Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 54/07
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 21. November 2007 (VK 24/07) aufgehoben.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) vor der Vergabe-kammer hat die Antragstellerin zu tragen. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragsgegne-rin und der Beigeladenen werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Hinzuziehung jeweils eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin und die Beigeladene war im Verfahren vor der Verga-bekammer notwendig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tra-gen.
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 15. Juni 2007 die Übernahme, den Umschlag und die Verwertung von Altpapier aus Haushalten des Kreises C... europaweit im offenen Verfahren aus. Die Laufzeit des Vertrages sollte zwei Jahre betragen.
4In der Vergabebekanntmachung waren als Zuschlagskriterien vorgesehen:
5Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien:
6- Angebotspreise. Gewichtung: 1
- Transportkosten bei den Städten und Gemeinden. Gewichtung: 1.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe im Abschnitt 4.3 war ausgeführt:
8Zuschlagskriterien unabhängig von der Reihenfolge ihrer Nennung
9Das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich:
10□ Preis
11…
12□ Transportkosten bei den Städten und Gemeinden gem. 1.3 der Leistungsbeschreibung
13Die Ziffer 1.3 der Leistungsbeschreibung lautet wie folgt:
14Das für die Gesamtsituation gesehen wirtschaftlichste Angebot soll den Zuschlag erhalten. Zur Ermittlung werden der Angebotspreis und Transportkosten jeweils in vollem Umfang herangezogen; das heißt, dass von der Angebotssumme (Erlöse) die sich bei den Städten und Gemeinden ergebenden Transportkosten aufgrund der Entfernung zur jeweiligen Umladeanlage abgezogen werden.
15Die Besonderen Vertragsbedingungen sahen unter § 2 vor, dass der Auftragnehmer den Städten und Gemeinden eine Umladeanlage zur Verfügung stellt. Unter Ziffer 1.1.3. der Leistungsbeschreibung war vorgesehen, dass als Übernahmeort grundsätzlich die Aufbereitungsanlage vorgesehen werden sollte. Andere Übernahmeorte (z.B. Umschlaganlagen) seien jedoch möglich. In der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 1.2.1 hieß es wie folgt:
16Der Auftragnehmer hat das gesamte erfasste Altpapier zunächst wie gesammelt an seiner genehmigten Aufbereitungs- bzw. Verwertungsanlage oder an einem/mehreren vom Auftragnehmer vorgehaltenen Umschlagplatz/-plätzen über eine geeichte Waage mit Erfassung aller abrechnungsrelevanten Angaben zu verwiegen. Dabei darf die jeweilige Übernahmestelle nicht weiter als 20 km (Luftlinie) außerhalb des Kreises C... liegen.
17…
18Sofern die Übernahme an einem Umschlagsplatz erfolgt, muss das Grundstück ebenfalls über eine entsprechende Genehmigung verfügen.
19Alternativ stellt der Auftraggeber eine entsprechend genehmigte Fläche auf dem Gelände der ehemaligen Hausmülldeponie C... inklusive Fahrzeugwaage und Sanitäranlagen zur Verfügung. ….. Für die Nutzung der Fläche, Sanitäranlagen und Waage würde im Rahmen eines gesonderten Pachtvertrages ein pauschales Entgelt in Höhe von 2.000 € pro Jahr erhoben.
20In der Leistungsbeschreibung unter Ziffern 1.3.2. finden sich zu den Transportkosten und ihrer Gewichtung, zur Berechnung der Transportkilometer sowie zur Höhe der anzusetzenden Transportkosten in Anlage 1 der Leistungsbeschreibung detaillierte Ausführungen.
21Nach § 5 (Vergütung) des "Entsorgungsvertrags über die Verwertung von Altpapier" sollte der Bieter einen Festpreis je Gewichtstonne zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer für das von den Städten und Gemeinden des Kreises C... gesammelte Altpapier an die Antragsgegnerin zahlen. In § 3 "Entsorgungspflichten" Absatz 2 des Vertragsentwurfs verpflichtete sich der Bieter zur Verwertung und gegebenenfalls zur umweltgerechten Entsorgung des von den Städten und Gemeinden übergebenen Altpapiers. Die Sammlung und der Transport des anfallenden Altpapiers zur Behandlungs- und Umladeanlage oblagen nach § 3 Abs. 1 den jeweiligen kreisangehörigen Gemeinden und Städten. Der Antragsgegnerin und dem Bieter sollten hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen.
22Insgesamt fünf Bieter gaben ein Angebot ab. Nach Berechnung der anfallenden Transportkosten für die Gemeinden und Städte des Kreises C... lag das Angebot der Antragstellerin auf dem zweiten Platz, die Beigeladene auf dem ersten Platz der Bieterrangliste. Die Beigeladene bot sowohl den höchsten Angebotspreis für das Altpapier als auch die niedrigsten Transportkosten, mithin das wirtschaftlich günstig-ste Angebot an.
23Mit Schreiben vom 13. September 2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, der Zuschlag solle dem Angebot der Beigeladenen erteilt werden, weil es das wirtschaftlichste sei.
