Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-19 U 13/08
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 14.05.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter- des Landgerichts Wuppertal wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 17.290,08 € für die Kosten der Überprüfung einer in ihrem Eigentum stehenden Ferngasleitung, die ihrer Behauptung nach erforderlich gewesen sein soll, weil ein für den Beklagten tätiger Baggerfahrer den Bereich der Leitung mit einem schweren Bagger überfahren habe. Die Ferngasleitung der Klägerin liegt in einem Schutzstreifen, der durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit dinglich gegen die Einwirkung Dritter gesichert ist.
4Mit Urteil vom 14.05.2008 hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Einzelrichter – der Klage mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegenüber dem Beklagten ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung eines dinglich gesicherten Nutzungsrechtes als sonstigen Rechtes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu. Bereits der Verdacht einer Beschädigung beeinträchtige die Nutzung einer Gasleitung, da der jeweilige Betreiber verpflichtet sei, dem Schadensverdacht nachzugehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass ein Mitarbeiter des Beklagten die klägerische Ferngasleitung in dem dinglich gesicherten Bereich fahrlässig mit einem Bagger überfahren habe. Der Beklagte habe den genauen Verlauf der erkennbar dort befindlichen Ferngasleitung vor Aufnahme der Bauarbeiten klären müssen. Da nach dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten eine Beschädigung der Ferngasleitung durch das Überfahren möglich war, sei die Rechtsgutverletzung des Beklagten kausal für den geltend gemachten Schaden. Trotz teilweise abweichender Feststellungen des Sachverständigen stehe der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatz in voller Höhe zu. Soweit der Sachverständige ausgeführt habe, die angegebene Aushubtiefe erscheine nicht realistisch, habe die Klägerin deren Erfordernis anschließend nachvollziehbar erklärt, ohne dass der Beklagte dem entgegengetreten sei. Gleiches gelte für die in Ansatz gebrachten Arbeitsstunden eigener Kräfte der Klägerin. Der Einwand des Beklagten, bei den geltend gemachten Positionen handele es sich um Ohnehin- bzw. Sowiesokosten, greife nicht durch, weil der Beklagte, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trage, nicht nachvollziehbar dargelegt habe, welche Arbeiten genau zur Erlangung einer notwendigen wasserrechtlichen Genehmigung erforderlich gewesen seien.
5Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten. Selbst wenn die Gasleitung über eine stärkere Überdeckung verfügt hätte, wäre die Klägerin nach einem grundsätzlich nicht zulässigen Überfahren ihrer Gasleitung gehalten gewesen, diese zu überprüfen. Ein Zinsanspruch stehe der Klägerin nur in Höhe von 5 Prozentpunkten zu, da es sich nicht um eine Geldforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handele, der einen höheren Zinssatz rechtfertige.
6Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen.
7Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
8Er ist der Ansicht, dass es an der für die Annahme eines grundstücksbezogenen Eingriffs erforderlichen Beeinträchtigung des klägerischen Leitungsrechts fehle. Die dem Leitungsbetreiber obliegende Verpflichtung, dem Verdacht der Beschädigung der Leitung nachzugehen, führe jedenfalls dann nicht zu einer Schadensersatzpflicht des den Verdacht Auslösenden, wenn sich herausstelle, dass tatsächlich das dinglich gesicherte Nutzungsrecht zu keiner Zeit beeinträchtigt sei. Der Schutzbereich des beschränkt dinglichen Rechtes als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bleibe hinter demjenigen des Eigentums zurück.
