Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 109/04
Tenor
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der An-tragstellerin und der Antragsgegnerin in diesem Verfahren entstan-denen außergerichtlichen Kosten werden der Beigeladenen aufer-legt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren
bis zum 5. Mai 2005: 4.200.000 Euro
seither: 45.000 Euro
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2A. Die Antragsgegnerin führte im Rahmen der Vergabe von Dienstleistungen bei Einrichtung und Betrieb von Callcentern ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb durch. Neben anderen Bietern wurden die Antragstellerin und die Beigeladene zur Angebotsabgabe zugelassen und reichten Angebote ein. Der Zuschlag sollte gemäß Bieterinformation vom Juli 2004 auf das Angebot der Beigeladenen ergehen (erste Angebotswertung).
3Dagegen stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag, den die 3. Ver-gabekammer des Bundes durch bestandskräftigen Beschluss vom 28.9.2005 (Az. VK 3–107/04) dahin beschied, dass die Wertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zu wiederholen sei. Die Antragsgegnerin erneuerte in dem ihr aufgegebenen Umfang die Angebotswertung und gab im Oktober 2004 bekannt, den Zuschlag weiterhin dem Angebot der Beigeladenen zu erteilen zu wollen (zweite Angebotswertung).
4Die Antragstellerin stellte die erneute Angebotswertung in einem zweiten Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung. In jenem Verfahren wies die Vergabekammer durch Beschluss vom 16.12.2004 (Az. VK 3–212/04) die Antragsgegnerin an, die Wertung des Angebots der Antragstellerin in bestimmten Punkten abermals zu wiederholen. Die Antragsgegnerin wertete das Angebot der Antragstellerin in den genannten Punkten neu, blieb aber - was sie den Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom 23.12.2004 mitteilte - bei ihrem Vorhaben, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen (dritte Angebotswertung).
5Mit Schrift vom 30.12.2004 hat die Beigeladene mit dem hauptsächlichen Ziel einer Zurückweisung des im zweiten Nachprüfungsverfahren angebrachten Nachprüfungsantrags der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 16.12.2004 (Az. VK 3–212/04) sofortige Beschwerde erhoben.
6Anfang Januar 2005 richtete die Antragstellerin einen dritten Nachprüfungsantrag gegen das Ergebnis der im Dezember 2004 wiederholten dritten Angebotswertung der Antragsgegnerin (Az. VK 3–04/05 der 3. Vergabekammer des Bundes), den sie damit begründete, die Antragsgegnerin habe die Vorgaben der (die zweite Angebotswertung betreffenden) Entscheidung der Vergabekammer vom 16.12.2004 nicht zutreffend umgesetzt. Diesen Nachprüfungsantrag nahm die Antragstellerin später zurück.
7Die Beigeladene hat mit ihrer Beschwerde gegen die im zweiten Nachprüfungsverfahren ergangene Entscheidung der Vergabekammer vom 16.12.2004 im Wesentlichen geltend gemacht:
8Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin gegen die zweite Angebotswertung sei unzulässig. Ihr Angebot sei infolge von Änderungen an den Verdingungsunterlagen zwingend von der Wertung auszuschließen. Außerdem habe die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nicht genügt. Mit ihren Einwendungen gegen die erneuerte Angebotswertung sei sie deswegen präkludiert.
9In der Sache selbst habe die Antragstellerin die zweite Angebotswertung zu Unrecht angegriffen. Sie habe den der Antragsgegnerin bei der Wertung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum verkannt.
10Das Rechtsmittel sei wegen der von der Beschwerdeentscheidung ausgehenden Rechtswirkungen zulässig. Sofern im vorliegenden (die zweite Angebotswertung betreffenden) Beschwerdeverfahren der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen werde, sei der dritte Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nämlich unzulässig oder unbegründet, mit der Folge, dass – ohne dass der ungewisse Ausgang des dritten Nachprüfungsverfahrens abzuwarten sei – dann schon der Zuschlag auf ihr, der Beigeladenen, Angebot erteilt werden dürfe.
