Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 9 U 56/02
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Februar 2002 verkün-dete Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts
Düsseldorf (10 O 337/01) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung ge-gen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Erschließungs- und Folgekosten wegen mangelnder Aufklärung unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu erstatten.
3Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 27.08.1993 (3 UR-Nr. ...) von der im September 1911 geborenen Dr. L... S..., der verstorbenen Mutter der Beklagten, das Hausgrundstück in S..., ..., zum Kaufpreis von 500.000 DM. Das Grundstück verfügte über eine Sickergrube; die Stromversorgung erfolgte durch Überlandleitungen. Die vorbeiführende Straße Im Feil hatte zumindest keinen Bürgersteig. Nach dem Vertrag erfolgte die Übergabe des Objektes noch am gleichen Tag, die öffentlichen Lasten und Abgaben sollten den Kläger hingegen erst ab 01.10.1993 treffen. Der Kaufpreis war frühestens am 15.10.1993 fällig. Zu eventuell anfallenden Erschließungskosten enthält der Vertrag keine ausdrückliche Regelung.
41996 begannen Erschließungsmaßnahmen in der Straße .... Dabei wurden auch ein Schmutz- und Regenwasserkanal sowie Stromkabel verlegt und eine neue Fahrbahndecke mit ebenerdigem Bürgersteig geschaffen. Wie inzwischen unstreitig ist, wurde der Kläger durch Bescheide vom 17.09.1997 zur Zahlung einer Vorausleistung auf die Erschließungsbeiträge gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Höhe von 42.828,75 DM sowie zur Zahlung von 16.179,75 DM für die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen gemäß § 10 Kommunalabgabengesetz herangezogen. Zuvor war dem Kläger bereits mit Schreiben vom 02.07.1997 der Gemeinde S... mitgeteilt worden, dass ab Mitte Juli 1997 die neuen Entwässerungsanlagen betriebsbereit seien und er deshalb sein Grundstück anschließen müsse. Dadurch sind ihm weitere Kosten entstanden. Die Widersprüche gegen die Beitragsbescheide blieben erfolglos. Eine Klage gegen das Land B...-... wegen Verletzung der Aufklärungspflichten durch den Notar über das Entstehen von Erschließungsbeiträgen wurde durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.03.2001 (2 O 328/00) abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 839 BGB wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nicht vorlägen. Das Berufungsverfahren ist gemäß § 148 ZPO mit Rücksicht auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt.
5Bereits mit Schreiben vom 17.02.1997 hatte sich der Kläger an die Mutter der Beklagten gewandt und geltend gemacht, sie habe ihn nicht auf die künftigen Erschließungskosten hingewiesen. Frau Dr. S... antwortete ihm seinerzeit unter dem 25.02.1997 und wies auf ihre Erkrankungen hin, weshalb sich ihr Schwiegersohn, der Ehemann der Beklagten, mit ihm in Verbindung setzen werde. Dies geschah auch; der Ehemann der Beklagten wies jedoch Ansprüche des Klägers zurück.
6Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, die Stadt S... habe von ihm Erschließungsbeiträge in Höhe von 104.500 DM gefordert. Durch diese Beitragsbescheide sei er völlig überrascht worden, da die Verkäuferin ihm verschwiegen habe, dass die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1993 bereits durchgeführten Erschließungsmaßnahmen noch nicht abgerechnet wären und seitens der Gemeinde S... sogar beabsichtigt sei, weitere kostenaufwendige Erschließungsanlagen zu errichten. Der Umstand, dass die Eigentümer noch zu Erschließungsbeiträgen herangezogen würden, sei sämtlichen Eigentümern der betreffenden Grundstücke einschließlich der Beklagten bereits seit ca. 20 Jahren bekannt gewesen. Bereits Mitte der 70er Jahre hätte das Bürgermeisteramt sämtliche Eigentümer darauf hingewiesen, dass sie zu Erschließungsbeiträgen herangezogen würden. Im Zeitpunkt der Kaufvertragsverhandlungen 1993 seien die Erschließungsanlagen bereits überwiegend und längst fertiggestellt gewesen. Er habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass diese auch bereits abgerechnet und bezahlt seien. Frau Dr. S.... sei über alle Umstände betreffend die Erschließungsmaßnahmen informiert gewesen, was sich schon daraus ergebe, dass sie über die Bescheinigung vom 19.11.1964 verfügt habe, die sie ihm zusammen mit ihrem Antwortschreiben vom 25.02.1997 sofort übersandt habe. Bereits im Jahre 1971 sei der Bebauungsplan "W..." in Kraft getreten, der über die Erschließung der Grundstücke Auskunft gegeben habe. Dieser sei mehrmals, so 1977 und 1994, abgeändert worden. In sämtlichen Änderungen sei die Erschließung der hier fraglichen Grundstücke aber vorgesehen gewesen. Die Mutter der Beklagten habe wenige Jahre vor dem Kaufvertrag dem Nachbarn B... ihr Haus für 400.000 DM angeboten, weil sie bei dem zu erwartenden Baulärm durch Erschließungsmaßnahmen lieber nach B...-... habe ziehen wollen. Sie habe letztendlich nur deshalb an ihn verkauft, weil sie in Kürze mit Baumaßnahmen gerechnet habe. Anlässlich des 80. Geburtstages (08.09.1991) habe der Bürgermeister M... Frau Dr. S... erklärt, "die Erschließung stehe unmittelbar bevor". Auch habe Frau Dr. S... die Zeugen B... einmal von der Straße gejagt, damit diese Kaufinteressenten nichts über die Erschließungskosten sagen könnten. Während der Kaufvertragsverhandlungen mit ihm sei sich die Verkäuferin sehr wohl darüber bewusst gewesen, dass die Erschließungsbeiträge in Kürze erhoben würden.
7Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.12.2001 - unter Ankündigung neuer Anträge - eingeräumt, dass bisher wesentlich geringere Kosten, nämlich maximal in Höhe von 74.983,50 DM, angefallen seien, das Bürgermeisteramt aber angedeutet habe, auf ihn kämen weitere Kosten in Höhe von ca. 30.000 DM zu. Es sei zwar richtig, dass mit den Beitragsbescheiden überwiegend Arbeiten aus dem Jahre 1996 abgerechnet worden seien. Allerdings wären mit dieser Vorausleistung auch diejenigen Kosten abgerechnet worden, die auf die Herstellung des ursprünglichen Straßenbelags und der Beleuchtung - wie vor 1993 vorhanden - entfallen seien.
8Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 104.500 DM nebst 5 % Zinsen hieraus nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 23.05.2001 zu zahlen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat behauptet, ihre Mutter habe sich nie um die Planung und Erschließungsvorhaben der Gemeinde gekümmert, weshalb ihr insbesondere auch nicht der Bebauungsplan von 1971 bekannt gewesen sei. Bei Abschluss des Kaufvertrages habe die Mutter jedenfalls nicht an die Erschließung gedacht. Es sei im übrigen so gewesen, dass der Kläger im Rahmen der Verkaufsverhandlungen mit der Verstorbenen, worüber diese ihnen berichtet habe, selbst angegeben habe, sich bei den zuständigen Ämtern zu erkundigen, weil er beabsichtige, für seine "Autosammlung" die Garage zu erweitern. Die Erschließung, derentwegen die Bescheide gegen den Kläger ergangen seien, beruhten auf dem 1994 beschlossenen Bebauungsplan. Die dort vorgesehenen Maßnahmen seien nicht mit dem Bebauungsplan von 1971 identisch. Dementsprechend seien vom Kläger auch nur Kosten für die neue Erstellung und nicht für die vorausgegangene Zeit abgerechnet worden. Die früher vorhandene Straße sei nur notdürftig geteert und beleuchtet gewesen; das gesamte umliegende Gebiet sei auch seinerzeit noch nicht erschlossen gewesen. Der Verkauf des Grundstückes sei 1993 lediglich aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, weil die 82jährige Erblasserin wegen besserer Betreuungs- und Versorgungsmöglichkeiten ihren Wohnsitz nach Baden-Baden habe verlegen wollen. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung von 1964 habe die Erblasserin diesem 1997 nicht übersandt. Sie müsse vielmehr in einem Ordner enthalten gewesen sein, den die Mutter dem Kläger vor Verkauf überreicht habe. Dem Kläger sei im übrigen auch kein Schaden entstanden, weil der jetzige Verkehrswert des Grundstückes wesentlich höher liege als der Verkaufspreis. Durch die Erschließung habe das Grundstück eine zusätzliche Wertsteigerung erfahren.