9Das Landgericht habe verkannt, dass sein Einwand der Ohnehin- bzw. Sowiesokosten das rechtmäßige Alternativverhalten gemeint und in Richtung des Zurechnungszusammenhangs gezielt habe. Der Beklagte behauptet, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, habe die Klägerin alle ihm gegenüber geltend gemachten Kosten selbst dann aufwenden müssen, wenn die Gasleitung gar nicht überfahren worden wäre, um die Leitung in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen. Dies sei der Zweck der Gesamtmaßnahme gewesen. Soweit das Landgericht seinen Vortrag für nicht ausreichend substantiiert gehalten habe, hätte es hierauf hinweisen müssen. Eines ausdrücklichen Bestreitens des gegnerischen Vorbringens zur Angemessenheit der geltend gemachten Positionen habe es schon deshalb nicht bedurft, weil er sich bereits zuvor umfassend damit verteidigt habe, dass sämtliche Kosten erforderlich gewesen seien, um die klägerische Leitung in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen. Auch sei der Klägerin jedenfalls ein ganz überwiegendes Mitverschulden anzulasten. Die Annahme des Landgerichts, dass Gasleitungen grundsätzlich nicht überfahren werden dürften, sei falsch und entspreche auch nicht den Feststellungen des Sachverständigen.
10Der Beklagte beantragt,
11das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14.05.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei der Schutzzweck ihres dinglich gesicherten Nutzungsrechtes, der ungestörte Betrieb der Gasleitung, bereits dann betroffen, wenn diese mit schwerem Gerät überfahren werde. Darüber hinaus ergebe sich eine Haftung des Beklagten, wie erstinstanzlich bereits ausgeführt, auch aus einem Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der nunmehr erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens gehe ins Leere. Die jetzt von den Beklagten gegen die streitgegenständlichen Rechnungen vorgebrachten Einwände seien als neuer Vortrag im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Erstinstanzlich habe der Beklagte hierzu nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Zwar habe die zuständige untere Wasserbehörde die nachträgliche wasserrechtliche Genehmigung gefordert, die in den 50er Jahren errichtete Leitung habe jedoch Bestandsschutz genossen.
15Auch treffe sie kein Mitverschulden. Das Befahren von Leitungen innerhalb des Schutzstreifens mit schweren Baufahrzeugen sei nur unter Einhaltung besonderer Sicherheitsvorkehrungen erlaubt. Die vorhandene Betonplattenabdeckung der Leitung habe dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Errichtung entsprochen, eine stärkere Abdeckung hätte mögliche Beschädigungen nicht ausschließen können.
16II.
17Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
181.
19Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des begehrten Schadensersatzes aus § 823 Abs. 1 BGB.
20a)
21Ob der Klägerin ein Anspruch wegen eines Eingriffes des Beklagten in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb zusteht, kann dahinstehen.
22Der Beklagte hat das dinglich gesicherte Nutzungsrecht der Klägerin als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt. Die streitgegenständliche Leitung der Klägerin liegt in einem Schutzstreifen, der durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit dinglich gegen die Einwirkung Dritter gesichert ist. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit kann dann als verletztes sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch rechtfertigen, wenn ein grundstücksbezogener Eingriff vorliegt. Dieser muss sich dahin auswirken, dass die Verwirklichung des jeweiligen Rechts als solches durch rechtliche oder tatsächliche Maßnahmen beeinträchtigt wird (vgl. BGH NJW 2001, 971 ff. m.w.N.; Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl., § 823 Rdnr. 12). Wie in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert, verkennt der Senat nicht, dass die Ferngasleitung unstreitig nicht beschädigt wurde. Entgegen der Ansicht des Beklagten setzt die Annahme eines grundstücksbezogenen Eingriffs dies aber hier auch nicht voraus. Mit dem Landgericht ist vielmehr davon auszugehen, dass nicht erst ein völliger Substanzverlust einen Schadensersatzanspruch begründet, sondern es vielmehr ausreicht, dass das geschützte Recht beeinträchtigt wird. Der der Klägerin zustehende Schutz gegenüber sonstigen Einwirkungen, die den Bestand oder den Betrieb der Anlage beeinträchtigen oder gefährden können, ist bereits dann tangiert, wenn der Schutzstreifen in einer Art und Weise befahren wird, die die Beschädigung der Leitung möglich macht. Sinn und Zweck des Schutzstreifens ist es nicht nur, eine Beschädigung der Leitung auszuschließen, sondern diese auch vor allen eine Beschädigung nur möglicherweise verursachenden Gefahren zu schützen. Besteht der begründete Verdacht, dass die Leitung beschädigt sein könnte, ist die Klägerin schon aufgrund der damit einhergehenden Gefährdung verpflichtet, diesem Verdacht nachzugehen. Die Nutzung der Leitung ist damit nicht mehr reibungslos möglich und somit beeinträchtigt.
