Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 U 37/02
Tenor
1
Ta t b e s t a n d :
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Autokaufs und weiteren Schadensersatz in Anspruch.
3Der Kläger kaufte von der Beklagten am 26. November 1999 einen gebrauchten Pkw Audi A 4 (km-Stand: 31.940) unter Gewährleistungsausschluss für 32.900,- DM. Den Kaufpreis zahlte der Kläger noch am selben Tage. An dem Fahrzeug, das der Kläger nach wie vor fährt, waren - hierüber verhält sich das im selbständigen Beweisverfahren 9 O H 19/00 LG Duisburg erstattete Gutachten des Sachverständigen S... vom 22. Januar 2001 - Nachlackierungs- und Reparaturarbeiten vorgenommen worden.
4Der Kläger hat behauptet, er habe nach dem Kauf des Fahrzeugs nach früheren Reparatur- bzw. Nachlackierungsarbeiten sowie Unfallschäden und Mängeln gefragt. Man habe ihm mitgeteilt, das Fahrzeug habe weder einen Unfall gehabt noch weise es Mängel auf. Auch seien keine Reparatur- oder Lackierarbeiten durchgeführt worden.
5Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung sowie einen Untersuchungsaufwand klageweise in Anspruch genommen und seine Zahlungsforderung wie folgt aufgeschlüsselt:
6(1) Kaufpreis: 32.900,- DM
7abzüglich Nutzungsentschädigung
8für (bis zum 12. Juni 2001 gefahrene
912.060 km
10und ) bis zum 05. Februar 2002
11zurückgelegte 18.616 km,
12insgesamt 2.606,24 DM
1330.293, 76 DM
14(2) Untersuchungskosten ADAC 95,- DM
1530.388,76 DM.
16Der Kläger hat beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.388,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. November 1999 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-Ident-Nr. ..., ferner, festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-Ident-Nr. ..., in Verzug befindet.
18Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat bestritten, dass der Kläger nach Mängeln, Nachlackierungs- oder Reparaturarbeiten gefragt habe. Auch sei das Fahrzeug, das sie - wie unstreitig - ihrerseits als unfallfrei erworben habe, nicht durch einen Unfall vorgeschädigt; die marginalen Vorschäden seien nicht offenbarungspflichtig gewesen. Die Beklagte hat zudem die Angaben des Klägers zu den von ihm zurückgelegten Kilometern in Abrede gestellt und mit Ansprüchen auf Erstattung des Wertes gezogener Nutzungen die Aufrechnung erklärt.
19Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte am 10. April 2002 verurteilt, an den Kläger 27.807,24 DM nebst 4 % Zinsen aus 29.539,22 DM für die Zeit vom 26.November 1999 bis zum 12.Juni 2001 und aus einem Betrag von 27.712,24 DM für die Zeit danach sowie aus einem Betrag von 95,- DM seit dem 16. Februar 2000 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-Ident-Nr. ... zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-Ident-Nr. ..., in Verzug befindet.
20Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten gemäß §§ 812, 123 BGB Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 27.712,24 DM, Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Fahrzeugs beanspruchen. Der Kläger habe den Kaufvertrag wirksam angefochten. Die Beklagte habe durch ihren Mitarbeiter R... den Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht. Der Zeuge R... habe nämlich - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - dem Kläger auf dessen Nachfrage zumindest ohne ausreichende tatsächliche Grundlage mitgeteilt, das Fahrzeug weise keine Nachlackierungs- oder Reparaturarbeiten auf.
21Von dem unstreitig gezahlten und zurück zu gewährenden Kaufpreis seien 5.187,76 DM für gezogene Nutzungen abzuziehen.
22Ferner habe der Kläger aus Verschulden beim Vertragsschluss einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der für die Feststellung der Nachlackierungs- und Reparaturarbeiten durch den ADAC aufgewendeten Kosten von 95,- DM.
23Eine Teilerledigung sei nicht festzustellen, da nicht ersichtlich sei, dass die Beklagten dem Kläger bei Klageerhebung einen 27.807,24 DM übersteigenden Betrag geschuldet habe.
24Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr ursprüngliches Begehren - soweit das Landgericht demselben nicht entsprochen hat - weiter.
25Der Kläger bittet um
26Zurückweisung der Berufung.
27Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,
28das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und wie folgt neu zu fassen:
291. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.180,67 EUR
30nebst 4 % Zinsen aus
3116.821,50 EUR vom 26.11.1999 bis zum 12.06.2001,
3215.958,24 EUR vom 13.06.2001 bis zum 25.07.2002,
3315.349,51 EUR vom 26.07.2002 bis zum 28.10.2002,
3415.132,09 EUR seit dem 29.10.2002 und von
35weiteren 48,57 EUR seit dem 16.02.2000 zu zahlen,
36Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-
37Ident- Nr. ....
382. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe eines
39Teilbetrages von 826,14 EUR erledigt ist
403. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme
41des Pkw Audi A 4 , Fahrzeug-Ident- Nr. ... in Verzug
42befindet.
43Auch der Kläger wiederholt und ergänzt seinen früheren Vortrag.
44Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen und die zu Informationszwecken beigezogenen und verwerteten Akten 9 OH 19/00 LG Duisburg, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
46A. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
47Das Landgericht hat die Beklagte zu Unrecht für verpflichtet gehalten, dem Kläger den Kaufpreis - unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung - in Höhe von 27.712,24 DM, Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Fahrzeugs zurückzuzahlen sowie die für die Feststellung der Nachlackierungs- und Reparaturarbeiten durch den ADAC aufgewendeten Kosten von 95,- DM zu erstatten.
481. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz aus § 463 BGB ist zu verneinen.
49Ein solcher - nach Gewährleistungsausschluss im übrigen wegen § 476 BGB allein verbleibender - Gewährleistungsanspruch setzt voraus, dass der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge Rieche, entweder einen Fehler der Kaufsache arglistig verschwiegen ( a) ) oder der Beklagten zurechenbar eine in Wahrheit nicht vorhandene Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat ( b) ).
50a) Ein arglistiges Verschweigen bezieht sich auf zur Zeit des Gefahrübergangs vorhandene Fehler.
51Das Fahrzeug war aber zum fraglichen Zeitpunkt nicht fehlerbehaftet. Ein Fehler lag insbesondere nicht darin, dass der Wagen repariert bzw. nachlackiert war.
52Ein Fehler ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem Zustand abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam, ggf. auch stillschweigend vorausgesetzt haben (BGH NJW-RR 1995, 364) und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt. Eine Gebrauchsbeeinträchtigung scheidet aus. Eine Wertherabsetzung ist - abgesehen von der Wesentlichkeitsgrenze des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB (zur Relevanz bei arglistigem Verschweigen vgl. OLG Köln, MDR 1986, 495) - weder dargetan noch dem Beweissicherungsgutachten des Sachverständigen S... vom 22. Januar 2001 zu entnehmen.
53b) aa) Wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sein sollte, dass der Zeuge R... dem Kläger auf dessen Nachfrage zumindest ohne ausreichende tatsächliche Grundlage ("ins Blaue") mitgeteilt hat, das Fahrzeug weise keine Nachlackierungs- oder Reparaturarbeiten auf, so erscheint es zweifelhaft, ob in dem Nichtvorhandensein dieser Merkmale das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gesehen werden kann. Denn die Beklagte hatte selbst eine Nachlackierung am Fahrzeug nicht ausführen lassen, sie wusste von einer solchen nichts und hätte mit normalem Aufwand hiervon auch keine Kenntnis erlangen können. Hiernach spricht wenig dafür, dass der Kläger bei objektivierter Betrachtungsweise die von seiner Ehefrau bekundete Erklärung des Zeugen R..., es sei auch keine Nachlackierung gemacht worden, dahin verstehen durfte, die Beklagte wolle hierdurch auch für einen nur bei ganz genauem Betrachten durch einen erfahrenen Sachverständigen oder mit technischem Aufwand (Lackstärkemessgerät), also durch eher unübliche Untersuchungsmethoden, zu ermittelnden Zustand des Fahrzeugs einstehen.
54bb) Aber auch - abgesehen von der vorgenannten Frage - vermag der Kläger aus der Zusicherung einer entsprechenden Eigenschaft einen Schadenersatzanspruch nicht herzuleiten. Denn es fehlt an einem Schaden. Das bei Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus dem Gesichtspunkt arglistigen Verschweigens eines Fehlers oder arglistiger Vorspiegelung der Abwesenheit von Fehlern oder des Fehlens einer zugesicherten oder der arglistigen Vorspiegelung einer nicht vorhandenen Eigenschaft zu ersetzende positive Interesse führt nämlich dazu, dass der Käufer so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn die Sache diese Eigenschaft besäße bzw. der Fehler nicht vorhanden wäre. Von daher ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Kläger dadurch, dass er ein Fahrzeug mit den im Beweissicherungsgutachten ausgewiesenen reparierten Schäden erworben hat, geschädigt sein könnte. Es ist - anders als in dem vom OLG Hamm (OLGR 1994, 181) entschiedenen Fall - weder ein - vom Sachverständigen festgestellter - Reparaturaufwand erforderlich noch ist das Fahrzeug mit Blick auf die marginalen reparierten Vorbeschädigungen wirtschaftlich (keine Offenbarungspflicht beim Weiterverkauf), geschweige denn technisch und bei vernünftiger Betrachtungsweise auch nicht optisch entwertet.
