Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-Kart 18/03 (V)
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Bun-deskartellamts vom 17. April 2003 (Az. B 11 - 40 100 - T - 38/01) aufgehoben.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Betroffenen in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden dem Bundeskartellamt auferlegt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2I. Die Betroffene ist als kommunales Unternehmen auf dem Gebiet der Elektrizitätsversorgung tätig. Sie betreibt das Mittel- und Niederspannungsnetz in der Stadt M. sowie in angrenzenden Gemeinden des Landes H.. Der Stromvertrieb erfolgt seit Anfang des Jahres 2000 durch das mit der H. Versorgungs-AG, D., gegründete Gemeinschaftsunternehmen e. GmbH. Das Hochspannungsnetz einschließlich der Umspannung zu Mittelspannung wird von der Kraftwerke M.-W. AG betrieben, die über eigene Stromerzeugungskapazitäten verfügt. Die Kraftwerke M.-W. AG geben Strom an die E. R.-M. GmbH & Co. KG ab, die wiederum Lieferantin der e. GmbH ist.
3Die Betroffene stellt ihr Leitungsnetz dritten Unternehmen zur Durchleitung von Elektrizität zur Verfügung. Die hierfür erhobenen Netznutzungsentgelte ermittelt sie nach den Preisfindungsprinzipien der Anlage 3 der Verbändevereinbarung Strom II plus (VV Strom II plus). Das Bundeskartellamt beanstandet die von der Betroffenen verlangten Netznutzungsentgelte unter den rechtlichen Gesichtspunkten einer missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung sowie einer unbilligen Behinderung als überhöht. Durch die im Beschlussweg ergangene Verfügung vom 17. April 2003 untersagte es der Betroffenen,
4in den Netzebenen Mittelspannung, Umspannung Mittel- zu Niederspannung und Niederspannung Netznutzungsentgelte (NNE) zu erheben, die zu einem Erlös führen, welcher den Betrag von 40.800.000 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer, Konzessionsabgaben, Mehrbelastungen aus dem KWK-Gesetz und Erlösen aus Messentgelten) im Jahr überschreitet.
5Das Bundeskartellamt begründete dies auf der Grundlage einer Untersuchung der Erlöse pro Kilometer Netzleitung, der es den Vorzug vor einer allein auf den Betrag der Netznutzungsentgelte und/oder einzelne Abnahmefälle bezogenen Überprüfung gab (vgl. den Beschlussabdruck S. 15 ff.). Die Erlöse der Betroffenen verglich es im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung mit jenen, die das regionale Stromversorgungsunternehmen R. N. AG (nunmehr R. E. AG) durch die Nutzung seines Stromverteilnetzes erzielte. Die betriebswirtschaftlichen Basisdaten entnahm das Bundeskartellamt den Geschäftsjahren 2001 (für die Betroffene) und 2000 bis 2001 (in Bezug auf die R. N. AG), wobei es das seit dem 1.9.2002 und aktuell noch gültige (seinerzeit ermäßigte) Tarifgefüge der Betroffenen zugrunde legte (vgl. Beschlussabdruck S. 5, Tabelle 3; S. 6, Tabelle 4; S. 30, Tabelle 6). Auf dieser Grundlage, und zwar allein eines (um strukturelle Verschiedenheiten des jeweiligen Netzgebiets bereinigten) Vergleichs der Erlöse je Kilometer Leitungslänge, stellte das Bundeskartellamt im Ergebnis fest, die Netznutzungsentgelte im Netzgebiet der Betroffenen könnten niedriger als die derzeitigen Netznutzungsentgelte sein, wenn nicht die Betroffene, sondern - fiktiv an ihrer Stelle - die R. N. AG dieses Netz betriebe. Obwohl die Netznutzungsentgelte der Betroffenen im Untersuchungszeitraum bei isoliertem Vergleich preislich unter jenen der R. N. AG lagen (die ihre Netznutzungsentgelte ebenfalls nach den Preisfindungsprinzipien der VV Strom II plus berechnete), gelangte das Bundeskartellamt deshalb zu der Anordnung, die Betroffene habe zur Abwendung eines Preismissbrauchs die Entgelte aus Netznutzungsleistungen nochmals, und zwar deutlich, unter diejenigen der R. N. AG zu senken, da R. N. in ihrem, der Betroffenen, Netzgebiet in der Lage wäre, solche Leistungen zu weitaus geringeren Entgelten zu erbringen, als dies - in dem der Entscheidung zugrunde gelegten Zeitpunkt - durch die Betroffene geschehe (vgl. Beschlussabdruck S. 18). Im Rahmen der Begründung der Verfügung nahm das Bundeskartellamt wegen gebietsstruktureller Unterschiede in den Netzgebieten der Betroffenen und der R. N. AG geschätzte Korrekturzuschläge und -abschläge an den rechnerischen Ergebnissen vor (vgl. Beschlussabdruck S. 13 f.; S. 25 ff. mit Tabelle 5). Individuellen Unterschieden zwischen den Unternehmen der Betroffenen und der R. N. AG maß es keine Entscheidungsrelevanz zu (Beschlussabdruck S. 14, 32). Aufgrund seiner Bewertung und Quantifizierung struktureller Verschiedenheiten zwischen den Netzgebieten der Betroffenen und der R. N. AG ermittelte das Bundeskartellamt bezogen auf die Gesamterlöse bei Netznutzungsentgelten für die Betroffene ein "Erlössenkungspotential" in Höhe von 19,9 %, welches einer Absenkung der jährlich erzielten Erlöse um 10.152.866,29 Euro auf die Obergrenze von rund 40.800.000 Euro entspricht (Beschlussabdruck S. 54, Tabelle 15; siehe dazu auch S. 53, Tabelle 14 und S. 41, Tabelle 9). Wegen der Einzelheiten der Verfügung, mit der das Bundeskartellamt Verstöße im Einzelnen gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB, § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB und gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 sowie § 20 Abs. 1 GWB annahm, wird auf die Gründe des Beschlusses vom 17.4.2003 verwiesen.
6Die Betroffene hat hiergegen Beschwerde erhoben, die sie - wie nachfolgend im Wesentlichen zusammengefasst - auf formelle und materielle Mängel der angefochtenen Verfügung stützt.
7Die Betroffene verneint die Zuständigkeit des Bundeskartellamts, einen angeblichen Preismissbrauch zu ahnden, und macht geltend, das Amt sei nach Art und Auswirkungen der angegriffenen Verfügung im vorliegenden Fall unzulässig preisregulierend tätig geworden. Darüber hinaus stellt die Betroffene die beanstandeten Verstöße der Sache nach in Abrede. Sie bezweifelt ihre Eigenschaft als Normadressatin und bestreitet insbesondere eine missbräuchlich überhöhte sowie unbillig behindernde Preisgestaltung bei den Netznutzungsentgelten. Sie verweist darauf, die geltenden Netznutzungsentgelte - wie außer Streit steht - entsprechend den Preisfindungsprinzipien der VV Strom II plus berechnet zu haben und beanstandet, die angegriffene Verfügung verweigere ihr auskömmliche Netznutzungsentgelte, die einen rentablen Betrieb ihres Stromnetzes einschließlich der zur Sicherung der Elektrizitätsversorgung erforderlichen Erneuerungen sowie der Erhaltung ihres Personalbestandes gestatteten. Das Bundeskartellamt habe nicht nachgewiesen, dass die ihr, der Betroffenen, gemäß der angefochtenen Verfügung zugestandenen Netznutzungserlöse die Kosten des Netzbetriebs und notwendiger Erneuerungen deckten.
8Einen weiteren Schwerpunkt des Beschwerdeangriffs bildet der Vortrag der Betroffenen, wonach aufgrund gebietsstruktureller Unterschiede der Stromnetzbetrieb der R. N. AG einschließlich notweniger Erneuerungen und Instandhaltungen mit den Aufgaben- und Kostenstellungen, welche im Gebiet ihres, der Betroffenen, Elektrizitätsnetzes aufträten, weder im Ansatz noch in den Einzelheiten vergleichbar sei. Dem vom Bundeskartellamt durchgeführten Vergleich sei ein zureichender Realitätsbezug abzusprechen, weil es an den rechnerischen Beträgen in der Wirkung Korrekturzuschläge und -abschläge in einem Ausmaß von nahezu 50 % angebracht habe.
