Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 22 U 73/02
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 14.03.2002 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte abzuwenden durch Erbringen einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
2A.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung einer an die Fa. B. GmbH &Co. KG (= Auftragnehmerin) in V. aufgrund eines Werkvertrages geleisteten Anzahlung in Höhe von 174.000,00 DM aus einer von der Beklagten mit Urkunde vom 14.09.2000 übernommenen Bürgschaft für die Rückzahlung der zwischen den Werkvertragsparteien vereinbarten "Anzahlung von 240.120,00 DM" für den Fall der Nichtlieferung / Nichtleistung durch die Auftragnehmerin. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Bürgschaft wirksam geworden ist, obwohl die Klägerin aufgrund einer nach Bürgschaftsübernahme erfolgten Vereinbarungsänderung zwischen ihr und der Auftragnehmerin lediglich eine Anzahlung in Höhe von 174.000,00 DM geleistet hat oder ob die Beklagte ihre Zahlungspflicht anerkannt habe.
4Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach hat mit der Beklagten am 18.03.2002 zugestelltem Urteil vom 14.03.2002, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden Zinsantrages verurteilt, an die Klägerin 88.964,79 EUR (= 174.000,00 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2001 zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 88.964,79 EUR aus der Bürgschaft gem. § 765 Abs. 1 BGB zustehe, da die Bürgschaftserklärung so auszulegen sei, dass der jeweils nach der Vereinbarung der Werkvertragsparteien zu zahlende Anzahlungsbetrag in voller Höhe erbracht sein müsse. Da die Werkvertragsparteien die Vereinbarung der zu erbringenden Anzahlung in der Höhe von 240.120,00 DM auf 174.000,-- DM verändert hätten, führe dies auch dazu, dass bei Zahlung dieses vereinbarten Anzahlungsbetrages die Bürgschaft wirksam werde. Diese Veränderung des Hauptvertrages, dem die Bürgschaft als abhängige Hilfsschuld folge, sei auch für die Beklagte günstig und daher wirksam.
5Dagegen wendet sich die Beklagte mit der am 18.04.2002 eingelegten und am 18.06.2002 innerhalb der verlängerten Frist begründeten Berufung und führt aus, dass die Wirksamkeit der Bürgschaft durch die Zahlung des vollen Betrages von 240.120,00 DM bedingt gewesen sei. Auch sei eine Abänderung des Vertrages zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin nicht erfolgt. Vielmehr habe die Auftragnehmerin am 18.09.2000 eine erste Akontorechnung über 240.120,00 DM übermittelt unter Beifügung der Anzahlungsbürgschaft, woraufhin die Klägerin diese Anzahlung als zu hoch bezeichnet und lediglich 174.000,00 DM gezahlt habe. Dies habe die Auftragnehmerin hingenommen, weil die Klägerin den Differenzbetrag mit der zweiten Abschlagszahlung habe erbringen wollen. Die Reduzierung der Anzahlung habe auch die Vertragskonditionen für die Auftragnehmerin verschlechtert und damit das Inanspruchnahmerisiko der Beklagten erhöht.
6Die Beklagte beantragt,
7das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 14.03.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
8Die Klägerin beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus der ersten Instanz und ist weiterhin der Ansicht, die Beklagte verstoße jedenfalls mit der Verweigerung der Zahlung gegen Treu und Glauben. Die Beklagte sei durch die Zahlung der Klägerin ohne Rechtsgrund bereichert.
1112
B.
13I.
14Die zulässige Berufung ist begründet.
15Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 88.964,79 EUR. 1) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 765 BGB. Die Beklagte hat zwar mit "Anzahlungsbürgschaft" vom 14. September 2000 die Bürgschaft für die Rückzahlung einer von der Klägerin an die Auftragnehmerin zu erbringenden Anzahlung von 240.120,00 DM bis zu diesem Betrag übernommen. Diese Bürgschaft ist jedoch nicht wirksam geworden, da ihr Wirksamwerden unter einer Bedingung im Sinne des § 158 BGB gestanden hat, deren Eintritt die Klägerin nicht nachweisen konnte. Eine Bürgschaft kann unter einer aufschiebenden Bedingung gegeben werden (BGH NJW 1987, 1631 / OLG Stuttgart BB 2001, 957).
16Der entsprechende Passus der Bürgschaftserklärung lautet:
17"Diese Bürgschaft tritt in Kraft, wenn uns der volle Anzahlungsbetrag von DM 240.120,00 für Rechnung des Auftragnehmers zur Verfügung steht."
18Nach ihrem Wortlaut beinhaltet die Bedingung für das Wirksamwerden der Bürgschaft zwei Komponenten: - die Zahlung des vollen Anzahlungsbetrages und - die Höhe dieses Anzahlungsbetrages von 240.120,00 DM. Dass entgegen der durch das Landgericht vorgenommenen Auslegung Bestandteil der Bedingung auch die dort bestimmte Höhe des Anzahlungsbetrages gewesen ist, lässt sich auch daran erkennen, dass die Beklagte in dem selben Schriftstück der eigentlichen Bürgschaftserklärung ausdrücklich den Satz vorausschickt: "Nach den Vertragsbedingungen hat der Auftragnehmer für eine Anzahlung von DM 240.120,00 eine Bankbürgschaft zu stellen." Dabei ist auch keineswegs eindeutig, dass die Reduzierung des Anzahlungsbetrages für die Beklagte lediglich positive Auswirkungen im Hinblick auf das übernommene Risiko hat. So ist denkbar, dass die Tatsache, dass der Auftragnehmerin, deren Konto bei der Beklagten nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits ein Sollsaldo von über 2.000.000,-- DM aufgewiesen hat, ein bestimmter - hoher - Bargeldbetrag zufließen werde, für die Entscheidung der Beklagten, die Bürgschaft zu übernehmen, eigenständige Bedeutung hatte. Dass die Beklagte dem Betrag über die Begrenzung der eigenen Bürgschaftshaftung hinaus Bedeutung beigemessen hat, lässt sich aus der zweifachen Nennung des Betrages in der Urkunde entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht den Willen der Vertragschließenden in vollem Umfange wiedergibt, sind nicht erkennbar.
