Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-Kart 2/09 (V)
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. März 2009 (B9–52463–Fg–165/08) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1.. Sie hat darüber hinaus dem Bundeskartellamt die ihm in der Beschwerdeinstanz zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-gung entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 100.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligte zu 1. (nachfolgend: G.) betreibt großflächige Einzelhandelsmärkte. Der Sortimentsschwerpunkt von etwa 50 Märkten liegt im Bereich "Bauen" und "Garten". In diesen Märkten wird auf einer Mindestverkaufsfläche von 7.000 qm das Vollsortiment des Bau- und Heimwerkerbedarfs angeboten.
4Anfang August 2007 meldete G. beim Bundeskartellamt ein Zusammenschlussvorhaben an, wonach sie beabsichtigte, 100 % der Anteile der im Geschäftsbereich "Baumärkte" operativ tätigen Gesellschaften der D. Gruppe, Saarlouis, (Beteiligten zu 2-10) zu erwerben. Die Beteiligten zu 2-10 betreiben unter der Dachmarke "h. P." 31 Baumärkte in Deutschland, die weiter in die Vertriebslinien "h. B.", "h. G.", "h. A." und "h. W." untergliedert sind.
5Mit Beschluss vom 5. Dezember 2007 hat das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben unter Nebenbestimmungen freigegeben. Es hat die Freigabe unter die auflösende Bedingung gestellt, dass G. es unterlässt, einen h.- Baumarkt in Idar-Oberstein und drei weitere h.-Standorte im Saarland bis spätestens zum 30. September 2008 an einen unabhängigen Erwerber zu veräußern.
6G. hat die Veräußerungsbedingung nicht erfüllt. Aus diesem Grund hat das Bundeskartellamt am 1. Oktober 2008 ein Entflechtungsverfahren eingeleitet und G. mit dem angefochtenen Beschluss (Anlage zur Beschwerdeschrift, GA 8 ff.) im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 60 Abs. 1 GWB aufgegeben, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit aller fusionsbedingt übernommenen und derzeit noch betriebenen h.-Standorte aufrechtzuerhalten und in diesem Zusammenhang näher bezeichnete Maßnahmen (z.B. Schließung von Standorten, Änderung der Marke oder Markenstrategie, wesentliche Änderung der Sortimentstiefe oder –breite) zu unterlassen.
7Dagegen wendet sich G. mit ihrer Beschwerde. Sie hält die am 6. März 2009 verfügten Sicherungsanordnungen für unverhältnismäßig, weil sie sich nicht auf die von den Veräußerungsbedingungen betroffenen h.-Standorte beschränken. Die Einbeziehung aller übernommenen H.-Standorte sei nicht erforderlich, um die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie Eigenständigkeit und damit die Veräußerbarkeit einzelner möglicherweise zu entflechtender Standorte zu gewährleisten. Das gelte umso mehr, als eine Eingliederung der H.-Standorte in die G.-Vertriebslinie ohnehin nicht beabsichtigt sei, weil man eine Zwei-Marken-Strategie am Markt verfolge; die H.-Standorte würden daher im Sortiment und Personalstamm – wie auch bisher - im Wesentlichen unverändert fortgeführt werden.
8Nachdem der Senat im ersten Verhandlungstermin auf Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der verfügten einstweiligen Anordnungen hingewiesen hatte, hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 19. August 2009 (Anlage zum Schriftsatz vom 21. August 2009, GA 156 ff.) die in der Entscheidung vom 6. März 2009 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe konkretisiert. In der Sache erhebt G. gegen diesen Beschluss keine Einwendungen.
9Die gegen die nur eingeschränkte Fusionsfreigabe gerichtete Beschwerde von G. hat der Senat mit Beschluss vom 30. September 2009 (VI – Kart 1/08 (V)) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. G. hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
10Die Beteiligte zu 1. beantragt,
11den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. März 2009 insoweit aufzuheben, als er sich auf h.-Profizentren bezieht, die nicht von den im Freigabebeschluss des Amtes vom 5. Dezember 2007 enthaltenen Nebenbestimmungen betroffen sind.
12Das Bundeskartellamt beantragt,
13die Beschwerde zurückzuweisen.
14Es tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss und die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
18A. Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit der verfügten Sicherungsanordnungen bestehen nicht (mehr). Das Bundeskartellamt hat den diesbezüglichen Beanstandungen des Senats Rechnung getragen und die in der angefochtenen Entscheidung tenorierten unbestimmten Begriffe ("wesentliche" und "erhebliche") mit Beschluss vom 19. August 2009 konkretisiert. Zu Recht bezweifelt die Beschwerde nicht, dass die ausgesprochenen Ge- und Verbote nunmehr einen klar umrissenen, vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Die vorgenommenen Begriffserläuterungen begegnen als solche ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken; auch G. erhebt diesbezüglich keine Einwände.