13Durch Urteil vom 05.02.2002 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil es der Auffassung war, eine Aufklärungspflicht, welche die Verstorbene hätte verletzen können, habe nicht bestanden.
14Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, dass es "beachtlich" sei, dass das Landgericht eine Aufklärungspflicht abgelehnt habe. Bei identischem Sachverhalt habe das Landgericht Karlsruhe jedenfalls eine Aufklärungspflicht bejaht. Das Landgericht Düsseldorf habe den Regelausnahmemechanismus der Aufklärungspflicht bei Kaufgeschäften verkannt. Allenfalls hätte das Landgericht prüfen dürfen, ob ausnahmsweise keine Aufklärungspflicht zu Lasten der Verkäuferin bestanden habe. Es habe aber ein Informationsgefälle bestanden, dass die Verkäuferin im vorliegenden Falle auf jeden Fall zur Aufklärung gezwungen hätte. Die Verkäuferin habe nämlich Kenntnis von einem Umstand gehabt, bei dessen Kenntnis er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass er sich selbst über die Grundstückssituation habe informieren können. Bei dem Bestehen eines Informationsgefälles müsse sich der Käufer nicht selbst Kenntnis verschaffen. Im Gegensatz zur Erblasserin habe er nichts von dem Bebauungsplan gewusst. 1993 habe die Landschaft auch nicht darauf hingedeutet, dass die Erschließung unmittelbar bevorstehe.
15Der Kläger beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.338,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 23.05.2001 zu zahlen
17sowie die Beklagte zu verurteilen, ihn von sämtlichen weiteren Erschließungsbeitragskosten freizustellen, welche gegenüber ihm von der Gemeinde S... im Zusammenhang mit den Erschließungsmaßnahmen in W..., Baugebiet Im Feil und Erlenhain in Rechnung gestellt und per Bescheid festgesetzt werden.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie trägt vor, dem Landgericht Karlsruhe habe seinerzeit ein anderer Sachverhalt zur Entscheidung aufgrund des Vorbringens des Klägers vorgelegen. Abgesehen davon hätten die Parteien mit § 5 des notariellen Kaufvertrages eine individuelle Regelung über die Tragung der öffentlichen Lasten und damit auch der Erschließungsbeiträge vereinbart. Es sei Sache des Klägers gewesen, sich vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages mit der Gemeinde S... über die baurechtliche Situation in Verbindung zu setzen. Dies habe der Kläger der Erblasserin auch während der Vertragsverhandlungen angekündigt. Frau Dr. S... habe weder etwas von den Bebauungsplänen aus den Jahren 1971 und 1977 gewusst, noch hätten diese Pläne etwas mit dem für die hier in Rede stehenden und auf dem Bebauungsplan von 1994 basierenden Erschließungsmaßnahmen zu tun.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gegenseitigen Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die Berufung hat keinen Erfolg.
24Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
251. Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß dem § 463 BGB a.F., §§ 1922,1967 BGB gegen die Beklagte wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels des Kaufgrundstückes zu. Ein Mangel läßt sich nicht feststellen. Zwar hat der im Rahmen der Klagebegründung ausgeführt, er sei davon ausgegangen, dass im Kaufpreis auch die Erschließungskosten enthalten wären. Ebenso hat er in seiner Widerspruchsbegründung gegen die Beitragsbescheide angegeben, er sei beim Erwerb des Hausanwesens davon ausgegangen, dass das Grundstück voll erschlossen sei. Das reicht jedoch nicht, um eine bestimmte Beschaffenheitsangabe anzunehmen, die das Grundstück nicht erfüllt. Denn unstreitig wusste der Kläger , dass das Grundstück über eine Sickergrube verfügte und die Stromversorgung durch Überlandleitungen mit Dachanschluss erfolgte. Im modernen Sinne war das Grundstück daher nicht "voll erschlossen". Da ansonsten über die Erschließung des Grundstückes unstreitig während der Vertragsverhandlungen nicht weiter gesprochen wurde, kann das Fehlen u.a. des Kanalanschlusses nicht als Mangel des Grundstückes angesehen werden.
