Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 20 U 205/05
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21.09.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
G r ü n d e
1I.
2Die Klägerin ist Inhaberin zahlreicher (auf Seite 10 bis 12 der Klageschrift vom 30.03.2005 im einzelnen aufgelisteter) Marken mit dem Bestandteil “Post”, u.a. der Wortmarke 300 12 966.11 „Post“ und der Europäischen Gemeinschaftsmarke EU 1 798 701 “Deutsche Post” und geht hieraus gegen die von der Beklagten zu 1) für die gewerbsmäßige Beförderung von Brief- und sonstigen Sendungen benutzte Bezeichnung „Turbo P.O.S.T. GmbH“ vor.
3Durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14.12.2005 ist die Marke Nr. 300 12 966.1 der Klägerin „Post“ gelöscht worden. Über die hiergegen beim Bundespatentgericht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist derzeit noch nicht entschieden.
4Die Klägerin stützt ihre Ansprüche maßgeblich auf den hohen Bekanntheitsgrad ihrer Zeichen sowie auf deren Zuordnung zu ihrem Unternehmen, die sie durch die von ihr vorgelegten Gutachten der „I. GmbH“ von Mai 2000 und der N. GmbH von Ende 2002 bestätigt sieht. Sie nimmt für ihre Marken gesteigerte Kennzeichnungskraft in Anspruch, die bei – auf der Prägung durch den Bestandteil „Post“ beruhender – hoher Zeichenähnlichkeit und Dienstleistungsidentität zur Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 MarkenG führe. Es liege auch mittelbare Verwechslungsgefahr vor, weil der Verkehr aufgrund der Zeichenbenutzung der Beklagten die wirtschaftliche Verbindung ihres Unternehmens mit dem der Klägerin unterstelle.
5Die Beklagte zu 1) beruft sich darauf, dass sie ihre Bezeichnung bereits seit Oktober 2000 marken- und firmenmäßig benutze und die Klägerin, der die Nutzung durch die Beklagten zu 1) seit deren Gründung bekannt sei, etwaige Ansprüche verwirkt habe. Die Klägerin sei ohnehin verpflichtet, die Bezeichnung der Beklagten zu 1) zu dulden, da sie der Beklagten den gleichen Abstand zu gewähren habe wie dritten Marktteilnehmern. Die Verwendung der Bezeichnung „Turbo P.O.S.T.“ stelle eine beschreibende Verwendung der angebotenen Postdienstleistungen dar, so dass zugunsten der Beklagten § 23 Nr. 2 MarkenG eingreife. Der Klägerin sei Bösgläubigkeit vorzuwerfen, wie auch das Gutachten der Monopolkommission aus dem Jahre 2003 feststelle.Im übrigen bestehe keine Verwechslungsgefahr; die Klagemarken hätten nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft; bei Prüfung der Zeichenähnlichkeit träten deutliche Unterschiede zu Tage.Schließlich verneinen die Beklagten zu 2) bis 4) ihre Passivlegitimation für Schadensersatzansprüche.
6Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Unterlassungsansprüche der Klägerin wegen fehlender Verwechslungsgefahr abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Klagemarken „Post“ allenfalls normale Kennzeichnungskraft zukäme, da es sich bei dem Begriff „Post“ um ein von Hause aus rein beschreibendes Wort handele und eine Steigerung der Kennzeichnungskraft nicht hinreichend substantiiert dargetan sei. Zudem bestehe nur geringe Zeichenähnlichkeit; der Bestandteil „Post“ sei im angegriffenen Zeichen nicht prägend; letzteres weiche überdies vom Klang, von der grafischen Gestaltung und vom Sinngehalt deutlich ab.Es bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr und keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne; dies gelte auch für die Klagemarke „Deutsche Post“ und die Unternehmensbezeichnung der Klägerin.
7Aus vorgenannten Gründen scheiterten auch die übrigen Ansprüche der Klägerin.
8Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag und wendet sich gegen die Ausführungen des Landgerichts zur Verwechslungsgefahr und insbesondere zur Kennzeichnungskraft ihrer Marke. Die Klägerin verweist auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall TELEKOM, in dem durchschnittliche Kennzeichnungskraft bei einem Zuordnungsgrad von (nur) 60 % bejaht worden ist, so dass bei dem sich aus den Verkehrsbefragungen ergebenden außergewöhnlich hohen Zuordnungsgrad der klägerischen Marken eine gesteigerte Kennzeichnungskraft anzunehmen sei.
9Die Klägerin meint, dass sich das Erstgericht nicht hinreichend mit den vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt und auch ihren Beweisantritt auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu Unrecht übergangen habe. Die Klägerin legt in 2. Instanz eine weitere Verkehrsbefragung der T. von September/Oktober 2005 zur Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung „Post“ vor. Es könne – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht bei der Fragestellung in den vorgelegten Gutachten zwischen der Dienstleistungsmarke und dem Unternehmenskennzeichen unterschieden werden, da eine Abschichtung zwischen der Bekanntheit des Zeichens und der Bekanntheit der Firma nicht möglich sei. Der Verkehr identifiziere das Zeichen „Post“ ausschließlich mit der Klägerin und ihren Dienstleistungen. Weder die Unternehmensbezeichnung noch die Marke „Post“ sei – im Gegensatz zu „TELEKOM“ – von Hause für die entsprechende Dienstleistung beschreibend. Auch sei das Zeichen „Post“ an zahlreichen Servicestellen der Klägerin, an Briefkästen, Transportboxen, Werbeplakaten etc. angebracht und werde in Zeitungsartikeln und Werbebotschaften markenmäßig benutzt. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, dass andere seit Jahrzehnten im Paketzustelldienst tätige Unternehmen wie UPS, DHL, TNT, DPD ohne die Bezeichnung „Post“ auskämen. In der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2006 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass es einem Ex-Monopolisten zugestanden werden müsse, seine Marke durch Verkehrsdurchsetzung für sich zu behalten; schriftsätzlich hat die Klägerin auch in zweiter Instanz auf den Aufsatz von Prof. X. „Der Monopoleinwand im Markenrecht“ verwiesen und sich die dort vertretene Rechtsauffassung, dass die Aufbrechung von Monopolstellungen keine Auswirkungen auf das Markenrecht habe, zu eigen gemacht. Ihre Firma mit der Beibehaltung des Bestandteils „Post“ beruhe auf einer Entscheidung des Gesetzgebers.
10Die Klägerin beantragt,
11I.die Beklagten zu 1), 2) und 4) zu verurteilen,
121.es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Inland im geschäftlichen Verkehr
13a) unter dem Zeichen „Turbo P.O.S.T.“ - wie nachfolgend beispielhaft wiedergegeben –
14 15die Dienstleistungen
16„Verteilung von Werbeprospekten, Drucksachen und Werbe- artikeln; Beförderung von Gütern; Verpackung und Lagerung von Waren; Zustellung von Briefen, Paketen, Geld und Wert- gegenständen; Abholen von Briefen, Paketen, Geld und Wert- gegenständen; Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegen- ständen; Termingebundene Zustellung und Abholung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen; Vermietung von Post- fächern; Kurierdienste“
17anzubieten und/oder zu erbringen und/oder anbieten zu lassen und/oder erbringen zu lassen
18b) und/oder das Unternehmenszeichen
19„TURBO P.O.S.T. GmbH“
20c) und/oder den Domain-Namen
21„turbo-post.de“
22im Zusammenhang mit den Dienstleistungen
23„Verteilung von Werbeprospekten, Drucksachen und Werbearti- keln; Beförderung von Gütern; Verpackung und Lagerung von Waren; Zustellung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegen- ständen; Abholen von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegen- ständen; Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegenstän- den; Termingebundene Zustellung und Abholung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegenständen; Verpackung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen; Vermietung von Post- fächern; Kurierdienste“
24zu benutzen und/oder benutzen zu lassen
25d) und/oder die vorgenannten Zeichen aus Ziffern a) bis c) in Ge- schäftspapieren und/oder in der Werbung, beispielsweise im Inter- net, im Zusammenhang mit den Dienstleistungen
26„Verteilung von Werbeprospekten, Drucksachen und Werbearti- keln; Beförderung von Gütern; Verpackung und Lagerung von Waren; Zustellung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegen- ständen; Abholen von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegen- ständen; Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegenstän- den; Termingebundene Zustellung und Abholung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegenständen; Verpackung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen; Vermietung von Post- fächern; Kurierdienste“
27zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.
