Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 53/09
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 13. November 2009 (VK 26/09) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfah-rens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 450.000 Euro
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2Mit Bekanntmachung vom 13. Dezember 2008 schrieb die Antragsgegnerin die Vergabe einer Anmietung von Fotokopiersystemen für die Ruhrgebietsstädte Bochum, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und Hagen, unterteilt in 5 Lose im offenen Verfahren europaweit aus. Gemäß Ziff. II.2 der Bekanntmachung belief sich der Umfang des Auftrags auf ca. 350 Fotokopiersysteme mit einem jährlichen Volumen von ca. 158 Mio. Kopien. Die Laufzeit der Verträge sollte gemäß Ziff. II.3 der Bekanntmachung sieben Jahre - vom 1. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2016 - betragen.
3Unter Ziff. IV. 2. 1 der Bekanntmachung waren die Zuschlagskriterien wie folgt bekannt gegeben worden:
4"Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien:
5- Preis. Gewichtung: 70.
- Energieeffizienz. Gewichtung: 20.
- Bedienerfreundlichkeit. Gewichtung: 10."
In der der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 9. Januar 2009 als Anlage 1 beigefügten Leistungsbeschreibung wurde darauf hingewiesen, dass der Mietvertrag mit der Möglichkeit geschlossen werde, eine Mehrabnahme von 20 % bzw. eine Minderabnahme von 10 % der ausgeschriebenen Kopiermenge bzw. Kopiergeräte in Anspruch zu nehmen. Unter dem Stichwort "Angebotsunterlagen" war bestimmt, dass die Anhänge 3-5 zwingend mit dem Angebot einzureichen sind und bei Nichteinreichen dieser Unterlagen das Angebot nicht gewertet wird.
7Im Anhang 5 "Umweltverträglichkeit" wurde der Stromverbrauch für die Betriebsmodi "Betrieb/Kopierbetrieb", "Stand-by/Druckbereitschaft" und "Sleep-Modus/Energiespar-zustand" für alle anzubietenden Geräteklassen abgefragt. An der Ausschreibung beteiligten sich u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene mit Angeboten.
8Im Bedienungshandbuch der Antragstellerin werden für die Bezeichnung der Betriebszustände die Begriffe "Betrieb", "Bereit", "Energiesparende Bereitschaft 1", "Energiesparende Bereitschaft 2" und "Aus" verwendet. In ihrem Angebot hat die Antragstellerin für Geräte der Leistungsklassen 2-6 im Hinblick auf den abgefragten Modus "Stand-by/Bereitschaft" nicht die Verbrauchswerte eingetragen, die ausweislich der beigefügten Produkt- und Umweltdatenblätter der angebotenen Kopiergeräte im Betriebsmodus "Bereit", sondern in der sog. "Energiesparenden Bereitschaft 1" erreicht werden.
9Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin bezüglich der Angaben in Anhang 5 u.a. um Erläuterung des Unterschiedes zwischen der "Bereitschaft ohne und mit Sparschaltung sowie … der Zeiten bis zum Erreichen des aktiven Betriebszustandes" und bat um Antwort bis zum 13. Juli 2009. Die Antragstellerin übersandte daraufhin mit Schreiben vom 10. Juli 2009 Auszüge aus ihren Bedienungshandbüchern zu den Geräten der Leistungsklassen 2-6.
10Mit Schreiben vom 14. September 2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen werde. Bei der Prüfung der Datenblätter sei festgestellt worden, dass die Angaben der Antragstellerin zum Energieverbauch im Betriebsmodus "Stand-by" sich tatsächlich nicht auf diesen abgefragten Modus, sondern auf den Betriebszustand "Stand-by mit Sparschaltung" bezögen, bei dem es sich gerade nicht um den geforderten Betriebszustand "Stand-by" handele, da die Rückkehrzeit von diesem Zustand zum "Stand-by" 10 Sekunden betrage. Somit sei davon auszugehen, dass bei den für die Zuschlagserteilung auch relevanten Umweltkriterien ein falscher Wert angegeben worden sei.
11Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17. September 2009 rügte die Antragstellerin den Ausschluss vom Vergabeverfahren als vergaberechtswidrig. Zur Begründung führte sie insbesondere an, dass die Antragsgegnerin in ihrer Leistungsbeschreibung gerade keine spezifischen Anforderungen an den Modus "Stand-by" und den "Sleep-Modus" gestellt habe, insbesondere keine zwingend einzuhaltenden Rückkehrzeiten definiert habe. Zudem beanstandete die Antragstellerin die vorgesehene Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen, da diese die für die Auftragsausführung erforderliche Eignung nicht erfülle. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab.
12Die Antragstellerin leitete sodann ein Nachprüfungsverfahren ein. Sie hat geltend gemacht, dass ihr Angebot alle geforderten Erklärungen enthalte und sämtliche Vorgaben der Leistungsbeschreibung eingehalten worden seien. Die Antragsgegnerin habe bei der Wertung Anforderungen zugrunde gelegt, die sie zuvor nicht bekannt gemacht habe. In der Leistungsbeschreibung seien keine Mindestanforderungen an den Betriebszustand "Stand-by" gestellt, insbesondere keine Rückkehrzeiten bzw. entsprechende Mindestwerte festgelegt worden.
13Die Antragsgegnerin ist dem Nachprüfungsantrag entgegen getreten.
14Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragsgegnerin habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen. Die Antragstellerin habe für den geforderten Modus "Stand-by/Druckbereitschaft" nicht die Verbrauchswerte benannt, die die von ihr für die Leistungsgruppen 2-6 angebotenen Geräte tatsächlich in diesem Betriebszustand verbrauchen. Stattdessen habe sie die Verbrauchswerte eines Modus angegeben, der technisch gesehen einer reduzierten Betriebsbereitschaft, nämlich einem sog. "Sleep-Modus" entspreche. Auch wenn die Antragsgegnerin in ihren Ausschreibungsunterlagen nicht erläutert habe, was sie konkret unter dem Begriff " Stand-by/Druckbereitschaft" verstehe und insbesondere nicht ausdrücklich festgelegt habe, dass darunter nur ein Betriebszustand falle, in dem die Inbetriebnahme und der Druckvorgang ohne Rückkehrzeiten ausgelöst werden könne, stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass dieses Verständnis in der Fachwelt einhellig vertreten werde, so dass für ein fachlich versiertes Unternehmen wie die Antragstellerin die Forderung unmissverständlich und eindeutig gewesen sei.
15Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin geltend macht, dass ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen worden sei. Die Forderung der Antragsgegnerin, Verbrauchswerte für den Betriebszustand "Stand-by/Druckbereitschaft" anzugeben, sei nicht eindeutig und unmissverständlich dahingehend zu verstehen gewesen, dass ein Betriebszustand ohne Rückkehrzeiten gemeint gewesen sei. Der die Entscheidung tragenden Rechtsansicht der Vergabekammer, unter dem Begriff "Stand-by" sei in der Fachwelt einhellig ein "Betriebszustand ohne Rückkehrzeit in die Betriebsbereitschaft" zu verstehen, könne nicht gefolgt werden. Allein die Vielzahl der verwendeten Begriffe sowohl in der Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin als auch in den Produktdatenblättern der Antragstellerin, der Beigeladenen sowie aller weiteren Anbieter am Markt zeige, dass eine einhellige, unmissverständliche Bezeichnung der unterschiedlichen Betriebszustände gerade nicht existiere. Indem sie die Verbrauchszahlen für den Betriebszustand "Energiesparende Bereitschaft 1" in der Spalte "Stand-by/Bereitschaft" eingetragen habe, habe sie alle geforderten Erklärungen ordnungsgemäß und vollständig erbracht.
16Zudem verstoße die vorgesehene Laufzeit von sieben Jahren gegen die Bestimmung des § 3 a Nr. 4 Abs. 8 VOL/A, wonach für Rahmenverträge grundsätzlich nur eine Laufzeit von maximal 48 Monaten zulässig sei.