19B. Die vom Amt getroffenen Sicherungsmaßnahmen finden ihre Grundlage in § 60 Nr. 1 2. Alt. GWB. Nach der genannten Vorschrift kann die Kartellbehörde bis zur endgültigen Entscheidung über eine Entflechtungsverfügung nach § 41 Abs. 3 GWB einstweilige Anordnungen zur Regelung eines einstweiligen Zustandes treffen.
201. Die Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen gegen G. zur Sicherung einer späteren Entflechtung des vollzogenen Zusammenschlusses liegen vor.
21a) Bereits aus der Natur der Anordnung gemäß § 60 Nr. 1 2. Alt. GWB als einer einstweiligen und die Durchsetzung einer erst künftig zu erlassenden Entflechtungsverfügung bloß sichernden Maßnahme ergibt sich, dass für ihren Erlass weder die Unanfechtbarkeit einer kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung erforderlich ist noch die materielle Kartellrechtswidrigkeit des vollzogenen Zusammenschlusses abschließend geklärt sein muss. Ausreichend ist vielmehr, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Entflechtungsvoraussetzungen prognostiziert werden können, wobei in tatsächlicher Hinsicht eine der Glaubhaftmachung entsprechende Beweisführung der Kartellbehörde ausreicht (vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 60 Rdnr. 13).
22Im Entscheidungsfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. G. hat die vom Bundeskartellamt zur Beseitigung der Untersagungsvoraussetzungen verfügten Standortveräußerungen nicht in der eingeräumten Frist vorgenommen. Durch Eintritt der auflösenden Veräußerungsbedingung hat sich deshalb die eingeschränkte Freigabeentscheidung am 1. Oktober 2008 in eine Untersagungsentscheidung verwandelt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Untersagungsentscheidung bestehen nicht. Mit Beschluss vom 30. September 2009 hat der Senat die Hauptbeschwerde der G. zurückgewiesen und zur Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass das Zusammenschlussvorhaben auf den vier vom Amt identifizierten Regionalmärkten "Idar-Oberstein", "Merzig-Wadern", "Saarpfalz-Zweibrücken" und "St. Wendel" die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt.
23b) Mit Recht hat das Bundeskartellamt in Anlehnung an § 65 Abs. 1 GWB die Dringlichkeit der angeordneten Sicherungsmaßnahmen bejaht und in diesem Zusammenhang angenommen, dass das öffentliche Interesse an einem freien und wirksamen Wettbewerb das Interesse von G. überwiegt, bis zur rechtskräftigen Klärung der Hauptsachebeschwerde den vollzogenen Zusammenschluss uneingeschränkt aufrechterhalten zu dürfen. Der Senat tritt den diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss (dort Umdruck Seite 20 f., 25 – 27) bei und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
24Der Einwand der Beschwerde, man verfolge mit den h.-Standorten eine Zwei-Marken-Strategie, führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Ungeachtet einer Zwei-Marken-Strategie führt G. die h.-Märkte nämlich im ausschließlich eigenen wettbewerblichen Interesse und nicht als eigenständige Wettbewerbsstandorte. Je länger dieser Zustand andauert, desto schwieriger wird eine spätere Entflechtung der zusammengeschlossenen Unternehmen, d.h. eine wirksame und vollständige Wiederherstellung desjenigen wettbewerblichen Zustandes, wie er vor dem Vollzug der untersagten Fusion bestanden hat.
252. Vergeblich wendet sich G. gegen den Umfang der kartellbehördlich getroffenen Sicherungsanordnungen. Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, dass das Bundeskartellamt zur Sicherstellung einer wirkungsvollen Entflechtung seine Anordnungen auf alle übernommenen h.-Standorte erstreckt hat.