11Die Beigeladene hat beantragt,
12den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 16.12.2004 (VK 3–212/04) aufzuheben, soweit der Antragsgegnerin darin aufgegeben worden sei, die Wertung des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen und den (zweiten) Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt zurückzuweisen;
13hilfsweise
14festzustellen, dass die Entscheidung der Vergabekammer vom 16.12.2004 (VK 3-212/04), rechtswidrig sei und sie, die Beigeladene, in ihren Rechten verletze;
15sowie nochmals hilfsweise
16festzustellen, dass sie, die Beigeladene, dadurch in ihren Rechten verletzt sei, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin nicht gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 3 und Nr. 2 in Verbindung mit § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d), Abs. 2 lit. c) VOL/A vom Vergabeverfahren ausgeschlossen habe, und die Antragsgegnerin bei der Neuwertung des Angebots der Antragstellerin in preislicher Hinsicht das optional angebotene Ticketing- und Wissensmanagementsystem nicht berücksichtigt und den Preis daher um 2.620.000 Euro reduziert habe, in fachlicher Hinsicht hingegen keine Neubewertung vorgenommen, sondern ihre ursprüngliche Bewertung, die auch das optional angebotene System berücksichtigte, beibehalten habe.
17Die Antragstellerin hat beantragt,
18die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
19Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
20Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin haben die sofortige Beschwerde für unzulässig gehalten. Die Antragstellerin ist den gegen die Zulässigkeit und Begründetheit ihres zweiten Nachprüfungsantrags gerichteten Einwendungen der Beigeladenen entgegengetreten.
21Nachdem die Antragstellerin den dritten Nachprüfungsantrag im April 2005 zurückgenommen hat, haben die Verfahrensbeteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Beigeladene und die Antragstellerin stellen nurmehr wechselseitig Kostenanträge.
22Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, auf die mit diesen vorgelegten Anlagen und auf die Beschlüsse der 3. Vergabekammer des Bundes vom 28.9.2004 (VK 3–107/04) sowie vom 16.12.2004 (VK 3–212/04) und auf die Niederschrift über den Senatstermin vom 2.3.2005 (GA 171 ff.) Bezug genommen.
23B. Nachdem die Beteiligten das Verfahren, womit ersichtlich das Beschwerdeverfahren gemeint ist, übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist in entsprechender Anwendung von § 91 a ZPO über die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach treffen die Verfahrenskosten denjenigen Verfahrensbeteiligten, der – auf der Grundlage des bei Eintritt der Hauptsacheerledigung gegebenen Sach- und Streitstandes – bei einer streitigen Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Nur wenn die ein Obsiegen oder Unterliegen begründenden Tatsachen nach den Umständen nicht festgestellt werden können, kommt in Betracht, die Kosten zu teilen oder diese gegeneinander aufzuheben. Im Streitfall sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Antragstellerin sowie der Antragsgegnerin in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen. Nach dem bei Eintritt der Hauptsacheerledigung vorliegenden Sach- und Streitstand war die Beschwerde der Beigeladenen unzulässig.
24I. Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist mit dem Hauptantrag, die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
25a. Allerdings scheitert die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht schon am Fehlen einer Beschwer. Das Rechtsmittel eines Beigeladenen bedarf im Sinne einer Verfahrensvoraussetzung keiner formellen Beschwer, da der Beigeladene prozessual nicht gehalten ist, einen Sachantrag zu stellen. Es genügt deshalb für die Zulässigkeit seiner Beschwerde, wenn der Beigeladene aufgrund der angefochtenen Entscheidung materiell beschwert ist, also geltend machen kann, dadurch unmittelbar in seinen subjektiven Rechten – nicht lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen – verletzt zu sein. Dieser in verwaltungsgerichtlichen Verfahren anerkannte Rechtssatz (vgl. BVerwGE 64, 67 = NJW 1982, 951, 952; 104, 289, 295 f. = DVBl 1997, 1324; NVwZ 1998, 842; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Vorbem. § 124 Rn. 46 m.w.N.) ist der Sache nach auf die rechtsähnlich gelagerten Vergabenachprüfungsverfahren zu übertragen (im Ergebnis ebenso: OLG Dresden, Beschl. v. 5.1.2001 - WVerg 11 und 12/00, NZBau 2001, 459 = VergabeR 2001, 41, 42; Thüringer OLG, Beschl. v. 16.7.2003 - 6 Verg 3/03, VergabeR 2003, 600, 602; Beschl. v. 7.10.2003 - 6 Verg 6/03, VergabeR 2004, 106, 108; Jaeger in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 116 GWB Rn. 1137 m.w.N.).
