Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 9/03
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 12. Februar 2003 (VK VOB 27/2002) aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, in dem Vergabeverfahren "Acht-spuriger Ausbau der A 3, Autobahnkreuz Köln-Ost/AD Heumar" den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzunehmen und die Wertung unter Einbeziehung dieses Angebotes zu wiederholen.
II. Die Antragsgegnerin hat sämtliche Kosten beider Instanzen einschließ-lich der der Antragstellerin zur Rechtsverfolgung entstandenen notwen-digen Aufwendungen zu tragen.
III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die An-tragstellerin in beiden Instanzen notwendig.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 1.474.359,84 EUR festgesetzt.
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G r ü n d e:
2Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
3I.
41. Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin sei nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/B auszuschließen, weil es unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sei, da geforderte Erklärungen nicht von allen Mitgliedern der Bietergemeinschaft abgegeben worden seien. Hierzu hat der Senat schon in seinem Beschluss vom 11.04.2003 Ausführungen macht, an denen er nach erneuter Prüfung festhält. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen. Gleiches gilt für die Verteidigung der Antragsgegnerin, dass es an einer ordnungsgemäßen Erklärung der Bietergemeinschaft gemäß Ziffer 5.1. der Bewerbungsbedingungen fehle. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen.
52. Der Senat bleibt im Grundsatz bei seiner Ansicht, dass sich die Antragstellerin mit dem Stempelaufdruck "wird im Auftragsfalle nachgereicht" auf dem "Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen" nach den Gesamtumständen nicht vorbehalten hat, die Leistungen beliebig durch Nachunternehmer ausführen zu lassen. Einer abschließenden Entscheidung, die mit Blick auf den mit den Parteien erörterten Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 5.12.2001 (Verg 3/2002, 256 f) eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB erfordern könnte, bedarf es indes nicht, weil der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin schon aus anderen Gründen Erfolg hat.
6Dem Senat ist aus weiteren Verfahren (u. a. Verg 8/03 und 24/03) bekannt, dass es bis in jüngster Zeit jahrelang Praxis der Vergabestellen (NRW-Landesbetriebe Straßenbau) war, die Nachreichung der Nachunternehmerverzeichnisse zuzulassen. Danach wurden die "Bewerbungsbedingungen über die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau" (nachfolgend: Bewerbungsbedingungen), hier Ziffer 6, wo es heißt:
7"Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und auf Verlangen die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."
8in einer über den Wortlaut hinausgehenden Weise gehandhabt und Nachunternehmererklärungen auch dann noch berücksichtigt, wenn sie nicht bereits dem Angebot beigefügt waren, sondern lediglich angekündigt und auf Anforderung der Vergabestelle vom Bieter nachgereicht wurden. Diese Übung hat die Antragstellerin schon auf den Seiten 15/16 ihrer Beschwerdeschrift (GA 37/38) zur Begründung ihres Nachprüfungsantrages und ihrer Beschwerde geltend gemacht und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen. Die Antragsgegnerin hat die Existenz dieser Vergabepraxis auch nicht in Abrede bestellt und in ihrem Schriftsatz vom 12.3.2003 (GA 107) - lediglich - gemeint, die Antragstellerin könne sich auf eine rechtswidrige Verwaltungsübung unter dem Gesichtspunkt "Keine Gleichheit im Unrecht" nicht mit Erfolg berufen. Letzteres ist hier jedoch nicht richtig.
9Auch im vorliegenden Fall erweist sich die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin wegen des zunächst unausgefüllt nur mit dem Stempelaufdruck "wird im Auftragsfalle nachgereicht" versehenen Nachunternehmerverzeichnisses gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b), 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen, als vergaberechtlich fehlerhaft. Die Vergabestelle hat bei dem Bieterkreis, der als Auftragnehmer von Bauleistungen der in Rede stehenden Art (Straßen- und Brückenbau) in Betracht kommt - und mithin auch gegenüber der Antragstellerin - den nachhaltigen Eindruck erweckt, auch durch eine Nachreichung dem Erfordernis zur Vorlage eines Nachunternehmerverzeichnisses genügen zu können. Bei den Bietern und damit auch bei der Antragstellerin ist ein entsprechendes berechtigtes Vertrauen geschaffen worden. Dieses Vertrauen, dass es nämlich im Sinne der von Ziffer 6 der Bewerbungsbedingungen geforderten Nachunternehmerauskunft (auch) ausreicht, wenn der Bieter die Bekanntgabe der beabsichtigten Nachunternehmerleistungen im Angebot nur ankündigt und die Erklärung auf Anforderung später nachreicht, muss die Vergabestelle nun redlicherweise gegen sich gelten lassen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - der als allgemeiner Rechtsgedanke auch im Vergaberecht gilt - ist es ihr verwehrt, sich ohne eine rechtzeitige und deutliche Vorankündigung gegenüber dem Bieterkreis auf den Wortlaut der Ziffer 6 der Bewerbungsbedingungen zurückzuziehen und - im Widerspruch zu ihrer bisherigen Vergabepraxis - das Angebot der Antragstellerin als unvollständig zu behandeln, weil die Nachunternehmererklärung nicht beigefügt, sondern nur angekündigt gewesen sei. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders zu beurteilen, als wenn die Antragsgegnerin in ihren Bewerbungsbedingungen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt hätte, die zunächst nur angekündigte Nachunternehmererklärung auf Anforderung nachzureichen. Dagegen bestehen auch vergaberechtlich keine durchgreifenden Bedenken. Dem Auftraggeber steht es nämlich frei, die Nachunternehmererklärung mit dem Angebot zu fordern oder deren Vorlage auch noch in einem späteren Stadium des Vergabeverfahrens zuzulassen. Zwar könnte die zweitgenannte Möglichkeit von den Bietern dazu genutzt werden, den Umfang und/oder den Gegenstand des Nachunternehmereinsatzes anders als ursprünglich vorgesehen zu deklarieren. Dies allein rechtfertigt indes nicht die Annahme, dem Auftraggeber sei es vergaberechtlich versagt, den Bietern die Nachreichung des Nachunternehmerverzeichnisses zu gestatten. Mithin kann im Streitfall aus der Bindung der Antragsgegnerin an die Vergabebestimmungen (§ 97 Abs. 7 GWB) und das von ihr zu beachtende Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) gerade nicht gefolgert werden, dass die Antragstellerin sich auf die langjährige Vergabeübung nicht mit Erfolg berufen könne.
10II.
11Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GWB.
12Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 a Abs. 2 GKG.
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