262. Dem Kläger steht gegen die Beklagte als Erbin auch kein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu. Es lässt sich weder feststellen, dass die Verkäuferin ihm verschwiegen habe, dass bereits durchgeführte Erschließungsmaßnahmen nicht abgerechnet wären, noch, dass die Verkäuferin verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, die Gemeinde S... beabsichtige, weitere kostenaufwendige Erschließungsanlagen zu errichten.
27Eine allgemeine Aufklärungsverpflichtung besteht bei Individualgeschäften, bei denen die Vertragspartner gegensätzliche Interessen verfolgen, im allgemeinen nicht; es kann nicht ohne weiteres erwartet werden, dass der besser informierte Vertragspartner ungefragt alle ihm bekannten Tatsachen, die für den konkreten Vertragsabschluss von Bedeutung sein könnten, offenbart. Gleichwohl kann sich im Einzelfall aus dem auch das Kaufrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben die Verpflichtung des einen Vertragspartners ergeben, dem anderen Mitteilung von Tatsachen zu machen, die für dessen Entschluss offensichtlich von Bedeutung sind. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht daher die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (vgl. BGH NJW 2001, 2021; NJW-RR 1988, 348, 350). Die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sich ergebende Pflicht des Verkäufers zur Aufklärung hängt in ihrem Umfang allerdings von der Möglichkeit und der Fähigkeit des Käufers zur Prüfung ab (vgl. BGH NJW 1971, 1795, 1799).
28a) Ob der Verkäufer daran gemessen grundsätzlich über den Umstand, dass bereits seit Jahren fertiggestellte Erschließungsanlagen noch nicht abgerechnet sind, aufklären muss (vgl. dazu BGH NJW 1994, 76, 77), braucht vorliegend nicht entschieden werden, denn der Kläger macht mit seiner Zahlungsklage nur solche Kosten geltend, die mit den im Jahre 1996 begonnenen Erschließungsmaßnahmen in Zusammenhang stehen und nicht mit bereits vor 1993 bautechnisch fertiggestellten Erschließungsanlagen.
29Der Beitragsbescheid über die Erschließungsmaßnahmen im engeren Sinne über die Vorauszahlung in Höhe von 42.828,75 DM hebt ausdrücklich hervor, dass es sich um Maßnahmen handelt, die 1996 begonnen wurden. Bezüglich dieses Beitrages konnte daher der Kläger nicht schon 1993 in dem Sinne aufgeklärt werden, dass Maßnahmen durchgeführt, aber noch nicht abgerechnet und damit unweigerlich auf den Kläger zukämen. Dass in diesem Bescheid von 1997 dennoch der Aufwand früherer Maßnahmen zwingend mit einbezogen sein müsste, ist eine durch nichts belegte Spekulation des Klägers. Im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid hat er jedenfalls diesbezüglich keine Rüge erhoben. Dies hätte aber nahe gelegen, denn abrechnungsfähig ist für die Gemeinde nur der Aufwand, der bei "erstmaliger" Herstellung der Erschließungsanlage anfällt (§ 128 Abs. 1 BauGB). Erweiterungen oder Verbesserungen vorhandener oder sonst endgültig hergestellter Erschließungsanlagen können nicht ohne weiteres nochmals abgerechnet werden (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, § 128 BauGB, Rdnr. 26). Im Widerspruchsbescheid des Landratsamtes R... ist sogar ausdrücklich festgehalten, dass mit Planung und Ausbau dieser Erschließungsanlage 1996 begonnen wurde. Es hätte daher zumindest der näheren Darlegung bedurft, welche konkreten Kosten bereits vor 1993 bei der Gemeinde angefallen sein sollen, die dann 1997 berechtigt von der Gemeinde als Ausbaukosten der 1996 begonnenen Erschließungsanlagen berücksichtigt wurden.