26Hiervon ausgehend ist die Beigeladene infolge des angefochtenen Beschlusses vom 16.12.2004 allein deswegen materiell beschwert, weil die Vergabekammer entschieden hat, das Angebot der Antragstellerin sei wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d), § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von einer Wertung mit Recht nicht ausgeschlossen worden (Beschlussabdruck S. 17 ff.). Bei der im Rahmen der Beschwer zu unterstellenden Fehlerhaftigkeit dieser Entscheidung ist die Beigeladene dadurch in Bieterrechten verletzt. Sie hat einen Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die nach Art und Funktion bieterschützenden Bestimmungen nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A im Vergabeverfahren beachtet (vgl. § 97 Abs. 7 GWB sowie Noch in Müller-Wrede, VOL/A, § 25 Rn. 129).
27b. Nachdem sich das Nachprüfungsverfahren bereits vor der übereinstimmenden Erklärung der Hauptsacheerledigung durch die Verfahrensbeteiligten, und zwar schon infolge der dritten Angebotswertung vom Dezember 2004, erledigt hatte, verfügte die Beigeladene im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels jedoch über kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, die Entscheidung der Vergabekammer vom 16.12.2004 mit der Beschwerde anzugreifen.
28Zur Begründung eines Rechtsschutzbedürfnisses kann sich die Beigeladene nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 5.12.2001 (6 Verg 4/01, VergabeR 2002, 256) berufen. Allerdings hat das Thüringer Oberlandesgericht eingangs des die Rechtsausführungen betreffenden Teils seines Beschlusses in einer dem vorliegenden Fall ähnlich gelagerten Sache entschieden, die sofortige Beschwerde der Beigeladenen sei trotz Vornahme der ihr aufgegebenen Neubewertung der Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber zulässig; insbesondere bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Beigeladene könne trotz der erneuten Wertung mit Rücksicht auf das neue Nachprüfungsverfahren (hier das dritte Nachprüfungsverfahren) nämlich nicht fest damit rechnen, den Zuschlag zu erhalten. Erreiche sie aber das von ihr mit der Beschwerde verfolgte Ziel, dass das Angebot des Antragstellers insgesamt auszuschließen sei, dann werde sie, die Beigeladene (wie auch im vorliegenden Fall), mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Zuschlag erhalten, da sich andere Bieter gegen den Vergabevorschlag, ihr den Zuschlag zu erteilen, nicht gewandt hätten.
291. Der Senat schließt sich der Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts in der Begründung und im Ergebnis nicht an. Sie steht zunächst im Widerspruch zu der früheren Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16.5.2000 (11 Verg 1/99, BauR 2000, 1595 = NZBau 2001, 101). In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall hatte der Vergabeüberwachungsausschuss als Vergabekammer (im Folgenden: Vergabekammer) dem öffentlichen Auftraggeber untersagt, den Zuschlag auf ein Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Dagegen hatte die Beigeladene mit dem Ziel einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags sofortige Beschwerde eingelegt. Danach hob der Auftraggeber das Vergabeverfahren auf, um die Ausschreibungsunterlagen zu ändern.
30In jenem Fall hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Rechtsschutzinteresse der Beigeladenen daran verneint, noch eine Beschwerdeentscheidung in der Hauptsache (im Ergebnis eine Zurückweisung des Nachprüfungsantrags) zu erwirken, nachdem sich das Vergabeverfahren durch Aufhebung erledigt habe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
31Sobald der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren durch Aufhebung, Einstellung oder in sonstiger Weise erledigt sei (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB), finde ein Primärrechtsschutz nicht mehr statt, weil das Ziel des Verfahrens, auf das Vergabeverfahren einzuwirken und dieses zu einem rechtmäßigen Abschluss zu bringen, nicht mehr zu erreichen sei (ebenso Gröning, ZIP 1999, 52, 56; Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rn. 54, 66). Daraus folge, dass der Beigeladenen kein Rechtsschutzinteresse mehr daran zuzubilligen sei, eine Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer (und zwar der Beschlussformel) zu erlangen. Diese Entscheidung sei infolge Erledigung des Verfahrens gegenstandslos geworden (vgl. OLG Frankfurt am Main BauR 2000, 1595 f.).
322. Das Thüringer Oberlandesgericht hat (anders als das Oberlandesgericht Frankfurt am Main) die Besonderheit der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch ein Ereignis, das im Vergabeverfahren stattgefunden hat, in seine rechtliche Beurteilung nicht einbezogen. Auch im vorliegenden Fall hat sich das Nachprüfungsverfahren erledigt, und zwar schon zu einem Zeitpunkt, bevor die Beigeladene das Rechtsmittel angebracht hat.