23Ein solch begründeter Verdacht bestand hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Ferngasleitung der Klägerin innerhalb des Schutzstreifens auf Veranlassung des Beklagten mit dem Schreitbagger "Menzi-Muck" überfahren wurde und hierdurch, dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. folgend, die Gasleitung grundsätzlich hätte beschädigt werden können. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen Bedenken und wird auch von der Berufung nicht angegriffen.
24b)
25Gleiches gilt für die Feststellung des Landgerichts, dass dem Beklagten anhand der Positionierung des gelben Schilderpfahls erkennbar war, dass sich in dem vom Bagger zu befahrenden Bereich eine Gasleitung der Klägerin befand. Zutreffend hat das Landgericht hierauf die Annahme der Fahrlässigkeit gestützt. Selbst wenn der Beklagte vor dem 15.03.2005 vergeblich versucht haben sollte, Unterlagen über den genauen Verlauf der Gasleitung zu erlangen, hätte er nicht einfach unter Inkaufnahme einer möglichen Beschädigung der Leitung mit den Arbeiten beginnen dürfen.
26c)
27Da der Beklagte auch rechtswidrig und schuldhaft handelte, ist er zum Ersatz des der Klägerin durch das Überfahren des Schutzstreifens entstandenen Schadens gemäß § 823 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet.
282.
29Der vom Beklagten zu leistende Schadensersatz beinhaltet die der Klägerin durch die erforderliche Überprüfung der Gasleitung entstandenen Kosten.
30a)
31Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass der Schädiger die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen hat, soweit diese zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs oder zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. BGH NJW 2005, 356; Oetker in MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 249 Rn. 371; Palandt-Heinrichs, § 249 Rn. 40; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn das Gutachten klären soll, welche Schadensfolgen eingetreten sind und welche Folgen auf das schädigende Ereignis zurückzuführen sind (vgl. Oetker in MünchKomm a.a.O.).
32Nichts anderes kann für diejenigen Kosten gelten, die dem Geschädigten nach einer schädigenden Handlung, dem Überfahren der Leitung, durch die Kontrolle, ob ein Schaden an der Leitung entstanden ist, entstehen, selbst wenn sich dieser Verdacht nicht bewahrheiten sollte. Der Beklagte verkennt, dass Auslöser seiner Haftung nicht die Beschädigung, sondern das Überfahren der Leitung ist. Maßgeblich für die Ersatzpflicht ist auch hier, wie bei der Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten (vgl. hierzu BGH a.a.O., 357), dass ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter diese Vorgehensweise nach seinen Erkenntnissen für geboten halten durfte. Dies ist aufgrund der von einer beschädigten Gasleitung ausgehenden Gefahr für Leib und Leben zu bejahen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen konnte der Ausschluss eines Schadens nur durch die Freilegung der Leitung festgestellt werden.
33b)
34Gegen die Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Kosten hatte der Beklagte bereits erstinstanzlich eingewandt, dass diese allesamt ohnehin angefallen wären, um die notwendige wasserrechtliche Genehmigung für die Leitung zu erlangen, so dass es sich insgesamt um nicht von ihm zu erstattende Sowiesokosten handele. In seiner Berufungsbegründung wollte der Beklagte dies dann als Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens verstanden wissen. Nach dem grundsätzlich beachtlichen rechtmäßigen Alternativverhalten sind Schäden, die auch bei einem rechtmäßigen Verhalten des Schädigers entstanden wären, vom Schutzzweck der Haftungsnorm regelmäßig nicht erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2006, Az.: IX ZR 110/04; BGH WM 2000, 928; BGH Beschluss vom 13.12.2005 Az.: VI ZR 164/04; alle zitiert nach Juris; Palandt-Heinrichs, Vorbem. vor § 249 Rdnr. 105). Der Beklagte meint, diesen Einwand deshalb erheben zu können, weil der Klägerin die geltend gemachten Kosten auch dann entstanden wären, wenn er die streitgegenständliche Gasleitung nicht überfahren hätte. Dies geht fehl. Der Beklagte verkennt, dass der Begriff des rechtmäßigen Alternativverhaltens die Fälle umschreibt, in denen der Schuldner sich darauf beruft, er hätte die schädigende Handlung anders als unrechtmäßig auch rechtmäßig vornehmen können (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2008, Az.: IX ZR 48/07, zitiert nach Juris). Damit käme der Einwand des Beklagten nur dann zum Tragen, wenn er die schädigende Handlung, das Überfahren der Leitung, auch rechtmäßig hätte vornehmen können. Dies ist nicht der Fall.