9Die Betroffene greift außerdem den gewählten Vergleichsmaßstab der Erlöse je Kilometer Leitungslänge an. Sie spricht diesem Maßstab - für sich allein - eine Eignung ab, Aufschluss über eine kartellrechtswidrige Preisgestaltung zu geben. Daneben beanstandet sie, das Bundeskartellamt habe das sog. Erlössenkungspotential auf der Grundlage der von ihm angewandten Methode unzutreffend berechnet. Es habe die Kosten der Errichtung und Instandhaltung der Stromnetze ihres Unternehmens und des Unternehmens der R. N. AG nicht zureichend vergleichbar ermittelt. Hiervon abgesehen habe das Bundeskartellamt es unterlassen, zusätzliche und nach Lage der Dinge zur Herstellung einer strukturellen Vergleichbarkeit ihres, der Betroffenen, und des von der R. N. AG betriebenen Elektrizitätsnetzes gebotene Bewertungszuschläge anzubringen. Jene Zuschläge führten die der angefochtenen Verfügung zugrundeliegenden Schlussfolgerungen des Bundeskartellamts in einen überwiegend durch Schätzungen bestimmten Bereich. Schätzungen in einem derartigen Ausmaß seien ungeeignet, eine Untersagungsverfügung der vorliegenden Art zu rechtfertigen.
10Die Betroffene beantragt,
11die angefochtene Verfügung aufzuheben.
12Das Bundeskartellamt beantragt,
13die Beschwerde zurückzuweisen.
14Das Bundeskartellamt verteidigt seine Verfügung und tritt den Beschwerdeangriffen im Einzelnen entgegen. Es verneint für die Problemstellungen des Streitfalls die rechtliche Aussagekraft einer Berechnung von Netznutzungsentgelten anhand der VV Strom II plus und rechtfertigt einen Vergleich von Erlösen je Kilometer Leitungslänge als Maßstab sowohl für einen Preismissbrauch und für die Unbilligkeit einer Behinderung als auch die Vergleichbarkeit des Stromnetzbetriebs der Betroffenen mit jenem der R. N. AG. Das Bundeskartellamt vertritt die Auffassung, die Betroffene habe die von ihr erhobenen Netznutzungsentgelte rechtlich an jenen des nach den Umständen leistungsfähigeren und effizienteren Unternehmens der R. N. AG messen zu lassen.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
16II. Die Beschwerde ist begründet.
17Allerdings ist die angefochtene Verfügung in formell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie unterliegt der Aufhebung jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen. Die Untersagungsanordnung unterwirft die Betroffene in ihren tatsächlichen Wirkungen einer nach geltendem Kartellrecht nicht statthaften Preisregulierung; sie ist daher von der Ermächtigungsnorm des § 32 GWB rechtlich nicht gedeckt. Darüber hinaus ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Marktstellung oder eine unbillige Behinderung von Wettbewerbern durch Erheben bestimmter Netznutzungsentgelte vom Bundeskartellamt weder anhand des Vergleichs mit den von der R. N. AG berechneten Netznutzungsentgelten noch durch die Heranziehung des Vergleichsmaßstabs der Erlöse je Kilometer Leitungslänge zureichend belegt worden. Es ist außerdem nicht nachgewiesen, dass die von der Betroffenen erhobenen Netznutzungsentgelte die für einen Preismissbrauch vorauszusetzende Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Die Berechtigung der darüber hinausgehenden Beschwerdeangriffe kann offen bleiben.
18A) Die mit Blick auf die Zuständigkeit des Bundeskartellamts von der Betroffenen vorgebrachten Einwände teilt der Senat nicht. Sofern das Bundeskartellamt in der angefochtenen Verfügung in einer ihm gesetzlich nicht zugewiesenen Funktion bei der Regulierung von Netznutzungsentgelten tätig geworden sein sollte, beeinträchtigt solches nicht seine Zuständigkeit, in Fällen der vorliegenden Art (überhaupt) tätig zu werden. Ob das Bundeskartellamt durch die Verfügung vom 17.4.2003 die ihm durch § 32 GWB verliehenen rechtlichen Befugnisse überschritten hat, ist allein eine Frage der Begründetheit seiner Verfügung.
19Die weitere Rüge der Betroffenen, das Bundeskartellamt behandle seine Zuständigkeit willkürlich, wenn es sich in Bezug auf missbräuchliche Preisgestaltungen bei Netznutzungsentgelten nur in solchen Fällen zu einem Tätigwerden aufgerufen sehe, in denen die betroffenen Netzbetreiber über Stromnetze in mehr als einem Bundesland verfügten, ist im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg. Die Betroffene will für die Zuständigkeit des Bundeskartellamts an die wettbewerblichen Auswirkungen auf die im gesamten Bundesgebiet ansässigen Durchleitungspetenten angeknüpft sehen (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 1 GWB). Das Bundeskartellamt hat seine Zuständigkeit demgegenüber angenommen, weil sich das Stromnetz der Betroffenen auf Teile der Bundesländer R.-P.z (nämlich auf das Gebiet der Stadt M.) und H. erstreckt. Die durch die angefochtene Verfügung beanstandeten Netznutzungsentgelte wirken sich lediglich im Netzgebiet der Betroffenen aus. Nur die durchleitungswilligen Stromlieferanten, die im Netzgebiet der Betroffenen ansässige Kunden beliefern wollen, sind deshalb den von ihr festgesetzten Netznutzungsentgelten unterworfen. Die vom Bundeskartellamt hierauf gegründete Zuständigkeit ist von der Norm des § 48 Abs. 2 Satz 1 GWB gedeckt. Sachfremde Erwägungen oder eine willkürliche Handhabung sind insoweit nicht zu erkennen.
20B) Die angefochtene Verfügung ist aber in der Sache zu beanstanden.
211. Allerdings erweckt die Verfügung (anders als der Senat in seiner Beschwerdeentscheidung vom 11.2.2004, Az. Kart 4/03 (V), Beschlussabdruck S. 11 f., in anderer Sache festgestellt hat) hinsichtlich ihrer Bestimmtheit keine rechtlichen Bedenken. Es ist weder der Ausspruch des hier angegriffenen Beschlusses noch die Begründung dahin aufzufassen, das Bundeskartellamt habe der Betroffenen untersagt oder untersagen wollen, die beanstandeten Netznutzungsentgelte auch auf die in der Vergangenheit bereits erfolgten und künftig (nach Wirksamwerden der Verfügung) nur noch abzurechnenden Stromdurchleitungen anzuwenden. In dieser Weise hat die Betroffene die Verfügung ersichtlich auch selbst nicht verstanden, denn sie hat einen Mangel der Bestimmtheit mit ihrer Beschwerde nicht gerügt. Die angefochtene Verfügung umfasst - zureichend bestimmt - lediglich solche Netznutzungsentgelte, die von der Betroffenen vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung an für Stromdurchleitungen erhoben worden sind.
222. Die angefochtene Verfügung ist in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig und daher aufzuheben.
23a) Die Verfügung setzt der Betroffenen bei der Erhebung von Netznutzungsentgelten eine absolute jährliche Erlösobergrenze von 40.800.000 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer, Konzessionsabgaben, Mehrbelastungen aus dem KWK-Gesetz und Erlösen aus Messentgelten). Sie unterwirft die Betroffene damit mittelbar einer präventiven Preiskontrolle, die faktisch eine regulierende Wirkung entfaltet. Die Ermächtigungsnorm des § 32 GWB gestattet dem Bundeskartellamt keine derartige Preiskontrolle, sondern nur die Untersagung eines konkreten (preis-) missbräuchlichen Verhaltens oder die Festsetzung einer (Preis-) Missbrauchsgrenze, die hier nicht in zulässiger Weise festgelegt worden ist (vgl. BGH WuW/E BGH 2967, 2968, 2976 - Strompreis Schwäbisch-Hall).