33Aus § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB geht hervor, dass von einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens immer dann zu sprechen ist, wenn eine Einwirkung auf das Vergabeverfahren mit dem Ziel, es zu einem rechtmäßigen Abschluss zu führen, nicht mehr möglich ist (Boesen, § 114 GWB Rn. 54). Eine Erledigung kann durch Erteilen des Zuschlags, durch Aufhebung oder Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise eintreten. Der über die im Gesetz ausdrücklich genannten Fälle hinaus gegebene Auffangtatbestand einer Erledigung in sonstiger Weise ist namentlich dann anzunehmen, wenn der öffentliche Auftraggeber vor Beendigung des Nachprüfungsverfahrens die Entscheidung der Vergabekammer umgesetzt und den vom Antragsteller gerügten Vergaberechtsverstoß beseitigt hat (vgl. auch Boesen, § 114 GWB Rn. 59; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 114 Rn. 35; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 114 GWB Rn. 50). In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Vergaberechtsänderungsgesetz ist eine rechts-ähnliche Fallgestaltung mit den Worten umschrieben: Gelangt die Vergabeprüfstelle zum Ergebnis, dass das Vergabeverfahren mangelbehaftet und der Bewerber in seinen Rechten verletzt ist, so wird sich durch Tätigwerden der Vergabeprüfstelle das Verfahren vor der Vergabekammer erledigen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 18). Der Fall, dass der öffentliche Auftraggeber den Antragsteller klaglos stellt, indem er – noch dazu dann, wenn ihm gerade dies durch die Entscheidung der Vergabekammer aufgegeben worden ist – die Angebotswertung wiederholt, ist rechtlich genauso, mithin als ein das Nachprüfungsverfahren erledigender Tatbestand, zu behandeln. In derartigen Fällen ist unabhängig von einer entsprechenden prozessualen Erklärung der Verfahrensbeteiligten das Nachprüfungsverfahren allein durch die vom Auftraggeber vorgenommene Neubewertung kraft Gesetzes erledigt. In diesem Fall kann die Vergabeentscheidung im Nachprüfungsverfahren nicht mehr korrigiert werden, sondern ist dem Antragsteller in beiden Nachprüfungsinstanzen nur noch der Antrag, eine Rechtsverletzung durch den Auftraggeber festzustellen, eröffnet. Das ergibt sich aus den §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 3 und 4 GWB.
34Darauf, ob die wiederholte Angebotswertung des Auftraggebers die Zustimmung der am Vergabeverfahren Beteiligten findet, kommt es nicht an. Die wiederholte Vergabeentscheidung des Auftraggebers ist nur mit einem erneuten Nachprüfungsantrag anzugreifen, den – je nachdem, zu wessen Lasten sie ausgefallen ist – der Antragsteller oder der Beigeladene (nunmehr als Antragsteller) stellen können. Der von der Beigeladenen im Streitfall angenommene Rechtssatz, eine Erledigung liege (nur) vor, wenn die Entscheidung der Vergabekammer (auch für den Beigeladenen) keinerlei Wirkungen mehr entfalten könne und in diesem Sinn gegenstandslos sei, trifft so nicht zu. Die Erledigungswirkung ist nicht aus der Sicht des Beigeladenen zu beurteilen, der im Verfahren lediglich über eine von den Hauptbeteiligten des Nachprüfungsverfahrens abgeleitete Rechtsstellung verfügt. Die Erledigung tritt vielmehr zwischen den Hauptbeteiligten (Antragsteller und Antragsgegner) des Nachprüfungsverfahrens ein und ist vom Beigeladenen prozessual hinzunehmen.
353. Die Erledigungswirkungen stellen sich nur anders dar, sofern von einem am Vergabeverfahren beteiligten Bieter oder Bewerber die Aufhebung des Vergabeverfahrens angegriffen wird. Nach dem Urteil des EuGH vom 18.6.2002 (Rs. C-92/00 – Hospital Ingenieure gegen Stadt Wien, NZBau 2002, 458) und der auf dieser Grundlage ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2003 (X ZB 43/02, NZBau 2003, 293 = VergabeR 2003, 313) erfordert Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie (Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 33), dass die Nachprüfbarkeit einer Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die nationalen Vergabenachprüfungsinstanzen gewährleistet ist. Die Nachprüfung kann – trotz des Erledigungstatbestandes der Aufhebung – indes nur in einem gegen die Anordnung der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Nachprüfungsverfahren erfolgen.