35Tatsächlich gemeint ist vom Beklagten vielmehr der erstinstanzlich auch richtig als solcher bezeichnete Einwand der Sowiesokosten. Dieser steht dem klägerischen Anspruch nicht entgegen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Schädiger (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 123 b) und damit beim Beklagten. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Beklagten zu diesem Komplex ausreichend substantiiert ist, woran der Senat große Zweifel hat. Der Beklagte hat es nicht für erforderlich gehalten, zu den Voraussetzungen der wasserrechtlichen Genehmigung auch nur ansatzweise vorzutragen. Gleichwohl ist das Landgericht seinem Beweisantritt in der Klageerwiderung vom 02.01.2007 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgekommen. Selbst wenn man den Vortrag des Beklagten als ausreichend substantiiert ansähe, wäre er aber jedenfalls beweisfällig geblieben. Der Sachverständige konnte die ihm mit Beweisbeschluss vom 30.05.2007 gestellte Frage, ob es sich bei den abgerechneten Arbeiten um solche handelte, die auch erforderlich gewesen wären, um eine wasserrechtliche Genehmigung zu erlangen, nicht beantworten, da ihm weder der nachträglich gestellte wasserrechtliche Genehmigungsantrag noch die wasserrechtliche Genehmigung bzw. die zu deren Erlangung erteilten Hinweise und Auflagen bekannt waren. Zwar könnten die Arbeiten damit zusammenhängen, ob dies so sei, sei jedoch letztlich Spekulation. Jedenfalls das Ergebnis des Gutachtens hätte dem Beklagten Anlass geben müssen - wenn er denn seinen Einwand der Sowiesokosten weiterverfolgen wollte - das Erforderliche vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts, dass das Gutachten nicht den Vortrag des Beklagten bestätigte, bedurfte es nicht. Der anwaltliche vertretene Beklagte konnte dies aus den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen unschwer erkennen. Gleichwohl kommentierte er diese Ausführungen weder noch griff er sie an, sondern erklärte vielmehr ausdrücklich, zum Gutachten keine Stellungnahme abzugeben. Dem erst im Rahmen der Berufungsbegründung zu diesem Punkt erfolgten Beweisantritt, der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, war schon gemäß § 531 ZPO nicht nachzugehen, ungeachtet der Frage des ausreichend substantiierten Tatsachenvortrags.
36Die mangelnde Aufklärbarkeit des Sowiesokosten-Einwands geht zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es nicht Aufgabe der Klägerin, sich mit der Unteren Wasserbehörde ins Benehmen zu setzen und mit deren Hilfe konkret vorzutragen, welche Voraussetzungen für die wasserrechtliche Genehmigung zu erfüllen waren, sondern unterfällt seiner Darlegungslast. Dies folgt aus allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast und nicht daraus, dass der Beklagte, wie er meint, ausweislich seines Namens mit "Wasser zu tun hat". Gänzlich unbeteiligt war der Beklagte am Genehmigungsverfahren zudem schon nach seiner eigenen Darstellung nicht. Wie von Seiten seiner Justiziarin in der mündlichen Verhandlung erläutert und auch schriftsätzlich vorgetragen, war der Beklagte als Träger öffentlicher Belange zu dem klägerischen Genehmigungsantrag angehört worden und hatte eine positive Stellungnahme abgegeben.
