Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 75/04
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der An-tragsgegnerin wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung angeordnet angeordnet, soweit sich die Beschwerde gegen die Androhung ei-nes Zwangsgeldes in Ziff. 3 des Beschlusses der Vergabekammer Münster vom 23.09.2004 (AZ. VK 18/04 und 26/04) wendet.
Im übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2Mit ihrem zur Entscheidung stehenden Eilantrag wendet sich die Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Münster vom 23.09.2004. Durch ihn ist nach Verbindung des Vollstreckungsverfahrens (Az.: VK 18/04) und des von der Antragstellerin gegen die Aufhebung der Ausschreibung eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens (Az: VK 26/04) festgestellt worden, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 19.08.2004 über die Aufhebung der Ausschreibung hinsichtlich Los 1 rechtswidrig war (Ziff. 2 des Beschlusses). Ferner ist der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld angedroht worden, um sie zur Befolgung der Beschlüsse der Vergabekammer vom 09.03.2004, Az.: VK 2/04, und des Senates vom 09.06.2004, Az.: VII Verg 11/04, anzuhalten (Ziff. 3 des Beschlusses).
3Der Antrag der Antragsgegnerin, die aufschiebende Wirkung ihrer mit Schriftsatz vom 11. September 2004 eingelegten Beschwerde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung hierüber anzuordnen, ist zulässig und begründet, soweit sich die Beschwerde gegen die Zwangsgeldandrohung richtet (vgl. unter I.). Der Antrag ist hingegen als unzulässig zu verwerfen, soweit sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses wendet (vgl. unter II.).
4I.
5Soweit sich die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Androhung eines Zwangsgeldes durch die Vergabekammer richtet, ist ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde in analoger Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und hat auch der Sache nach Erfolg.
61.
7Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 25. Juli 2002, Az.: Verg 33/02, die Statthaftigkeit eines Eilantrages in analoger Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO bejaht. Hieran ist festzuhalten.
8Nach § 114 Abs. 3 Satz 2 GWB richtet sich die Vollstreckung der Entscheidung der Vergabekammer nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Im Streitfall ist - weil Gegenstand der Vollstreckung im Sinne von § 114 Abs. 3 Satz 2 GWB die Entscheidung einer nordrhein-westfälischen Vergabekammer ist - dementsprechend das Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NW) anzuwenden. § 8 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO NW) bestimmt, dass Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen in der Verwaltungsvollstreckung richten, keine aufschiebende Wirkung haben. Die Vorschrift ordnet in Satz 2 zugleich die analoge Geltung des § 80 Abs. 5 VwGO an. Das bedeutet, dass gegen derartige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht werden kann mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Vollstreckungsmaßnahme anzuordnen.
9Dies gilt auch hier. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde (auch) gegen die Androhung des Zwangsgeldes mit der Begründung, sie habe gegen den rechtskräftigen Beschluss der Vergabekammer vom 09.03.2004 nicht verstoßen. Mit ihrem Eilantrag hat sie ausdrücklich analog § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde beantragt.
102.
11Auch der Sache nach hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung Erfolg.
12Der Antrag ist begründet, denn das Interesse an der Vollziehung der rechtskräftigen Entscheidung der Vergabekammer überwiegt nicht das Interesse der Antragsgegnerin, die Vollziehung bis zur Entscheidung über ihre Beschwerde auszusetzen. Entscheidend hierfür sind die Erfolgsaussichten des von der Antragsgegnerin gegen die Zwangsgeldandrohung eingelegten Rechtsmittels. Die hier gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde der Antragsgegnerin voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Androhung des Zwangsgeldes war nach vorläufiger Bewertung unzulässig, weil die Vollziehbarkeit der angeordneten Verpflichtung zur Neubewertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer nachträglich durch die Wertung vom 19.08.2004 entfallen ist.
13Mit Beschluss vom 09.03.2004 (Az.: VK 2/04) hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, die Angebote der Bieter mit Ausnahme des Angebotes der Firma T. A. W. GmbH erneut unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung zu werten. Die gegen den Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wies der Senat mit Beschluss vom 09.06.2004 (Az.: VII Verg 11/04) zurück. Die Antragsgegnerin hat gegen dieses bestandskräftige Gebot nicht verstoßen, sondern es spricht vielmehr im Gegenteil viel dafür, dass sie ihrer Verpflichtung durch die Neubewertung der Angebote vom 19.08.2004 vollumfänglich nachgekommen ist.