24Dies rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. September 2007 als vergaberechtsfehlerhaft. Sie hat geltend gemacht, das Angebot der Beigeladenen sei von der Wertung auszuschließen. Die Übernahmeplätze der Beigeladenen entsprächen nicht den Anforderungen der Ausschreibung. Es liege ein nicht auskömmliches Angebot der Beigeladenen vor und es fehle der Wirtschaftlichkeitsentscheidung an Transparenz. Dem ist die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24. September 2007 entgegengetreten.
25Daraufhin hat Antragstellerin die Vergabekammer angerufen und ihre Rügen aufrechterhalten. Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 21. November 2007 der Antragsgegnerin aufgegeben, das Vergabeverfahren entweder ab Veröffentlichung der Bekanntmachung oder ab Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen. Sie vertrat die Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei begründet. Die Antragsgegnerin habe gegen § 25 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A verstoßen. Eine nachvollziehbare Gewichtung der beiden Zuschlagskriterien ergebe sich weder aus der Bekanntmachung noch aus den Verdingungsunterlagen. Auch wenn es sich bei dem Preis und den Folgekosten um zwei monetäre Zuschlagskriterien handele, müssten diese gewichtet und den Bietern die Gewichtung mitgeteilt werden. Nach dem Wortlaut der Bekanntmachung sollten beide Zuschlagskriterien möglicherweise mit dem Faktor eins gewichtet werden.
26Weder aus der Bekanntmachung noch aus dem Angebotsaufforderungsschreiben ergebe sich, dass die Transportkosten als Berechnungsparameter bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit dienen sollten. Dies ergebe sich erst aus der Leistungsbeschreibung. Die Antragsgegnerin habe die Transportkosten – im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut der Bekanntmachung - nicht als ein selbständiges Zuschlagskriterium behandelt, sondern nur als einen Berechnungsposten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Während die Vergabebekanntmachung und die Aufforderung zur Angebotsabgabe eindeutig gewesen seien, widerspreche die Ziffer 1.3 der Leistungsbeschreibung dieser Zielsetzung. Möglicherweise könne der Bieter aus der Bekanntmachung noch schließen, dass die zusätzlichen Transportkosten lediglich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung einbezogen werden sollten. Dies widerspreche aber dem Wortlaut der Bekanntmachung, nach dem beide Kriterien als Zuschlagskriterien benannt wurden und beide die Gewichtung 1 erhielten. Von den verbindlich bekannt gemachten Zuschlagskriterien sei die Antragsgegnerin im Nachhinein abgewichen.
27Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die einen Verstoß der Antragsgegnerin gegen das Transparenzgebot in Abrede stellen.
28Die Beigeladene macht geltend: Die Vergabekammer erblicke einen Verstoß allein darin, dass eine Gewichtung der beiden Kriterien "Angebotskosten" und "Transportkosten" in der Bekanntmachung nicht mit einer in Prozentsätzen ausgedrückten Gewichtung erfolgt sei. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin jedoch nur e i n Kriterium einstellen wollen, nämlich den niedrigsten Preis, ermittelt anhand des Angebotspreises und den Transportkosten der Städte und Gemeinden. Eine prozentuale Gewichtung sei deshalb nicht erforderlich gewesen, da eine solche nur bei Berücksichtigung mehrerer Zuschlagskriterien notwendig sei.
29Selbst wenn man aber annehme, dass die von der Antragsgegnerin vorgegebenen Kriterien "Angebotspreis" und "Transportkosten" mehrere Zuschlagskriterien darstellen würden, läge ein Verstoß nicht vor, denn die Gewichtung sei in der Bekanntmachung mit eins angegeben worden. Damit sei klargestellt, dass beide Kriterien jeweils voll (also zu 100% und nicht nur anteilig) in die Wertung einfließen sollten. Eine Gewichtung im Sinne des Art. 53 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG verlange nicht zwingend die Angabe einer prozentualen Größe, sondern nur die Angabe, in welchem Umfang (hier in vollem Umfang) die einzelnen Kriterien in die Gewichtung einflössen. Dies könne auch über die Angabe eines Berechnungsweges geschehen. Die Gewichtung habe nicht in der Bekanntmachung mitgeteilt werden müssen, sondern so rechtzeitig, dass sie bei der Erstellung der Angebote noch berücksichtigt werden könne.
30Die Antragsgegnerin macht geltend: Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Sie habe beabsichtigt, den Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu erteilen, nämlich auf das höchste für das Altpapier angebotene Entgelt. Von diesem seien die Transportkosten in Abzug zu bringen.
31Die Festlegung eines 20-km-Radius habe dazu gedient, die Transportkosten, die von den Kommunen zu zahlen seien, nicht über Gebühr hoch ausfallen zu lassen. Die Grenzwertentfernung von 20 km liege durchaus im Bereich des Üblichen. In anderen Gemeinden/Kreisen sei sogar die Forderung nach einer Übergabestelle innerhalb des Kreis- oder Gemeindegebiets üblich. Durch die Festlegung des Radius von 20 km solle es Bietern mit Übergabestellen außerhalb des Kreisgebietes ermöglicht werden, sich an dem Vergabeverfahren zu beteiligen. Alternativ habe sie ihre ehemalige Hausmülldeponie, über eine andere geeignete Fläche verfüge sie nicht, den Bietern zur Verfügung gestellt. Die Beigeladene selbst schlage das Altpapier als Altauftragnehmerin auf einem nur 100 Meter entfernten Gelände um. Dies spreche dafür, dass dieser Ort nicht "strategisch ungünstig" gelegen sei. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme bilde die Tatsache, dass die weiteren Bieter ebenfalls diesen Umschlagsplatz in ihren Angeboten benannt haben.