24Die Verfügung entwickelt einen präventiv wirkenden Charakter, wenn sich die ihr zugrunde gelegten Rahmenbedingungen in Zukunft ändern. Die festgesetzte Erlösobergrenze kann durch ein Anwachsen der Zahl Stromkunden, so etwa durch einen Zuzug von privaten Kunden, aber auch durch eine zusätzliche Ansiedlung oder eine Ausweitung des Betriebs verbrauchsintensiver industrieller Unternehmen - also durch eine Zunahme des Stromverbrauchs durch Endverbraucher und damit auch der Netznutzung -, durch Erweiterungen am Stromnetz und unter Umständen auch durch eine Steigerung der von Dritten durchgeleiteten Strommengen überschritten werden. Die dargestellten Gründe können auch kumulativ zusammenwirken und in ihren Wirkungen durch die Entwicklung der allgemeinen Geldentwertung begünstigt werden. Dadurch steigen die Beträge der aus dem Netzbetrieb erwirtschafteten Umsatzerlöse an, ohne dass die Betroffene in ihrer Eigenschaft als Betreiberin des Elektrizitätsnetzes Änderungen der erlösbildenden Faktoren überhaupt beeinflussen kann. Zwar hat das Bundeskartellamt - unter anderem, aber nicht nur um solchen Entwicklungen zu begegnen - eine Sicherheitsmarge von 5 % an der von ihm errechneten Erlösgrenze angebracht (vgl. S. 54 der Verfügung, dort auch Tabelle 15, Zeile 24, und S. 60 der Verfügung). Zumal die Verfügung keine Befristung enthält, ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass die Betroffene in einem nicht näher bekannten, jedoch überschaubaren Zeitraum allein wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jene Grenze ohne ihr Zutun überschreitet und in den durch die Verfügung festgelegten Tatbestand eines Preismissbrauchs (erneut) "hineinwachsen" kann. Der Zuschlag von 5 %, der dies verhindern soll, kann durch die übrigen Unwägbarkeiten, denen damit entsprochen worden ist, (zumindest teilweise) aufgezehrt sein. Auf jenen Sicherheitszuschlag kann die Betroffene zumal deshalb auch nicht ausschließlich verwiesen werden, weil im Beschwerdeverfahren nur die in den Jahren 2000 und 2001 erzielten Umsatzerlöse der Betroffenen bekannt geworden sind (vgl. angefochtene Verfügung S. 6, Tabelle 4). Zuverlässige Prognosen, etwa in dem Sinn, eine Verschiebung der künftigen Erlöslage der Betroffenen sei unwahrscheinlich, können darauf nicht gestützt werden.
25Einen Verstoß gegen die angefochtene Verfügung kann die Betroffene in dem dargestellten Fall nur abwenden, wenn sie bei einer (durch Zunahme der Netznutzungserlöse drohenden) Überschreitung der Erlösobergrenze beim Bundeskartellamt das Verfahren zu dem Zweck wiederaufzugreifen beantragt, die Überschreitung zu gestatten (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; siehe auch S. 60 der Verfügung). Da die angefochtene Verfügung die Möglichkeit einbezieht, dass die Betroffene ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens beantragen muss, kommt die getroffene Regelung in ihrer Wirkung einem Erlaubnisvorbehalt gleich. Sie schränkt dadurch die Preisgestaltungsfreiheit der Betroffenen in einer nicht mehr zulässigen Weise ein. Durch die im Rahmen eines Wiederaufgreifens anzustellende Prüfung, ob die durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintretende Überschreitung der Erlösobergrenze gutzuheißen ist, übt das Bundeskartellamt eine präventive Preiskontrolle aus. Dies ist ihm nach dem geltenden Kartellrecht verwehrt.
26Das Bundeskartellamt ist dem mit der Ansicht begegnet, die Betroffene sei in einem solchen Fall im Wege einer Neukalkulation gehalten, die Erlösobergrenze durch eine Herabsetzung der Netznutzungsentgelte zu beachten (vgl. den Schriftsatz vom 12.2.2004, S. 2 = GA 727, sowie auch S. 20 der angefochtenen Verfügung). Eine derartige Reaktion ist im Rechtssinn jedoch nicht zwingend geboten, da allein darin, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch Mehrumsätze zu Mehrerlösen führen, nichts Anstößiges zu erkennen ist. Dass die in einem Missbrauchsverfahren ergangene Verfügung künftig die tatsächliche Wirkung einer präventiven Preiskontrolle entfaltet, muss vielmehr durch die getroffene Anordnung selbst ausgeschlossen sein. Diesem Anspruch genügt die angefochtene Verfügung nicht. Denn es ist denkbar und nicht als fernliegend anzusehen, dass sich die Rahmenbedingungen der Netznutzung ändern und dass die Betroffene dann Entgelte beanstandungsfrei in einer Höhe erheben darf, welche die in der angefochtenen Verfügung festgelegte Erlösobergrenze übersteigen. Ob in einem derartigen Fall - und zwar auch auf der Grundlage des in der angefochtenen Verfügung herangezogenen Vergleichsmaßstabs der Erlöse je Kilometer Leitungslänge - die Netznutzungsentgelte (wiederum) als missbräuchlich einzustufen sind, bedarf einer erneuten, eingehenden Überprüfung, d.h. einer wertenden Berechnung. Zu welchem Ergebnis eine derartige Prüfung führt, ist weder jetzt schon prognostizierbar noch der pauschal erhobenen Forderung zugänglich, die Betroffene sei dann in der Lage, einem (abermaligen) Missbrauchsverdacht durch ein Absenken ihrer Netznutzungsentgelte auszuweichen. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich durch eine Ausweitung der Netznutzung und des Netzbetriebs - wie der Vertreter des Bundeskartellamts im Senatstermin bestätigt hat - auch die für die Erlösbewertung wichtigen Parameter der Netzerrichtungs- und Instandhaltungskosten (Leitungskosten) verändern können. Für den in Betracht zu ziehenden Fall einer durch Änderung der Rahmenbedingungen eintretenden Erhöhung der Erlöse kann sich das Bundeskartellamt deshalb nicht darauf beschränken, die Betroffene auf eine entsprechende Herabsetzung der Netznutzungsentgelte zu verweisen. Die im vorliegenden Fall getroffene Anordnung weicht nach Art und Inhalt überdies von dem in der Entscheidung "Strompreis Schwäbisch-Hall" durch den Bundesgerichtshof gebilligten Einschreiten der Kartellbehörde ab (vgl. WuW/E BGH 2967, 2968, 2976). In jener Sache hatte die Kartellbehörde gerade keine Erlösobergrenze festgeschrieben, sondern durch eine Bezugnahme auf die Preisgestaltung eines Vergleichsunternehmens für die Preise des betroffenen Unternehmens eine Missbrauchsgrenze festgelegt.
27b) Unabhängig vom vorstehend dargestellten Grund füllt die angegriffene Verfügung den Missbrauchstatbestand des § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB durch geeignete Tatsachen nicht aus. Nach den genannten Vorschriften ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere anzunehmen, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen. Sowohl der vom Bundeskartellamt angestellte Vergleich mit den von der R. N. AG in ihrem Netzgebiet (einem anderen räumlichen Markt) erhobenen Netznutzungsentgelten als auch der von ihm (allein) angewandte Vergleichsmaßstab der Erlöse je Kilometer Leitungslänge tragen im Ergebnis jedoch nicht die Feststellung, die Betroffene erhebe - beruhend auf der Ausnutzung einer Marktbeherrschung - Netznutzungsentgelte in einer missbräuchlich übersetzten Höhe.
