der Vergabekammer vom 6.12.2001 aufzuheben;
- die Vollstreckungsanträge der Antragstellerinnen zurückzuweisen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
9die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
10Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
11II. Die gemäß § 116 Abs. 1 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
12Die Androhung eines Zwangsgeldes durch die Vergabekammer und die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sind nicht zu beanstanden.
131. Die Vollstreckungsanträge sind zulässig. Die Antragsgegnerin spricht den Antragstellerinnen wegen des Umstands, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "XYZ" deren Gesellschafter unter anderem die Antragstellerinnen des Vollstreckungsverfahrens sind, sich mit einem Angebotsschreiben vom 10.7.2002 an sie gewandt und - gegebenenfalls außerhalb eines Vergabeverfahrens - um eine Auftragsvergabe bei den Busverkehrsleistungen, welche Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, geworben habe, zu Unrecht die vergaberechtliche Eignung ab (§ 97 Abs. 4 GWB), mit der Folge, dass ihre Vollstreckungsanträge als unzulässig zu bewerten seien. Zwar kann grundsätzlich der dahinter stehenden Überlegung der Antragsgegnerin zugestimmt werden, dass einem Bieter, der sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen als zur Ausführung öffentlicher Aufträge ungeeignet erwiesen hat, kein prozessual schutzwürdiges Interesse daran zukommt, die in einem Nachprüfungsverfahren ausgesprochene Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, Aufträge in einem mit den Vorschriften des Vergaberechts im Einklang stehenden Verfahren zu vergeben, im Vollstreckungsweg durchzusetzen, wenn der diesbezügliche Vollstreckungsantrag gerade auch ihm, dem ungeeigneten Bieter, den Zugang zu dieser Auftragsvergabe gewährleisten soll. Das genannte Schreiben der XYZ GbR gibt hiervon ausgehend für nachteilige Schlussfolgerungen auf die vergaberechtliche Eignung der Antragstellerinnen jedoch nichts her. Mit diesem Schreiben teilte die XYZ GbR der Antragsgegnerin unter anderem mit (Anl. Vs 3):
14"Wir gehen in Anbetracht der Tatsache, dass das Urteil (Bemerkung: Gemeint ist der Beschluss des Senats vom 8.5.2002, Az. Verg 8 - 15/01) schon seit mehr als sechs Wochen zugestellt ist, davon aus, dass Sie die Ausschreibung durch Veröffentlichung der erforderlichen Bekanntmachung schon begonnen haben. Obwohl uns die Bekanntmachung konkret nicht vorliegt, erlauben wir uns, Ihnen unser Angebot zukommen zu lassen."
15Diese Ausführungen lassen ersehen, dass die Antragstellerinnen durch Unterbreiten des Angebots vom 10.7.2002 allein Vorsorge dagegen treffen wollten, dass die Antragsgegnerin - mit oder ohne vorherigen öffentlichen Aufruf zum Wettbewerb - Busverkehrsleistungen im Verhandlungsverfahren vergab, ohne dass sie selbst Gelegenheit hatten, sich um eine Teilnahme am Vergabeverfahren erfolgreich zu bewerben. Die Antragstellerinnen wollten sicher stellen, dass vor einer Auftragsvergabe in jedem Fall ihr Interesse an einer Beauftragung durch ein entsprechendes Angebot dokumentiert war. Hiergegen ist ebenso wenig etwas einzuwenden wie gegen die im Angebotsschreiben vom 10.7.2002 erklärte Bereitschaft der Antragstellerinnen, "für den Fall einer erfolgreichen Verhandlung ihren Vollstreckungsantrag ... zurückzunehmen". Denn es lag auf der Hand, dass das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerinnen an der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens entfiel, möglicherweise sogar eine Erledigung der Hauptsache dieses Verfahrens eintrat, wenn sie bei einer künftigen Auftragsvergabe berücksichtigt wurden. Weder hieraus noch aus dem Angebotsschreiben vom 10.7.2002 insgesamt lässt sich ableiten, die Antragstellerinnen hätten die Antragsgegnerin dadurch zu einer (erneuten) Verletzung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren bewegen wollen.