32Die Beigeladene und die Antragsgegnerin beantragen,
33den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag (als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, so die Antragsgegnerin) zurückzuweisen.
34Die Antragstellerin beantragt,
35die Beschwerden der Antragsgegnerin und Beigeladenen zurückzuweisen.
36Die Antragstellerin trägt vor: Das Wertungskriterium "Transportkosten" sei faktisch auf die Beigeladene zugeschnitten gewesen. Die Angabe der Umladestelle in C..., die strategisch sehr ungünstig gelegen sei, belege dies. Es liege auf der Hand, dass mittelständisch organisierte Unternehmen, die Umschlagstellen im relevanten Gebiet unterhielten, für überregional tätige Entsorger eine sehr wichtige Position einnähmen. Es bestehe die Gefahr wettbewerbswidriger Absprachen zwischen den regional ansässigen kleinen und mittelständischen Entsorgern und den regional ansässigen großen Entsorgern. Die kleineren Entsorger trauten es sich nicht zu, anderen überregional tätigen Entsorgern Angebote für Umschlagstellen zu unterbreiten. Der Antragstellerin sei es nicht möglich gewesen, mit einer Vielzahl von ortsansässigen regionalen Anbietern von Umschlagstellen Kooperationen einzugehen.
37Die bekannt gegebenen Zuschlagskriterien habe die Antragsgegnerin im weiteren Verfahren nicht eingehalten. Sie habe den Zuschlag nicht auf das wirtschaftlichste, sondern auf das preisgünstigste Angebot (hier das höchste Entgelt) erteilt.
38Die Vorgabe der Transportentfernung verstoße gegen das Gebot der Ausschreibungsneutralität (§ 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A). Die Konzeption hinsichtlich der Umladestellen und der in diesem Zusammenhang vorgegebenen Transportkilometer sei nicht nachvollziehbar. Üblicherweise werde von den Auftraggebern im Rahmen von Altpapierentsorgungen für alle Bieter e i n definierter Übergabeort festgelegt. Die Gefahr wettbewerbswidriger Absprachen, insbesondere auf der Ebene der Umladestellen, bestehe bei Vorgabe nur eines Übergabeortes nicht. Durch die konkrete maximale Transportentfernung werde die Beigeladene bevorzugt, die im relevanten Gebiet über attraktive Umladestellen verfüge. Die Festsetzung der maximalen Transportentfernung schränke den relevanten Markt in ganz erheblichem Umfang ein. Die maximale Transportentfernung sei bewusst so gewählt worden, dass allein die Beigeladene mit ihren Umladestellen in der Lage gewesen sei, ein wirtschaftliches Angebot vorzulegen. Außerdem sei die maximale Transportentfernung von 20 km von der Antragsgegnerin willkürlich festgelegt worden.
39Die diesbezügliche Rüge der Antragstellerin sei – entgegen der Auffassung der Vergabekammer - nicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Die Willkürlichkeit der Festsetzung der maximalen Transportentfernung habe sich der Antragstellerin erst durch die Akteneinsicht und die Einlassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erschlossen.
40Unzulässigerweise habe ein Wettbewerber als Projektant bei der Vorbereitung der Ausschreibung mitgewirkt. Das gesamte Vergabeverfahren sei zudem unzureichend dokumentiert worden. Insbesondere sei eine Dokumentation der Gründe erforderlich, die eine Umladestelle in C... und gleichzeitig die Bestimmung der konkreten maximalen Transportentfernung festschreiben.
41Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
42II. Die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen und der Antragsgegnerin haben Erfolg.
43Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
44- Der Nachprüfungsantrag ist statthaft und zulässig.
- Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist eröffnet. Die Antragsgegnerin ist als juristische Person des privaten Rechts öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der Vertragsentwurf stellt einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB dar. Er hat Dienstleistungen im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB zum Gegenstand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschl. v. 1.2.2005, X ZB 27/04, NZBau 2005, 290 = VergabeR 2005, 328) unterliegt ein Vertrag, der (auch) den Verkauf von Altpapier zum Gegenstand hat, dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsschränkungen, wenn der Vertrag dazu dient, die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu erfassen. Um das Altpapier zu entsorgen, bedarf es zuvor weiterer Behandlung, sei es in Form von Handlungen, die bestimmt und geeignet sind, das Altpapier einer stofflichen Verwertung zuzuführen, sei es in Form von Handlungen, die der Beseitigung des Altpapiers dienen. Dies erfordert Dienstleistungen im Sinne von § 97 Abs. 4 GWB. Die von den Gemeinden und Städten des Kreises C... (oder durch einen Dritten) auf einem oder mehreren Umschlagsplätzen angelieferten Mengen müssen sortiert und vom Umschlagsplatz entfernt zu einer Aufbereitungsanlage gebracht werden. Ist, wie nach Ziffer 1.1.3. der Leistungsbeschreibung vorgesehen, Übernahmeort grundsätzlich die Aufbereitungsanlage, entfällt zwar ein Abtransport zu einer Aufbereitungsanlage. Da aber auch andere Übernahmeorte vom Bieter vorgesehen werden konnten, insbesondere der Standort C..., kam der Transport zu einer Aufbereitungs- und Verwertungsanlage als eine mögliche Dienstleistung jedenfalls in Betracht. Der Vertragsentwurf verpflichtete zudem in § 3 Abs. 2 zu einer Aufbereitung des Altpapiers in verwertbare Fraktionen, die geeigneten Verwertungsanlagen zuzuführen sind, und in nicht verwertbare Fraktionen, die umweltgerecht zu beseitigen sind, und damit zur Erbringung von Dienstleistungen.