28Allerdings ist nicht ernstlich zu bezweifeln, dass die Betroffene auf dem sachlich relevanten Angebotsmarkt für Netznutzungsleistungen nach wie vor marktbeherrschend ist, weil sie aufgrund ihres Eigentums an dem im Gebiet der Stadt M. sowie in angrenzenden Gemeinden des Landes H. belegenen Mittel- und Niederspannungsnetz (einschließlich der Umspannstellen) im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB eine überragende Marktstellung inne hat. Die Betroffene verfügt - räumlich begrenzt durch die Lage ihres Stromnetzes - bei der Vergabe von Netznutzungsleistungen über ein natürliches Monopol. Die dagegen von der Betroffenen vorgebrachten Argumente (vgl. die Beschwerdebegründung, S. 21 = GA 322, ferner auch den Schriftsatz vom 15.12.2003, S. 2 f. = GA 623 f.) geben für die gegenteilige Annahme nichts her. Zwar ist bei Anfechtungsbeschwerden der vorliegenden Art, die sich gegen Verbotsverfügungen mit Dauerwirkung richten, hinsichtlich der relevanten Tatsachenverhältnisse auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht abzustellen (vgl. Langen/Kollmorgen, KartR, 9. Aufl., § 71 GWB Rn. 19; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 25 a, jeweils m.w.N.). Es ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gerechtfertigt, von der Annahme einer marktbeherrschenden Stellung der Betroffenen allein deswegen abzugehen, weil der Anteil der Strommengen, die von dritten Lieferanten im Netzgebiet der Betroffenen an Endkunden geliefert werden, im Jahr 2003 - wie unbestritten ist - mehr als 19 % der gesamten Stromabnahmen betragen hat. Gleiches hat mit Rücksicht auf einen sich erst noch entwickelnden Wettbewerb um den Betrieb von Stromnetzen zu gelten. Die Betroffene selbst hat lediglich die E. O. AG als Betreiberin eines sog. Arealnetzes in ihrem, der Betroffenen, Netzgebiet benannt.
29Indessen kann eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung durch die Betroffene, und zwar durch Erheben überhöhter Netznutzungsentgelte, nicht festgestellt werden.
30(1.) Ein Vergleich der von der Betroffenen durch die Erhebung von Netznutzungsentgelten erzielten Erlöse mit jenen des Energieversorgungsunternehmens R. N. AG ist wegen individueller Besonderheiten und wegen strukturbedingter Unterschiede im Streitfall ungeeignet und unergiebig, den Vorwurf eines Preismissbrauchs gegen die Betroffene zu begründen. Der angestellte Vergleich stellt keine tragfähige Grundlage für den Missbrauchsvorwurf dar.
31aa) Das Unternehmen der auf einem anderen räumlichen Markt tätigen und diesen Markt ebenfalls beherrschenden Netzbetreiberin R. N. AG weist individuelle Besonderheiten auf, die es mit jenem der Betroffenen nicht vergleichsfähig erscheinen lassen. Zwar sind die Unternehmen der R. N. AG und der Betroffenen in ihren der rechtlichen Beurteilung hier unterliegenden Geschäftszweigen insofern gleichartig, als sie den auf der Marktgegenseite stehenden Durchleitungspetenten Netznutzungsleistungen zur Verfügung stellen. Dies besagt freilich noch nichts Abschließendes darüber, ob sie im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung sinnvoll miteinander verglichen werden können und im Rechtssinn verglichen werden dürfen. Das dem früheren Missbrauchstatbestand des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a.F. entnommene Merkmal der Gleichartigkeit hatte schon damals lediglich die Funktion, eine grobe Sichtung unter den als Vergleichsunternehmen in Frage kommenden Versorgungsunternehmen zu ermöglichen (vgl. BGH WuW/E BGH 2967, 2972 - Strompreis Schwäbisch-Hall). Es genügte für sich allein genommen jedoch dann nicht für die kartellrechtliche Beurteilung von Entgelten, wenn im Übrigen wesentliche Unterschiede bei den verglichenen Unternehmen vorlagen, die eine deutlich unterschiedliche Beurteilung der Preisgestaltung rechtfertigten (vgl. BGH a.a.O.). Zwar hat der Bundesgerichtshof individuelle Besonderheiten bei dem verglichenen Unternehmen, die bei wirksamem Wettbewerb Grund für ein höheres Preisniveau sein konnten, aus einer kartellrechtlichen Bewertung nach § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a.F. ausgeschlossen (vgl. BGH a.a.O. S. 2974). Damit hat er indessen nicht über die hier zu entscheidende Fallgestaltung befunden, in der nicht unmittelbar die Preissetzung der miteinander verglichenen Unternehmen zur Begründung eines Missbrauchsvorwurfs herangezogen worden ist, sondern die unterschiedliche Höhe der jeweils erzielten Umsatzerlöse diesen Vorwurf tragen soll. Zumindest in diesem Fall lassen sich die unternehmensindividuellen Besonderheiten aus der rechtlichen Beurteilung nicht ausklammern, da sie einen erheblichen Einfluss auf die Erlöslage eines Unternehmens haben. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung auch im Beschluss "Valium II" die Vergleichsfähigkeit eines Unternehmens wegen seines geringen Umsatzes, mithin wegen einer individuellen Besonderheit, abgelehnt (vgl. WuW/E BGH 1678, 1683). Im Fall "Glockenheide" hat er die Vergleichbarkeit eines Unternehmens infolge nicht ausschließbarer individueller Kostenvorteile gegenüber dem betroffenen Unternehmen verneint (vgl. WuW/E BGH 2309, 2311, 2312). Hiervon abgesehen hat das Bundeskartellamt die durch die Erhebung von Netznutzungsentgelten erwirtschafteten Erlöse der Betroffenen nur mit jenen der R. N. AG verglichen. Zwar ist (wie der Bundesgerichtshof zur Vorläufernorm des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a.F. entschieden hat) nach dem Zweck des § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB - auch wenn die Vorschrift in ihrem Insbesondere-Teil die Begriffe der Unternehmen und vergleichbaren Märkte in der Mehrzahl verwendet - grundsätzlich auch ein Vergleich (in jenem Fall ein Vergleich der Preise) mit nur einem einzigen Unternehmen zuzulassen (vgl. BGH WuW/E BGH 2967, 2973 - Strompreis Schwäbisch-Hall). Wie die Bezugnahme in jener Entscheidung auf den im Fall "Glockenheide" ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs verdeutlicht, ist ein derart beschränkter Vergleich jedoch nicht ohne Weiteres und in jedem Fall erlaubt. Seine Zulässigkeit hängt vielmehr davon ab, dass in Ermangelung anderweitiger Vergleichsmöglichkeiten zur Überprüfung nur das Verhalten eines - auf einem anderen Markt anzutreffenden - Marktbeherrschers herangezogen werden kann. Da jenes Verhalten lediglich eine schmale Vergleichsgrundlage bildet, muss ferner die Vergleichsfähigkeit zureichend sichergestellt sein (vgl. BGH WuW/E BGH 2309, 2311 - Glockenheide). Dies ist dahin zu verstehen, dass der Vergleich mit nur einem einzigen gleichartigen Unternehmen erhöhten und strengeren Anforderungen unterliegt, sofern allein dieser Vergleich - wie im vorliegenden Fall - den Vorwurf eines Preismissbrauchs rechtfertigen soll. Die hieran anzulegenden Voraussetzungen erfüllt der vom Bundeskartellamt angestellte Vergleich mit dem Unternehmen der R. N. AG nicht. Der Vergleich ist daher nicht sachgerecht.
32Die R. N. AG (heute R. E. AG) gehört dem R.-Konzern an. Ihr Unternehmen ist um ein vielfaches größer als dasjenige der Betroffenen. Die R. N. AG ist neben der Betreibergesellschaft der E. AG die größte Stromnetzbetreiberin in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erzielt jährlich 270 Mal höhere Gesamtumsätze als die Betroffene. Ihre Erlöse aus Netznutzung sind etwa 27 Mal höher als die der Betroffenen. Das Elektrizitätsnetz der R. N. AG ist im Verhältnis zum Netz der Betroffenen mehr als 60 Mal größer. Die R. N. AG verfügt über vier zusätzliche Netzebenen und gibt etwa fünf Mal mehr Strom an Weiterverteiler ab als die Betroffene. Die abgegebenen Strommengen bilden ein Mehrfaches der Abgabemengen der Betroffenen. Auch die Gemeinkosten werden infolge dessen - und abgesehen von ihrer Einbindung in den R.-Konzern - auf wesentlich höhere Strommengenerlöse umgelegt (vgl. die Beschwerdebegründung vom 12.5.2003, S. 29 f. = GA 330 f.).
