Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 66/05
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 31. August 2005, VK 3-97/05, wird zu-rückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens - ein-schließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB - sowie die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu tragen.
Der Gegenstandswert beträgt bis zu 16.000 €.
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Die Antragsgegnerin führte eine öffentliche Ausschreibung zur Konzeption und Durchführung Ausbildungsbegleitender Hilfen "AbH" nach §§ 240 ff. SGB III und/oder § 16 Abs. 1 SGB i.V.m. §§ 240 ff SGB III (Nr. 152-05-18702) für ca. 5.200 Teilnehmer im Bezirk des Regionalen Einkaufzentrums S. (Vergabestelle) durch. Die Ausschreibung war in 53 Lose aufgeteilt, wobei ein Los die ausbildungsbegleitende Hilfe für eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern an einem bestimmten Maßnahmeort und in einem bestimmten Maßnahmegebiet umfasste.
4Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben innerhalb der Angebotsfrist Angebote auch auf das Los Nr. 30 ab, dessen Maßnahmebeginn in Ch. für den 1. September 2005 bei einer Vertragsdauer von 12 Monaten und einem Optionsrecht zugunsten der Antragsgegnerin für ein weiteres Jahr vorgesehen war. Das Los Nr. 30 umfasste 90 Teilnehmerplätze, davon 5 Teilnehmer mit Behinderung. Vorgegeben war ein Betreuungsschlüssel von 2,64 Sozialpädagogen und 2,50 Lehrkräften.
5Die Verdingungsunterlagen bestanden aus einem Teil A Hinweise zur Angebotsabgabe und einem Teil B Leistungsbeschreibung. Im Teil A.5 Prüfung und Wertung der Angebote war die Vergabe von Leistungspunkten auf einer Skala von 0 bis 3 Wertungspunkten anhand einer Bewertungsmatrix vorgesehen. Drei Wertungspunkte sollten vergeben werden, wenn das Leistungsangebot des Bieters der Zielerreichung in besonderer Weise dienlich war, zwei Wertungspunkte dann, wenn das Leistungsangebot des Bieters den Anforderungen entsprach. Die Bewertung der Angebote erfolgte unter Anwendung der Formel UfAB III nach der erweiterten Richtwertmethode. In Teil B Leistungsbeschreibung war im Abschnitt B.1.1. die Zielsetzung der ausbildungsbegleitenden Hilfen beschrieben und unter Abschnitt B.1.2. der förderungsfähige Personenkreis. Unter Abschnitt B.2 waren u.a. die Wertungsbereiche Stütz- und Förderunterricht und sozialpädagogische Arbeit dargestellt und unter Abschnitt B.2.2. Qualitätsbereiche der Stütz- und Förderunterricht in tabellarischer Form nebst der jeweiligen Zielsetzung, die Wertungskriterien Inhalt, zeitlicher Umfang, Methoden und Lehrmittel beschrieben. Auf den weiteren Inhalt der Leistungsbeschreibung wird Bezug genommen.
6Auf einer Tagung der Leiter der Regionalen Einkaufzentren am 10. März 2005 hatten sich diese auf einen preislichen Orientierungsrahmen für die zu vergebenden Dienstleistungen geeinigt, bei dessen Unterschreitung eine Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A erfolgen sollte. Der Orientierungsrahmen wies folgende Werte auf:
7Untere Grenze: 130 €/Teilnehmer/Monat
8Mittelwert: 210 €/Teilnehmer/Monat
9Obere Grenze: 280 €/Teilnehmer/Monat.
10Für das Gebiet des Regionalen Einkaufzentrums S. legte die Vergabestelle am 12. Mai 2005 nach Öffnung der auf die 53 Lose eingereichten 566 Angebote unter Berücksichtigung des Mittelwertes der eingereichten Angebote von 155 € und unter Beibehaltung des prozentualen Abstandes zwischen der unteren Grenze und dem Mittelwert eine untere Preisgrenze von gerundet 100 € fest.
