Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 10 U 16/02
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das am 27. No-vember 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf klarstellend wie folgt neu gefasst:
Das Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 4.8.2000 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Kläger als Gesamtgläubiger 11.236,64 EUR (= 21.976,95 DEM) zu zahlen nebst
4 % Zinsen aus je 1.278,23 EUR (= 2.500 DEM) für die Zeit vom
· 4.11.1999 - 31.12.2000,
· 4.12.1999 - 31.12.2000,
· 6.01.2000 - 31.12.2001,
· 4.02.2000 - 31.12.2001,
· 4.03.2000 - 31.12.2001, und von
2.300,81 EUR (= 4.500,00 DEM) seit dem 1.1.2001 sowie 3.451,22 EUR (= 6.750,00 DEM) seit dem 1.1.2002
sowie 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9.6.1998 aus je 1.278,23 EUR
(= 2.500 DEM) für die Zeit vom
· 5.05.2000 - 31.12.2001,
· 5.06.2000 - 31.12.2001,
· 5.07.2000 - 31.12.2001 und von 3.451,22 EUR seit dem 1.1.2002
und aus 882,98 EUR (= 1.726,95 DEM) seit dem 1.8.2002.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung rückständiger Miete für die Monate 11/99 bis 7/00 verurteilt und insoweit das Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 4.8.2000 aufrechterhalten. Das Berufungsvorbringen der Beklagten und der Streitverkündeten rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung.
3I.
4Den Klägern steht gemäß § 535 Satz 2 BGB a.F. für den streitgegenständlichen Zeitraum nach Rücknahme der Klage in Höhe von 523,05 DEM ein Mietzinsanspruch in Höhe von 21.976,95 DM (= 20.250,00 DM o. Nk. + 1.726,95 DM) zu.
5Zuzustimmen ist der Berufung insoweit, als die Kläger anteilige Vorauszahlungen auf die Nebenkosten nicht mehr verlangen können, wenn für die jeweiligen Abrechnungsperioden - wie hier - Abrechnungsreife eingetreten ist. Dies betrifft einen Betrag von 2.250,00 DM (250 DM x 9 Monate). Die Kläger haben dieser Rechtslage in gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässiger Weise dadurch Rechnung getragen, dass sie ihre Klage in Höhe von 1.726,95 DM (= 2.250,00 DM - 523,05 DM) im Wege der zulässigen - konkludenten - Anschlussberufung auf den Abrechnungssaldo umgestellt haben.
61.
7Der Senat lässt offen, ob die fristlose Kündigung der Beklagten vom 3.11.1999 - wie es das Landgericht ohne nähere Prüfung angenommen hat - schon deshalb unwirksam war, weil die Ungezieferbekämpfung gemäß § 13 Ziffer 5 des zugrunde liegenden Mietvertrages formularmäßig der Beklagten auferlegt war. Jedenfalls war die Kündigung weder gemäß § 554 a BGB noch aus § 542 Abs. 1 BGB begründet. Soweit das Landgericht mit zutreffender Begründung eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 554 a BGB verneint hat, hat die Berufung hiergegen keine konkreten Einwände erhoben. Dass sie einem erheblichen Druck ihrer Angestellten W.-W. ausgesetzt gewesen sein will, reicht nach den Umständen des Streitfalls jedenfalls für die Annahme einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht aus.
8Der Berufung vermag aber auch nicht der Hinweis auf § 542 Abs. 1 BGB a.F. zum Erfolg zu verhelfen. Danach kann der Mieter das Mietverhältnis zwar nach Setzung einer angemessenen Abhilfefrist ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm der vertragsgemäße Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Der Senat lässt offen, ob das Auffinden einer toten Ratte am 13.10.1999, das nach der Behauptung der Beklagten am 18.10.1999 einen Kurzschluss auslösende, von Ratten zerbissene Elektrokabel und die nicht näher konkretisierte Wahrnehmung von Laufgeräuschen in der Zwischendecke bis zur Räumung am 15.11.1999 sowie das Auffinden einer weiteren toten Ratte am 13.11.2002 insgesamt den Schluss auf einen Rattenbefall und damit auf einen erheblichen Mangel i.S. des § 542 Abs. 1 BGB a.F. zulassen. Dahin stehen kann ferner, ob die von der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 19.10.1999 gesetzte Frist (1.11.1999) von noch nicht einmal 14 Tagen für die Beseitigung eines Rattenbefalls überhaupt als angemessen i.S. des § 542 Abs. 1 BGB angesehen werden kann oder ob diese nicht bereits als Erstfrist wesentlich länger hätte ausfallen müssen, weil eine erfolgreiche Rattenbekämpfung erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum erfordert. Jedenfalls war die Beklagte angesichts der besonderen Umstände des Falls verpflichtet, den Klägern vor Ausspruch der Kündigung eine nochmalige Frist zu setzen. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:
9Nach der Chronologie der Ereignisse hat die Beklagte die Kläger am 14.10.1999 über den am Vortag gefundenen Rattenkadaver unterrichtet (GA 74). Diese haben sich daraufhin an das zuständige Ordnungsamt gewandt, das nach ihrer nicht substantiiert bestrittenen Behauptung die Rattenbekämpfung auf Kosten der Stadt R. zentral durchführt. Konnten die Kläger danach davon ausgehen, dass die Stadt R. sich um einen gemeldeten Rattenbefall kümmern würde, so sind sie zunächst ihrer Pflicht zur Mängelbeseitigung in ausreichender, wenn auch minimalistischer Weise nachgekommen. Dies gilt umsomehr als das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt seit ca. 1 1/2 Jahren bestand, ohne dass die Beklagte bis zum 13.10.1999 tote Ratten, Rattenkot oder Laufgeräusche gemäß § 545 Abs. 1 BGB a.F. angezeigt hatte, so dass die Kläger aufgrund der Mitteilung der Beklagten vom 14.10.1999 keine Veranlassung hatten, zu diesem Zeitpunkt von einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung auszugehen.