33Das Bundeskartellamt stuft die R. N. AG (deshalb) als das im Vergleich zur Betroffenen leistungsfähigere und effizientere Unternehmen ein (vgl. die angefochtene Verfügung S. 14, 17 f.). Es hat aus diesem Grund einen Vergleich zwischen beiden Unternehmen sogar ausdrücklich angestrebt (vgl. z.B. die Beschwerdeerwiderung S. 17 = GA 519 sowie im Senatstermin vom Vertreter des Bundeskartellamts nochmals bestätigt). Der Vergleich stößt gerade deswegen aber auf Bedenken, da es nach den Umständen nicht fernliegend, mindestens jedoch nicht auszuschließen ist, dass die vom Bundeskartellamt angenommene bessere Leistungsfähigkeit und Effizienz des Unternehmens der R. N. AG - und infolge dessen auch die Erlössituation bei den Netznutzungsentgelten - auf die mit der Unternehmensgröße verbundene wirtschaftliche Leistungskraft, auf eine dadurch gegebene größere Bandbreite der wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten, auf seine durch eine Betätigung auf zahlreicheren Geschäftsfeldern gestützte Umsatz- und Erlösstärke, auf die Finanzkraft und die vorhandenen Ressourcen sowie auf die unter dem Dach des beherrschenden R.-Konzerns erzielbaren Synergieeffekte, mithin auf Umstände zurückzuführen ist, die ein vielfach kleineres Unternehmen wie das eines kommunalen Energieversorgers für seinen Geschäftsbereich selbst gar nicht herstellen kann. Wenn auch prinzipiell gegen den Vergleich eines dem Verdacht eines Preismissbrauchs unterliegenden Netzbetreibers mit einem leistungsfähigen gleichartigen Unternehmen nichts einzuwenden ist, müssen an einem derartigen Vergleich aber Zweifel aufkommen, sofern die als besser angenommene Leistungsfähigkeit des Vergleichsunternehmens gerade durch unternehmensindividuelle Umstände, die für das betroffene Unternehmen nicht reproduzierbar sind, gefördert worden sein kann. Auch im vorliegenden Fall sind derart begünstigende Einflüsse auf die Erlössituation infolge der Eigenart des Unternehmens der R. N. AG nicht auszuschließen.
34Das Bundeskartellamt hat nicht untersucht und nicht begründet, dass die von ihm angenommene höhere Effizienz der R. N. AG nicht ausschließlich auf Besonderheiten ihres Unternehmens der oben (nicht abschließend) dargestellten Art beruht. Es hat auch nicht begründet, warum sich gerade ein Vergleich mit den Erlösen der R. N. AG dazu eignet, den Nachweis einer missbräuchlich übersetzten Preisgestaltung bei den Netznutzungsentgelten der Betroffenen zu erbringen (vgl. die angefochtene Verfügung S. 11 ff. und den Schriftsatz vom 2.2.2004, S. 7 f. = GA 678 f.). Der Umstand, dass auch der Entscheidung "Strompreis Schwäbisch-Hall" des Bundesgerichtshofs der Vergleich eines städtischen Versorgungsunternehmens mit einem Regionalversorger zugrunde liegt (vgl. WuW/E BGH 2967), hat keine Aussagekraft für eine Vergleichsfähigkeit der im vorliegenden Fall gegenübergestellten Unternehmen. Die Tatsache, dass die R. N. AG (nunmehr das Schwesterunternehmen R. R.-R. AG der R. E. AG) Betreiberin des der Netzebene der Betroffenen vorgelagerten Höchstspannungsnetzes ist und mit Blick hierauf bestimmte Bewertungskorrekturen unterbleiben konnten, wird aufgewogen durch den Umstand, dass ihr Unternehmen und das der Betroffenen wegen individueller Besonderheiten nicht unmittelbar miteinander verglichen werden können und insoweit anderweit korrigierende Eingriffe in einem erheblichen Ausmaß geboten sind. Der Mangel zureichender Aufklärung und Begründung wirkt sich zu Lasten der angefochtenen Verfügung aus. In eine erstmalige Ermittlung der insoweit maßgebenden Tatsachenumstände hat der Senat auch unter der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 70 GWB) selbst nicht einzutreten.
35Einen Vergleich mit der R. N. AG anzustellen, war nach den Umständen für das Bundeskartellamt im Übrigen keineswegs zwingend. Das Bundeskartellamt hätte das Unternehmen der Betroffenen und die Gestaltung seiner Netznutzungsentgelte unwiderlegt auch mit jenen anderer gleichartiger Unternehmen vergleichen können. Die dagegen angeführten Gründe überzeugen nicht (vgl. dazu insbesondere den Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 14.11.2003, S. 17 f. = GA 519 f.). Das Bundeskartellamt hat in der angefochtenen Verfügung (dort S. 18 f.) selbst die im Vergleich zur Geschäftspraxis der Betroffenen geringeren Netznutzungsentgelte der Stadtwerke D. und der G. R.E. AG (im Großraum K.) erwähnt. Das von ihm behauptete Verhalten kommunaler Energieversorger, Erlösüberschüsse für eine Quersubventionierung zu Gunsten anderer kommunaler Unternehmen zu verwenden, hindert einen Vergleich mit anderen kommunalen Energieversorgern nicht. Im Übrigen ist jedem Unternehmen freizustellen, wie es die von ihm erwirtschafteten Überschüsse verwendet. Die jeweilige Verwendung ist nicht per se mit einem kartellrechtlichen Unwerturteil zu belegen. Sofern dies dennoch angebracht sein sollte, können die für eine Quersubventionierung eingesetzten Überschussanteile jedenfalls ermittelt und den aus dem Netzbetrieb erwirtschafteten Erlösen zugeschlagen werden.
36bb) Es sind ferner die in räumlicher Hinsicht bestehenden Marktstrukturen, unter denen die R. N. AG und die Betroffene tätig sind, außerordentlich verschieden. Das Stromnetz der R. N. AG liegt überwiegend in ländlich strukturierten Gebieten. Das Netz der Betroffenen befindet sich hingegen nahezu vollständig in einer Großstadt. Hieraus resultieren die festgestellten, stark unterschiedlichen Leitungslängen und Verkabelungsgrade (Beschwerdebegründung S. 30 = GA 331), die sich nachhaltig, und zwar im Sinn höherer Kosten der Betroffenen bei der Netzerrichtung und -instandsetzung, auswirken, denen auf der anderen Seite jedoch eine kostengünstigere Auslegung des Elektrizitätsnetzes der Betroffenen gegenübersteht (vgl. die angefochtene Verfügung S. 25 ff., insbesondere S. 26, Tabelle 5). Vor dem Hintergrund struktureller Unterschiede hat das Bundeskartellamt zu Gunsten der Betroffenen in mehrfacher Hinsicht Korrekturzuschläge an den Rechenergebnissen angebracht, und zwar:
37- einen Sicherheitszuschlag von jeweils 5 % auf die von der R. N. AG in der Mittelspannungs- und in der Niederspannungsebene erzielten Erlöse (S. 31 f. der angegriffenen Verfügung, dort auch Tabelle 7),
- weitere Sicherheitszuschläge (in Höhe von jeweils 5 %) auf die Netznutzungserlöse der R. N. AG in der Mittelspannung (ohne Umspannung von Hoch- zu Mittelsspannung) sowie in der Niederspannung (einschließlich der Umspannung von Mittel- zu Niederspannung) wegen gewisser Ungenauigkeiten bei den zugrundezulegenden Absatzzahlen (S. 31 der Verfügung sowie Tabelle 7, S. 32 der Verfügung),
- einen Zuschlag von 5 % auf die Kosten des dem Stromnetz der Betroffenen vorgelagerten Hochspannungsnetzes (S. 33, 40 der Verfügung),
- einen Zuschlag im Betrag von 15 % auf den Instandhaltungsaufwand der Betroffenen sowie wegen möglicher Ungewissheiten hinsichtlich der Datenbasis (S. 49 der Verfügung),
- einen Zuschlag von 5 % auf das errechnete Erlössenkungspotential mit Rücksicht auf die allgemeine Geldentwertung, mögliche Änderungen an den Erlösen der R. N. AG sowie möglicher Änderungen an der Länge des Stromnetzes der Betroffene (S. 54 und 60 der angefochtenen Verfügung),
- Zuschläge auf die Erlöse der R. N. AG je Kilometer Leitungslänge von 83,7 % in der Mittelspannung und von 40,3 % in der Niederspannung wegen höherer Leitungskosten der Betroffene (Tabelle 14, S. 53 der Verfügung).