11Die Antragsgegnerin führte hinsichtlich des die untere Grenze unterschreitenden Angebotspreises der Beigeladenen eine Überprüfung der Kalkulationsgrundlage gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A durch. Nach Vorlage der Kalkulationsgrundlage vom 24. Mai 2005 durch die Beigeladene versah der Mitarbeiter der Vergabestelle das Schreiben mit den handschriftlichen Bemerkungen "nachvollziehbar" und "i. O.".
12Die fachliche Wertung der zu Los 30 eingegangenen Angebote erfolgte durch eine aus mehreren Bediensteten der Antragsgegnerin bestehende Prüfergruppe. Sowohl das Angebot der Beigeladenen als auch das Angebot der Antragstellerin wurden von derselben Prüfergruppe, aber von unterschiedlichen Prüfern bewertet. Die Vergabe von 0, 1 oder 3 Punkten versahen die Prüfer mit einer Begründung. Im Anschluss an die Wertung der Angebote durch zwei Prüfer fand im Rahmen der Prüfergruppe ein "Quervergleich" der Angebote statt, soweit die Prüfer - abweichend von einer Bewertung mit 2 Punkten - 0, 1 oder 3 Punkte vergeben hatten.
13Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle, da ihr, der Antragstellerin, Angebot nicht das wirtschaftlichste sei; zudem liege es außerhalb des festgelegten Kennzahlenkorridors.
14Mit Schreiben vom 10. Juni 2005 wandte sich die Antragstellerin gegen die Wertung ihres Angebotes und des Angebots der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab.
15Mit ihrem Nachprüfungsantrag begehrte die Antragstellerin die Wiederholung der Angebotswertung unter Behebung der gerügten Vergaberechtsverstöße. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet zurück.
16Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr ursprüngliches Begehren weiter und macht geltend:
17Die Anforderungen der Leistungsbeschreibung seien unklar. Es gebe keine Vorgaben zur Sicherstellung einer einheitlichen Bewertung in den Wertungsbereichen 1, 2 und 3 Punkte. Es sei nicht erkennbar, unter welchen Voraussetzungen eine Bewertung mit 2 oder 3 Punkten erfolgt sei. Die Wertungskriterien seien zu allgemein gefasst. Insbesondere hätte es hinsichtlich der Methoden und Lehrmittel der Aufstellung von Mindestanforderungen bedurft, wie sie auch bei Nebenangeboten erforderlich sei. Den Prüfern sei kein Wertungsleitfaden an die Hand gegeben worden. Infolgedessen hätten diese über keine einheitlichen Wertungsmaßstäbe vefügt. Darin liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung. Die Antragsgegnerin habe subjektive Wertungen der Prüfer in Kauf genommen.
18Das Angebot der Beigeladenen sei wegen Unauskömmlichkeit des Angebotspreises in der dritten Wertungsstufe von der Wertung auszuschließen gewesen, weil der angebotene Preis ungewöhnlich niedrig gewesen sei. Die stichwortartige Begründung über das Ergebnis der Prüfung der Auskömmlichkeit genüge dem Dokumentationserfordernis nicht.
19Ihr eigenes Angebot und das der Beigeladenen seien außerdem fehlerhaft bewertet worden. Die Prüfer hätten die Prüfungsmaßstäbe nicht richtig verstanden. Das konkrete Wertungsverfahren der vierten Wertungsstufe sei vergaberechtsfehlerhaft ausgestaltet gewesen, weil die zu einem Los eingegangenen Angebote durch verschiedene Prüfer bewertet worden seien. Der angeblich durchgeführte Quervergleich der Bewertungen sei vergaberechtlich unzulässig gewesen. Die Bewertung ihres eigenen Angebots mit nur 2 Wertungspunkten sei fehlerhaft, weil es als zu "knapp ausgefallen" bewertet worden sei und es bei bestimmten Wertungskriterien mit 3 Punkten habe bewertet werden müssen.
20Das Angebot der Beigeladenen sei, soweit das Unterrichtskonzept 3 Punkte in den einzelnen Wertungsbereichen erreicht habe, fehlerhaft gewertet worden.
21Im Übrigen leide das gesamte Verfahren unter Dokumentationsmängeln nämlich insoweit, als die Vergabe von 2 Wertungspunkten nicht begründet und die Ergebnisse des Quervergleiches nicht dokumentiert worden seien.