30b) Erst recht stehen der mit weiterem Bescheid der Gemeinde vom 17.09.1997 geforderte Beitrag für den Anschluss an den Schmutz- und Abwasserkanal in Höhe von 16.179,75 DM sowie die vom Kläger als aufgewandt geltend gemachten 15.000 DM (abzüglich 4 % Skonto, die bei der Klageforderung als Abzug nicht berücksichtigt wurden) und 975 DM für die Verlegung der Stromversorgung
31- entgegen der Mitteilung der Stadt S..., dass diese Verlegung kostenfrei sei -, in keinem Zusammenhang mit Erschließungsmaßnahmen, die vor Abschluss des Kaufvertrages bereits erbracht waren. Denn das Grundstück entsorgte seine Abwässer unstreitig und dem Kläger bekannt in eine Sickergrube und erfolgte die Stromversorgung durch Überlandleitungen - mit dem Haus über Dachständer deutlich erkennbar verbunden. Der entsprechende Kanal und die Stromleitungen, bezüglich derer ein Anschlusszwang bestand, wurden aber ohne Zweifel erst 1996/97 verlegt. Über diese Maßnahmen konnte daher 1993 nicht als bereits erfolgt, aber noch nicht abgerechnet, berichtet werden.
32b) Eine Pflicht zur Aufklärung bestand auch nicht bezüglich eventueller Erschließungsmaßnahmen, soweit sie sich aus den Bebauungsplänen der Gemeinde S... ergeben, die aber bis 1993 noch nicht umgesetzt waren. Der werdende Grundstückseigentümer muss sich in soweit selbst damit befassen, welche Kosten auf ihn aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zukommen können und ob der Hauskauf auch unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll ist. Die Mutter der Beklagten war daher nicht verpflichtet - wenn sie die Bebauungspläne im Detail gekannt haben sollte -, den Kläger darauf hinzuweisen, dass solche Baupläne bestünden und dass sich daraus irgendwann finanzielle Konsequenzen ergeben könnten, so diese Pläne nur umgesetzt würden, zumal im konkreten Fall des Klägers hinzu kam, dass bereits nach dem äußeren Zustand bzw. Lage des Objektes, nämlich Sickergrube, oberirdischer Stromanschluss, fehlender Bürgersteig, die Erschließung offensichtlich nicht abgeschlossen war und der Kläger, der ein eigenes Büro betreibt, auch nicht völlig geschäftsunerfahren war und ist. Eine Aufklärungspflicht über die Konsequenz der Bebauungspläne bestand daher nicht.
33Ein der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.02.1976 (abgedr. WM 1976, 401 ff.) vergleichbarer Fall einer Aufklärungspflicht über besondere Planungsabsichten der Gemeinde liegt ebenfalls nicht vor.
34Die Mutter der Beklagten hatte keine konkreten Informationen über eine besondere Planung der Gemeinde, die gerade ihr Grundstück betroffen und die Durchführung des Kaufvertrags gefährdet hätte. Wenn überhaupt ergab sich die Erschließungsabsicht aus den allgemein zugänglichen Bebauungsplänen der Gemeinde.
35Die Verstorbene hatte im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ferner keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass im Anschluß an den Verkauf sofort mit Erschließungsmaßnahmen begonnen würde, so dass eine alsbaldige Vorschussforderung der Gemeinde für den Kläger ernsthaft die Kaufvertragsabwicklung gefährden könnte.