14a.
15Entgegen den Ausführungen der Vergabekammer handelte die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung aus dem Beschluss der Vergabekammer vom 09.03.2004 in der Fassung des Senatsbeschlusses vom 09.06.2004 nicht zuwider, als sie mit der Fa. T. A. W. GmbH am 04.06.2004 für den Zeitraum vom 01.07. - 31.12.2004 einen Vertrag über die Entsorgung von Bio- und Restmüll in ihrem Stadtgebiet geschlossen hat. Hierdurch hat sie die Vorgaben der Vergabekammer nicht unterlaufen. Die Antragsgegnerin hat diesen Vertrag außerhalb des hier in Rede stehenden Vergabeverfahrens im Verhandlungsverfahren für eine Übergangszeit von sechs Monaten geschlossen, um die Entsorgungssicherheit in ihrem Stadtgebiet über den 30.06.2004 hinaus zu gewährleisten. Hierzu Bestand Anlass, weil im Hinblick auf das eingeleitete Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht zuverlässig beurteilt werden konnte, ob rechtzeitig zum vorgesehenen Zeitpunkt (01.07.2004) der ausgeschriebene Auftrag vergeben werden konnte. Unter diesen Umständen steht der Annahme einer Umgehung der titulierten Verpflichtung zunächst entgegen, dass der zeitlich auf sechs Monate befristete Vertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen worden ist, als die Entscheidung der Vergabekammer noch gar nicht in Bestandskraft erwachsen war, also noch gar nicht fest stand, ob der Beschluss der Vergabekammer Bestand haben würde. Zudem stand der Abschluss des Interimsvertrages einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens durch die angeordnete Neubewertung der Angebote nicht entgegen. Er hat lediglich Einfluss auf den Beginn der ursprünglich vorgesehenen Vertragslaufzeit.
16b.
17Die Antragsgegnerin hat auch nicht, wovon die Vergabekammer in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen ist, die angeordnete Wiederholung der Angebotswertung bisher nicht durchgeführt.
18Die Antragsgegnerin hat ausweislich ihres Vergabevermerks vom 19.08.2004 eine erneute Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebotes der Fa. T. vorgenommen. Hierbei ist sie möglicherweise vergaberechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass bezüglich Los 1 die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c) VOL/A aufzuheben ist, weil sie zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt hat. Ob dieses Wertungsergebnis vergaberechtsfehlerfrei zustande gekommen ist, insbesondere, ob die Preise der in der Wertung verbliebenen Angebote tatsächlich in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, ist allerdings nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern im Rahmen des von der Antragstellerin eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens zu klären. Die Antragsgegnerin hat durch die von der Antragstellerin beanstandete Wertung des Kriteriums Preis jedenfalls nicht gegen die Vorgaben der angeordneten Neubewertung verstoßen. Hintergrund der angeordneten Neubewertung war, abgesehen von dem Ausschluss des Angebotes der Fa. T., die fehlerhafte Wertung des Zuschlagskriteriums "Qualität". Die Frage, ob die Preise der (in der Wertung verbliebenen) Angebote in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, war nicht Gegenstand des vorangegangenen ersten Nachprüfungsverfahrens, so dass die Antragsgegnerin bezogen auf das Zuschlagskriterium Preis durch die Neubewertung der Angebote am 19.08.2004 nicht gegen die Vorgaben der Vergabekammer verstoßen konnte.
19Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Neubewertung der in der Wertung verbliebenen Angebote rechtsmissbräuchlich nur zum Schein und von Anfang an mit dem Ziel erfolgt ist, die Ausschreibung aufzuheben, um einen ansonsten chancenlosen Bieter zum Zuge kommen zu lassen. Hierfür fehlen aber ausreichende Anhaltspunkte.
20II.
21Soweit sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausdrücklich auch auf die Entscheidung der Vergabekammer erstreckt, die sich über das Nachprüfungsverfahren, Az.: VK 26/04, verhält, ist der Antrag nicht statthaft. Der in analoger Anwendung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Eilantrag ist auf das Vollstreckungsverfahren beschränkt. Im Nachprüfungsverfahren hat die sofortige Beschwerde gemäß § 118 Abs. 3 GWB keine aufschiebende Wirkung, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 62 = NZBau 2001, 582; Byok, NJW 2003, 2642, 2643).
22- Dr. M. D.-B.
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