22Die Antragstellerin beantragt,
23den Beschluss der Vergabekammer vom 31. August 2005 aufzuheben
24und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen in dem Ausschreibungsverfahren mit der Ausschreibungs-Nr. 152-05-18702 –AbH- § 240 SGB III des Regionalen Einkaufszentrums S., Los Nr. 30, auszuschließen, die Angebote der übrigen Bieter unter Behebung der geltend gemachten Vergabeverstöße neu zu werten und die Bieter über das Ergebnis der neuen Wertung gemäß § 13 VgV erneut zu unterrichten.
25Die Antragsgegnerin beantragt,
26die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
27Sie verteidigt die Vorgaben der Leistungsbeschreibung, die Ausgestaltung des Verfahrens der Angebotswertung und die konkrete Wertung der Angebote als vergaberechtsfehlerfrei.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29II.
30Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
31Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Er ist insbesondere nicht mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) als unzulässig zurückzuweisen. Ob die Antragsgegnerin gegen § 24 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A verstoßen hat und ob die Antragstellerin sich hierauf mit Erfolg berufen kann, ist im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden.
32Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
331. Die Leistungsbeschreibung (Teil B der Verdingungsunterlagen) ist vergaberechtskonform. Ihre Anforderungen sind weder inhaltlich unbestimmt oder unklar (vgl. § 8 Abs. 1 VOL/A), noch waren hinsichtlich des Inhalts, der Methoden und der Lernmittel Mindestanforderungen durch die Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung festzulegen. Zudem war die vorherige Aufstellung eines Wertungsleitfadens für die Prüfer nicht erforderlich.
34Die Leistungsbeschreibung ist funktional ausgestaltet, das heißt der Zweck der Ausbildungsbegleitenden Hilfen (AbH) ist beschrieben. In den Abschnitten B.2 Wertungsbereiche und B.2.1 der Leistungsbeschreibung (S.27 ff.) ist die Zielsetzung der Leistungen, die sich an Ausbildungssuchende und Auszubildende wenden, im Einzelnen genannt. Ziel der AbH ist es, durch Stütz- und Förderunterricht sowie durch sozialpädagogische Arbeit den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Personen zu erreichen. Während der Stütz- und Förderunterricht den Bildungszielen der Teilnehmer dient, sollen insbesondere durch die sozialpädagogische Arbeit die Schlüsselkompetenzen (persönliche, soziale, methodische, lebenspraktische, interkulturelle und IT- und Medienkompetenz) gefördert werden. Durch welche Mittel (Inhalte, zeitlicher Umfang, Methode und Lehrmittel) die zum Ziel gesetzte Bildung der Teilnehmer erreicht werden soll, ist in die kreative Beurteilung des fachkundigen Bieters gestellt. Daraus folgt indes nicht, dass die Anforderungen der Leistungsbeschreibung unklar oder unbestimmt seien, denn im Abschnitt B.2.2.1 Stütz- und Förderunterricht der Leistungsbeschreibung sind die (konkretisierten) Zielsetzungen des Förder- und Stützunterrichtes und unter den Wertungskriterien Inhalt, zeitlicher Umfang, Methode und Lernmittel – z.T. beispielhaft, z.T. als Mindestanforderung - die einzusetzenden Mittel benannt. Danach dient der Stützunterricht dem Ziel der Vermittlung der fachtheoretischer und allgemeinbildender Inhalte und der Förderunterricht dem Ziel der Eröffnung neuer Lernmöglichkeiten.