162. In der Sache wendet die Antragsgegnerin gegen den angefochtenen Beschluss ohne Erfolg ein, die Vollstreckungsanträge der Antragstellerinnen hätten kraft gesetzlicher Anordnung in § 116 Abs. 2, 2. Halbsatz GWB "an sich" schon als abgelehnt zu gelten, da die Vergabekammer hierüber nicht innerhalb der Fünf-Wochen-Frist des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB entschieden habe. Die Geltung des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB ist auf das Nachprüfungsverfahren im Sinne der §§ 102 ff. GWB beschränkt. Diese Bestimmung dient allein der Beschleunigung des Nachprüfungsverfahrens. Die gesetzliche Folge der Ablehnung trifft im Verletzungsfall deshalb allein den Nachprüfungsantrag des Antragstellers. Es ist nicht zu rechtfertigen, die genannten Vorschriften, die besondere Regelungen nur für das Nachprüfungsverfahren treffen, auch in anderen Verfahren, die - wie das Vollstreckungsverfahren - aus einem Nachprüfungsverfahren lediglich hervorgehen, anzuwenden.
173. Gemäß § 114 Abs. 3 Satz 2 GWB richtet sich die Vollstreckung der Entscheidungen der Vergabekammer - und zwar auch die Vollstreckung gegen den Auftraggeber - nach den Verwaltungvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder, im vorliegenden Fall nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NW). Gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NW kann der Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Die Vergabekammer hat zutreffend entschieden, dass im Streitfall die Vollstreckung nach der zweiten Alternative von § 55 Abs. 1, 2. Halbsatz, VwVG NW eröffnet ist. Denn die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den mit der Rechtsqualität eines Verwaltungsakts (vgl. § 114 Abs. 3 Satz 1 GWB) ausgestatteten Beschluss der Vergabekammer vom 9.3.2001, der die Vollstreckungsgrundlage bildet, hatte im Hinblick auf die andauernde Zuschlagssperre (§ 115 Abs. 1 GWB) keine aufschiebende Wirkung. Das ergibt sich aus § 118 Abs. 3 Satz 1 GWB, der bestimmt, dass der Zuschlag unterbleibt, wenn die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben hat, solange nicht das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vergabekammer nach § 121 oder § 123 GWB aufhebt. Der den Nachprüfungsanträgen der Antragstellerinnen des Nachprüfungsverfahrens im Wesentlichen stattgebende Beschluss der Vergabekammer vom 9.3.2001 untersagte der Antragsgegnerin der Sache nach die Erteilung eines Zuschlags. Der Untersagungsfall war in den Aussprüchen dieses Beschlusses dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegnerin (Vergabestelle) aufgegeben worden war, bestimmte und von den Antragstellerinnen des Nachprüfungsverfahrens bisher erbrachte Verkehrsdienstleistungen nicht ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften des 4. Teils des GWB zu vergeben. Mit anderen Worten ausgedrückt war der Antragsgegnerin eine Zuschlagserteilung ohne ein solches Vergabeverfahren verboten. Dies geht ohne weiteres aus dem Tenor und der Begründung des Beschlusses der Vergabekammer vom 9.3.2001 hervor.
18Die gegen diese Auslegung gerichteten und mit der sofortigen Beschwerde von der Antragsgegnerin erhobenen Gegenvorstellungen treffen nicht zu. Die von der Antragsgegnerin beklagte "Rechtlosigkeit des Rechtsmittelführers" (im vorliegenden Fall ihrer eigenen Person) besteht in dieser Form nicht, da dem Antragsgegner gegen die Untersagung des Zuschlags möglich bleibt, ungeachtet der darin liegenden Risiken (vgl. § 122 GWB) die Gestattung des Zuschlags gemäß § 121 GWB beim Beschwerdegericht zu beantragen. Die mit der Entscheidung der Vergabekammer im Übrigen verbundene (und bis zu einer even-tuellen Aufhebung dieser Entscheidung vorübergehende) Einschränkung der Rechtsposition des Antragsgegners oder Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren ist vom Gesetz zu dem Zweck gewollt, das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB und den Primärrechtsschutz der Bieter wirkungsvoll durchzusetzen; sie ist daher hinzunehmen.
19Die Antragsgegnerin erkennt insoweit ferner zu Unrecht eine Widersprüchlichkeit zu der Vorschrift des § 63 Abs. 2 Satz 2 VwVG NW. § 63 Abs. 2 VwVG NW bestimmt:
201Die Androhung (Zusatz: eines Zwangsmittels) kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. 2Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
21Aus dem Umstand, dass die Vergabekammer ihrer Entscheidung vom 9.3.2001 die Androhung eines Zwangsmittels tatsächlich nicht beigefügt hat, ist indes nicht zu folgern, dem gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsmittel der Antragsgegnerin komme im Rechtssinn eine aufschiebende Wirkung zu. Die mit dem Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 63 Abs. 2 Satz 2 VwVG NW im Regelfall zu verbindende ("soll") Zwangsmittelandrohung kann aus vielerlei Gründen unterbleiben (zum Beispiel namentlich deshalb, weil nach den Umständen zu erwarten ist, der öffentliche Auftraggeber werde die an ihn gerichtete Anordnung befolgen). Die bloße Tatsache, dass im vorliegenden Fall mit dem Verwaltungsakt ein Zwangsmittel nicht angedroht worden ist, ist demgegenüber nicht geeignet, die Rechtswirkung einer aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin hervorzubringen.
