Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-1 U 119/09
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 07.05.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Der Urteilstenor des angefochtenen Urteils wird im ersten Absatz berichtigt. Statt 2.514,85 EUR muss es dort 2.514,55 EUR heißen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Entscheidungsgründe:
2Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
3I.
4Der Kläger kann weder weiteren Schadensersatz aufgrund einer Abrechnung auf Neuwagenbasis verlangen (nachfolgend 1) noch steht ihm ein weitergehender Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten wegen der Regulierung des Unfallschadens vom 08.01.2007 in K. zu (nachfolgend 2).
51.
6Er hat über die bereits zuerkannten Beträge hinaus keine weiteren Schadensersatzansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG, 249 BGB gegen die Beklagten.
7a) Die Voraussetzungen für eine Schadensberechnung auf Neuwagenbasis liegen nicht vor.
8Eine Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis ist im Falle einer erheblichen Beschädigung grundsätzlich nur bei einer Fahrleistung von bis zu 1.000 km möglich (BGH, NJW 1976, 1202; NJW 1982, Seite 433; Senat, Urteil vom 02.03.2009, Az.: I-1 U 58/08). Nur in Ausnahmefällen ist eine gewisse Überschreitung dieser Kilometergrenze zulässig (so BGH, NJW 1982, Seite 433). Bei einer Laufleistung zwischen 1.000 und 3.000 km kann nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs beim Vorliegen besonderer Umstände eine Abrechnung auf Neuwagenbasis in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand durch die Reparatur auch nicht annähernd wiederhergestellt werden kann. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn
9aa) Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des Fahrzeugs von Bedeutung sind und trotz Reparatur ein Unsicherheitsfaktor bleibt;
10bb) nach durchgeführter Reparatur erhebliche Schönheitsfehler am Pkw zurückbleiben (verzogene oder nicht mehr schließende Türen bzw. Kofferraum- oder Motorhaubendeckel, sichtbare Schweißnähte, Verformungen bestimmter Fahrzeugteile usw.) oder
11cc) eine Beschädigung stattgefunden hat, welche die Garantieansprüche des Eigentümers zumindest beweismäßig gefährden kann und der Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht alsbald nach dem Unfall verbindlich seine Einstandspflicht für einen solchen Fall anerkennt.
12Keiner dieser Ausnahmefälle liegt hier vor und es ist auch sonst kein Umstand gegeben, der darauf schließen lässt, dass durch die Reparatur der Ursprungszustand nicht wieder hergestellt werden könnte:
13Zu aa)
14Durch den Unfall sind keine Teile beschädigt worden, die für die Sicherheit des Fahrzeuges von Bedeutung sind und bei denen trotz der Reparatur ein Unsicherheitsfaktor verbleibt. Der Sachverständige M. hatte Gelegenheit, das reparierte Fahrzeug zu untersuchen. Anhand der Lichtbilder, die die zuvor tätigen Privatgutachter gefertigt hatten, konnte er sich einen Eindruck von den Unfallschäden verschaffen. Der Anstoß ist am Heck des Fahrzeuges erfolgt. Nicht reversible Beschädigungen hat der Sachverständige dort nicht feststellen können (Seite 6 des Gutachtens vom 15.09.2008). Er hat demgemäß festgestellt, dass ein technischer Minderwert nach der Reparatur nicht verbleibt (Seite 18 des Gutachtens vom 15.09.2008)
15Zu bb)
16Nach den Ausführungen des Sachverständigen M. lässt sich auch nicht feststellen, dass nach der Reparatur erhebliche Schönheitsfehler zurückbleiben. Der Sachverständige hat die Spaltverläufe der Türen sowie des Heckdeckels untersucht. Diese verliefen ebenmäßig (Seite 3 des Ergänzungsgutachtens vom 17.02.2009). Er hat lediglich einen kleinen abgeplatzten Lackbereich im oberen Spaltbereich an der Fahrertür festgestellt. Ob dieser Schaden auf den Unfall zurückzuführen ist, ist jedoch zweifelhaft. Der Schaden kann nach den Ausführungen des Sachverständigen auch auf das Einklemmen eines Gegenstands beim Schließen der Tür aufgetreten sein. Selbst wenn der Schaden auf den Unfall zurückzuführen sein sollte, hätte er nach den Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls durch eine fachgerechte Reparatur behoben werden können.