35Soweit die Leistungsbeschreibung keine bindenden Vorgaben hinsichtlich der einzusetzenden Methoden und Lernmittel enthält, sind die gestellten Anforderungen nicht als unbestimmt zu qualifizieren. Zum einen ergibt sich aus der beispielhaften Aufzählung der Methoden und Lehrmittel, dass, wie die Antragstellerin selbst erklärt hat, "Standardprodukte" im angesprochenen Dienstleistungsbereich abgefragt werden, also bewährte Unterrichtsmethoden sowie Lehrmittel eingesetzt werden sollen. Zum anderen war entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine funktionale Leistungsbeschreibung im Streitfall, in dem ein bestimmter Erfolg nicht geschuldet ist, zulässig. Im Streitfall geht es nicht um die Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden und Lehrmittel, sondern um die Erbringung von standardisierten Unterrichtsleistungen. Die zu erbringenden Leistungen entziehen sich zwar einer objektiven Erfolgsmessung. Geschuldet ist lediglich der Unterricht, also eine Dienstleistung. Diese ist der Maßstab für die zu erbringende Vergütung. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass funktionale Leistungsbeschreibungen nur dort zulässig wären, wo ein bestimmter Erfolg geschuldet ist. In dem Rahmen der nachgefragten Leistungen ist den Bietern durch die Funktionalität der Leistungsbeschreibung ein kreativer Spielraum eingeräumt, der nicht hinter dem (vorrangigen) Wettbewerb und dem Gedanken der Vergleichbarkeit der angebotenen Leistungen zurückzutreten hat, weil die Bieter sich bewährter Leistungsmittel bedienen können. Infolgedessen ist die Vergleichbarkeit der Leistungen gewahrt. Es war daher nicht erforderlich, in der Leistungsbeschreibung weitere Festlegungen zu treffen, damit im Ergebnis von allen Bietern dieselben Leistungen angeboten wurden. Folgerichtig sollte die Wahrnehmung des Spielraums zu eigener Kreativität bei der Angebotswertung mit einer Vergabe von bis zu drei Wertungspunkten gewürdigt werden.
36Es ist auch aus Rechtsgründen nicht erforderlich gewesen, hinsichtlich der einzusetzenden Methoden und Lehrmittel Mindestanforderungen für die Angebote festzulegen. Die Leistungsbeschreibung enthält insoweit bereits Mindestanforderungen, als sie zwingend vorschreibt, welche Zielsetzungen der Unterricht zu erfüllen hat und in welchen Fächern Unterricht in welchem zeitlichen Umfang zu erteilen ist. Darüber hinaus bedurfte es der Festlegung weiterer Mindestanforderungen der für den Stütz- und Förderunterricht einzusetzenden Methoden und Lehrmittel nicht, weil es sich bei den zu unterbreitenden Angeboten um Hauptangebote und nicht um Nebenangebote handelt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urt. v. 14.6.1993, Rs. C-421/01, Rdnr. 32 - Traunfellner) zu den von Nebenangeboten zu erfüllenden und in den Verdingungsunterlagen zu veröffentlichenden Mindestanforderungen betrifft nur Nebenangebote.
37Die Leistungsbeschreibung ist nicht deshalb unklar, weil die zu vermittelnden Lerninhalte für den im Sinn einer Mindestanforderung vorzusehenden Unterricht in den Fächern Deutsch- und Mathematik nicht näher bestimmt wurden. Die Lehrinhalte des Unterrichts ergeben sich bereits daraus, dass die AbH-Maßnahme sich an Ausbildungssuchende und Auszubildende richtet und Stütz- und Förderunterricht erteilt werden soll. Aus der Tatsache, dass die Teilnehmer in die Lage versetzt werden sollen, einen Berufsabschluss zu erwerben, geht hervor, dass der Unterricht Hauptschulniveau aufweisen soll. Darüber hinaus sollte sich die inhaltliche Ausgestaltung des Mathematikunterrichtes oder des Deutschunterrichtes nach dem spezifischen individuellen Ausbildungs- und Entwicklungsstand der Teilnehmer an der Ausbildungsmaßnahme richten. Den konkreten Schulungsbedarf konnte und musste die Antragsgegnerin nicht erkennen. Er sollte vom Auftragnehmer individuell festgestellt und zum Gegenstand eines Förderplans gemacht werden.
