Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 4 Ausl (A) 56-03-169-04 III
Tenor
Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 30. September 2003 in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses vom 23. Oktober 2003 wird aufgehoben.
Der Verfolgte ist auf die hiermit getroffene Anordnung des mitunterzeichnenden Senatsvorsitzenden in dieser Sache aus der Auslieferungshaft zu entlassen.
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G r ü n d e :
2Durch Beschluss vom 30. September 2003 hat der Senat die vorläufige Auslieferungshaft gegen den Verfolgten – und durch Beschluss vom 23. Oktober 2003 die Fortdauer der Haft - angeordnet. Er befindet sich seit dem 13. Mai 2004 in stationärer Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen.
3Durch ärztliches Attest vom 19. Juli 2004 ist der Senat mittlerweile umfassend über seinen Gesundheitszustand informiert worden.
4Die sich hieraus ergebenden Erkenntnisse zwingen zur Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls. Gem. Art. 22 EuAlÜbk, § 15 Abs. 2 IRG darf die Auslieferungshaft nicht vollzogen werden, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Auslieferungshindernisses spricht (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, 218 m.w.N., OLG Celle, StV 1999, 264, 265). Ein derartiger Sachverhalt ist hier gegeben, denn nach dem jetzigen Erkenntnisstand wäre die Auslieferung des Verfolgten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als mit dem völkerrechtlich nicht zu vereinbarenden Mindeststandard unzulässig.
5Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Auslieferung ist die Überprüfung geboten, ob diese oder ihr zugrundeliegende Akte mit unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und mit dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard an elementarer Verfahrensgerechtigkeit, der über Art. 25 GG einen Bestandteil des innerstaatlich geltenden Rechts bildet, vereinbar sind (BVerfGE 75, 1, 16; 59, 280, 283). In diesem Rahmen gebietet die Achtung vor dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) ganz allgemein, bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in dieses Recht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Rechtfertigt schon nach innerstaatlichem Rechtsverständnis die verfassungsrechtliche Pflicht zu wirksamer Strafrechtspflege nicht in jedem Falle eines hinreichenden Tatverdachts auch die Durchführung eines Strafverfahrens, weil diese ihrerseits mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit in Widerstreit treten und Grundrechte eines Beschuldigten schwerwiegend beeinträchtigen kann, so gilt dies in gleicher Weise für das Auslieferungsverfahren und die Durchführung der Auslieferung durch hiesige Behörden. Steht demnach infolge des Gesundheitszustandes eines Verfolgten im Auslieferungsverfahren konkret zu befürchten, dieser werde im Rahmen der Auslieferung sein Leben verlieren oder schwerwiegenden und irreparablen Schaden an seiner Gesundheit nehmen, so gebietet der (verfassungsrechtliche) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, von derartigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen abzusehen (vgl. hierzu OLG Stuttgart, NStZ 1987, 80 m.w.N.).
6Hier wird der Gesundheitszustand des Verfolgten beim gegenwärtigen Sachstand dessen Auslieferung voraussichtlich verbieten. Wie aufgrund der ärztlichen Stellungnahme des Justizvollzugskrankenhauses Nordrhein-Westfalen vom 19. Juli 2004 feststeht, leidet der nunmehr 68 Jahre alte Verfolgte an mehreren Krankheiten, die sein Leben gefährden. Im Vordergrund stehen eine Herzinsuffizienz, eine koronare Herzkrankheit und eine fortschreitende monoklonale Gammopathie, die zu einem symptomatischen Stadium mit Knochenbrüchen, Nierenversagen, Infektanfälligkeiten und zu Lungenembolien führenden Gerinnungsstörungen des Blutes übergehen kann. Ohne dass in absehbarer Zeit mit einer Änderung gerechnet werden kann, besteht nach der ergänzenden telefonischen Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 11. August 2004 Transportfähigkeit zu Lande lediglich für einen Zeitraum von zwei bis drei Stunden; bei einem Transport auf dem Luftwege wäre von vornherein eine akut lebensbedrohliche Situation gegeben.
7Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Stellungnahmen zu zweifeln. Sie erwecken beim gegenwärtigen Erkenntnisstand unter dem Gesichtspunkt einer Einhaltung des völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandards gewichtige Zweifel an der Zulässigkeit der Auslieferung, da der Verfolgte nicht nur lediglich eingeschränkt haftfähig, sondern bereits für eine lange Strecke transportunfähig ist.
8Über die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung wird der Senat nach Eingang aller Unterlagen und ggf. von der Generalstaatsanwaltschaft noch einzuholender weiterer Erläuterungen seitens der rumänischen Regierung entscheiden.
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