17Zu cc)
18Der Kläger trägt auch nicht vor, dass eine Beschädigung stattgefunden hat, welche seine Garantieansprüche zumindest beweismäßig gefährden konnte. Für eine solche Annahme bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Sachverständige M. hat in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 17.02.2009 ausgeführt, ein schwerer Schaden, bei dem Teile der Bodengruppe, Längsträger etc. hätten ersetzt werden müssen, habe nicht vorgelegen (Seite 7 des Ergänzungsgutachtens). Nach den Ausführungen des Sachverständigen (Seite 21 des Gutachtens vom 15.09.2008) waren auch keine Achsteile in Mitleidenschaft gezogen worden. Nur der Heckbereich (Heckblech und Kofferraumboden) wurde verformt. Die Verformungen am Kofferraumboden waren nicht so intensiv, dass bereits von einem mittelschweren Schaden auszugehen war.
19Der Kläger trägt schließlich auch keine anderen Umstände vor, die ausnahmsweise gleichwohl einen Schadensersatz auf Neuwagenbasis rechtfertigen könnten. Die geringe Zulassungszeit von nur 6 Tagen kompensiert die 580 km über der Faustregel liegende Laufleistung nicht. Durch die höhere Laufleistung hat das Fahrzeug grundsätzlich seinen "Schmelz der Neuwertigkeit" verloren (BGH, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug in kurzer Zeit diese Laufleistung zurückgelegt hat. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung bei einer Überschreitung der Laufleistung von 1.000 km den Zeitfaktor nicht für entscheidend gehalten, sondern nur darauf abgestellt, ob bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand durch die Reparatur auch nicht annähernd wiederhergestellt werden kann (vgl.: Anmerkung von Ernst zu der Entscheidung des BGH vom 05.05.2009, DAR 2009, Seite 456).
20b) Daraus folgt, dass alle Schadenspositionen, die der Kläger auf Neuwagenbasis abrechnet, nicht erstattungsfähig sind. Zu ersetzen sind somit lediglich:
21Reparaturkosten 14.704,13 EUR
22Merkantiler Minderwert 3.900,00 EUR
23Gutachterkosten 1.512,72 EUR
24Mietwagenkosten 1.264,00 EUR
25Auslagenpauschale 20,00 EUR
26Summe 21.400,85 EUR
27Das Landgericht hat die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugschadens aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen M. auf 14.704,13 EUR beziffert. Dagegen hat der Kläger in der Berufung keine Einwendungen erhoben. In dem Betrag sind auch die Kosten für die Erneuerung der Teflonbeschichtung in Höhe von 268,90 EUR netto enthalten (Seite 14 des Gutachtens vom 15.09.2009). Mit diesem Betrag hat auch der von dem Kläger beauftragte Privatgutachter K. den Schaden kalkuliert (Seite 5 seines Gutachtens vom 09.01.2007).
28Das Landgericht hat ausgeführt, Erfüllung sei hinsichtlich dieser Forderungen aufgrund des Abrechnungsschreibens vom 14.05.2007 in Höhe von 18.886,30 EUR eingetreten. Dies greift der Kläger mit seiner Berufung nicht an. In dem Schreiben vom 14.05.2007 hat die Beklagte zu 2.) ihre Vorschüsse mit folgenden Schadenpositionen verrechnet:
29Reparaturkosten 14.102,30 EUR
30Merkantiler Minderwert 3.500,00 EUR
31Mietwagenkosten 1.264,00 EUR
32Auslagenpauschale 20,00 EUR
33Summe 18.886,30 EUR
34Auch die Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR ist damit ebenfalls bereits reguliert.
35Es verbleibt eine Forderung in Höhe von 2.514,55 EUR (restliche Reparaturkosten, restlicher merkantiler Minderwert und Gutachterkosten). Diesen Betrag hat das Landgericht zuerkannt.
362.
37Darüber hinaus hat der Kläger gemäß § 249 Abs. 1 BGB auch keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.801,66 EUR.
38Die Beklagte zu 2.) hat bereits 1.321,85 EUR für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgerechnet. Die Zahlung ist gegenüber der Freistellung von dieser Verbindlichkeit eine Mehrleistung. Mehr als der abgerechnete Betrag steht dem Kläger nicht zu.
