Teilurteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 14 U 177/02
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. September 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird hinsichtlich der Beklagten zu 2 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und ihrer Streithelferin. Die weitere Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen und Anträge im angefochtenen Urteil (Bl. 679 – 683) Bezug genommen.
4Das Landgericht hat durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten Beweis erhoben und die Klage sodann abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe weder bewiesen, dass die Beklagte zu 1 schadensursächlich noch dass sie schuldhaft gehandelt habe. Die Beklagte zu 2 hafte nicht, weil jedenfalls die Kausalität einer ihr allenfalls vorzuwerfenden unterbliebenen Überwachung der eingeleiteten Stoffe für die vom Kläger geltend gemachten Verletzungen nicht feststehe. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
5Hiergegen hat der Kläger hinsichtlich beider Beklagter und der Streithelferin der Beklagten zu 2 Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
6Er meint weiterhin, dass die Beklagte zu 1 schadensursächlich und schuldhaft gehandelt habe. Die Beklagte zu 2 hafte, weil sie unstreitig die Abwässer der Beklagten zu 1 vor deren Einleitung nicht überprüft habe. Dies gelte umso mehr, als ihr die Gefahrenlage, die sich aus der Einleitung der Abwässer aus einer Textilfärberei in eine Kanalisation für Bauarbeiter, die in der Kanalisation Arbeiten ausführten, bekannt gewesen sei.
7Über das Vermögen der Beklagten zu 1 ist durch Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 20.12.2002 (Bl. 811/812) das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
8Die Beklagte zu 2 und ihre Streithelferin bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels und treten dem Berufungsvorbringen des Klägers entgegen.
9II.
10A.
11Das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 1 ist nach § 240 ZPO unterbrochen.
12B.
13Die Berufung des Klägers hat hinsichtlich der Beklagten zu 2 und ihrer Streithelferin keinen Erfolg.
14Die Beklagte zu 2 haftet dem Kläger nicht aus § 823 I BGB oder auf der Grundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Schadensersatz.
15I.
16Das Landgericht hat die Ursache des Unfalls nicht klären können. Der Sachverständige Prof. Dr. H hat in seinem Gutachten vom 08.10.2001 und dem ergänzenden Gutachten vom 18.03.2002 lediglich deutliche Anzeichen dafür gefunden, dass der Unfallhergang im Zusammenhang mit der Schwefelfärberei auf den P-S-Anlagen gestanden hat (Bl. 534). Er hat insoweit lediglich Vermutungen angestellt. Über die möglichen Sulfid-Konzentrationen hat er mangels aussagekräftiger Analysewerte zum Unfallzeitpunkt nur „spekuliert“ (Bl. 541). Soweit er gleichwohl zu dem Ergebnis kommt, dass am Kanaleinlauf die nach der Entwässerungssatzung der Stadt erlaubte maximale Konzentration von 2 mg/l Sulfid kurzfristig überschritten wurde, schließt er wegen der relativ geringen Konzentration aus, dass hierdurch die Gesundheit von Personen direkt gefährdet war (Bl. 541).
17Der Sachverständige sieht als Unfallursache daher nur die Möglichkeit, dass saures Prozessabwasser aus dem Bereich der Appretur der Beklagten zu 1 unterhalb der Unfallstelle in den Kanal geleitet wurde. Die von der Beklagten zu 1 eingeleiteten Substanzen seien zwar im Grunde nicht geeignet gewesen, die Gesundheit von Personen, die sich in der Abwasseranlage aufhielten, zu gefährden. Dies habe einzig die Kombination der Substanzen und die ungewöhnliche Situation im Kanalbereich während der Bauarbeiten bewirken können (Bl. 542). Dabei unterstellt der Sachverständige, dass kein anderer Einleiter eventuell gesundheitsgefährdende Substanzen bzw. Säuren in den neuen Hauptsammler eingeleitet hat, obwohl nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen aufgrund der Zeugenaussagen, dass die säurehaltigen Bäder der P-S-Anlage nur periodisch und nicht mit der Farb- und Waschflotte abgelassen wurden, eventuell noch eine weitere Säurequelle existieren muss (Bl. 542). Für das Vorhandensein eines weiteren Einleiters spricht zudem der Umstand, dass in dem von dem Kläger selbst vorgelegten Prüfbericht der E GmbH vom 16.04.1997 in erheblichem Maße Dichlormethan ausgewiesen wurde (Bl. 157), das der Beklagten zu 1 nicht zugeordnet werden konnte.
18Mit Rücksicht auf die unklare Unfallursache ist danach schon ein relevantes Fehlverhalten der Beklagten zu 2 oder ihrer Rechtsvorgängerin nicht festzustellen. Erst recht kann von einer Ursächlichkeit eines etwaigen Fehlverhaltens für den Unfall nicht ausgegangen werden.
19II.
20Der Beklagten zu 2 bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ist auch kein Verstoß gegen eine Überwachungspflicht vorzuwerfen.
211.
22Die Überwachungspflicht hinsichtlich der Indirekt-Einleitungen obliegt nach § 116 II LWG der allgemeinen Wasserbehörde und damit dem Umweltamt der Streithelferin der Beklagten zu 2, nicht aber dieser oder ihrer Rechtsvorgängerin.
232.
24Die Beklagte zu 2 und ihre Rechtsvorgängerin traf auch als Auftraggeberin keine Verkehrssicherungs- oder allgemeine Aufsichtspflicht. Diese Verpflichtungen waren unstreitig im Rahmen des Bauvertrages auf die A GmbH & Co KG/G GmbH übertragen worden.