553. Soweit ein - allerdings nur auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichteter - Anspruch auf Verschulden bei der Vertragsanbahnung (c.i.c.) u.U. daraus resultieren kann, dass ein Verkäufer eine nicht im Sinne von § 463 BGB relevante Eigenschaft zusichert, auf die der Käufer erkennbar Wert legt, führt auch dies vorliegend nicht zu einem Anspruch des Klägers.
56Zwar ist anerkannt, dass der Käufer bei vorsätzlich falschen Angaben des Verkäufers Ersatz des Vertrauensschadens aus c.i.c verlangen kann (BGH NJW 1995, 2159, 2160). Soweit der Schaden im Zustandekommen eines wirksamen Vertrages gesehen wird, stellt ein solches einen Schaden im Rechtssinne allerdings nur dar, wenn der Vertragsschluss objektiv nachteilhaft ist. Vorliegend ist indes nicht ersichtlich, inwiefern ein Schaden des Klägers darin liegen könnte, dass er die Kaufvertragsverpflichtung hinsichtlich des Audi A 4 eingegangen ist. Dass er überhaupt ein solches Fahrzeug kaufen wollte und aus seiner Sicht benötigte, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass er mit dem Audi A 4 mehrere 1000 km zurückgelegt hat. Kein Anhalt besteht dafür, dass der Kläger bei Kenntnis der vom Sachverständigen festgestellten geringen reparierten Vorschäden bei der Beklagten günstiger gekauft hätte. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Kläger dadurch, dass er den Audi A 4 bei der Beklagten für 32.900,- DM gekauft hat, wirtschaftlich schlechter gestellt ist als er stehen würde, wenn er vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen und ein anderes Fahrzeug - ggf. bei einem anderen Händler - ohne geringe reparierte Vorschäden erworben hätte. Das bloße Affektionsinteresse des Klägers ist nicht ersatzfähig.
574. Bereicherungsansprüche aufgrund eines infolge wirksamer Arglistanfechtung nichtigen Kaufvertrages (§§ 812 ff, 142, 123 BGB) scheiden - entgegen der Auffassung des Landgerichts - aus. Denn der Kläger hat - so zutreffend die Beklagte - die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erklärt, insbesondere nicht mit Schreiben vom 10. Februar 2000. Dafür dass - wie der Kläger meint - in letzterem hilfsweise eine Arglistanfechtung gesehen werden kann, spricht nichts, zumal diese immerhin den Kaufvertrag, und damit vertragliche Ansprüche, vernichtet.
585. Ansprüche des Klägers aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB oder § 826 BGB (vgl. dazu OLG Celle, OLGR 1996, 208) sind in Ermangelung eines objektivierten Schadens ebenfalls nicht gegeben.
59B. Die Anschlussberufung des Klägers ist bereits unzulässig. Denn das Rechtsmittel ist nicht innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO (ein Monat nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift) eingelegt worden.
60Die Berufungsbegründungsschrift wurde dem Kläger am 24. Juni 2002 zugestellt; die Anschlussberufung ist erst am 26. Juli 2002 (Fr) eingegangen.
61Wiedereinsetzung ist dem Kläger nicht zu bewilligen. Denn er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein bzw. ein dem eigenen gleichstehendes (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gehindert war, die Frist zur Einlegung der Anschlussberufung einzuhalten. Unter Zugrundelegung des eidesstattlich versicherten Vorbringens ergibt sich nicht, dass durch die Büroorganisation Vorkehrungen gegen eine solche Fristversäumung getroffen worden sind. Zum einen war die Büroangestellte K... offenbar nicht angewiesen, eine Vorfrist zu notieren, sodass bereits der beschriebene Irrtum um zwei Tage zur Fristversäumung führte, zum anderen ist nicht gesagt, dass das Büropersonal auf die Gefahr der Versäumung dieser erst durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 eingeführten Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hingewiesen, geschweige denn mit Blick auf die Rechtsänderung geschult worden ist.
62Auf die Berufung der Beklagten ist hiernach das landgerichtliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen.
63Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
64Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.
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