37Aus den gleichen Erwägungen kann auch der von dem Beklagten nunmehr in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.10.2008 bemühte Vergleich mit den sog. "Anlagefällen" den klägerischen Anspruch nicht zu Fall bringen.
38c)
39Die dem Beklagten von der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten waren insgesamt erforderlich und angemessen.
40Die angesetzten Einheitspreise liegen nach dem vom Beklagten nicht angegriffenen Sachverständigengutachten im angemessenen und üblichen Rahmen.
41Mit dem Landgericht geht der Senat im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO davon aus, dass der Klägerin die von ihr hinsichtlich der Aushub- bzw. Einbaumassen geltend gemachten Beträge in voller Höhe zustehen. Der Sachverständige hatte die Rechnung der Firma K. vom 20.05.2005 insoweit um 602,34 € netto reduziert. Ausgehend von einer im Mittel 0,6 m hohen Überdeckung und einem Rohraußendurchmesser von 72 cm zuzüglich weiterer 0,8 m unterhalb des Rohres erschienen ihm die angesetzten Aushub- bzw. Einbaumassen als zu hoch. In ihrer Stellungnahme zum Gutachten vom 26.11.2007 führte die Klägerin aus, dass die abgerechnete Aushubtiefe erforderlich gewesen sei, da das Erdreich an den Bachufern erheblich höher gelegen habe als unmittelbar im Bereich der Überdeckung der Leitung und im Rahmen der Aushubarbeiten auch Erdreich von diesem höherliegenden Bachufer habe entfernt werden müssen. Anhand der zu der Akte gereichten Fotos ist diese Erklärung nachvollziehbar. Der Beklagte ist ihr in seiner Stellungnahme zum klägerischen Schriftsatz vom 17.12.2007 nicht entgegengetreten. Auch zuvor hatte er sich das Gutachten nicht in den ihm günstigen Punkten zu eigen gemacht hat, sondern ausdrücklich erklärt, sich nicht zum Gutachten zu äußern. Dass er sich das Gutachten erstmals zweitinstanzlich, in seiner Berufungsbegründung, zu eigen macht, ist gemäß § 531 ZPO unbeachtlich. Soweit der Beklagte dort der Auffassung ist, eines (früheren) Bestreitens habe es nicht bedurft, weil er sich bereits zuvor umfassender damit verteidigt habe, dass sämtliche ihm berechneten Maßnahmen zur Erlangung der Genehmigungsfähigkeit erforderlich waren, ist dies nicht zutreffend. Denn die Erforderlichkeit und Angemessenheit einzelner Rechnungspositionen ist eine davon zu trennende Frage, die eigenständigen Vortrags bedurft hätte.
42Gleiches gilt für die Postionen der Rechnung der Firma K. vom 20.05.2005 "Leitung abisolieren DN 700" und "Leitung isolieren DN 700", die nach den sachverständigen Ausführungen ebenfalls nicht in Ansatz zu bringen sein sollen, da mangels einer Beschädigung der Leitung diese Isolierung nicht erforderlich sei. Die Klägerin hat hierzu in ihrer Stellungnahme zum Gutachten vom 26.11.2007 behauptet, die um die Leitung befindliche Bitumenumhüllung werde spröde, sobald sie nicht mehr im feuchten Erdreich liege, sondern der Luft ausgesetzt sei. Aus diesem Grunde sei es nach Freilegen einer Leitung immer erforderlich, eine neue Isolierung aufzubringen. Auch diesem Vorbringen ist der Beklagte in seiner Erwiderung vom 17.12.2007 nicht entgegengetreten. Auch der zusätzliche Zeitaufwand für die Überwachung der Isolierungsarbeiten ist von dem Beklagten zu tragen. Die Klägerin begründet die höhere Stundenzahl der für Eigenleistungen in Rechnung gestellten Positionen in ihrer Stellungnahme zum Gutachten unbestritten damit, dass sie ausweislich des BVGW Arbeitsblattes (Bl. 16 GA, Abschnitt 5.5 in Verbindung mit 6.1) die Verpflichtung habe, während der Bauarbeiten eine Überwachung zu stellen. Dies ergebe sich auch aus dem BVGW Regelwerk "Gas und Wasserversorgung Rohrnetz", demzufolge Bauarbeiten im Bereich von Versorgungsanlagen nur unter fachkundiger Aufsicht durchgeführt werden dürften.