282.der Klägerin durch Vorlage eines Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über
29a) Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreise;b) Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreise;c) Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbe- sitzer, der gewerblichen Abnehmer oder der Auftraggeber;d) Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfak- toren, Betriebskosten sowie der Gewinne;e) betriebene Werbung, unter Angabe der Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie der für die Werbung aufgewandten Kosten;
30Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang Handlungen der in Ziff. I. 1. bezeichneten Art bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) seit dem1. September 2000 und bezüglich des Beklagten zu 4) seit dem1. Januar 2005 begangen wurden;
31II.Die Beklagte zu 1) zu verurteilen,gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung der deutschen Markenregistrierung Nr. 303 57 484 „Turbo P.O.S.T.“ (Wort-/Bildmarke) einzuwilligen;
32III.die Beklagte zu 1) zu verurteilen,gegenüber dem Handelsregister N. in die Löschung der Unternehmenskennzeichnung „TURBO P.O.S.T. GmbH“ (HRB 6304) einzuwilligen;
33IV.den Beklagten zu 3) zu verurteilen,
341.wie unter I. 1. c) beantragt,
352.gegenüber der DENIC eG in die Löschung des Domain-Namens“turbo-post.de“ einzuwilligen und
363.der Klägerin vollständige schriftliche Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang seit dem 24. Februar 2002 von ihm Handlungen gemäß Ziff. IV. 1. begangen worden sind, insbesondere welche Beiträge er für die Überlassung der Domain „turbo-post.de“ erhalten hat;
37V.festzustellen, dass
381.die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus den unter Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. September 2000 bis zum 31. Dezember 2005 entstanden ist bzw. künftig entstehen wird,
392.die Beklagten zu 1), 2) und 4) verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus den unter Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2005 entstanden ist bzw. künftig entstehen wird und
403.der Beklagte zu 3) verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus der unter Ziff. IV. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. Februar 2002 entstanden ist bzw. künftig entstehen wird.
41Sie regt darüber hinaus
42eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof an.
43Die Beklagten beantragen,
44die Berufung zurückzuweisen,
45hilfsweise,
46das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Lö- schung der Marke DE 300 12 966 „Post“ auszusetzen.
47Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil und sehen ihren Standpunkt durch den Löschungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14.12.2005 bestätigt. Die Beklagten erheben weiter den Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung und stützen sich dazu auf ein neues Sondergutachten der Monopolkommission von Dezember 2005.
48Die Beklagten setzen sich mit den Ausführungen der Klägerin in deren Berufungsbegründung auseinander und vertreten dazu – wie auch schon in erster Instanz – gegenteilige Standpunkte.
49II.
50Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat ihre Klage auf Unterlassung der Benutzung der Kennzeichnung „Turbo P.O.S.T. GmbH“, auf Unterlassung der Benutzung des Domain-Namens „turbo-post.de“ auf Einwilligung in die Löschung der Deutschen Markenregistrierung „Turbo P.O.S.T.“, auf Löschung der Unternehmenskennzeichnung „Turbo P.O.S.T. GmbH“ im Handelsregister, auf Einwilligung in die Löschung des Domain-Namens „turbo-post.de“ sowie auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht zu Recht abgewiesen.
51Die Beklagten können sich auf § 23 Nr. 2 MarkenG berufen, wonach der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht hat, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen ... zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen, nach denen eine Markenrechtsverletzung ausgeschlossen ist, sind hier gegeben.