38Auch hinsichtlich der einzusetzenden Methoden bedurfte es keiner weiteren Festlegung durch die Antragsgegnerin. Die anzuwendenden Methoden sollten sich nach den Bedürfnissen der Zielgruppe, der Teilnehmerzahl und nach dem vorgegebenen Personalschlüssel bezüglich der Lehrkräfte und Sozialarbeiter sowie nach den Stundenzahlen richten. Diese Parameter bildeten natürliche Grenzen, innerhalb derer der Stütz- und Förderunterricht zu erteilen sein sollte. In diesem Rahmen blieb es den Bietern vorbehalten zu entscheiden, ob Gruppen- oder Einzelunterricht erteilt werden kann. Dadurch wurde den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A), denn die Bieter hatten bei der vorgegebenen Teilnehmerzahl nur die vorgesehenen Lehrkärfte und Sozialarbeiter vorzuhalten.
39Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die vorherige Aufstellung und Bekanntgabe eines fachlichen Wertungsleitfadens für die Prüfer nicht erforderlich, um vermeintliche Unklarheiten der Leistungsbeschreibung auszugleichen. Die Anforderungen an die Angebote und die Wertungskriterien sind hinreichend klar vollständig unter B.2 der Leistungsbeschreibung wiedergegeben. Die Prüfer, bei denen es sich um Bedienstete der Regionalzentren der Antragsgegnerin handelte, sind fachlich versiert und vermochten auf Grund dessen die eingesetzten "Standardmittel" auf ihre Tauglichkeit zur Erreichung der angestrebten Ziele zu beurteilen, ohne dass ihnen ein fachlicher Wertungsleitfaden an die Hand gegeben wurde. Dass rein subjektive Wertungen zur Geltung kamen, war in den vorgegebenen Wertungsmaßstäben und –kriterien nicht angelegt. Im Übrigen besteht kein Anspruch der Bieter darauf, dass der öffentlliche Auftraggeber sich in seiner Ermessensausübung durch die Aufstellung eines Wertungsleitfadens bindet.
402. Das Angebot der Beigeladenen war nicht bereits in der dritten Wertungsphase von der Wertung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A auszuschließen, denn es besteht kein feststellbares Missverhältnis zwischen dem von der Beigeladenen angebotenen Preis und der zu erbringenden Leistung. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf ein Angebot, dessen Preis in einem offenbaren Missverhältnis zu der angebotenen Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sieht vor, dass der Auftraggeber die Einzelposten des Angebotes überprüft, wenn das Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, hat bieterschützenden Charakter. Nicht zu beanstanden ist das Verfahren, nach dem die Antragsgegnerin festgelegt und überprüft hat, ob zwischen der Leistung und dem Preis ein auffälliges Missverhältnis besteht. Ungeachtet der Streitfrage, ob § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A bieterschützenden Charakter hat, kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und dem von der Beigeladenen angebotenen Preis besteht. Auch eine Absicht der Beigeladenen, die Antragstellerin durch ihr Preisangebot vom Markt zu verdrängen, ist nicht feststellbar.
41Die anlässlich der Tagung der Leiter der Regionalen Einkaufszentren (REZ) der Antragsgegnerin am 10. März 2005 festgelegte untere Preisgrenze von 130 € pro Teilnehmer und Monat kennzeichnete einen Preisabstand zum Durchschnittswert der Angebote, der für sich genommen nicht schon die Unangemessenheit des Preises, sondern nur eine Schwelle festlegte, bei deren Unterschreitung die Auskömmlichkeit des Angebotspreises vom Auftraggeber überprüft werden sollte (vgl. EuGH, Urt. v. 27.11.2001, Rs. C –285/99 u. C- 286/99, VergabeR 2002, 131- "Lombardini"). Die Leiter der REZ hatten sich ersichtlich aufgrund eines allgemeinen und bundeseinheitlich aufgestellten Maßstabes vorläufig - vorbehaltlich der noch eingehenden Angebote - auf eine Größenordnung zur Festlegung einer Aufgreifschwelle verständigt, bei deren Unterschreiten das Verfahren nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A eingeleitet werden sollte. Bei der Festlegung der unteren Grenze, der Aufgreifschwelle kommt der Vergabestelle ein Ermessen zu. Dieses kann nur daraufhin überprüft werden, ob die Vergabestelle eine sachlich vertretbare Entscheidung getroffen hat, das heißt einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt hat, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und einen zutreffenden Beurteilungsmaßstab angewandt hat. Etwaige Ermessenfehler hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt, sie sind auch nicht ersichtlich. Mit der genannten Festlegung der Grenzwerte trat für die Angebotswertung jedoch keine endgültige Bindung in der Frage ein, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angebot preislich ungewöhnlich niedrig erschien. Die Festlegung hatte nur vorläufigen Charakter. Sie war abhängig von den Preisen der eingehenden Angebote und von den regional zu erwartenden Schwankungen.