433.
44Ein Mitverschulden der Klägerin ist bei der Bemessung des Schadensersatzes nicht zu berücksichtigen.
45Selbst unterstellt, die Abdeckung der Leitung hätte heutigen Vorschriften nicht entsprochen, ließe die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile ein Mitverschulden der Klägerin als nicht relevant erscheinen. Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass ihre Leitung mit schwerem Gerät überfahren werden würde. Ein Verbot dieser Vorgehensweise folgt aus dem Inhalt der ihr zustehenden beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Die Klägerin weist in ihrer Berufungserwiderung zutreffend darauf hin, dass innerhalb des Schutzstreifens das Befahren von Leitungen mit schweren Baufahrzeugen nur unter Einhaltung besonderer Sicherheitsvorkehrungen erlaubt ist. Nach dem von der Klägerin vorgelegten DVGW Arbeitsblatt, Punkt 5.5, sind Dritte, die Baumaßnahmen im Nahbereich von Gasleitungen durchführen, einzuweisen und die Baustelle im erforderlichen Umfang zu überwachen. Bereits hieraus folgt, dass ungeachtet der Abdeckungshöhe einer Gasleitung ohne Beteiligung des Betreibers keine Baumaßnahmen durchgeführt werden dürfen, zu denen auch das Einrichten der Baustelle und das Befahren mit einem Bagger gehört.
46Zudem läge ein mögliches Mitverschulden der Klägerin nur dann vor, wenn ihr jedenfalls Fahrlässigkeit deshalb zur Last zu legen wäre, weil die von ihr betriebene Leitung nur noch eine Abdeckung von teilweise 20 cm aufgewiesen hat. Dies setzt voraus, dass die Klägerin eine entsprechende Kontrollpflicht hat und die geringe Abdeckung bei einer Kontrolle hätte erkannt werden können. War eine nach Darstellung des Beklagten zu geringe Abdeckung jedoch erkennbar, dann hätte auch er sie erkennen müssen. Wenn es, wie von dem Beklagten behauptet, zutreffend ist, dass bei einer Abdeckung von 1 m bis 1,50 m keinerlei Beschädigungen möglich sind, wäre der Beklagte gehalten gewesen, vor Aufnahme der Arbeiten in dem ihm erkennbaren, vgl. oben, Bereich einer Gasleitung zu prüfen, ob eine Abdeckung in dieser Höhe vorhanden war. Unterlässt er dies trotz des konkreten Anlasses der Baumaßnahme, so ist das darin liegende Verschulden so schwerwiegend, dass ein etwaiges Kontrollverschulden der Klägerin dahinter im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB jedenfalls zurücktritt.
47Darüber hinaus ist von dem Beklagten auch nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass bei einer Abdeckung von 1 m bis 1,50 m trotz unstreitig nicht getroffener Sicherheitsmaßnahmen keine Beschädigung der Gasleitung zu befürchten gewesen wäre. Eines solchen Vortrags hätte es bedurft, weil ausweislich der im Gutachten des Sachverständigen zitierten "Anweisung zum Schutz von Ferngasleitung und zugehörigen Anlagen" das Befahren des Leitungsbereiches mit schweren Bau- oder Kettenfahrzeugen immer nur unter Einhaltung besonderer Sicherheitsvorkehrungen, bei unbefestigter Oberfläche nur nach erfolgten Druck verteilenden Maßnahmen (Auslegung von Baggermatratzen oder ähnlichem) und nach Abstimmung mit dem zuständigen Betrieb der Klägerin erlaubt ist.
484.
49Der Schriftsatz vom 20.10.2008 lag vor und gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
50III.
51Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO iVm. § 26 Nr. 8 EGZPO.
52Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
53IV.
54Streitwert für das Berufungsverfahren: 17.290,08 €
55P. Dr. G. D.
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