Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 11/03
Tenor
I. Unter Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 20. März 2003 wird der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwer-de gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 13. Februar 2003 (VK 2 - 98/02) bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Antragsstellerin vom 28. Februar 2003 auf Einsichtnah-me in die Vergabeakten wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin wird gebeten, bis zum 21. Juli 2003 zu erklären, ob sie ihre sofortige Beschwerde aufrecht erhält.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Eilantrag der Antragstellerin, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, ist unbegründet. Denn das Rechtsmittel der Antragstellerin bietet nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Recht und zutreffender Begründung zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beschwerde greifen nicht durch.
4Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen geltend macht. Hierzu hat es darzulegen, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Sinn und Zweck dieses (letztgenannten) Erfordernisses ist es zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keine Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Normiert ist damit für das Vergabenachprüfungsverfahren das - bei sämtlichen Rechtsschutzverfahren geltende - Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses. Entsprechend diesem Regelungszweck hat die antragstellende Partei schlüssig und nachvollziehbar vorzutragen, dass durch die einzelnen gerügten Verstöße gegen die Vergabevorschriften ihre Aussichten auf den Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder dass die Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können. Hat der Antragsteller hingegen ein Angebot abgegeben, das keine Aussicht auf den Zuschlag hat, fehlt ihm die Antragsbefugnis mit der Folge, dass er zulässigerweise kein Nachprüfungsverfahren betreiben kann.
5So verhält es sich hier. Den Angeboten der Antragstellerin darf der Zuschlag nicht erteilt werden, weil die Antragstellerin ihre fachliche Leistungsfähigkeit nicht in der nach der Bekanntmachung der Antragsgegnerin gebotenen Art und Weise nachgewiesen hat .
6Kriterien, nach denen der Auftraggeber Bewerber für die Teilnahme an einem Verhandlungsverfahren auswählen muss, sind insbesondere die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Zu deren Nachweis können entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist (§ 5 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A-SKR). Nach § 5 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A-SKR kann der Auftrageber hierzu von den Unternehmen zum Nachweis der Leitungsfähigkeit in der Regel auch eine Liste der wesentlichen in den letzten Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswertes, der Leistungszeit sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber nebst Bescheinigungen fordern. Davon hat die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht und dies in Nr. 13 der Bekanntmachung sogar als eine Mindestbedingung für den Teilnahmeantrag bezeichnet. An diese Vorgaben zum Eignungsnachweis ist die Antragsgegnerin aus Gründen der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB) und der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) gebunden. Die Antragstellerin war mithin gehalten, die fachliche Eignung und Leistungsfähigkeit entsprechend durch fristgerechte Vorlage nachzuweisen.
7Die Antragstellerin hat dieser Anforderung nicht genügt. Sie hat im Schreiben vom
820.8.2002 lediglich ausgeführt:
9"Als Referenzen der Gesellschafterfirmen dürfen wir auf die langjährigen Geschäftsbeziehungen der Gesellschafterfirmen mit Ihrer Muttergesellschaft W...-B...-GmbH in Münster verweisen. Bei Bedarf können die Gesellschafterfirmen auch noch weitere Referenzen beibringen."
10Damit wurde die Mindestbedingung auch nicht annähernd erfüllt. Über seit der Gründung der Antragstellerin als GbR im Jahre 2002 erbrachte eigene Leistungen schweigt das vorgenannte Schreiben. Hinsichtlich der dort angedeuteten Leistungen der Gesellschafter-Firmen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob diese geeignet gewesen wären, eine Leistungsfähigkeit auch der Antragstellerin zu belegen. Denn auch insoweit war der Mindestbedingung durch den pauschalen Hinweis auf langjährige Geschäftsbeziehungen mit der Muttergesellschaft W...-B...-GmbH nicht genügt. Die angebliche Kenntnis der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin konnte die geforderten Nachweise nicht ersetzen, zumal ohnehin auch von Interesse war, inwieweit wesentliche Leistungen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung erbracht worden waren. Des Weiteren war nicht selbstverständlich, dass die Leistungen der Gesellschafterfirmen auf die GbR zu übertragen waren; Angaben der Antragstellerin über die konkrete Überleitung von Personal- und Organisationsstrukturen sowie Kompetenzen auf den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin fehlten ebenfalls.
11Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Antragstellerin die Mindestanforderung bis zum Angebotsschlusstermin am 22.8.2002 erfüllen musste. Feststeht jedenfalls, dass die Erfüllung einer solchen Mindestanforderung vom Bieter nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt, etwa noch im Nachprüfungsverfahren, nachgeholt werden kann. Spätestens muss die Referenz, deren Vorlage der Auftraggeber zwecks Überprüfung der Eignung vom Bieter gemäß § 5 VOL/A - SKR verlangen darf, ihm in demjenigen Zeitpunkt vorliegen, in dem er sie bestimmungsgemäß verwenden soll, mithin im Zeitpunkt der Eignungsprüfung, die der Auftraggeber seinerseits nicht zu beliebiger Zeit vornehmen kann, sondern jedenfalls vor der sachlichen Angebotswertung durchführen muss (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 24.6.2002, Verg 26/02). Nichts anderes gilt bei dem hier ausgeschriebenen Verhandlungsverfahren im Teilnahmewettbewerb. Folglich musste die Antragstellerin jene Mindestanforderung zumindest am 13.9.2002 (Tag des Bescheids der Antragsgegnerin über die Zulassung zum Verhandlungsverfahren) erfüllt haben.
12Die Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb gehindert, bei der Zuschlagsentscheidung das Fehlen des Eignungsnachweises der Antragstellerin zu berücksichtigen, weil sie in Verkennung der vorstehend dargestellten Rechtslage die fachliche Eignung und Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zunächst bejaht und die Antragstellerin (wegen eines anderen Gesichtspunktes unter Vorbehalt) zum Verhandlungsverfahren zugelassen hat. Auch dies hat die Vergabekammer richtig gesehen. Ob die Vergabestelle ein Angebot, das bereits in die weitere Wertungsprüfung gelangt ist, nachträglich wegen fehlender Zuverlässigkeit, fachlicher Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters ausschließen darf, richtet sich danach, ob ein zwingender Ausschlussgrund oder eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle gegeben sind. Ist der öffentliche Auftraggeber von Gesetzes wegen zum Angebotsausschluss verpflichtet, kann ein rechtlich schützenswertes Vertrauen des betreffenden Bieters, sein Angebot werde nicht von der Wertung ausgeschlossen werden, nicht entstehen. In diesem Fall ist die Vergabestelle folglich nicht gehindert, auch noch in einem späten Stadium der Angebotswertung auf den (zwingenden) Ausschlussgrund zurückzugreifen. Steht der Vergabestelle bei der Entscheidung über den Ausschluss des Angebots demgegenüber ein Beurteilungsspielraum zu und hat sie in Ausübung dieses Spielraums die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters bejaht, ist sie daran grundsätzlich gebunden (vgl. Senat, Beschluss vom 4.12.2002 - Verg 45/01; OLG Jena, NZBau 2001, 39, 40; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2000 - 11 Verg 1/00; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.2.2003 - X ZB 43/02 Umdruck Seite 19).
13Im Entscheidungsfall ist die Antragsgegnerin nach diesen Grundsätzen nicht gehindert, auch jetzt noch wegen der fehlenden Nachweise und Referenzen die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu verneinen. Die Bekanntmachung sah zwingend vor, dass die Bieter die Leistungsfähigkeit in bestimmter Form darzustellen und nachzuweisen hatten. Daran ist die Antragsgegnerin - wie bereits ausgeführt - gebunden. Gemäß § 97 Abs. 7 GWB kann zugleich jeder Bieter die Beachtung und Einhaltung dieser Vorgabe beanspruchen. Irgendein Entscheidungsspielraum steht der Antragsgegnerin insoweit nicht zu.
14Auch die weiteren Einwände der Antragstellerin sind nicht stichhaltig. Dass die Beigeladene zu 1 keine Busse mit Niederflurtechnik einsetzen wolle, hilft der Antragstellerin mit Blick auf ihren eigenen zwingenden Ausschluss nicht weiter. Gleiches gilt für ihre Beanstandungen, der Verkehrsvertrag der Antragsgegnerin enthalte unwägbare Risiken für die Bieter, die Begrenzung des Zuschlages auf maximal 20 Einsatzpläne pro Bieter sei unzulässig bzw. die Antragsgegnerin wolle hiervon in Bezug auf einzelne Bieter abweichen. Schließlich ergibt sich auch hinsichtlich der angeblich mangelhaften Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht, dass sich gerade dadurch die Zuschlagschancen der auszuschließenden Antragstellerin verschlechtert hätten.
15II.
16Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass der Antragstellerin eine - über das schon in erster Instanz Gewährte -, hinausgehende Einsicht in die Vergabeakte nicht zugebilligt werden kann. Ihre Beschwerde hat derzeit keine Erfolgsaussicht. In die Leistungsnachweise der übrigen Bieter ist ihr kein Einblick zu geben, weil ihr Ausschluss wegen des völligen Fehlens eigener Nachweise erfolgt und im Übrigen der Vergabeakte zu entnehmen ist, dass andere Bieter solche Nachweise erbracht haben.
17III.
18Eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht angezeigt. Bei den Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB handelt es sich um Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die im Rahmen der Endentscheidung nach Maßgabe des § 128 GWB zu befinden ist.
19B... K... W...
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