42Bei der Neufestlegung der unteren Grenze für den Bezirk S. durch die Vergabestelle am 12. Mai 2005 ist kein Ermessensfehler unterlaufen. Ein solcher Fehler liegt insbesondere nicht darin, dass der Durchschnittswert anhand der eingegangener Angebote errechnet worden ist. Die Heranziehung aller eingegangenen Angebote konnte sachgerecht erscheinen, um einen repräsentativen Überblick über die im Geschäftsbereich der Vergabestelle vorkommenden Wettbewerbspreise zu erhalten und um hiervon ausgehend einen regionalen Duchschnittspreis zu bilden. Eine auf die Region bezogene Preisbetrachtung war geeignet, den Wettbewerb repräsentativ abzubilden und – für die Prüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A – zuverlässige Beurteilungsmaßstäbe zu gewinnen.
43Es kann – entgegen der Behauptung der Antragstellerin - nicht festgestellt werden, dass in die Berechnung des Durchschnittsangebotspreises unter Heranziehung der eingegangenen Angebote nicht ernstlich gemeinte, nur zum Schein abgegebene Angebote eingegangen wären, deren ausschließlicher Zweck es war, die Aufgreifschwelle zu senken. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Aufstellung gab es unter rund 250 eingegangenen Angeboten nur sechs Angebote von insgesamt 5 Bietern, die einen geringeren Angebotspreis als denjenigen der Beigeladenen aufwiesen. Diese Angebote hat die Vergabestelle ebenfalls einer Prüfung unterzogen; die Preise beruhten teilweise auf fehlerhaften Annahmen der Bieter (z.B. war der vorgegebene Personalschlüssel verringert worden). Diese wenigen Angebote können den ermittelten Durchschnittspreis zudem nicht nachhaltig verfälscht haben, da ihnen eine höhere Zahl von Angeboten mit Preisen von zum Teil deutlich mehr als 130 € gegenübersteht, was die Abweichungen nach unten ohne weiteres aufwiegt.
44Das Angebot der Beigeladenen ist niedrig, steht aber in keinem offenbaren Missverhältnis zu der zu erbringenden Leistung im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A. Nach den der Vergabestelle im Rahmen der Überprüfung der Kalkulation von der Beigeladenen zuteil gewordenen detaillierten Auskünften deckte der angebotene Preis die entstehenden Personal- und Sachkosten. Dazu mussten nach den Vorgaben der Antragsgegnerin nicht ausschließlich Vollzeitkräfte als Lehrer oder Sozialpädagogen eingesetzt werden. Es konnten (in näher bestimmtem Umfang) auch sog. Honorarkräfte beschäftigt werden. Bei dieser Sachlage ist die ihrer Beurteilung unterliegende und auf vorausschauender Bewertung beruhende Entscheidung der Vergabestelle, die Beigeladene sei in der Lage, die ausgeschriebenen Leistungen bei dem von ihr zu Grunde gelegten Monatspreis pro Teilnehmer ordnungsgemäß zu erbringen, nicht zu beanstanden. Die Muttergesellschaft der Beigeladenen betätigt sich in ihrer derzeitigen Rechtsform seit deutlich mehr als zehn Jahren auf dem Gebiet der schulischen und beruflichen Weiterbildung. Die Ausübung des der Vergabestelle zustehenden Beurteilungsspielraums unterliegt nur einer eingeschränkten rechtlichen Prüfung auf Beurteilungsfehler. Ein derartiger Fehler ist nicht feststellbar. Die Antragsgegnerin hat sich die Preiskalkulation der Beigeladenen erläutern lassen und hat diese auf Plausibilität überprüft. Der von der Beigeladenen kalkulierte Monatssatz unterschreitet die Aufgreifschwelle nur um einen einstelligen Prozentsatz. Die Unterschreitung ist nicht signifikant.