17Die Antragstellerin beantragt,
18- den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 13.11.2009 (VK 26/09) aufzuheben,
- die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
20die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
21Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer und treten der Beschwerde entgegen. Die Antragstellerin habe für den Modus "Stand-by/Druckbereitschaft", bei dem es sich schon nach dem allgemeinen Begriffsverständnis eindeutig und unmissverständlich um den Betriebszustand ohne Rückkehrzeiten handele, nicht den entsprechenden, sondern den – nicht nachgefragten - Verbrauchswert für den Betriebszustand "Bereitschaft mit Sparschaltung" angegeben, so dass ihr Angebot unvollständig und deswegen auszuschließen gewesen sei. Die Angabe falscher Daten stehe einem Fehlen der geforderten Angaben gleich.
22Die vorgesehene Laufzeit des Vertrages verstoße nicht gegen § 3 a Nr. 4 Abs. 8 VOL/A. Bei dem abzuschließenden Vertrag handele es sich nicht um eine Rahmenvereinbarung.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Anlagen Bezug genommen.
24II.
25Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
26Zwar ist die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird, zu bejahen. In der Sache ist der Nachprüfungsantrag jedoch unbegründet.
27Der Ausschluss ihres Angebots hat die Antragstellerin nicht in Rechten verletzt.
281. Im Angebot der Antragstellerin fehlen geforderte Angaben im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A.
29a. In der von den Bietern auszufüllenden Tabelle in Anhang 5 des Leistungsverzeichnisses forderte die Antragsgegnerin Angaben zum Energieverbrauch für die Betriebsmodi "Betrieb/Kopierbetrieb", "Stand-by/Druckbereitschaft" und "Sleep-Modus/Energiesparzustand" für alle anzubietenden Geräteklassen. Der Argumentation der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe nicht hinreichend deutlich und unmissverständlich Angaben zu einem Betriebszustand ohne Rückkehrzeiten gefordert, so dass die abgefragten Verbrauchswerte für den Betriebszustand "Druckbereitschaft/Stand-by" durch die Eintragung derjenigen Werte, die die Geräte in dem in den Bedienungshandbüchern der Antragstellerin als "Energiesparende Bereitschaft 1" bezeichneten Modus erzielen, vollständig und korrekt angegeben worden seien, folgt der Senat nicht.
30Vielmehr musste ein verständiger Bieter die Anforderung der Antragsgegnerin, die Verbrauchswerte für den Betriebszustand "Druckbereitschaft/Stand-by" anzugeben, dahingehend verstehen, dass die Antragsgegnerin die Verbrauchswerte für denjenigen Betriebszustand in Erfahrung bringen wollte, in dem die zu beschaffenden Geräte sich zwar nicht im tatsächlichen Einsatz befinden, aber ohne Rückkehr– und damit Wartezeiten in den Arbeitsbetrieb versetzt werden können. Dieses Verständnis folgt sowohl aus der Verwendung der Bezeichnung "Druckbereitschaft/Stand-by" als auch aus den sich aus dem Beschaffungszweck mit hinreichender Deutlichkeit ergebenden Erwartungen und Interessen der Antragsgegnerin.
31Nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff "Stand-by" ein Betriebszustand beschrieben, der einen sofortigen Übergang in den Arbeitszustand ermöglicht, ohne dass der Nutzer eine spürbare zeitliche Verzögerung und Wartezeit in Kauf nehmen muss und damit eine unmittelbare Betriebsbereitschaft bezeichnet. Auch die Hersteller von Druckgeräten – einschließlich der Antragstellerin - sowie die diesen Bereich betreffenden nationalen Richtlinien, internationalen Abkommen sowie gemeinschaftlichen Kennzeichnungsprogramme differenzieren zwischen einem Betriebszustand, in dem das Gerät ohne erneutes Einschalten unmittelbar einsatzbereit ist und – ggfs. mehreren weiteren – Betriebszuständen, in denen der Energieverbrauch geringer ist, aber das Gerät Rückkehrzeiten benötigt, bis es wieder einsatzbereit ist. Obgleich in den Bedienungshandbüchern und Produktblättern der am Vergabeverfahren beteiligten Anbieter für die unterschiedlichen Betriebszustände verschiedene Begriffe verwendet werden – abhängig unter anderem davon, wie viele Zwischenstufen ein Gerät aufweist – besteht in der Sache Einigkeit, dass es zwischen dem Betrieb und dem Ausschalten des Gerätes einen Betriebszustand gibt, in dem das Gerät ohne erneutes Anschalten unmittelbar und ohne für den Nutzer spürbare zeitliche Verzögerungen betriebsbereit ist.