52Dass der Zeichenbestandteil „Post“ in dem angegriffenen Zeichen als solcher im Ausgangspunkt zumindest auch rein beschreibend für den hier interessierenden Bereich der Brief-, Paket-, Express- und Transportdienstleistungen ist, entspricht einhelliger Auffassung in den bisher hierzu ergangenen Entscheidungen (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 52 bezüglich des angegriffenen Kennzeichens „Die grüne Post“; ebenso GRUR-RR 2005, 149, 150 bezüglich des Zeichens „TNT Post Deutschland“; OLG Köln GRUR-RR 2005, 155 ff. bezüglich des angegriffenen Kennzeichens „DIE BLAUE POST“; OLG Köln Urteil vom 25.02.2005 – 6 U 42/01 bezüglich des Zeichens „RegioPost“; auch das DPMA geht im Löschungsbeschluss vom 14.12.2005 von dem beschreibenden Charakter des Begriffs Post aus) und ist auch nach Meinung des erkennenden Senats eindeutig. In den zitierten Entscheidungen sind dazu vielfältige Beispiele aus dem täglichen Sprachgebrauch angeführt worden. Der Senat hat bei der Erörterung im Verhandlungstermin vom 25.04.2006 besonders die gängige Formulierung „etwas zur Post geben“ hervorgehoben, um zu verdeutlichen, dass diese Wendung, wenn sie beispielsweise im Ausland benutzt wird, gerade nicht nur zu dem Unternehmen der Klägerin in Bezug steht. Dies gilt auch für den Begriff der „elektronischen Post“, der eine Dienstleistung beschreibt, die zweifelsfrei nicht der Klägerin zuzuordnen ist. Der von der Klägerin vertretenen Ansicht, dass mit der Bezeichnung Post nur das Unternehmen der Klägerin und mit Postdienstleistung die dazugehörige Dienstleistung beschrieben werde, ist nicht zu folgen. Soweit im (vom OLG Hamburg im Urteil vom 17.02.2005 zitierten) Duden Deutsches Universal Wörterbuch mit „Post“ die öffentliche Dienstleistungseinrichtung beschrieben wird, zieht die Klägerin aus dem Begriff öffentliche Einrichtung zu Unrecht den Schluss, dass nur sie gemeint sein kann. Mit öffentlicher Einrichtung ist vielmehr eine Jedermann zugängliche Einrichtung gemeint in Abgrenzung zu einer Einrichtung der öffentlichen Hand für eigene Bedürfnisse. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2006 aus dem Duden Etymologie-Wörterbuch zitiert, wonach das Wort „Post“ am Ende des 15. Jahrhunderts ins Französische und ins Deutsche, später auch als Bezeichnung für das Postamt und für die durch die Post beförderten Briefe gelangte. Mit dem Wort „Post“ werden somit von jeher sowohl der Erbringer der Dienstleistung als auch die Dienstleistung als solche beschrieben, was (bezogen auf den Leistungserbringer) in Zeiten, als noch in allen Bereichen der Brief- und Paketbeförderung das Monopol zugunsten der Klägerin bestand, dazu führte, dass der Verkehr mit „Post“ zwangsläufig die allein in Betracht kommende staatliche Einrichtung, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, meinte. Es kann auch – unabhängig von den von der Klägerin vorgelegten Gutachten – nicht verkannt werden, dass aufgrund der durch die frühere Monopolstellung der Klägerin geprägten jahrzehntelangen Bezeichnungsgewohnheiten, der Verkehr trotz Kenntnis der inzwischen auf dem Markt tätigen zahlreichen weiteren Postdienstleistungsunternehmen immer noch bei Verwendung des Begriffes „Post“ in Bezug auf den Dienstleistungserbringer vordringlich damit die Klägerin in Verbindung bringt. Dies ändert aber nichts daran, dass der Begriff „Post“ für die hier in Rede stehenden Dienstleistungen glatt beschreibend ist, wie auch die heutige Gesetzesterminologie zeigt. In § 4 Nr. 1 a und b PostG werden mit dem Begriff "Postdienstleistung" u.a. die Beförderung von Briefsendungen und adressierten Paketen bestimmten Gewichts definiert; in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 97/67/EG wird der Begriff "Postdienst" für "Dienste im Zusammenhang mit der Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen“ verwendet.