45Eine Absicht der Beigeladenen, die Antragstellerin mittels (nicht feststellbarer) Unter-Kosten-Preise gezielt vom räumlichen Markt fernzuhalten, ist nicht festzustellen. Der Angebotspreis der Beigeladenen, ist Ausdruck wirksamen Wettbewerbs. Die Beigeladene hat sich um den in Rede stehenden Auftrag bemüht, um sich den betroffenen räumlichen Markt zu erschließen. Dass sie zu diesem Zweck den Angebotspreis niedrig kalkuliert hat, ist im Interesse des Wettbewerbs hinzunehmen.
46Ein Dokumentationsmangel liegt nicht vor. Das Ergebnis der Überprüfung der Preiskalkulation der Beigeladenen ist durch den Vergabevermerk "nachvollziehbar – i. O." ausreichend dokumentiert, denn die von der Beigeladenen offen gelegte Kalkulation spricht für sich selbst.
473. Die vierte Wertungsphase weist ebenfalls keinen die Antragstellerin in ihren Rechten verletzenden Vergaberechtsfehler auf.
48a) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Antragstellerin geltend macht - die Prüfer die Prüfungsmaßstäbe bei der Bewertung der Angebote nicht richtig verstanden haben. Bei den Prüfern handelte es sich um Bedienstete der Antragsgegnerin, die bei der Bewertung von Dienstleistungsangeboten der vorliegenden Art erfahren sind. Der dahingehende Vortrag der Antragsgegnerin ist unwiderlegt.
49b) Nicht als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden ist der Umstand, dass die zu einem bestimmten Los vorgelegten Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht von identischen Prüfern bewertet wurden. Die Prüfer gehörten derselben Prüfergruppe an, die die zu einem Los eingegangenen Angebote bewertet haben. Bei der im Streitfall hohen Anzahl abgegebener Angebote war für die Vergabestelle ein Einsatz identischer Prüfer bei jedem zu einem Los eingegangenen Angebot personell nicht zu bewältigen. Darum ist zugelassen worden, dass die zu einem Los eingegangenen Angebote – so auch in Bezug auf die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zu Los 30 – von verschiedenen Prüfern bewertet wurden. Dies ist – wie außer Streit steht – indes durch einen "Quervergleich" der Angebotswertungen, sofern diese von einer durchschnittlichen Bewertung (mit 2 Punkten) abwichen, ausgeglichen worden. Das vergaberechtliche Gebot, die eingegangenen Angebote gleich zu behandeln, ist infolgedessen gewahrt worden. Dazu mußten bei der Prüfung der zu einem Los vorgelegten Angebote nicht dieselben Prüfpersonen eingesetzt werden.
50Soweit die Antragstellerin ferner beanstandet hat, dass die Angebote auch insoweit dem Quervergleich hätten unterzogen werden müssen, als sie 2 Punkte erhalten haben, liegt in der entsprechenden Unterlassung der Vergabestelle ebenso wenig ein Vergaberechtsverstoß, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Ein Quervergleich der Angebote, bei denen in einzelnen Wertungsbereichen von den Prüfern mehr oder weniger als 2 Punkte vergeben wurden, war geeignet sicherzustellen, dass bei gleichwertigen Angeboten eine Korrektur der Bewertung erfolgen konnte. Der Quervergleich bildete das Korrelat dafür, dass eine Identität der Prüfer bei der Prüfung der Angebote eines Loses faktisch nicht hergestellt werden konnte. Es gab zugleich Gelegenheit, eine durchschnittliche Bewertung zu überprüfen und ggf. (nach oben oder nach unten) zu korrigieren. Es sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, dass der Quervergleich nicht auch hierauf erstreckt worden ist.
51c) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht vergaberechtsfehlerhaft mit 3 Wertungspunkten bewertet worden, denn es hat ausweislich der Wertung bei keinem Kriterium mehr als 2 Punkte erhalten.