36Das ist in einem Fall wie dem vorliegenden anders. Denn hier kann – wenn die erneute Angebotswertung des Auftraggebers zu einem von den Beteiligten nicht akzeptierten Ergebnis führt – entweder der Antragsteller oder der Beigeladene die erneute Wertung durch einen Nachprüfungsantrag abermals zur Überprüfung stellen. An dem vom Antragsteller eingeleiteten weiteren Nachprüfungsverfahren ist der Beigeladene gemäß § 109 Satz 1 GWB wiederum beteiligt. In diesem Nachprüfungsverfahren ist der Beigeladene prozessual nicht gehindert, seine Gegenvorstellungen gegen die Wertung des Angebots des Antragstellers abermals anzubringen. Für die Rechtsbehauptung des Beigeladenen, das Angebot des Antragstellers sei zum Beispiel gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d); § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen zwingend auszuschließen, versteht sich dies von selbst, da ein Angebot mit dieser Begründung grundsätzlich in jedem Stadium des Vergabeverfahrens und des Nachprüfungsverfahrens auszuschließen ist. Der Beigeladene findet im neuen Nachprüfungsverfahren aber auch noch mit dem gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags gerichteten prozessualen Einwand Gehör, der Antragsteller habe der von ihm gemäß § 107 Abs. 3 GWB zu beachtenden Rügeobliegenheit schon früher nicht genügt. Diese Rechtsfrage ist auch im vorliegenden Fall durch den (im ersten Nachprüfungsverfahren ergangenen) Beschluss der Vergabekammer vom 28.9.2004, der in den Gründen eine Verletzung der Rügeobliegenheit verneinte, keineswegs bestandskräftig entschieden. Es handelte sich hierbei um eine Vorfrage der tenorierten Entscheidung, mit der der Antragsgegnerin eine Wiederholung der Angebotswertung aufgegeben worden war. Die Entscheidung bloßer Vorfragen ist von den Rechtswirkungen der Bestandskraft (wie von der Rechtskraft) nach allgemeinen Grundsätzen nicht umfasst.
374. Im vorliegenden Verfahren hat die Beigeladene gegen die Entscheidung der Vergabekammer vom 16.12.2004 sofortige Beschwerde erhoben, nachdem sich das Nachprüfungsverfahren bereits erledigt hatte. Es steht außer Streit, dass der Antragstellerin und der Beigeladenen zunächst das Ergebnis der – und zwar aufgrund des Beschlusses der Vergabekammer vom 16.12.2004 – erneuerten Angebotswertung der Antragsgegnerin durch Bieterinformation vom 23.12.2004 zugegangen ist und die Beigeladene erst danach – nämlich durch Schrift vom 30.12.2004 – sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer erhoben hat. Das Rechtsmittel ist mithin in einem Zeitpunkt eingelegt worden, in dem der Beigeladenen infolge der durch die Neuwertung eingetretenen Erledigung prozessual nicht mehr die Befugnis zukam, in der Hauptsache um eine Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer nachzusuchen.