53Auch der weitere Bestandteil der angegriffenen Bezeichnung unterstreicht, dass die Beklagten damit Angaben über Merkmale und Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen machen. Der Bestandteil „Turbo“ wird außerhalb seiner ursprünglichen technischen Bedeutung als Eigenschaftswort für leistungsfähig, schnell und wirksam verstanden (BGH GRUR 1995, 410, 411 – „TURBO“), so dass die Beklagte zu 1) dem angesprochenen Verkehr verdeutlichen will, dass sie die von ihr angebotenen Postdienstleistungen besonders schnell erbringt.
54Dass die angegriffenen Angaben durchaus kennzeichenmäßig wirken, als Bezeichnung des Unternehmens und auch seiner Dienste, steht der Anwendung des § 23 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen. Diese Vorschrift, durch die Art. 6 Abs. 1 lit. b der Markenrechtsrichtlinie umgesetzt worden ist, greift auch in den Fällen ein, in denen eine markenmäßige Benutzung des Zeichens nicht verneint werden kann (BGH GRUR 2004, 600 – d-c-fix/CD-FIX; BGH GRUR 2004, 949 ff – RegioPost-Regionalpost unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH GRUR 2004, 234, 235 – Gerolsteiner Brunnen). Insofern kann auch die Frage, ob und in welchem Maße das Zeichen „Post“ Kennzeichnungskraft erworben hat, dahingestellt bleiben, und es erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den von der Klägerin zur Frage der Verkehrsgeltung des Zeichens „Post“ vorgelegten Verkehrsbefragungen. Ebenso wenig ist auf die Ergebnisse, zu denen Prof. X. in dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten gelangt ist, einzugehen. Einer weiteren eigenen Beweiserhebung, die der Senat bei einem anderen Lösungsweg im Rahmen der Erörterung vom 25.04.2006 angesprochen hat, bedarf es damit auch nicht.
55Die zuvor erwähnte kennzeichenmäßige Benutzung einer beschreibenden Angabe ist erlaubt, wenn sie nicht gegen die guten Sitten verstößt. Das Tatbestandsmerkmal des Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 23 Nr. 2 MarkenG ist richtlinienkonform auszulegen. Danach ist von einer Unlauterkeit der Verwendung der angegriffenen Bezeichnung auszugehen, wenn die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel nicht entspricht, Art. 6 Abs. 1 MarkenRL (BGH GRUR 2004, 600 – d-c-fix/DC-FIX). Eine sittenwidrige Benutzung durch die Beklagten kann hier jedoch nicht angenommen werden.
56Als Unlauterkeitsfallgruppen kommen vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung in Betracht. Unlauter kann vor allem die Vornahme weiterer, über die Wiedergabe der beschreibenden Angabe hinausgehender Annäherungen an die geschützte Bezeichnung sein (vgl. Ingerl/ Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 23 Rdnr. 61; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl.,§ 23 Rdnr. 43). Insgesamt erlaubt und erfordert die Wertung als sittenwidrig die Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles, auch soweit sie außerhalb der Zeichen im engeren Sinne liegen (Ströbele/Hacker a.a.O.).
57Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass ein hohes Freihaltebedürfnis an dem Begriff „Post“ besteht. Dies resultiert zum einen daraus, dass das Wort „Post“ im Bereich der hier interessierenden Dienstleistung als der zentrale Sachbegriff anzusehen ist und als geläufiger Ausdruck für das Zustellgut selbst sowie als Sachbegriff für Postdienstleistungen verschiedenster Art überaus häufig verwendet wird (so auch DPMA im Beschluss vom 14.12.2005). Von daher besteht ein hohes tatsächliches Bedürfnis an der Benutzung des Begriffes „Post“ durch alle Anbieter, die Postdienstleistungen erbringen. Zum anderen soll das staatliche Postmonopol, das der Grund für die bisherige alleinige Zeichennutzung durch die Klägerin gewesen ist, nach den verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Zielvorgaben, die weitgehend bereits umgesetzt worden sind, abgeschafft werden. Eine Liberalisierung des Marktes wird jedoch behindert, wenn es neu zuzulassenden Anbietern von vornherein verwehrt ist, Kennzeichen auf ähnliche Weise wie die Klägerin zu bilden (so auch OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 149, 151; Kunz-Hallstein, Fragen betreffend den Markenschutz für das Wort „Post“ und sonstige Kennzeichen der früheren Deutschen Bundespost, GRUR-Int. 2004, 751, 755). Vor dem Hintergrund dieser Ziele ist es vielmehr von Seiten der Klägerin unlauter, dass sie als Ex-Monopolistin einen zeitlich unbegrenzten Schutz für die beschreibende Bezeichnung einer Dienstleistung erhalten will, die für den nachstoßenden Wettbewerb ebenfalls freizuhalten ist (vgl. Senat GRUR 2001, 248, 249 in Bezug auf die Deutsche Telekom).
58Unerheblich ist insoweit auch das Argument der Klägerin, zahlreiche Mitbewerber kämen ohne den Zeichenbestandteil „Post“ aus. Zum einen betrifft dies hauptsächlich den Teilbereich der Paketbeförderung. Zum anderen zeigen die in diesem Verfahren angeführten weiteren Rechtsstreitigkeiten, die die Klägerin vor anderen Gerichten gegen Wettbewerber führt, dass eine Reihe von weiteren, den Bestandteil „Post“ enthaltenen Bezeichnungen auf dem Markt präsent ist. Möglicherweise hat auch das konsequente Vorgehen der Klägerin aus ihren Marken Mitbewerber abgeschreckt, den Begriff Post zu verwenden, weil sie keine Auseinandersetzung mit der Klägerin riskieren wollten.
59Des weiteren ist im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass – wie bereits oben ausgeführt - auch der Gesetzgeber den Begriff „Postdienstleistung“ bzw. „Postdienst“ beschreibend verwendet. Damit muss auch allen Anbietern und nicht nur der Klägerin die Verwendung dieses gesetzlich definierten Begriffes offen stehen und kann sie nicht als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden; dies gilt gerade auch für zeichenmäßig wirkende Benutzungen seitens der Konkurrenten.
60Schließlich kommt auch keine Ruf- oder Aufmerksamkeitsausbeutung, die die Unlauterkeit begründen könnten, in Betracht. Dabei ist für den Senat maßgeblich, dass die Beklagten die Bezeichnung „Post“ nicht in Alleinstellung verwenden, sondern sich durch den Zusatz „Turbo“, der von seiner grafischen Gestaltung eindeutig im Vordergrund gegenüber dem Bestandteil „Post“ steht, abgrenzen. Zudem verwenden die Beklagten noch einen weiteren Bildbestandteil in Form eines Briefes mit Flügeln, der insgesamt dazu beiträgt, ein völlig anderes Erscheinungsbild des angegriffenen Zeichens im Vergleich zu den schutzbeanspruchenden Zeichen zu erzeugen. Darüber hinaus wird durch die Punkte hinter den Großbuchstaben P.O.S.T. der Eindruck einer Abkürzung erzeugt, was ebenfalls gegen eine Annäherung an die Marken der Klägerin spricht.
61Die Schranke des § 23 Nr. 2 MarkenG schließt nicht nur die aus den Marken, sondern auch die aus dem Unternehmenskennzeichen geltend gemachten Ansprüche der Klägerin aus.
62Die Folgeansprüche und sonstigen Begehren sind damit ebenfalls unbegründet.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
64Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO.
65Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
66Der Senat hat den Weg aufgegriffen, den der Bundesgerichtshof in der Sache RegioPost/Regional-post (GRUR 2004, 949) aufgezeigt hat.
67Streitwert für die Berufungsinstanz: 150.000 € (entsprechend der von den Parteien nicht beanstandeten Wertfestsetzung durch das Landgericht)
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