Der Dienstleistungsauftrag ist auch entgeltlich im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, weil die Antragsgegnerin sich zur Überlassung des von den Städten und Gemeinden des Kreises C... gesammelten Altpapiers gegenüber dem Bieter verpflichtet hat und sie daher ihrerseits eine Verpflichtung zur Erbringung einer geldwerten Leistung (Übereignung) eingegangen ist (vgl. BGH, aaO, Umdruck S. 18, 19). Dem steht nicht entgegen, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Zahlung des Kaufpreises für das Altpapier durch den Bieter im Vordergrund steht. Die Leistungen, die der Bieter nach dem Vertrag zu erbringen hat, lassen sich nämlich nicht von den kaufvertraglichen Komponenten trennen, welche die Antragsgegnerin und der Bieter hinsichtlich des Altpapiers vereinbart haben. Der Kaufvertragsentwurf ist mithin das wesentliche Mittel (das rechtliche Gewand), dessen sich die Antragsgegnerin bedient, um die gewünschten Dienstleistungen zu erhalten.
47Eine Dienstleistungskonzession ist nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt Urt. v.18.7.2007, Rs. C –382/05, Tz. 34 – Kommission vs. Italienische Republik) nicht anzunehmen, da eine solche nur dann vorliegt, wenn die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung besteht und impliziert, dass er das mit den Dienstleistungen verbundene Betriebsrisiko übernimmt. Die Dienstleitung als solche (hier Sortierung des Altpapiers in verwertbare und nicht verwertbare Fraktionen sowie Transport zur Aufbereitungs- und Verwertungsanlage) steht nicht im Vordergrund, denn im Vordergrund steht die Verwertung des Altpapiers.
48- Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr Interesse am Erhalt des Auftrags dadurch bekundet, dass sie ein Angebot abgegeben hat. Ihr Angebot hat auch Aussichten auf Erhalt des Zuschlags. Sie bietet den zweithöchsten Angebotspreis an. Es ist nicht auszuschließen, dass ihr durch die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen ein Schaden entstehen könnte, der in dem entgangenen Gewinn aus der Weiterverwertung des Altspapiers zu sehen sein könnte.
- Die Rüge von Vergaberechtsverstößen (z.B. Standorte der Übernahmestellen der Beigeladenen lägen nicht im 20-km–Radius gerechnet von der Gemarkungsgrenze, Unauskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen, fehlende Transparenz und Rüge der Unzulänglichkeit des Bieterinformationsschreiben nach § 13 VgV) ist nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB verspätet erfolgt. Zwischen der Rüge am Mittwoch, dem 19. September 2007 und der Absendung der Mitteilung am Donnerstag, den 13. September 2007 nach § 13 VgV liegen zwar sechs Tage. Unter der Annahme, dass das Bieterinformationsschreiben am dritten Tage der Antragstellerin als zugegangen gilt (vgl. § 4 Abs. 2 VwZG), ist der Antragstellerin, die bei Abfassung des Rügeschreibens anwaltlich nicht vertreten war, eine Prüfungs- und Überlegungsfrist von zwei Werktagen bis zur Erhebung der Rüge am dritten Tag zuzugestehen. Dies hat insbesondere deshalb zu gelten, weil das Bieterinformationsschreiben nur die Aussage enthielt, das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste Angebot gewesen und die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Dem konnte die Antragstellerin nur entnehmen, dass ihr Angebot in der letzten Wertungsstufe gescheitert war. Sie musste anhand der Verdingungsunterlagen und ihres eigenen Angebots prüfen, welche Gründe dafür ausschlaggebend sein gewesen konnten.
- Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 25. September 2007 entspricht den Formerfordernissen des § 108 Abs. 2 GWB. Nach dieser Vorschrift muss die Begründung eines Nachprüfungsantrags die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Beschreibung der behaupteten Rechtverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass eine Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist. Sinn und Zweck der Formvorschrift ist es das Verfahren zu beschleunigen. Mit den geforderten Angaben soll eine möglichst zügige Herbeiführung der Entscheidungsreife erzielt werden. Die Anforderungen an die Bieter dürfen nicht überspannt werden. Es ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Allerdings ist ebenso wie bei den Anforderungen an die Rüge ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus. Der Antragsteller hat zumindest Indizien oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzuzeigen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2008, VII-Verg 36/07, Umdruck S. 9). Die Anforderungen richten sich im Wesentlichen danach, welche Kenntnisse der Bieter bezüglich der gerügten Vergabeverstöße haben kann (vgl. OLG München, Beschl. v. 7.8.2007, Verg 8/07, VergabeR 2007, 802, 803).