Die Zuschläge wirken sich nach Darstellung des Bundeskartellamts auf das ermittelte Erlössenkungspotential in einer Höhe von deutlich mehr als 41 % aus (vgl. S. 14 der Verfügung, S. 20 des Schriftsatzes des Bundeskartellamts vom 14.11.2003 = GA 522 [nebst Verweisung auf die Antragserwiderung vom 28.5.2003 im Eilverfahren, S. 26 ff. = GA 118 ff.] und die Beschwerdebegründung S. 40 f. = GA 341 f.). Nach den Berechnungen der Betroffenen beeinflussen sie das Ergebnis (aufgerundet) zu annähernd 47,6 % (vgl. die Beschwerdebegründung S. 42 bis 44 = GA 343 bis 345 und den Schriftsatz vom 15.12.2003, S. 21 = GA 642). Darüber hinaus fordert die Betroffene weitere Korrekturzuschläge unter den Gesichtspunkten einer in ihrem Netzgebiet zu gewährleistenden höheren Versorgungssicherheit (10 %, Beschwerdebegründung S. 76 ff. = GA 377 ff.), des Betriebs einer höheren Anzahl von Netzebenen durch die R. N. AG (5 %, Beschwerdebegründung S. 80 f. = GA 381 f.), der Überschreitung einer Erheblichkeitsschwelle (5 %, Beschwerdebegründung S. 82 ff. = GA 383 ff.) und ihr tatsächlich entstehender höherer Leitungskosten (Beschwerdebegründung S. 44 = GA 345). Selbst wenn man die Berechtigung dieser Forderungen dahingestellt sein lässt, haben die zur Herstellung einer gleichen Ausgangslage für die Unternehmen der Betroffenen und der R. N. AG tatsächlich angebrachten Korrekturen damit ein Ausmaß erreicht, welches die beiden Unternehmen auch strukturell nicht miteinander vergleichbar erscheinen lässt. Mit Ausnahme der oben unter den beiden ersten Spiegelstrichen dargestellten Wertberichtigungen leuchtet keiner der vom Bundeskartellamt vorgenommenen Zuschläge der Höhe nach durch eine besondere sachliche Rechtfertigung unmittelbar ein. Die Zuschläge beruhen auf reinen, innerhalb gewisser Bandbreite möglichen Schätzungen.
39Unabhängig hiervon hat die Betroffene mit Recht darauf hingewiesen, dass in den vom Bundeskartellamt ermittelten Korrekturzuschlägen (mehr als 41 %, vgl. S. 14 der angefochtenen Verfügung und S. 40 der Beschwerdebegründung = GA 341) die außerdem angebrachten Sicherheitszuschläge von 5 % auf die Kosten des vorgelagerten Netzes sowie von weiteren 5 % wegen allgemeiner Geldentwertung, möglicher Änderungen an den Erlösen der R. N. AG und möglicher Änderungen an der Stromnetzlänge der Betroffenen außer Ansatz geblieben sind. Diesem nachvollziehbaren Einwand ist das Bundeskartellamt nicht entgegengetreten (vgl. die Beschwerdeerwiderung S. 20 = GA 522). Stellt man die genannten beiden Zuschläge in die Berechnung des Korrekturvolumens ein, dann beruht der vom Bundeskartellamt angenommene wettbewerbsanaloge Erlös je Kilometer Leitungslänge - wie die Betroffene zutreffend ermittelt hat - zu annähernd 47,6 % auf Zuschlägen (vgl. die Berechnung in der Beschwerdebegründung S. 41 bis 44 = GA 342 bis 345). Ein auf der Grundlage der rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Bundeskartellamts hinzunehmender Erlös setzt sich indessen zu mehr als 50 % aus Zuschlägen zusammen, wenn auf das rechnerische Ergebnis ferner ein sog. Erheblichkeitszuschlag von mindestens 5 % angebracht wird, den die Betroffene fordert, das Bundeskartellamt jedoch ablehnt.
40Ein solcher Erheblichkeitszuschlag ist vorzunehmen (vgl. dazu auch Langen/ Schultz, § 19 GWB Rn. 102 a.E.). In seinem in anderer Sache ergangenen Beschluss vom 11.2.2004 (Az. Kart 4/03 (V), Beschlussabdruck S. 16 f.) hat der Senat hierzu ausgeführt:
41Nicht jede Preisüberhöhung ist Ausdruck der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Erforderlich ist deshalb ein deutlicher Abstand zwischen dem zur kartellrechtlichen Überprüfung stehenden Preis und dem als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden (wirklichen oder fiktiven) Wettbewerbspreis (BGH WuW DE-R 375, 379, 380 - Flugpreisspaltung; WuW DE-R 412, 417 - Endschaftsbestimmung). Das gilt auch für den Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung. Zwar hat der Bundesgerichtshof unter der Geltung des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a.F. die Auffassung vertreten, der dort normierte Vorwurf, dass ein Energieversorgungsunternehmen ungünstigere Preise als gleichartige Unternehmen verlange, erfordere nicht die Überschreitung des Vergleichspreises in einem erheblichem Umfang (BGH WuW/E BGH 2967, 2973 - Strompreis Schwäbisch-Hall). Diese Rechtsgrundsätze sind auf den vorliegenden Fall indes nicht übertragbar. Die dargestellte Rechtsprechung trug den seinerzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Energiesektor Rechnung und beruhte auf der durch § 103 Abs. 1 GWB a.F. begründeten und mittels Demarkations- und Leitungsrechten abgesicherten Monopolstellung der Energieversorgungsunternehmen (BGH WuW DE-R 375, 380 - Flugpreisspaltung; Langen/Schultz, § 19 GWB Rn. 104). Sie kann, nachdem § 103 GWB a.F. ersatzlos gestrichen worden ist, nicht mehr herangezogen werden. Die zu § 103 GWB a.F. ergangene Judikatur kann - entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts - insbesondere nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Unternehmen der leitungsgebundenen Energieversorgung im Rahmen der Missbrauchskontrolle nach § 19 GWB einem strengeren Maßstab zu unterwerfen als andere marktbeherrschende Unternehmen. Das geltende Recht enthält für eine Differenzierung dergestalt, dass ein Monopolunternehmen der Energieversorgung schon bei jedweder Überschreitung des Wettbewerbspreises missbräuchlich handelt, während für den Vorwurf des Preismissbrauchs ansonsten ein deutlicher Preisabstand erforderlich ist, keinen Anhaltspunkt.
42An dieser rechtlichen Beurteilung hält der Senat fest, denn aus dem Verständnis heraus, dass der Missbrauchsvorwurf ein Marktverhalten mit einem Unwerturteil belegt, ist zwingend zu fordern, dass die beanstandeten Preise zu den im Wettbewerb erzeugten Entgelten - jenseits von aus Sicherheitsüberlegungen gebotenen Zuschlägen - einen deutlichen Abstand aufweisen müssen, dass geringfügige Preisabstände mithin unbeachtlich sind (vgl. auch Langen/Schultz, § 19 GWB Rn. 102 a.E.). Wenn- wie im Streitfall - der kartellrechtlichen Bewertung statt der Entgelte die Umsatzerlöse zugrundegelegt werden, ist ein Erheblichkeitszuschlag bei den Erlösen anzubringen. Der Höhe nach ist insoweit ein Zuschlag von wenigstens 5 % geboten. Dem Gegenargument des Bundeskartellamts, das natürliche Monopol der Betroffenen sei wegen seiner Auswirkungen auf nachgelagerte Märkte mit der durch § 103 GWB a.F. abgesicherten Monopolstellung im Rechtssinn gleichzusetzen, ist nicht beizupflichten. Im Ergebnis führt dies dazu, dass bei zutreffender Ermittlung eines wettbewerbsanalogen Erlöses je Kilometer Leitungslänge infolge der anzusetzenden Zuschläge die Schätzanteile überwiegen. Dies nimmt dem mit dem Unternehmen der R. N. AG angestellten Vergleich jede Aussagekraft mit Blick auf den in der angefochtenen Verfügung angenommenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Betroffenen (vgl. BGH WuW/E BGH 1678, 1682 f., 1684 - Valium II).