22Schließlich ist der Antragsgegnerin auch nicht darin beizupflichten, dass Absatz 3 des § 118 GWB gar nicht anzuwenden sei auf den Fall des § 118 Abs. 1 GWB, der Anwendungsbereich des Absatzes 3 hierdurch vielmehr "über Gebühr" ausgedehnt würde. § 118 Abs. 3 GWB ordnet - und zwar im Sinne einer an Stelle der grundsätzlichen Regelung in § 118 Abs. 1 Satz 1 GWB anzuwendenden Sonderbestimmung - unmittelbar an, dass - sofern die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben hat - der Zuschlag unterbleibt (vgl. auch Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, § 118 GWB Rn. 819). Dieses Verbot hält so lange an, wie die Entscheidung der Vergabekammer nicht nach § 121 oder § 123 GWB aufgehoben wird. Der Bieter, der in einem Nachprüfungsverfahren in erster Instanz obsiegt hat, wird entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin vor einem gleichwohl erteilten Zuschlag aber nicht ausschließlich durch das gesetzliche Verbot des § 134 BGB (in Verbindung mit § 115 Abs. 1 GWB) geschützt. Der durch § 118 Abs. 3 GWB festgelegten Dauer des Zuschlagsverbots entspricht aus Gründen eines effektiven Primärrechtsschutzes in prozessualer Hinsicht vielmehr die Verneinung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde, mit der sich der Antragsgegner/Auftraggeber gegen die dem Nachprüfungsantrag stattgebende Entscheidung der Vergabekammer wendet. Die von der Antragsgegnerin vertretene Gegenauffassung verkürzt den Rechtsschutz für die Bieter. Sie ist außerdem unökonomisch und erbringt keinen sachlichen Vorteil für die Auftragsvergabe, da einer wirksamen Zuschlagserteilung ohnedies das Verbot des § 134 BGB entgegen steht.
234. Die Antragsgegnerin hat dem Beschluss der Vergabekammer vom 9.3.2001 - nachdem dieser ihr zugestellt worden war - zuwidergehandelt. Sie hat nämlich die im tatbestandlichen Teil dieses Beschlusses dargestellten Neuabschlüsse getätigt sowie Vertragsänderungen vorgenommen. Hierdurch hat die Antragsgegnerin gegen das durch die Entscheidung der Vergabekammer angeordnete Zuschlagsverbot verstoßen und Veranlassung zur Androhung des Zwangsmittels gegeben. Die Untersagung des Zuschlags hat der Sache nach - auch heute noch - Bestand. Denn der Senat hat - ohne eine Vorabentscheidung über den Zuschlag nach § 121 GWB getroffen zu haben - in seiner Beschwerdeentscheidung vom 8.5.2002, die insoweit prozessual in die Funktion der Entscheidung der Vergabekammer eingetreten und an deren Stelle getreten ist, die Vergaberechtswidrigkeit einer Auftragsvergabe von Verkehrsdienstleistungen ohne vorherigen öffentlichen Aufruf zum Wettbewerb ausgesprochen, soweit dies solche Verkehrsdienstleistungen betrifft, die in der Zeit zwischen dem 8.1.2001 und dem 31.5.2001 von den Antragstellerinnen zu 1, 2, 3, 4 und 7 des Nachprüfungsverfahrens erbracht worden sind. In Folge dessen war der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu 1 (Antragstellerin zu 4 des Nachprüfungsverfahrens) in Bezug auf die von den Antragstellerinnen zu 1, 2, 3 und 7 durchgeführten Verkehrsdienstleistungen letztlich begründet. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu 2 (Antragstellerin zu 7 des Nachprüfungsverfahrens) hatte in Bezug auf die bislang von den Antragstellerinnen zu 1, 2, 3 und 4 erbrachten Verkehrsdienstleistungen Erfolg (siehe den Abdruck der Senatsentscheidung vom 8.5.2002, S. 48, 57; 54, 57). Damit kann die Androhung des Zwangsmittels nach wie vor die ihr nach dem Gesetz zugedachte Aufgabe erfüllen, den Pflichtigen - in diesem Fall die Antragsgegnerin - zu veranlassen, den mit der Entscheidung der Vergabekammer vom 9.3.2001 getroffenen Anordnungen nachzukommen.