Zu Recht hat die Vergabekammer die Voraussetzungen an die Begründung des Nachprüfungsantrags bzw. an die Substantiiertheit der Rügen als erfüllt angesehen. Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin unter anderem eine zulässige Positionierung der Übernahmestellen der Beigeladenen in Frage gestellt (also die richtige Berechnung der Entfernungskilometer zu den Standorten der Beigeladenen) und Wertungsfehler bei der Berechnung des wirtschaftlich günstigsten Angebots geltend gemacht. Diese Begründungen sind weder unsubstantiiert noch ins Blaue hinein erfolgt. In der Tat schien es möglich zu sein, dass die entfernungsabhängigen Transportkosten – entgegen der anders lautenden Leistungsbeschreibung (Ziffer 1.3) – von der Antragsgegnerin nicht erlösmindernd berücksichtigt wurden. Im Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. September 2007 wurde lediglich pauschal zum Ausdruck gebracht, dass die Beigeladene sowohl im Hinblick auf den Preis als auch im Hinblick auf die Transportkosten das günstigste Angebot abgegeben hatte. Da die Antragstellerin die Wertung und den Vergabevermerk nicht kannte, musste sie in Anbetracht der Erkenntnisse aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. September 2007 auch zu einem möglichen Wertungsfehler nicht mehr vortragen. Gleiches gilt für die Rüge der unzulässigen Positionierung der Übergabestellen der Beigeladenen. Auch insoweit kannte die Antragstellerin weder die Standorte noch die Berechnungen der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 24. September 2007 teilte die Antragsgegnerin lediglich mit, die drei angebotenen Übergabestellen lägen sämtlich im geforderten 20-km-Radius um den Kreis C....
52- Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
a) Die Antragsgegnerin hat weder gemäß § 25 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOL/A gegen das Gebot verstoßen, die Zuschlagskriterien zu gewichten, noch ist sie in der Wertung nachträglich von den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien abgewichen. § 25 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A besagt, dass der Auftraggeber bei der Entscheidung über den Zuschlag verschiedene durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, beispielsweise Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt, und Lieferungs- und Ausführungsfrist berücksichtigten darf, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Auch Folgekosten wie die Transportkosten dürfen, da sie mit dem Auftraggegenstand unmittelbar zusammenhängen, zu Zuschlagskriterien bestimmt werden. Dem Auftraggeber steht bei der Auswahl der Zuschlagskriterien, die der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu dienen bestimmt sind, ein Ermessen zu. Im Ansatz zutreffend geht die Vergabekammer davon aus, dass die Antragsgegnerin zwei Zuschlagskriterien festgelegt hat, den Angebotspreis (Kaufpreis pro Tonne Altpapier) und die Transportkosten (Folgekosten). Aus Sicht eines verständigen Bieters konnte die Angabe des Angebotspreises (Kaufpreis pro Tonne Altpapier) als Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung nur bedeuten, dass das für den Auftraggeber günstigste Angebot (das höchste Angebot) den Zuschlag erhalten sollte. Jedem mit der Altpapierentsorgung vertrauten und verständigen Bieter ist bekannt, dass Altpapier ein Wirtschaftsgut ist, dem ein bestimmter Wert zukommt, also der Bieter einen Kaufpreis pro Tonne Altpapier an den öffentlichen Auftraggeber zu entrichten haben wird. Die Angabe der Transportkosten als zweites Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung bedeutet aus der Sicht des verständigen Bieters ferner, dass die den Gemeinden bis zum Übergabeplatz/Entsorgungsanlage entstehenden Transportkosten (vom zu entrichtenden Kaufpreis) bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden sollten, da dieser Transport von den einzelnen Gemeinden selbst oder von ihnen beauftragten Dritten erbracht werden sollte.
54Entgegen der Auffassung der Vergabekammer bedurfte es aber der Angabe einer prozentualen Gewichtung der beiden Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung oder spätestens in den Verdingungsunterlagen nicht. Das in § 25 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOL/A an den Auftraggeber gerichtete Gebot, die Zuschlagskriterien zu gewichten, gilt nicht einschränkungslos. Das Gebot zur Gewichtung besteht nach § 25 a Nr. 1 Satz 3 VOL/A nämlich dann nicht, wenn der Auftraggeber die Gewichtung aus nachvollziehbaren Gründen in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen nicht angeben kann (vgl. Art. 53 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 46 und dazu Senat, Beschl. v. 23.1.2008, Verg 31/07, Umdruck S. 14).