32So differenziert die Antragstellerin in ihrem Bedienungshandbuch selbst zwischen dem tatsächlichen Betrieb, dem Betriebszustand "Bereit" sowie den Modi "Energiesparende Bereitschaft 1" und "Energiesparende Bereitschaft 2". Bei den Betriebsmodi der "Energiesparenden Bereitschaft 1und 2" handelt es sich um reduzierte, eingeschränkte Bereitschaftsstufen, bei denen die Betonung auf der Energiesparkomponente liegt. Mit diesen Beschreibungen lehnt sich die Antragstellerin an die Vorgaben des sog. "Blauen Engels" nach RAL-UZ 122 an, wonach zwischen einem Normalbetrieb und Leerlaufzuständen unterschieden wird. Die Leerlaufzustände sind gemäß der Ausgabe Mai 2009 der RAL-UZ 122 wiederum zu unterteilen in die Modi "Druckbereitschaft" und "Energiesparzustand" bzw. "mehrere Energiesparzustände" sowie das sog. "Scheinaus". Die "Druckbereitschaft" als erster Leerlaufzustand wird darin wie folgt definiert:
33"Zustand, in dem das Gerät keine Ausgabe erzeugt, Betriebsbedingungen erreicht hat, noch nicht in einen Energiesparzustand eingetreten ist und bereit ist, mit minimaler Verzögerung in den Druckbetrieb zurückzukehren. Alle Gerätefunktionen können in diesem Zustand aktiviert werden und das Gerät muss in der Lage sein, zum Druckbetrieb zurückzukehren, indem es auf die Nutzung von Eingabemöglichkeiten anspricht, die bei dem Gerät vorgesehen sind."
34In Abgrenzung dazu ist der Energiesparzustand dagegen ein:
35"Leerlaufzustand, in den das Gerät nach Ablauf einer Aktivierungszeit schaltet und in dem im Allgemeinen seine Leistungsaufnahme geringer ist als in Druckbereitschaft."
36Diese Definitionen entsprechen sachlich auch den Begriffen, wie sie in dem von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten am 28. Dezember 2006 abgeschlossenen Energy-Star-Kennzeichnungsprogramm verwendet werden, das die Hersteller von Bürogeräten dazu animieren soll, freiwillig gemeinsame Stromsparspezifikationen für diese Geräte anzuwenden und durch Verordnung (EG) Nr. 106/2008 umgesetzt worden ist.
37In den im Abkommen enthaltenen Spezifikationen für Kopierer werden der Energiesparzustand sowie der Stand-by-Modus wie folgt beschrieben:
38"In diesem (Energiespar -) Zustand macht das Gerät keine Kopien; es hat zuvor Betriebsbedingungen erreicht, verbraucht aber weniger Strom als im Stand-by-Zustand. In diesem Zustand kann es eine gewisse Zeit dauern, bis der Kopierer wieder kopierbereit ist.
39…
40In diesem (Stand-by-)Zustand macht das Gerät keine Kopien; es hat Betriebsbedingungen erreicht und ist für den Kopiervorgang bereit, ist aber noch nicht in den Energiesparzustand übergegangen. In diesem Zustand ist der Kopierer praktisch ohne Verzögerung kopierbereit."
41Dass die von der Antragsgegnerin abgefragten Verbrauchswerte für den Betriebsmodus "Stand-by/Druckbereitschaft" sich nicht auf einen speziellen Energiesparzustand, sondern auf einen Betriebsmodus beziehen, in dem ohne spürbare zeitliche Verzögerung Kopierbereitschaft besteht, ergibt sich zudem auch aus den offensichtlichen Interessen und Erwartungen der Antragsgegnerin, wie sie für einen verständigen Bieter ohne weiteres erkennbar waren.