24Die Vollstreckungsanträge der Antragstellerinnen sind lediglich insoweit unbegründet, als sie auch die bislang von ihnen selbst erbrachten Verkehrsdienstleistungen zum Gegenstand haben. Insofern blieben die Nachprüfungsanträge der Antragstellerinnen nach der Beschwerdeentscheidung des Senats im Nachprüfungsverfahren ohne Erfolg (siehe den Abdruck des Senatsbeschlusses vom 8.5.2002, S. 34 f., 47 f., 54). Die Antragstellerinnen haben deswegen - soweit es die jeweils von ihnen selbst bisher erbrachten Verkehrsdienstleistungen anbelangt - auch keinen im Wege des Verwaltungszwangs nach den §§ 55 ff. VwVG NW durchsetzbaren Anspruch, dass die Antragsgegnerin die Anordnungen im Beschluss der Vergabekammer befolgt. Ausweislich des Wortlauts ihrer im tatbestandlichen Teil dieses Beschlusses auszugsweise wiedergegebenen Vollstreckungsanträge sind ihre Anträge im vorliegenden Verfahren jedoch nicht auf eine unter Verstoß gegen die von der Vergabekammer im Beschluss vom 9.3. 2001 getroffene Anordnung erfolgte Auftragsvergabe hinsichtlich jener Verkehrsdienstleistungen beschränkt. Die Vollstreckungsanträge der Antragstellerinnen sind umfassend zu verstehen. Sie erstrecken sich auf sämtliche Auftragsvergaben und die Vertragsänderungen, die die Antragsgegnerin unter Verletzung der im Beschluss der Vergabekammer getroffenen Anordnung vorgenommen hat, also auch auf die Verkehrsdienstleistungen, die die Antragstellerinnen zu 1, 2 und 3 des Nachprüfungsverfahrens bislang erbracht haben, sowie - jeweils wechselseitig - auch auf die bisherigen Leistungen der Antragstellerinnen zu 4 und zu 7.
25Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Zuwiderhandlung ohne Erfolg mit dem Argument, die Initiative hierzu sei von den Antragstellerinnen des Nachprüfungsverfahrens selbst ausgegangen. Dieser Umstand ist allenfalls geeignet, den der Antragsgegnerin anzulastenden Verstoß gegen die Entscheidung der Vergabekammer in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Er ändert jedoch nichts an der Tatsache der Zuwiderhandlung selbst, die darin liegt, dass die Antragsgegnerin eine solche Initiative, die zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellt werden kann, jedenfalls aufgegriffen und Aufträge entgegen der Anordnung der Vergabekammer vergeben sowie Verträge geändert hat. Dies hat der Senat bereits in seinem auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren ergangenen Beschluss vom 8.5.2002 entschieden (Beschlussabdruck S. 19 f.). Von einer erneuten Darstellung kann abgesehen werden.
265. Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 DM steht in Übereinstimmung mit den beim Verwaltungszwang nach den §§ 55 ff. VwVG NW zu beachtenden Verfahrensvorschriften, die die Zuständigkeit (§ 56 Abs. 1 VwVG NW), die zulässigen Zwangsmittel (§§ 57 Abs. 1 Nr. 2; 60 VwVG NW), die vorherige Androhung und die Bemessung des Zwangsmittels (§ 60 VwVG NW) sowie die Begründung der Entscheidung betreffen (§§ 61 Abs. 1 Satz 1, 114 Abs. 3 Satz 3 GWB). Die Androhung des Zwangsmittels verletzt auch nicht das Gebot der Verhältnismäßigkeit (§ 58 VwVG NW). Das angedrohte Zwangsgeld unterliegt der Höhe nach keinen Bedenken deswegen, weil die Vollstreckungsanträge der Antragstellerinnen teilweise - soweit diese nämlich mit einer Vergabe der jeweils von ihnen selbst erbrachten Verkehrsdienstleistungen begründet worden sind - gemäß den vorstehenden Ausführungen (unter 4.) erfolglos sind. Das angedrohte Zwangsmittel steht auch unter Berücksichtigung dieses Umstands in keinem unangemessenen Verhältnis zu dem damit bezweckten Erfolg und zu den betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten. Der Höhe nach bewegt sich das Zwangsgeld, welches die Vergabekammer angedroht hat, an der unteren Grenze der in § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NW vorgesehenen Bandbreite. Die Androhung des Zwangsgeldes ist ebenso wenig unter dem von der Antragsgegnerin gerügten Gesichtspunkt als unverhältnismäßig oder aus anderen Gründen - insbesondere wegen Unmöglichkeit eines Erreichens des beabsichtigten Vollstreckungserfolges - als rechtswidrig zu beurteilen, weil - so die Antragsgegnerin - die Vergabekammer mit dem angefochtenen Beschluss das "Vollstreckungsziel" verfolge, sie, die Antragsgegnerin, die fraglichen Verkehrsdienstleistungen mit eigenen betrieblichen Mitteln erbringen zu lassen, was ihr tatsächlich unmöglich sei, mit der Folge, dass sie im Fall einer Befolgung des angefochtenen Beschlusses (und des zugrunde liegenden Beschlusses der Vergabekammer vom 9.3.2001) gegen die ihr nach dem Personenbeförderungsgesetz obliegende Betriebspflicht verstoße. Hierzu ist zu bemerken:
27Die Vergabekammer hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Beschluss keineswegs darauf verwiesen, die Verkehrsdienstleistungen, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens und des Vollstreckungsverfahrens sind, mit eigenen betrieblichen Mitteln zu erbringen. Sie hat - auch um der Annahme eines unzuträglichen Ergebnisses zu begegnen - in ihrem Beschluss lediglich darauf hingewiesen, dass es der Antragsgegnerin nach dem damaligen Sach- und Streit-stand - und zwar auf Grund der eigenen Erklärungen des Geschäftsführers der Antragsgegnerin in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung des Nachprüfungsverfahrens - tatsächlich möglich gewesen sei, die fraglichen Verkehrsdienstleistungen mit eigenen Bussen auszuführen. Ob dies aus heutiger Sicht noch zutrifft, kann auf sich beruhen. Jedenfalls liegt einer derjenigen und in den Vorschriften der VOL/A (Abschnitte 3 und 4 - VOL/A-SKR) beschriebenen Fälle, in denen die Antragsgegnerin die Auftragsvergaben, die die im vorliegenden Verfahren beanstandete Zuwiderhandlung ausmachen, insbesondere aus Dringlichkeitsgründen und zur Aufrechterhaltung eines geordneten öffentliche Personennah- und Schülerverkehrs ohne vorherigen öffentlichen Aufruf zum Wettbewerb hätte vornehmen dürfen, nicht vor oder es ist für die hieran anzulegenden Voraussetzungen von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden. Dies hat der Senat bereits in seinem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 8.5.2002 im einzelnen begründet (Beschlussabdruck S. 40 ff.). Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden, zumal die Antragsgegnerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die eine andere rechtliche Beurteilung gebieten, nicht aufgezeigt hat. Demnach kann auch nicht festgestellt werden, die Antragsgegnerin habe die Verkehrsdienstleistungen, die Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens sind, nicht im Einklang mit den Bestimmungen des Vergaberechts vergeben können. Wie sich die Antragsgegnerin namentlich in künftigen Fällen der Dringlichkeit von Auftragsvergaben vergaberechtmäßig zu verhalten hat, ist im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Äußerungen des Senats dazu sind demnach nicht veranlasst.
286. Die weiteren gegen die Entscheidung der Vergabekammer von der Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachten Einwendungen sind ebenfalls unbegründet. Es kommt nicht darauf an, ob die Vergabe solcher Verkehrsdienstleistungen, mit denen die Antragsgegnerin entgegen den im Beschluss der Vergabekammer vom 9.3.2001 getroffenen Anordnungen andere Busunternehmen beauftragt hat, dem Vergaberechtsregime unterfällt und ob insbesondere die sog. Schwellenwerte erreicht oder überschritten sind. Gleichermaßen unterliegt im Vollstreckungsverfahren keiner Überprüfung, ob der Antragsteller eines solchen Verfahrens im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt ist. Diese Sachentscheidungsvoraussetzungen sind nur im Nachprüfungsverfahren, nicht aber im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen. Soweit sie in erster Instanz bejaht worden sind, konnte dies mit einem Rechtsmittel in der Hauptsache bekämpft werden.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 und 4 GWB.
30Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer Schätzung des wirtschaftlichen Interesses der Antragsgegnerin daran, bei der Vergabe solcher Verkehrsdienstleistungen, die Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens sind, einem Verwaltungszwang nicht ausgesetzt zu sein.
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