36Abgesehen davon, dass die Verkäuferin in dieser - vom Kläger behaupteten - Situation diesem kaum wie tatsächlich geschehen sofort den Besitz an dem Grundstück überlassen hätte, obwohl der Kaufpreis erst erheblich später fällig werden sollte, hatte sie keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Erschließung "unmittelbar" begonnen würde. Unmittelbar bedeutet "in nahem zeitlichem Zusammenhang" mit dem Kaufvertragsabschluß und nicht mehr als drei Jahre später. Was die Verkäuferin tatsächlich nach dem Vortrag des Klägers wusste, war die allgemeine rechtliche Konsequenz, dass im Falle der erstmaligen Durchführung von Erschließungsmaßnahmen die Eigentümer entsprechende Kosten nach Abschluss der Arbeiten tragen müssten. Dies beruhte aber nicht auf einer besonderen Planung der Gemeinde, sondern ist Folge der gesetzlichen Vorschriften, die dem Kläger möglicherweise nicht bekannt waren, ohne dass dies während des Verkaufs für die Verkäuferin aber offen zutage getreten wäre. Soweit der Kläger immer wieder anführt, die Verkäuferin habe darüber hinaus aber gewusst, dass die Erschließung "unmittelbar" bevor stehe, übersieht er, dass sich seit den 70er Jahren in der Gemeinde das Gerücht hielt, dass entsprechende Maßnahmen "unmittelbar" bevorstünden. Bis zum Kaufvertragsabschluss wurden entsprechende Maßnahmen aber nicht ansatzweise in Angriff genommen. Vielmehr begann die Gemeinde erst im Jahre 1996 mit den auf dem Bebauungsplan von 1994 basierenden Arbeiten. Es ist daher auch unerheblich, ob möglicherweise der Bürgermeister der Gemeinde Frau Dr. S... anlässlich ihres 80. Geburtstages, d.h. zwei Jahre vor Kaufvertragsabschluss, darauf hingewiesen hat, die Erschließung stehe nun unmittelbar bevor. Die Erschließung erfolgte nicht. Dementsprechend musste Frau Dr. S... auch im August 1993 den Kläger nicht hinsichtlich der überholten Prophezeiung des Bürgermeisters aufklären.
37Selbst wenn unterstellt wird, dass Frau Dr. S... subjektiv die ihr mehrfach angekündigte nebulöse unmittelbare Erschließung als "Bedrohung" empfunden haben sollte, etwa wegen des damit verbundenen Baulärms, und sie deshalb auch seit mehreren Jahren den Hausverkauf erwogen hatte, vermag dies letztendlich nicht die objektiven Voraussetzungen für eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger zu begründen. Sie war nicht verpflichtet, den Kläger über ihre persönlichen Befürchtungen und Beweggründe, die nicht auf konkreten Anhaltspunkten beruhten, aufzuklären. Deshalb kann es auch dahinstehen, ob die Verstorbene das Haus einige Jahre zuvor bereits Nachbarn zum Kauf angeboten hatte oder ob sie - angesichts ihres Alters kaum vorstellbar - einmal die Nachbarin B... von der Straße gejagt hat, damit diese einem Interessenten "nichts Falsches" über die Erschließungskosten sagen könne.
38d) Nichts anderes ergibt sich aus der Bescheinigung des Bürgermeisteramtes S... vom 19.11.1964, die lange vor Erlass des ersten Bebauungsplans im Jahre 1971 erstellt wurde. In der Bescheinigung wird lediglich die damalige Rechtslage wiedergegeben, dass nämlich nach dem Ausbau der Straße die Kosten auf die Anlieger quotenmäßig umgelegt werden. Darüber hinaus wurde der Eigentümerin bestätigt, dass keine Geländeabtretungen mehr in Betracht kämen. Aus diesem Inhalt lässt sich aber keine Aufklärungspflicht für das Jahr 1993 über noch ausstehende Erschließungsmaßnahmen ableiten. Insofern ist es auch unerheblich, ob die schon kranke Frau Dr. S... dem Kläger 1997 die Bescheinigung von 1964 übersandt hat, worauf das Schreiben selbst im übrigen nicht hindeutet.
393. Auch der Feststellungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.
40Für die 1996 begonnenen Erschließungsmaßnahmen hat die Beklagte bereits, wie dargelegt, nicht einzustehen, weshalb sie auch keine Verpflichtung trifft, für die bei der endgültigen Herstellung und Abrechnung noch entstehenden Beiträge zu haften.
41Über weitere Erschließungsmaßnahmen aus der Zeit vor Kaufvertragsabschluß, die noch abgerechnet werden könnten oder die dann noch weitere Folgekosten beim Kläger auslösen würden, hat er nichts Konkretes vorgetragen.
424. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
43Gründe, die Revision gemäß § 543 n.F. ZPO zuzulassen liegen nicht vor.
44Streitwert und Beschwer des Klägers: 53.677,21 EUR.
45- Dr. W... J...
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