52d) Das Angebot der Antragstellerin ist ebenso wenig fehlerhaft bewertet worden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass ihr Angebot aus Sicht der Prüfer als sprachlich und/oder inhaltlich zu knapp ausgefallen bewertet worden ist. Die Antragsgegnerin hat unwiderlegt erklärt, eine aus Sicht der Prüfer kurzgefasste Darstellung eines Angebotspunktes habe auf die Bewertung keinen Einfluss gehabt. Für eine Bewertung mit 3 Wertungspunkten bestand nach den Verdingungsunterlagen nur dann Raum, wenn das Angebot der Antragstellerin "eine besondere Dienlichkeit für die Zielerreichung" aufwies. Eine "besondere Dienlichkeit" ihres Unterrichtskonzeptes hat die Antragstellerin weder durch ihren Vortrag noch der Vorlage der im Beschwerdeverfahren eingereichten Anlage BF 2 aufgezeigt. Im Gegenteil: Sie begehrt mit der Anlage BF2 eine Vergabe von 3 Wertungspunkten in den Wertungskriterien Methoden, Förderplan, Qualitätssicherung, Kooperation und Netzwerke, Netzwerkbeziehungen, Strategien bereits deshalb, weil ihr Angebotskonzept eine "detaillierte, praxisnahe und profunde Darstellung" der Wertungskriterien enthalte. Eine besondere Dienlichkeit ihres Konzeptes für die Zielerreichung ist damit nicht schlüssig dargetan. Auch bei der Vergabe von nur 2 Wertungspunkten steht der Antragsgegnerin im Übrigen ein Ermessensspielraum, das heißt eine Bandbreite möglicher Beurteilungen zu. Die Bewertung mit 2 Punkten kann nicht mit Erfolg mit der Begründung beanstandet werden, es sei eine Bewertung als überdurchschnittlich geboten. Den von der Vergabestelle eingesetzten Prüfern war auch bei der Bewertung mit 2 oder 3 Punkten ein Spielraum einzuräumen, der nach der einen oder anderen Seite (2 oder 3 Wertungspunkte) ihre Entscheidung als hinzunehmen erscheinen lässt.
53Soweit das Angebot der Antragstellerin im Wertungsbereich B.2.2.1 Stütz- und Förderunterricht beim Wertungskriterium "Inhalt" 3 Wertungspunkte erhalten hat, ist die Antragstellerin durch die ihr günstige Bewertung nicht beschwert.
54e) Die unterlassene Dokumentation des Quervergleiches und der Gründe für die Vergabe von 2 Wertungspunkten ist nicht ursächlich für eine Verletzung der Antragstellerin in ihren eigenen Rechten geworden. Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe für die Wertung mit 2 Punkten in unzulässiger Weise nachgeschoben. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichenden Dokumentation stützen, wenn die diesbezüglichen Mängel sich gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben (vgl. Senat, Beschl. v. 17. März 2004, VII-Verg 1/04, VergabeR, 2004, 513, 514). Im Streitfall ist es für die Geltendmachung der Verletzung in eigenen Rechten nicht von Bedeutung, ob die Vergabe von 2 Punkten hinreichend anhand der Dokumentation nachvollzogen werden kann. Die Antragstellerin ist durch die unterlassene Dokumentation des Quervergleiches sowie der Gründe für die Vergabe von nur 2 Wertungspunkten nicht gehindert, die Vergabe von lediglich 2 Wertungspunkten als vergaberechtsfehlerhaft zu beanstanden. Sie kann und muss nur schlüssig vortragen, dass eine Vergabe von 3 Wertungspunkten für ihr Angebot geboten war. Allerdings rechtfertigt ihr dahingehender, auf die als Anlage BF2 vorgelegte Aufstellung gestützter Vortrag aus den bereits dargelegten Gründen die Vergabe von 3 Wertungspunkten nicht. Auch insofern ist das Wertungsermessen des öffentlichen Auftraggebers zu respektieren.
554. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 Abs. 6 VgV analog (5% des Bruttoauftragswertes x 2 Jahre).
56
D. | W. | D.-B. |
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.