26Zutreffend ist allerdings die Ausgangsüberlegung der Beschwerde. Ziel der einstweiligen Anordnung nach § 60 Nr. 1 2. Alt. GWB ist die Sicherung einer späteren Entflechtungsanordnung. Aus diesem Grund kann die einstweilige Anordnung im Allgemeinen nicht weiter gehen als die zu sichernde Entflechtungsanordnung selbst. Gemäß § 41 Abs. 3 Satz 3 GWB hat die Entflechtung grundsätzlich durch die Wiederherstellung desjenigen Zustandes zu erfolgen, der vor der kartellrechtswidrigen Fusion bestanden hat. Ist der vollzogene Zusammenschluss – wie hier – untersagt worden, ist die Fusion rückgängig zu machen. Freilich unterliegt die Entflechtungsanordnung wie jede stattliche Maßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus diesem Grund dürfen den Zusammenschlussbeteiligten nur diejenigen Maßnahmen aufgegeben werden, die zur Beseitigung des durch den Vollzug entstandenen kartellrechtswidrigen Zustands erforderlich sind. Sind die Untersagungsvoraussetzungen – wie im Streitfall - nur auf einigen der fusionsbetroffenen (Regional-) Märkte erfüllt, genügt es demgemäß, wenn im Zuge der Entflechtung diese zusammenschlussbedingt entstandene Wettbewerbsbeschränkung beseitigt wird.
27a) Vorliegend wäre folglich die Rückabwicklung der betreffenden vier Standortübernahmen durch G. ausreichend, um einen fusionskontrollrechtlich unbedenklichen Zustand zu schaffen. Allerdings scheidet eine solche Entflechtung der vier h.-Standorte nach den Umständen des Falles aus. Nachdem sich die Gesellschafter des Zielunternehmens in das Privatleben zurückgezogen haben (Amtsbeschluss Rdnr. 6) und sie an einem Rückerwerb von einigen h.-Standorte dementsprechend kein Interesse mehr haben, scheidet auch für G. diese Art der Entflechtung aus. Hierauf hat der Senat im Verhandlungstermin vom 24. Juni 2009 unwidersprochen hingewiesen (vgl. Sitzungsniederschrift vom 24.6.2009, GA 150 f.)
28b) In Betracht kommt daneben eine Entflechtung dergestalt, dass die in Rede stehenden vier h.-Standorte an einen unabhängigen Erwerber weiterveräußert werden. Nach Lage der Dinge bestehen indes auch gegen diese Art der Entflechtung durchgreifende Bedenken. Mit Recht weist das Amt darauf hin, dass sich G. seit Erlass der Freigabeentscheidung - mithin seit fast 2 Jahren - erfolglos um einen Verkauf der vier h.-Standorte bemüht und nach eigenem Bekunden die Möglichkeit eines Verkaufs zu einem - zumindest positiven - Kaufpreis derzeit nicht in Sicht ist. Schon dies begründet ganz erhebliche Zweifel, dass die fusionsbedingt entstandene Wettbewerbsbeschränkung durch einen Verkauf der vier h.-Standorte beseitigt werden kann. Angesichts der vergeblichen Veräußerungsbemühungen ist es aus heutiger Sicht vielmehr unwahrscheinlich, dass eine solche "Teil-Entflechtung" realisiert werden kann. Das gilt umso mehr, als die vier h.-Standorte baumarkt-atypische Teilsortimente führen, für die von vornherein allenfalls ein ganz kleiner Kreis potenzieller Erwerber in Betracht kommt. G. selbst geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass dabei als Erwerber lediglich ein bereits am Markt etablierter Wettbewerber – und kein Newcomer – in Frage komme, der die Standorte in sein eigenes Baumarktnetz eingliedern und dabei die atypischen Teilsortimente der h.-Standorte aufgeben werde (vgl. Seite 5 f. des Schriftsatzes vom 18.6.2009, GA 140 f.). Bei dieser Ausgangslage ist das Amt mit Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Möglichkeit eines separaten Verkaufs der vier h.-Standorte aus derzeitiger Sicht äußerst fraglich ist und aus diesem Grund Vorsorge für den Fall getroffen werden muss, dass am Ende nur eine vollständige Entflechtung des Zusammenschlusses in Frage kommt.
29c) Um entweder einen Gesamtverkauf des Zielunternehmens oder die komplette Rückübertragung des vollzogenen Zusammenschlusses an die Veräußerer gewährleisten zu können, darf das Bundeskartellamt durch Sicherungsmaßnahmen sicherstellen, dass die wettbewerbliche Unabhängigkeit aller h.-Standorte zumindest in dem gegenwärtig vorhandenen Umfang aufrechterhalten bleibt. Die in dem angefochtenen Beschluss dazu getroffenen Anordnungen sind aus rechtlich bedenkenfrei, insbesondere geeignet und verhältnismäßig. Auch die Beschwerde erhebt dazu keine Einwände.
30III.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB.
32Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB).
33Dr. J. Kühnen Breiler Adam
34Rechtsmittelbelehrung:
35Die Hauptsacheentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
36Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.