385. Die vorstehende rechtliche Bewertung entspricht der Rechtslage im Verwaltungsprozessrecht und der dazu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Judikatur, die ein Rechtsschutzinteresse des Beigeladenen an der Einlegung eines Rechtsmittels verneint, wenn das gerichtliche Verfahren zwischen den Hauptparteien als erledigt anzusehen ist, und zu der in Vergabenachprüfungsverfahren eine Analogie eher gerechtfertigt ist als zur Rechtsprechung der Zivilgerichte, zumal es die Figur des Beigeladenen in Zivilprozessen nicht gibt. Zwar ist der Beigeladene bei der Einlegung von Rechtsmitteln gegen eine erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung – der die Entscheidung der Vergabekammer funktional gleich zu erachten ist – in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf eine Unterstützung der jeweiligen Hauptpartei des Rechtsstreits beschränkt. Er kann im eigenen Interesse selbständig Rechtsmittel einlegen (vgl. Kopp/Schenke, § 66 VwGO Rn. 1). Dennoch verfügt der Beigeladene im Prozess nur über eine von den Hauptparteien abhängige Stellung. Infolgedessen kann er durch sein Rechtsmittel nicht mehr erreichen als die Hauptparteien rechtlich selbst zu erreichen in der Lage sind oder erreichen wollen (vgl. BVerwGE 64, 67, 69 = NJW 1982, 951, 952; Kopp/Schenke, § 66 VwGO Rn. 4). So kann der Beigeladene im Verwaltungsgerichtsprozess nach Klaglosstellung des Klägers durch die Behörde eine Hauptsacheerledigung durch übereinstimmende Erklärung der Hauptparteien mit einem Widerspruch nicht verhindern. Zur Erledigung des Rechtsstreits bedarf es keiner Zustimmung des Beigeladenen. Denn die Rechtsstreit beschränkt sich auf das Rechtsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten, denen allein die Befugnis zukommt, über den Gegenstand des Prozesses zu disponieren. Infolgedessen ist der Beigeladene nicht in der Lage, entgegen der zu einer Hauptsacheerledigung führenden Prozesserklärungen der Hauptbeteiligten des Verfahrens noch eine gerichtliche Sachentscheidung zu erzwingen. Denn mit der Beendigung des Streits ist der Grund für die Beiladung entfallen und ist dem Beigeladenen im Verwaltungsgerichtsprozess kein Rechtsschutzinteresse an einer Sachentscheidung mehr zuzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.6.1968 – IV B 165/67, BVerwGE 30, 27, 28 = NJW 1968, 2395; BVerwG, Beschl. v. 26.4.1991 – 1 B 107/90, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 90; BFH, Beschl. v. 31.8.2000 – VIII R 33/00, BFH/NV 2001, 320).
396. In vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ergibt sich aus § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB, dass die den Antragsteller klaglos stellende erneute Angebotswertung des öffentlichen Auftraggebers – sofern sie, wie im Streitfall, das prozessuale Ziel des Nachprüfungsantrags war – zwischen den Hauptbeteiligten des Verfahrens tatbestandlich als eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens zu gelten hat, ohne dass es hierauf gerichteter prozessualer Erklärungen der Verfahrensbeteiligten bedarf. Von der kraft Gesetzes eintretenden Erledigung gehen dieselben Rechtswirkungen aus wie von einer Hauptsacheerledigung, welche die Verfahrensbeteiligten durch übereinstimmende Prozesserklärungen herbeigeführt haben. Auch bei dieser den Streit zwischen den Hauptbeteiligten beendenden Fallkonstellation kommt dem Beigeladenen aufgrund seiner abhängigen Stellung im Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zu, eine Beschwerdeentscheidung über die Sachentscheidung der Vergabekammer zu erwirken (genauso OLG Frankfurt am Main BauR 2000, 1595 f.). Diese rechtliche Beurteilung verletzt nicht den im Rechtsstaatsgebot verankerten Justizgewährungsanspruch. Der Grundsatz, dass Rechtsschutz zu gewähren ist, gebietet nicht, ein Verfahren im bloßen Interesse eines Drittbeteiligten mit dem Ziel einer Sachentscheidung fortzusetzen, wenn sich das die Beteiligung des Dritten rechtfertigende Antragsbegehren infolge Klaglosstellung erledigt hat.
40II. Die Abweichung der Rechtsauffassung des Senats von der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts vom 5.12.2001 (6 Verg 4/01, VergabeR 2002, 256) gebietet im vorliegenden Fall keine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB. Der Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 GWB ist als dahin eingeschränkt anzusehen, dass die Vorlagepflicht nur bei einer Divergenz in der die Hauptsache des Beschwerdeverfahrens betreffenden tragenden Rechtsauffassung besteht. Die Vorlagepflicht erstreckt sich hingegen nicht auf Abweichungen, die – wie im Streitfall – bei der im Beschwerdeverfahren zu treffenden Kostenentscheidung auftreten (vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 - Verg 32/02, VergabeR 2003, 371, 372; Beschl. v. 9.10.2003 - Verg 8/03, VergabeR 2004, 121, 122; OLG Dresden, Beschl. v. 5.4.2001 - WVerg 8/00, WuW/E Verg 497, 499; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2002 - Verg 43/02, WuW/E Verg 828, 832; Jaeger in Byok/Jaeger, § 124 GWB Rn. 1244).
41Richter am OLG
42W. ist orts-
43abwesend und an der
44Unterzeichnung ver-
45hindert.
46D. D. D.-B.
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