253.
26Demgemäß will der Kläger die Haftung der Beklagten zu 2 auch nur daraus herleiten, dass sie unstreitig die von der Beklagten zu 1 eingeleiteten Abwässer nicht überprüft hat.
27a.
28Eine solche Überprüfungspflicht der Beklagten zu 2 und ihrer Rechtsvorgängerin bestand jedoch nicht, weil die Abwasseranlage nach § 1 der Entwässerungssatzung der Stadt vom 25.04.1984 von der Streithelferin der Beklagten zu 2, nicht aber von der Beklagten zu 2 oder ihrer Rechtsvorgängerin betrieben wurde (Bl. 97). Nach § 116 LWG oblag der Streithelferin der Beklagten zu 2 die Überwachung der Indirekt-Einleitungen der Beklagten zu 1. Im Übrigen bestand eine solche Überwachungspflicht nur im Umfang des § 120 LWG. Danach sind Abwassereinleitungen von im Jahresdurchschnitt mehr als 1cbm je zwei Stunden in der Weise zu überwachen, dass mehrmals im Jahr Proben zu entnehmen und zu untersuchen sind. Selbst wenn also die Streithelferin der Beklagten zu 2 ihrer Überwachungspflicht nachgekommen wäre, wäre der Unfall des Klägers hierdurch nicht verhindert worden. Für die vom Kläger für erforderlich gehaltene Überprüfung sämtlicher nach Abschluss von Färbevorgängen einzuleitender Abwässer fehlt daher jegliche Grundlage.
29b.
30Eine solche Überprüfung war auch nicht aufgrund einer angeblich besonderen Gefährlichkeit der von der Beklagten zu 1 verwendeten Chemikalien veranlasst. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H waren die von der Beklagten zu 1 eingeleiteten Substanzen im Grunde nicht geeignet, die Gesundheit von Personen, die sich in der Abwasseranlage aufhielten, zu gefährden (Bl. 542).
31c.
32Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Regelwerk des Arbeitsblattes A 115.
33Insoweit kann schon fraglich sein, ob dieses entsprechend dem Vortrag des Klägers auch mit den darin geregelten Pflichten Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten zu 2 und der A GmbH & Co KG/G GmbH werden sollte (Bl. 263) oder ob es nicht gemäß dem Vortrag der Beklagten zu 2 nur erwähnt wurde, um festzustellen, welche Normen der Auftragnehmer bei der Ausführung und Abwicklung der Bauleistung zu beachten hatte (Bl. 819). Es wäre jedenfalls, zumal im Zusammenhang des vorgelegten Vertragskonvoluts, ungewöhnlich, wenn der Auftraggeber durch die Vorgabe bestimmter Regelwerke nicht den Leistungsumfang des Auftragnehmers hätte festlegen, sondern den Pflichtenkreis Dritter hätte erweitern wollen. Da sich die im Arbeitsblatt A 115 geregelten Überwachungspflichten an den Betreiber der öffentlichen Abwasseranlage und damit an die Streithelferin der Beklagten zu 2 richteten (Bl. 191), wurden hierdurch jedenfalls zusätzliche Pflichten der Beklagten zu 2 oder ihrer Rechtsvorgängerin nicht begründet.
34d.
35Letztlich kann dies offen bleiben. Denn selbst wenn Überwachungspflichten der Beklagten zu 2 oder ihrer Rechtsvorgängerin bestanden hätten und selbst wenn diese den vom Kläger für erforderlich gehaltenen Umfang gehabt hätten, hätte auch durch eine pflichtgemäße Überwachung in zeitlichen Abständen der Unfall des Klägers nicht verhindert werden können. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H waren die von der Beklagten zu 1 eingeleiteten Substanzen im Grunde nicht geeignet, die Gesundheit von Personen, die sich in der Abwasseranlage aufhielten, zu gefährden. Dies konnten einzig die Kombination der Substanzen und die ungewöhnliche Situation im Kanalbereich während der Bauarbeiten bewirken (Bl. 542). Bei den vom Kläger für erforderlich gehaltenen Überprüfungen wäre danach auch nur die Ungefährlichkeit der eingeleiteten einzelnen Substanzen festgestellt worden, ein Zusammentreffen der an sich ungefährlichen Stoffe im Kanal sowie ein Zusammenwirken mit der ungewöhnlichen Situation im Kanalbereich wäre durch eine Überprüfung der Abwässer vor ihrer Einleitung jedoch nicht unterbunden worden. Es handelte sich offenbar um eine plötzlich auftretende Gefahrenlage, gegen die die Beklagte zu 2 keine Vorkehrungen treffen musste.
36III.
37Da schon eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 oder ihrer Rechtsvorgängerin nicht festgestellt werden kann, kommt es nicht mehr darauf an, dass insoweit auch ein Verschulden nicht erkennbar ist. Dies gilt umso mehr, als auch nicht feststeht, dass der Beklagten zu 2 die ungewöhnliche Situation im Kanalbereich bekannt gewesen ist.
38IV.
39Eine Haftung der Beklagten zu 2 nach § 2 HaftpflG scheidet von vornherein aus, da die Beklagte zu 2 ausweislich der Entwässerungssatzung der Streithelferin (Bl. 92, 97) nicht Betreiberin und damit Inhaberin der Kanalanlage ist.
40Demgemäß bedarf auch ein Mitverschulden des Klägers und der A GmbH & Co KG/G GmbH keiner Erörterung.
41Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO; die weitere Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
43Streitwert: 20.451,68 €
442.556,46 €
4523.008,14 €.
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