10Wie der Berufungsbegründung zu entnehmen und im Übrigen zugestanden ist (§ 288 ZPO), erschien daraufhin bereits am 19.10.1999 ein von der Stadt R. beauftragter Kammerjäger in den Geschäftsräumen der Beklagten, der im Hof eine alte, seit längerem nicht mehr gewartete Rattenfalle vorgefunden und die Beklagte bzw. den Zeugen B. darüber unterrichtet haben soll, dass offensichtlich aufgrund der erst vor Ort diesem gegenüber gemachten Angaben, Rattenfallen im Laden selbst aufgestellt werden müssten.
11Die Beklagte hat die Kläger zwar mit Anwaltsschreiben vom 19.10.1999 schriftlich über die vorgefundene tote Ratte und das durchbissene Kabel unterrichtet, ohne dass dem Schreiben hierzu jedoch (zeitlich) konkrete Einzelheiten zu entnehmen waren, insbesondere fehlt der wichtige Hinweis, dass das zerbissene Kabel am 18.10.1999 einen Kurzschluss verursacht haben soll. Die Beklagte hat die Kläger ersichtlich aber weder über die angeblichen Laufgeräusche in der Zwischendecke noch über den Befund des Kammerjägers unterrichtet. Hierzu war sie aber - um den Klägern eine bis dato noch nicht erkannte bzw. nicht erkennbare Erheblichkeit der Beanstandung vor Augen zu führen und sie zu weiteren Maßnahmen zu veranlassen - entweder gemäß § 545 Abs. 1 BGB a.F. oder gemäß § 242 BGB verpflichtet, so dass sie ein etwaiges Kündigungsrecht aus § 542 Abs. 1 BGB a.F. erst nach nochmaliger Aufforderung zur Mängelbeseitigung hätte ausüben dürfen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte wusste, ob der Kammerjäger von den Klägern oder der Stadt R. beauftragt war. Ohne Rückfrage bei den Klägern hatte sie keinen Anlass für die Annahme, diese seien darüber unterrichtet, dass die Auslegung von Rattenködern im Ladeninnern erforderlich war. Dass die Kläger ggf. ihrerseits gehalten waren, sich bei der Stadt R. nach den getroffenen Maßnahmen zu erkundigen, ändert hieran nichts. Der Schriftsatz der Streitverkündeten vom 21.1.2003 gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Bewertung.
12Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt das prozessuale Verhalten der Kläger auch nicht den gesicherten Schluss zu, die Kläger hätten ihre Verantwortlichkeit ohne gerichtliche Klärung nicht anerkannt. Dass die Kläger sich auf den Standpunkt gestellt haben, die Ungezieferbekämpfung habe nicht zu ihren Vertragspflichten gehört, lässt die in der Sache gebotene weitere Fristsetzung auch nicht als sinnlose Förmelei erscheinen. Hiergegen spricht bereits, dass die Kläger nicht untätig geblieben sind, sondern den Rattenbefall der zuständigen Ordnungsbehörde gemeldet haben.
132.
14Lag danach aber eine wirksame Kündigung der Beklagten nicht vor, so waren die Kläger aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat insoweit anschließt, jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht verpflichtet, einen Nachmieter zu akzeptieren. Die Berufung zeigt keine Umstände auf, die eine hiervon abweichende Beurteilung rechtfertigten. Angesichts der für die Beklagte bestehenden und von den Prozessbevollmächtigten der Kläger im Schreiben vom 19.1.2000 (GA 64) ausdrücklich angesprochenen Möglichkeit, das Objekt unterzuvermieten, waren die Kläger auch aus § 242 BGB nicht verpflichtet, für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Nachmieter zu akzeptieren.
153.
16Einwände gegen die Nebenkostenabrechnungen für 1999 und 2000 und den von den Klägern ermittelten Saldo von 1.726,95 DM hat die Beklagte nicht erhoben.
174.
18Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 286 BGB. Die anteiligen Nebenkostenvorauszahlungen sind bis zum Eintritt der Abrechnungsreife (für 1999: bis zum 31.12.2000; für 2000 bis zum 31.12.2001) zu verzinsen. Die Nebenkostennachforderung war jedenfalls seit dem 1.8.2002 fällig.
19II.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 269, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
21Streitwert: 22.500 DM (der konkludenten Anschlussberufung kommt ein eigenständiger Streitwert nicht zu.)
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Referenzen
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