55Eine sachgerechte Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Angabe einer Gewichtung in der Bekanntmachung" führt dazu, dass im vorliegenden Sachverhalt die Angabe der Zuschlagskriterien ausreicht. In der Regel gibt der Auftraggeber zwar in Prozentzahlen an, wie hoch er das jeweilige Wertungskriterium gewichten will. Im Streitfall bedurfte es weder einer prozentualen Gewichtung noch einer Festlegung der Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung, da sowohl der Kaufpreis als auch die Transportkosten in Euro (monetäre Zuschlagskriterien) berechnet werden und vom Bieter in einheitlicher Währung anzugeben waren, um festzustellen, welches Angebot das wirtschaftlich günstigste (das höchste) für den öffentlichen Auftraggeber war. Eine prozentuale Gewichtung oder auch nur ein "ins Verhältnis Setzen (1:2; 1:3, etc.) waren damit aufgrund der einheitlichen Berechnungsgröße, in der beide Zuschlagskriterien üblicherweise ausgedrückt werden, entbehrlich. Der Umstand, dass zum Zwecke der Feststellung des wirtschaftlichsten Angebots die Transportkosten vom Angebotspreis subtrahiert wurden, ändert nichts daran, dass zwei Zuschlagskriterien angewandt wurden. Dieser weitere Rechenschritt (die Saldierung) diente nur dazu, zur Feststellung des wirtschaftlichsten (=höchsten) Angebots e i n e n (Angebots-)Preis zu errechnen und damit in jeder Hinsicht miteinander vergleichbare Angebote zu erhalten. Eine nachträgliche Abstandnahme von einem bekannt gemachten Zuschlagskriterium und seiner Gewichtung liegt darin nicht.
56Aus Sicht eines verständigen Bieters liegt eine (Einzel-)Gewichtung der beiden Zuschlagskriterien darin, dass ausweislich des Wortlauts der Vergabebekanntmachung die ermittelten Transportkosten und der Kaufpreis jeweils mit dem Faktor "eins" multipliziert werden sollten ("Gewichtung: 1"). Daraus ergab sich, dass die Kosten jeweils in voller Höhe angesetzt werden sollten. Die Antragsgegnerin hat die beiden Zuschlagskriterien auch ermessensfehlerfrei ausgewählt. Da die Sortierung von Altpapier kaum messbare Qualitätsunterschiede aufweisen dürfte, die zudem noch durch Zu- oder Abschläge auf den Angebotspreis bepreist werden könnten (vgl. BGH, Urt.v.1.8.2006, X ZR 115/04, Umdruck S. 13), war die Entscheidung der Antragsgegnerin, nur zwei Zuschlagskriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots vorzusehen, vertretbar. Ermessenfehler bei der Auswahl der Zuschlagskriterien hat die Antragstellerin auch nicht aufgezeigt.
57b) Die Antragsgegnerin hat auch nicht gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A verstoßen, indem sie eine maximale Entfernung der Übergabeplätze festgelegt hat. Mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren allerdings nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Die Antragsgegnerin, die insoweit darlegungspflichtig ist, hat nicht eingewandt, dass die Antragstellerin über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt und sie einen Vergaberechtsverstoß zu einem früheren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt des Zugangs der Bieterinformation positiv erkannt hat. In der Sache liegt jedoch ein Vergabefehler nicht vor. Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und mit welchen Eigenschaften oder welche Dienstleistung an welchem Ort im Vergabeweg beschafft werden soll, obliegt dem (öffentlichen) Auftraggeber. Die an einer Auftragsvergabe interessierten Unternehmen sind im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht dazu berufen, dem Auftraggeber eine von seinen Vorstellungen abweichende Beschaffung von Waren oder Leistungen, d.h. von solchen mit anderen Beschaffenheitsmerkmalen und Eigenschaften oder anderer Art und Individualität, vorzuschreiben oder gar aufzudrängen. Vielmehr sind die diesbezüglichen Anforderungen, die der Auftraggeber stellt, als zulässige Vergabebedingungen von den am Auftrag interessierten Unternehmen grundsätzlich hinzunehmen. Diese Wertung hat in den Verdingungsordnungen Ausdruck gefunden. So regelt § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A:
58Bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen dürfen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist.
59Die für Aufträge im Sektorenbereich geltende Vorschrift des § 6 Nr. 5 Abs. 1 VOL/A-SKR (Abschnitt 4) und § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A – dieser für Bauaufträge – beinhalten im Wortlaut identische Bestimmungen. Zwar treffen die genannten Normen unmittelbar nur Regelungen über den Inhalt der Leistungsbeschreibung, die der Auftraggeber den am Auftrag interessierten Unternehmen stellen darf. Sie bestätigen jedoch mittelbar den Grundsatz, dass Art und Inhalt der zu beschaffenden Waren oder Leistungen der Bestimmung des Auftraggebers unterliegen. Denn was den am Auftrag interessierten Unternehmen für ihre Angebote durch die Leistungsbeschreibung zulässig vorgegeben werden darf, darf der Auftraggeber beanstandungsfrei auch zum Gegenstand seiner vorgelagerten Entschließung machen, welche Waren oder Leistungen welcher Art und Individualität und mit welchen Eigenschaften beschafft werden sollen. Die Vorschriften der Verdingungsordnungen schränken die in der Leistungsbeschreibung vorgenommene Festlegung auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Leistung lediglich dahin ein, dass es dafür einer sachlichen Rechtfertigung durch die Art der zu vergebenden Leistung bedarf. Nur diese Einschränkung hat auch für die vom Auftraggeber zu treffende und der Leistungsbeschreibung vorgelagerte Bestimmung der Leistung zu gelten. Zugleich können damit jene Grundsätze, die zur Zulässigkeit bestimmter Leistungsanforderungen in der Leistungsbeschreibung entwickelt worden sind, zur rechtlichen Beurteilung der vom Auftraggeber getroffenen Leistungsbestimmung entsprechend herangezogen werden (vgl. Senat, Beschl. v. 14.4.2005, VII-Verg 93/04, Umdruck S. 9/10, VergabeR 2005, 513, 515).
60Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, in der Festlegung einer Transportentfernung von der Gemarkungsgrenze liege die Vorgabe eines Ursprungsortes im Sinne des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Ein solcher Radius dürfe vom Auftraggeber nicht vorgegeben werden, da dies zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führe. Eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung kommt der Vorgabe einer maximal zulässigen Entfernung der Übergabeplätze von der Gemarkungsgrenze jedenfalls nicht ausschließlich zu. Mit der Festlegung eines 20 km-Radius jeweils berechnet von der Gemarkungsgrenze sollte es insbesondere Bietern, die Übergabestellen in angrenzenden Kreisen oder kreisfreien Städten unterhalten, ermöglicht werden, am Vergabeverfahren teilzunehmen. Der Kreis der sich am Vergabeverfahren beteiligenden Bieter sollte durch diese Vorgabe erweitert werden. Dass diese Regelung sich (auch) auf die Beigeladene positiv auswirkt, weil diese in C..., S... und M... Umschlagsplätze zum Teil in der Nähe von Verwertungsanlagen unterhält, ist aus vergaberechtlicher Sicht hinzunehmen. Die Lage der zwei zusätzlichen Übergabestellen in unmittelbarer Nähe von Verwertungsanlagen wirkte sich gleich doppelt aus, nämlich mindernd auf die eigenen Transportkosten vom Übergabeplatz zur Verwertungsanlage bei der Kalkulation des Angebotspreises und auf die Transportkosten der Städte und Gemeinden.
61Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Festlegung eines derartigen 20-km-Radius von der Gemarkungsgrenze durch die Antragsgegnerin, soweit ihm auch eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung innewohnt, nämlich Angebote mit weiter als 20 km von der Gemarkungsgrenze entfernt liegenden Umschlagsplätzen ausgeschlossen werden sollen, durch die Art der zu vergebenden Leistung (umweltgerechte Entsorgung und Verwertung des Altpapiers) gerechtfertigt. Die Festlegung einer Entfernung von 20-km-Luftlinie von der Gemarkungsgrenze des Kreises C... ist vor dem Hintergrund einer möglichst hohen Auslastung der Sammelfahrzeuge und geringer wirtschaftlicher Transportentfernungen für die Städte und Gemeinden zu sehen. Mit der Vorgabe der 20-km-Grenze sollten die den Gemeinden und Städten des Kreises C... entstehenden Transportkosten (Folgekosten) und die Fahrzeiten für die Sammelfahrzeuge gering gehalten werden. Nach § 3 Abs. 1 des Entsorgungsvertragsentwurfs sollen die Sammlung des in den Städten und Gemeinden anfallenden Altpapiers und der Transport zur Behandlungs- und Umladeanlage den jeweiligen Städten und Gemeinden des Kreises C... obliegen. Sie tragen hierfür die Kosten, nicht die Antragsgegnerin oder der Bieter. Es soll also eine Bringschuld (§ 270 Abs. 1 BGB) zu Lasten der Städte und Gemeinden vereinbart werden. Ohne die Vorgabe in der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 1.2.1., dass die Übernahmestelle nicht weiter als 20 km (Luftlinie) außerhalb des Kreises C... liegen darf, könnte ein Bieter sich auf den Standpunkt stellen, er genüge seiner vertraglichen Pflicht, einen Umschlagsplatz zur Verfügung zu stellen, indem er irgendwo in Deutschland oder Europa eine oder mehrere Übernahmestellen (Niederlassungen) unterhalte. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung müssten die Städte und Gemeinden das Altpapier an jeden anderen Ort außerhalb des Kreises C... auf eigene Kosten transportieren lassen. Es liegt auf der Hand, dass dies kein wirtschaftlich günstiges Geschäft für die Gemeinden und Städte des Kreises C... wäre. Ermessensfehler der Antragsgegnerin sind mithin nicht erkennbar. Hinsichtlich der konkret zulässigen Kilometerzahl zeigt die Antragstellerin keine Ermessensfehler der Antragsgegnerin auf. Es sind auch keine ersichtlich, denn die Antragsgegnerin stützt ihre km-Vorgabe auf Angaben von 15- bis 25 km in entsprechender Fachliteratur.