39Die außergerichtliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers ist mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr angemessen abgegolten. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2300 VV die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20% zusteht (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 14 Rn. 12 m. w. N.). Gemäß Nr. 2300 VV kann eine höhere Gebühr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. In Verkehrsunfallsachen ist regelmäßig eine 1,3-fache Gebühr angemessen (BGH, NZV 2007, 181; Senat, Urteil vom 23.10.2006 Az.: I-1 U 110/06. Die anwaltliche Bearbeitung eines üblichen Verkehrsunfalls stellt grundsätzlich eine durchschnittliche Angelegenheit dar (Senat, Urteil vom 23.10.2006 Az.: I-1 U 110/06.
40Die Bearbeitung dieser Verkehrsunfallsache war weder besonders umfangreich noch besonders schwierig. Die Haftung der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig. Die Ermittlung der Schadenshöhe wich von üblichen Verkehrsunfallprozessen nicht deutlich ab. Der Kläger hatte durch seinen Anwalt lediglich eine ergänzende Stellungnahme des Privatgutachters eingeholt. Die Sache war auch rechtlich nicht besonders schwierig. Zu der streitigen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen bei einer Laufleistung von 1.000 km bis 3.000 km ausnahmsweise eine Schadensregulierung auf Neuwagenbasis erfolgen kann, gibt es die oben zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Korrespondenz, die der Verfahrensbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Neufahrzeuges geführt hat, gehörte nicht zu dieser Angelegenheit, weil der Kläger seinen Schaden nur auf Reparaturkostenbasis abrechnen kann (s. o.). Weshalb in dieser Angelegenheit 14 Besprechungstermine mit dem Mandanten erforderlich waren, ist nicht nachvollziehbar. Mit der Abrechnung eines über die Regelgebühr hinausgehenden Betrages überschreitet der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers damit das ihm zustehende Ermessen.
41Die begründete Schadensersatzforderung des Klägers beschränkte sich von vornherein auf den Betrag von 21.400,85 EUR (s. o.). Nur in Höhe dieses Gegenstandswertes hätte der Kläger daher vorprozessual seine Bevollmächtigten mit der Durchsetzung der unfallbedingten Ersatzforderung beauftragen dürfen. Bei einem Gegenstandswert von 21.400,85 EUR beträgt die Rechtsanwaltsvergütung unter Berücksichtigung der Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer bei einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr 1.023,16 EUR.
42II.
43Die zulässige Widerklage ist in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet.
44Die Beklagte zu 2.) hat einen Anspruch auf Zahlung von 4.291,85 EUR gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gegen den Kläger.
45Der Kläger hat 24.500,00 EUR erlangt. Die Beklagte hat Vorschüsse in dieser Höhe an den Kläger geleistet. Das Landgericht hat ausgeführt, nach der Tilgungsbestimmung der Beklagten zu 2.) in dem Schreiben vom 14.05.2007 hätten 14.102,30 EUR auf die Reparaturkosten, 1.264,00 EUR auf die Mietwagenkosten, 3.500,00 EUR auf den merkantilen Minderwert, 20 EUR auf die Nebenkostenpauschale und 1.321,85 EUR auf die Rechtsanwaltsgebühren entfallen sollen. Wegen des darüber liegenden Betrages sei der Kläger ungerechtfertigt bereichert. Diese Wertung des Landgerichts greift der Kläger mit der Berufung nicht an. Er wendet sich lediglich ohne Erfolg gegen die Schadensberechnung auf Reparaturkostenbasis. Dazu gelten die Ausführungen zur Klage entsprechend.
46III.
47Der Urteilstenor der angefochtenen Entscheidung war gemäß § 319 ZPO von Amts wegen zu berichtigen. Im ersten Absatz ist ausgeführt, das Versäumnisurteil werde aufrecht erhalten, soweit die Klage wegen eines Betrages in Höhe von 2.514,85 EUR abgewiesen worden ist. Dabei handelt es sich um einen offensichtlichen Übertragungsfehler. Wie dem zweiten Absatz des Urteilstenors und den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, war ein Betrag in Höhe von 2.514,55 EUR gemeint. Diese kleine offensichtliche Unrichtigkeit kann der Senat im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen korrigieren (vgl.: Zöller-Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 28. Auflage, § 319 Rn. 22).
48IV.
49Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
50Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
51Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf 10.292,72 EUR (Klage 6.000,87 EUR und Widerklage 4.291,85 EUR) festgesetzt.
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