43(2.) Die angefochtene Verfügung beachtet darüber hinaus nicht den Prüfungsmaßstab der angewandten Eingriffsnorm. Der Vergleich der Erlöse je Kilometer Leitungslänge ist vom Bundeskartellamt im vorliegenden Fall überdies nicht sachgerecht praktiziert worden, da sein Ergebnis allein die Feststellung eines Preismissbrauchs durch die Betroffene tragen soll. Auch deswegen ist die angefochtene Verfügung aufzuheben.
44aa) Der Vergleich der auf die Netzlänge bezogenen Unternehmenserlöse modifiziert das sog. räumliche Vergleichsmarktkonzept, das auf einem Vergleich der auf unterschiedlichen räumlichen Märkten erhobenen Preise fußt (vgl. dazu Langen/ Schultz, § 19 GWB Rn. 98 m.w.N.). Das räumliche Vergleichsmarktkonzept ist durch § 19 Abs. 4 Nr. 2, 2. Halbsatz GWB rechtlich gedeckt. Kennzeichnend für das Konzept eines in Bezug auf verschiedene räumliche Märkte angestellten Erlösvergleichs je Kilometer Leitungslänge ist die Gegenüberstellung der Gesamterlöse aus der Netznutzung und des die Netzkosten mit bestimmenden Elements der Verteilnetzlängen (hier auf den Ebenen der Mittelspannung und der Niederspannung). Ein Erlösvergleich ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebilligt worden (vgl. BGH WuW/E BGH 2967, 2974 f. - Strompreis Schwäbisch-Hall). Denn es spricht manches dafür, dass die Möglichkeit, durch Netznutzung unverhältnismäßig hohe Geschäftserlöse zu erzielen, bei wirksamem Wettbewerb nicht oder nicht in gleichem Maße besteht. Wären bei wirksamem Wettbewerb die Umsatzerlöse geringer, wären es im Übrigen wahrscheinlich auch die Netznutzungsentgelte. Ungerechtfertigt hohe Erlöse können von daher indizielle Aussagekraft für eine missbräuchlich überhöhte Gestaltung der Entgelte haben (vgl. BGH WuW/E BGH 1678, 1684 - Valium II). Auch einem auf die Verteilnetzlänge bezogenen Erlösvergleich ist jedenfalls eine grundsätzliche Eignung, zur Begründung eines Preismissbrauchs herangezogen zu werden, nicht abzusprechen (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 22.1.2003, Az. Kart 39/02 (V) = WuW/E DE-R 1067). Denn die Länge des Verteilnetzes stellt - dies jedenfalls im Mittel- und Niederspannungsbereich - einen wichtigen Faktor bei den Gesamtkosten des Verteilnetzes dar. Das steht zwischen den Beteiligten außer Streit, auch wenn die Betroffene auf weitere in ihren Augen wesentliche Kostenaspekte verwiesen hat (vgl. den Schriftsatz vom 15.12.2003, S. 24 f. = GA 645 f.). Die Betroffene hat diese freilich keiner konkreten Bewertung unterzogen. Von daher kann mit ausreichender Gewissheit angenommen werden, dass sich die Netzkosten jedenfalls auch von der Länge des jeweiligen Verteilnetzes abhängig entwickeln. Daneben berücksichtigt ein Vergleich der Erlöse je Kilometer Leitungslänge das absatzstrukturelle Element der Versorgungsdichte (gemessen in KWh je Kilometer Stromkreislänge). Er lässt deshalb über eine Erfassung von einzelnen Abnahmefällen hinaus Mengengewichtungen zu und erlaubt Schlussfolgerungen mit Blick auf die - mehr oder weniger günstige - Struktur des jeweiligen Versorgungsgebiets. So ist die Gebietsstruktur als umso günstiger zu bewerten, je höher die Umsätze in einem Netzabschnitt ausfallen (und umgekehrt). Ein Vergleich der Erlöse je Kilometer Leitungslänge weist damit den Vorzug auf, bestimmte strukturelle Merkmale unmittelbar in den Vergleich zu übertragen, ohne dass insoweit mit Schätzungenauigkeiten behaftete Korrekturzuschläge angebracht werden müssen (was freilich nicht bedeutet, dass wegen anderer struktureller Unterschiede zwischen den Vergleichsgebieten nicht weitere Zuschläge vorzunehmen sind).
45Im konkreten Fall hat das Bundeskartellamt einen Missbrauchsvorwurf allein aus der Feststellung abgeleitet, dass (nach Anbringung der im vorigen Abschnitt behandelten Korrekturzuschläge) die Netznutzungserlöse je Kilometer Leitungslänge der damaligen R. N. AG bedeutend geringer sind als die der Betroffenen. Hieraus folgert das Bundeskartellamt, die Netznutzungsentgelte im Netzgebiet der Betroffene könnten niedriger als die aktuellen Netznutzungsentgelte liegen, wenn die R. N. AG das Netz der Betroffenen betreiben würde. Die R. N. AG sei aufgrund der vergleichsweise hohen Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens in der Lage, Netznutzungsdienstleistungen zu weitaus niedrigeren Entgelten und Erlösen zu erbringen, als dies durch die Betroffene geschehe. Hieran seien die Netznutzungsentgelte der Betroffenen, die sich hinsichtlich der Effizienz ihres eigenen Unternehmens dem durch die R. N. AG gesetzten Maßstab zu stellen und anzupassen habe, zu messen. Das Bundeskartellamt hat danach durch lineare Übertragung in Rechenoperationen die der Betroffenen aufzugebende Erlössenkung ermittelt (vgl. S. 54 der Verfügung, Tabelle 15). Ihrer absoluten Höhe nach waren und sind die Netznutzungsentgelte der Betroffenen hingegen geringer als die entsprechenden Entgelte der R. N. AG (und zwar um 7,3 % in der Niederspannung ohne Leistungsmessung, um 1,9 % in der Niederspannung mit Leistungsmessung und um 1,8 % in der Mittelspannung, vgl. die Beschwerdebegründung S. 22 = GA 323). Dies hat das Bundeskartellamt für unerheblich gehalten.
46bb) Auf den Vergleichsmaßstab der Erlöse je Kilometer Leitungslänge kann bei der Anwendung des Gesetzes jedoch nicht ausschließlich abgestellt werden. Gemäß dem Tatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB ist nicht das Erzielen bestimmter Geschäftserlöse, sondern nur das Fordern missbräuchlich überhöhter Entgelte verboten. Für die Missbrauchsaufsicht über die Preisgestaltung der Betroffenen ist danach allein maßgebend, ob die von ihr verlangten (Netznutzungs-) Entgelte kartellrechtswidrig sind (vgl. BGH WuW/E BGH 3009, 3014 - Stadtgaspreis Potsdam). Der durch die Erhebung von Entgelten erwirtschaftete geschäftliche Erlös ist hingegen nicht unmittelbar Gegenstand der kartellrechtlichen Kontrolle. Zwar können, wie oben angesprochen worden ist, unverhältnismäßig hohe Erlöse indiziell auf eine auf missbräuchlicher Ausnutzung einer Marktbeherrschung beruhende Preisgestaltung hindeuten. Zwingend ist das jedoch nicht. Denn die Höhe von Erlösen kann aus geschäfts- und/oder aus unternehmensbedingten Gründen hinzunehmen sein (vgl. BGH WuW/E BGH 1678, 1684 - Valium II; WuW/E BGH 1445, 1452 - Valium). Hierüber hat das Bundeskartellamt im Streitfall nicht aufgeklärt. Grundlegende und erstmalige Ermittlungen sind insoweit vom Senat genauso wenig anzustellen wie Mutmaßungen darüber, ob und gegebenenfalls welche anerkennenswerten Gründe es im Unternehmen der Betroffenen hierfür geben kann. Hiervon abgesehen darf die Kartellbehörde die Preiskontrolle nicht auf eine Überprüfung der Erlöslage als Folge einer bestimmten Entgeltgestaltung beschränken. Sie muss vielmehr auch überprüfen, ob der geforderte Preis als solcher missbräuchlich übersetzt ist.