19Diese Wirksamkeitsbedingung der Bürgschaft ist durch die unstreitige Einzahlung des Betrages von 174.000,00 DM nicht erfüllt worden. Auf die Frage, ob die Klägerin und die Auftragnehmerin tatsächlich den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag hinsichtlich der Höhe der Anzahlung nachträglich abgeändert haben, kommt es nicht entscheidungserheblich an. 2) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnis, weder aus § 781 BGB noch aus der deklaratorischen Anerkennung einer Zahlungspflicht aus der Bürgschaft gem. § 765 BGB.
20a) Ein Anspruch aus § 781 BGB scheidet aus, weil den schriftlichen Erklärungen der Beklagten vom 28.02. und 08.03.2001 nicht entnommen werden kann, dass die Beklagte eine eigenständige Verpflichtung - losgelöst von einem etwaig bestehenden Schuldverhältnis - begründen wollte. In beiden Schreiben wird die Anzahlungsbürgschaft als in Rede stehendes Schuldverhältnis jeweils konkret bezeichnet und interpretiert.
21b) In den Schreiben vom 28.02. und 08.03.2001 kann auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen werden. Voraussetzung für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses wäre in einem Fall wie diesem, in dem kein wirksames Schuldverhältnis besteht, jedenfalls, dass die Beklagte eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, die nach Zweck und Inhalt darauf gerichtet gewesen ist, Zweifel über das Bestehen eines Schuldverhältnisses zu beseitigen (vgl. Erman-Heckelmann, § 781 BGB, Rn 11 / BGH NJW 1984, 799). Dem Schreiben vom 08.03.2001 lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte damit in diesem Sinne eine bestehende Verpflichtung anerkennen wollte. Vielmehr enthält dieses nur Ausführungen zur Pflicht der Klägerin darzulegen, dass die Auftragnehmerin ihren Vertragspflichten nicht nachgekommen sei, verhält sich aber über die Wirksamkeit der Bürgschaft nicht. Es lässt auch nicht erkennen, dass Zweck dieses Schreiben sein könnte, Zweifel über das Bestehen der Verpflichtung aus der Bürgschaft auszuräumen. Das Schreiben vom 28.02.2001 enthält zwar folgende Ausführungen:
22"Grundsätzlich erklären wir uns bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bereit, Zahlung aus der übernommenen Anzahlungsbürgschaft zu leisten. Den Eingang des Anzahlungsbetrages in Höhe von DM 174.000,00 für Rechnung der Gemeinschuldnerin sowie der sich hierdurch reduzierenden Bürgschaftssumme bestreiten wir nicht. Jedoch sind wir nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn die Lieferung/Leistung nicht erfolgt. [...] Hiernach werden wir unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen."
23Diesen Ausführungen kann aber lediglich entnommen werden, dass die Beklagte die von der Klägerin behauptete Zahlung von 174.000,00 DM an die Auftragnehmerin unstreitig stellte und die grundsätzliche Bereitschaft zur Zahlung aus der Bürgschaft bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen erklärte. Damit hat sich die Beklagte jedoch gerade nicht von der Anforderung gelöst, dass alle Bedingungen der Bürgschaftsvereinbarung erfüllt sein müssen. So hat sie auch für den Fall der Vorlage des Nachweises der Nichtleistung nicht etwa Zahlung angekündigt sondern "unaufgefordert auf die Angelegenheit" zurückzukommen. Zudem kann das Vorliegen eines Bestätigungsgrundes in dem oben umschriebenen Sinne nicht festgestellt werden.
24Auf die Frage, ob der Unterzeichner dieses Schreibens berechtigt gewesen wäre, ein solches Schuldanerkenntnis für die Beklagte abzugeben, ob dieses wirksam angefochten worden ist und ob es kondiziert werden kann, kommt es daher nicht an.
253)
26Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 812 BGB. Die Zahlung von 174.000,00 DM durch die Klägerin erfolgte an die Auftragnehmerin und nicht an die Beklagte. Zwar hat die Beklagte durch diese Zahlung mittelbar etwas erlangt, da mit dieser Zahlung der bestehende Sollsaldo der Auftragnehmerin bei der Beklagten als kontoführender Bank um diesen Betrag reduziert worden ist. Jedoch handelt es sich bei der Zahlung der Klägerin um eine zweckgerichtete Zuwendung der Klägerin an die Auftragnehmerin aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarung und damit um eine Leistung, die in dem Verhältnis zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin und dort zunächst mit Rechtsgrund erbracht worden ist. Dass in diesem Vertragsverhältnis aufgrund der Nichterfüllung des zugrundeliegenden Werkvertrages nachträglich eine Störung eingetreten ist, hat nur zur Folge, dass die Klägerin im Rahmen dieses Leistungsverhältnisses und damit also von der Auftragnehmerin Rückzahlung verlangen kann, nicht jedoch von der Beklagten, die aufgrund einer eigenen Rechtsbeziehung zwischen ihr und der Auftragnehmerin den Betrag erlangt hat.
27II.
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
29III.
30Die Voraussetzungen, unter denen die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO n.F. zuzulassen ist, liegen nicht vor.
31IV.
32Streitwert für die Berufungsinstanz: 88.964,79 EUR (= 174.000,00 DM)
33R. M. R.
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