62c) Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, es müsse vom öffentlichen Auftraggeber zwingend ein einziger Übergabeplatz in der Leistungsbeschreibung vorgegeben werden, um die Chancengleichheit aller Bieter zu gewährleisten, hat diese Rüge keinen Erfolg. Zwar hätte die zwingende Vorgabe eines Übergabeplatzes am Standort C... zur Folge, dass die von den Städten und Gemeinden zu tragenden Transportkosten nicht von den Bietern durch die Wahl eines anderen oder mehrerer Übergabeplätze beeinflusst werden könnten. Standortvorteile, die ein Bieter durch den Unterhalt von mehreren Übergabestellen in strategisch günstiger Entfernung zu den Gemeinden und den Kreisen sowie zu den Verwertungsanlagen erzielen kann, könnten sich nicht auf die Transportkosten der Gemeinden auswirken. Indes kann es nicht Aufgabe des Vergaberechts sein, Standortvorteile einzelner Beter in jeder Hinsicht auszugleichen. Dies würde die Bieter benachteiligen, die bereits über Standorte im Kreisgebiet verfügen. Durch die unterlassene Festlegungen eines Übergabeplatzes wird die Antragstellerin nicht benachteiligt. Nach der Leistungsbeschreibung stand es allen Bietern frei, einen anderen Standort als C... oder mehrere Standorte für die Umschlagsplätze auszuwählen. Die Bieter konnten nach der Leistungsbeschreibung entweder durch die Nähe der Umschlagsplätze zu den Aufbereitungsanlagen eigene Transportkosten minimieren und diesen Vorteil durch einen höheren Kaufpreis an den Kreis C... weitergeben – so ist möglicherweise die Beigeladene vorgegangen – oder aber durch die Wahl von mehreren für die Gemeinden und Städten günstiger gelegenen Umschlagsplätzen deren Transportkosten unmittelbar beeinflussen.
63Die Antragstellerin hat auch nicht behauptet, die Einrichtung eigener Umschlagsplätze sei ihr rechtlich unmöglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar. Für die Einrichtung von Umschlagsplätzen bedarf es weder einer Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, noch sind die Pacht- und Unterhaltskosten für ein geeignetes Gelände in der Nähe einer Verwertungsanlage unwirtschaftlich hoch. Die Antragstellerin war nicht auf die Übergabestelle C... angewiesen, sondern konnte nach der Leistungsbeschreibung geeignetere Grundstücke im Kreisgebiet oder außerhalb des Kreisgebiets im Falle der Zuschlagserteilung selbst erwerben oder pachten und die für den Betrieb einer Umschlagsstelle erforderlichen Genehmigungen einholen. Der Antragsgegnerin kann mithin nicht vorgeworfen werden, sie benachteilige "Newcomer" wie die Antragstellerin. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die Bereitstellung der kreiseigenen Deponie in C... als Umschlagplatz gegen eine Pacht von 2.000 € jährlich sollten gerade Newcomer wie die Antragstellerin gefördert werden. Auch die Beigeladene unterhält einen Umschlagsplatz 100 m entfernt von der Deponie C..., weshalb die Behauptung der Antragstellerin, es handele sich um einen für die Gemeinden und Städte strategisch ungünstigen Platz, nicht zutreffend sein kann.
64d) Soweit die Antragstellerin schließlich geltend gemacht hat, die Betreiber von Übergabestellen seien nicht bereit, auswärtigen Entsorgungsunternehmen ihre Plätze zur Verfügung zu stellen, mögen in derartigen, möglicherweise mit größeren Entsorgungsunternehmen (abgestimmten) Verhaltensweisen kartellrechtliche Verstöße im Sinne des § 1 GWB liegen. Das Vergabenachprüfungsverfahren ist jedoch nicht das geeignete Verfahren, um derartige außerhalb des eigentlichen Vergabeverfahrens liegende kartellrechtliche Verstöße abzuwehren (vgl. Senat, Beschl. v. 22.5.2002, Verg 6/02, VergabeR 2002, 668).
65e) Es bestehen aufgrund der Vergabeakte keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorliegende Ausschreibung unter Beteiligung von Projektanten vorbereitet worden wäre (vgl. Senat, Beschl. v. 25.10.2005, Verg 67/05, VergabeR 2006, 137; EuGH, VergabeR 2005, 319-Fabricom). Aus diesem Grunde bestand für den Senat kein Anlass, dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin nachzugehen.
66f) Dokumentationsmängel, die die Antragstellerin gehindert hätten, ihre Rechte im Vergabenachprüfungsverfahren geltend zu machen, hat sie nicht aufgezeigt. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.9.2001 – Verg 4/01; BayObLG, VergabeR 2002, 63, 69; VergabeR 2001, 65, 68).
67g) Dass die Antragsgegnerin die Entfernungskilometer von den Gemarkungsgrenzen bis zu den Übergabestellen der Beigeladenen zutreffend ermittelt hat, hat die Vergabekammer geprüft und bejaht. Einwände hiergegen hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
683.
69Die Kostenentscheidung für das Verfahren vor der Vergabekammer beruht auf § 128 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 GWB. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass dies auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen umfasst.
70Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt einem gesonderten Beschluss überlassen, (vgl. Senat, Beschl. v. 02.04.2008, VII-Verg 34/07).
71Hierzu erhalten die Parteien noch Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
72
Schüttpelz Richter am OLG | Dieck-Bogatzke Richterin am OLG | Frister Richter am OLG |
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