47Diese Überprüfung hat das Bundeskartellamt nicht durchgeführt. Es hat seine Prüfung - bezogen auf die Netzlängen - ausschließlich auf die Erlöse erstreckt und das rechnerische Ergebnis zum Gegenstand des Verbots gemacht, Netznutzungsentgelte zu erheben, die eine bestimmte Erlösobergrenze überschreiten. Die angefochtene Verfügung umfasst damit letztlich auch den Fall, dass die von der Betroffenen geforderten Netznutzungsentgelte bei wertender Betrachtung nicht zur Feststellung einer als missbräuchlich zu beurteilenden Preisüberhöhung führen. Denn das Bundeskartellamt hat sich darauf beschränkt, die Verhältnisse des Unternehmens der R. N. AG auf das Unternehmen der Betroffenen zu übertragen, ohne näher zu untersuchen, ob die Betroffene wirtschaftlich überhaupt dazu in der Lage ist, jene - bessere - Effizienz und Leistungsfähigkeit zu erreichen und auf Dauer zu erhalten, die das Bundeskartellamt dem Unternehmen der R. N. AG zugeschrieben hat. Die unter Umständen nachteiligen Auswirkungen seiner Anordnung auf die Leistungsfähigkeit, den Unternehmensgewinn, die Rentabilität des Netzbetriebs und auf die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens der Betroffenen gegenüber Wettbewerbern hat das Bundeskartellamt nicht überprüft, obwohl sich hieraus stichhaltige Gründe dafür ergeben können, der Höhe der Erlöse eine indizielle Aussagkraft für eine missbräuchliche Preisgestaltung abzusprechen. Seine Feststellung, die zum Vergleich herangezogenen geringeren Erlöse der R. N. AG belegten, dass das Verteilnetz der Betroffenen sich auch mit deutlich geringeren Kosten und Erlösen betreiben lasse (S. 60 der Verfügung), ist durch entsprechende Untersuchungen nicht erhärtet. Der bloße Umstand, dass die R. N. AG ihr Mittel- und Niederspannungsnetz - auf die Netzeinheit bezogen - tatsächlich mit geringeren Erlösen betreibt, ist hierfür nicht zureichend aufschlussreich. Es ist dadurch insbesondere nicht die von § 19 Abs. 4 Nr. 2, 1. Halbsatz GWB geforderte hohe Wahrscheinlichkeit anderer Netznutzungsentgelte der Betroffenen bei einem wirksamen Wettbewerb erwiesen.
48cc) Die angefochtene Verfügung berücksichtigt ebenso wenig, dass die Betroffene die von ihr erhobenen Netznutzungsentgelte nach den Preisfindungskriterien der VV Strom II plus ermittelt hat (Anlage 3 der Verbändevereinbarung). Diese erheben die Forderung, dass die Preise "in Anbetracht der Kosten- und Erlöslage bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung" zu bilden sind (Abschnitt 1. Grundsätze, dort Absatz 1). Ist die Betroffene - wie unstreitig ist - nach jenen Prinzipien verfahren, dann steht fest, dass sie bei der Bemessung ihrer Netznutzungsentgelte nicht ineffizient oder unrationell vorgegangen ist. Die Preisfindungskriterien der VV Strom II plus stellen ein betriebswirtschaftlich anerkanntes, taugliches und vertretbares Konzept zur Kalkulation der Netznutzungsentgelte dar (vgl. den Beschluss des Senats vom 11.2.2004, Az. Kart 4/03 (V), Beschlussabdruck S. 15). Diese Kalkulationsmethode war in § 6 Abs. 1 EnWG bis zum 31.12.2003 als eine geeignete Grundlage zur Berechnung von Netznutzungsentgelten ausdrücklich anerkannt. Denn mit der Einhaltung der in Anlage 3 der VV Strom II plus genannten Preisfindungskriterien war die Vermutung einer "guten fachlichen Praxis" verknüpft, deren Vorliegen ein kartellrechtlich missbräuchliches Verhalten in der Regel ausgeschlossen erscheinen ließ. Damit ist nicht vereinbar, das auf der Grundlage der VV Strom II plus berechnete Netznutzungsentgelt allein deswegen als missbräuchlich zu beanstanden, weil sich nach einer anderen Berechnungsmethode - nämlich nach dem Konzept eines Vergleichs von Erlösen je Kilometer Leitungslänge - ein anderes, nämlich ein geringeres, Entgelt ergibt. Mit dem vermeintlich selben Recht könnte eine Überprüfung auch anhand der Methode der Kostenkontrolle stattfinden. Die Anwendung jener Methode rechtfertigt - wie die Betroffene unwidersprochen vorgetragen hat - im vorliegenden Fall jedoch keine Beanstandung der Netznutzungsentgelte und kein sog. Erlössenkungspotential. Im Sinn einer Kontrollüberlegung zeigt sich hieran, dass es nicht der mehr oder weniger zufälligen Auswahl einer Ermittlungs- oder Überprüfungsmethode überlassen sein darf, den Tatbestand einer durch missbräuchliche Ausnutzung einer Marktbeherrschung hervorgebrachten Entgeltforderung nachzuweisen. Ein derartiger Nachweis kann vielmehr schon dann nicht gelingen, wenn sich das betroffene Unternehmen zur Kalkulation seiner Entgelte feststellbar einer anerkannten Methode bedient hat.
49(3.) Die Netznutzungsentgelte der Betroffene überschreiten bei dem vorstehend dargestellten Befund außerdem nicht die Erheblichkeitsgrenze. Dass eine solche Grenzziehung vorzunehmen ist, ist oben (S. 20 bis 22) begründet worden; hierauf wird Bezug genommen.
50c) Die vom Bundeskartellamt angenommenen weiteren Verstöße gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB und gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 20 Abs. 1 GWB sind ebenso wenig feststellbar. Es kann nicht festgestellt werden, die Betroffene gewähre durchleitungswilligen Unternehmen Zugang zu den eigenen Netzen nicht "gegen angemessenes Entgelt". Das ergibt sich aus den vorstehend ausgeführten und der Verbotsnorm des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB geltenden Überlegungen, auf die zu verweisen ist. Der vom Bundeskartellamt geäußerte Verdacht einer möglichst hohen Kalkulation von Netznutzungsentgelten (siehe angefochtene Verfügung S. 57) rechtfertigt kein kartellbehördliches Einschreiten. Genauso wenig ist im Übrigen eine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung anderer Marktteilnehmer oder deren unbillige Behinderung durch die Gestaltung der Netznutzungsentgelte der Betroffenen festzustellen.
51Der Senat hat gemäß § 74 Abs. 2 GWB die Rechtsbeschwerde zugelassen.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Satz 1 GWB.
53Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 35.535.032 Euro
54Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 12 a Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 und § 9 Satz 1 ZPO. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse, welches die Betroffene mit ihrer Beschwerde verfolgt. Die Beschwerde verfolgt das Ziel, die mit dem angefochtenen Beschluss verfügte Absenkung der Netznutzungserlöse um jährlich 10.152.866,29 Euro abzuwenden. Da die Verfügung unbefristet ergangen ist, ist für den Streitwert das dreieinhalbfache dieses Betrages, mithin der Betrag von 35.535.032 Euro, in Ansatz zu bringen. Das folgt aus § 9 Satz 1 ZPO. Auf diese Vorschrift ist in § 12 a Abs. 1 Satz 1 dem Sinne nach zugleich verwiesen, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit der Vorschrift § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt.
55Rechtsmittelbelehrung:
56Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag vom Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.
57- K.
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