42So unterbrechen und behindern Rückkehr – und damit Wartezeiten Arbeitsabläufe, was angesichts der Vielzahl der zu fertigenden Kopien und der Häufigkeit, in der Kopiergeräte in der täglichen Verwaltungspraxis zum Einsatz kommen, zu spürbaren Verzögerungen und Unterbrechungen führt und damit dem erkennbaren Interesse der Antragsgegnerin an möglichst effizient gestalteten Arbeitsabläufen widerspricht. Zudem folgt aus dem Hinweis in den Verdingungsunterlagen, das Wertungskriterium der Energieeffizienz gliedere sich entsprechend des Gewichtungsanteils des Stromverbrauchs in die Unterkriterien "Betrieb, Stand-by-Bereitschaft und Sleep", dass die Verbrauchswerte der zu beschaffenden Gerätschaften entsprechend ihrem tatsächlichen Einsatz bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden sollten. Ausweislich der mitgeteilten Gewichtung von 2 % für den Druckbetrieb, 22 % für den Stand-by/Bereitschaftsmodus 22 % und 76 % für den Sleep-Modus befinden sich die Geräte weit überwiegend in dem verbrauchsärmsten Betriebszustand. Demnach musste ein verständiger Bieter davon ausgehen, dass hinsichtlich des Stand-by/Druckbereitschaftsmodus der Focus nicht auf einen möglichst energiearmen und sparsamen Geräteeinsatz gerichtet war, sondern die Antragsgegnerin ein realistisches, den praktischen Einsatzerfordernissen entsprechendes Abbild der Verbrauchswerte erlangen und ihrer Wertung zugrunde legen wollte.
43b. Die Antragstellerin hat für die Geräteklassen 2 bis 6 nicht die Verbrauchswerte für den Betriebsmodus "Stand-by/Druckbereitschaft", dem in ihrer Terminologie der Begriff des "Bereit"-Modus entspricht, sondern diejenigen Werte eingetragen, die ausweislich der Produkt- und Umweltdatenblätter der angebotenen Kopiergeräte im Zustand der sog. "Energiesparenden Bereitschaft 1" erzielt werden. Die Frage der Antragsgegnerin nach den Verbrauchswerten ist zwar bei formaler Betrachtung beantwortet worden. Materiell waren die Angaben aber unrichtig, denn die von der Antragstellerin mitgeteilten entsprachen nicht den geforderten Verbrauchswerten. Da die Verbrauchswerte ein Zuschlagskriterium bildeten, sollten die Angaben der Bieter erkennbar inhaltlich bewertet und nicht nur formal auf Vorhandensein geprüft werden, so dass die materiell unzutreffende Angabe dem Fehlen geforderter Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A gleichzusetzen ist und den Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs.2 lit. a) VOL/A zur Folge hat (vgl. BGH VergabeR 2007, 59, 63; OLG Dresden VergabeR 2004, 724, 726; 609, 612; OLG Düsseldorf; Beschl. v. 21.1.2005 – VII –Verg 69/05; Beschl. v. 29.03.2006 – VII-Verg 77/05; Beschl. v. 13.04.2006 – VII-Verg 10/06; OLG Koblenz, Beschl. v. 13.02.2010 – 1 Verg 1/06).
44Der Bewertung als unvollständig steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin die zutreffenden Verbrauchswerte für den Betriebszustand "Stand-by/Druckbereitschaft" eigenständig ermittelt hat, nachdem sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 7. Juli 2009 um Aufklärung gebeten hatte. Ausweislich der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Bedienungshandbücher entsprachen die Angaben der Antragstellerin zum abgefragten Modus "Stand-by/Bereitschaft" tatsächlich dem sog. "Energiesparmodus 1". Zwar zwingt das Fehlen geforderter Erklärungen den Auftraggeber nicht in jedem Fall zum Ausschluss des Angebots. So kann der öffentliche Auftraggeber ein Angebot, in dem geforderte Preisangaben fehlen, im Wege der Auslegung um diese ergänzen und so die Unvollständigkeit beheben, wenn das sachliche Versäumnis leicht aufzuklären ist, die fehlende Angabe auf einer offenkundigen und unbedeutenden sachlichen Auslassung oder einem Irrtum beruht und der fehlende Preis für eine bestimmte Position mit Sicherheit aus einem für eine andere Position derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis oder zumindest nach Einholung von Klarstellungen zum Inhalt dieses Angebots abgeleitet werden kann (vgl. EuG, Urteil v. 10.12.2009, T-195/08).
45Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall aber nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob die vom Europäischen Gericht aufgestellten Grundsätze auf Konstellationen übertragbar sind, in denen sich die fehlenden Angaben nicht auf Preise, sondern auf andere Eigenschaften des zu beschaffenden Gegenstandes beziehen, konnte die Antragsgegnerin die materielle Unvollständigkeit der Angaben der Antragstellerin nicht durch den Rückgriff auf den Inhalt anderer Angebotsbestandteile, sondern nur durch die Auswertung der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten weiteren, über den vorliegenden Angebotsinhalt hinausgehenden Informationen (Produktdatenblätter) beheben. Bei der Auskunft der Antragstellerin, anhand derer die Antragsgegnerin selbst die von der Antragstellerin mitgeteilten durch die zutreffenden Verbrauchswerte ersetzen konnte, handelte es sich nicht um eine einfache Klarstellung, sondern um eine Ergänzung bzw. Änderung des Angebotsinhalt.
462. Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die in Ziff. II. 3 der Bekanntmachung vorgesehene Vertragslaufzeit von sieben Jahren die in § 3 a Nr. 4 Abs. 8 VOL/A für Rahmenvereinbarungen bestimmte Höchstlaufzeit von vier Jahren in vergaberechtswidriger Weise überschreite, so dass eine Zuschlagserteilung im laufenden Verfahren zu untersagen und das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen sei.
47Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 3 a Nr. 4 Abs. 8 VOL/A scheidet aus, da es sich bei dem streitgegenständlichen Auftrag nicht um eine Rahmenvereinbarung handelt. Gemäß den übereinstimmenden Definitionen in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG und § 3 a Abs. 4 Nr. 1 S. 1 VOL/A setzt eine Rahmenvereinbarung voraus, dass zwischen öffentlichem Auftraggeber und einem oder mehreren Unternehmen Bedingungen für eine Mehrzahl von Einzelaufträgen festgelegt werden, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen. Kennzeichnend für eine Rahmenvereinbarung ist demnach, dass der rechtliche Rahmen für die wesentlichen Bedingungen von zukünftig noch zu erteilenden Einzelaufträgen festgelegt wird, die synallagmatischen Austauschbeziehungen und Verpflichtungen aber erst durch den jeweils zu einem Vertragsschluss führenden Einzelabruf entstehen sollen.
48Im Unterschied dazu beabsichtigt die Antragsgegnerin ausweislich der Erläuterungen in der Leistungsbeschreibung aber den Abschluss eines einzelnen Mietvertrages über eine Gesamtmenge von ca. 2350 Kopiergeräten, die einmalig zu Vertragsbeginn von dem Auftragnehmer zur Verfügung zu stellen sind. Wie sich aus den Angaben zu den Stichworten "Art und Umfang der Leistung", "Produktqualität" und "Lieferadressen" eindeutig ergibt, ist die vertragliche Hauptleistungspflicht des Auftragnehmers demnach gleich zu Beginn des Vertragsverhältnisses vollständig und nicht erst nach Abruf durch die Antragsgegnerin und Abschluss weiterer Einzelverträge zu erfüllen. Bereits durch den Abschluss des Vertrages sollen die wechselseitigen Ansprüche auf vollständige Lieferung, Aufstellung und Betrieb der Kopiergeräte sowie auf Zahlung des vereinbarten Mietzinses entstehen.
49Der Vorbehalt einer Mehrabnahme von 20 % bzw. einer Minderabnahme von 10 % durch die Antragsgegnerin stellt eine im Rahmen des abzuschließenden Mietvertrages vereinbarte Flexibilisierung des Leistungsumfangs dar. Gegenstand des Vertrags ist nicht eine genau bestimmte Anzahl sondern eine zahlenmäßig genau bestimmbare Menge von mindestens 2115 und höchstens 3290 Geräten. Weder im Fall eines zukünftigen Mehr– noch eines Minderbedarfs soll die Änderung des Leistungsumfangs Gegenstand weitere einzelvertraglicher Abreden sein. Vielmehr soll die Antragsgegnerin bereits durch den abzuschließenden Mietvertrag im Rahmen der vereinbarten Grenzen ein Dispositionsrecht im Hinblick auf die benötigte Menge und damit einen unmittelbaren vertraglichen Anspruch auf die Zurverfügungstellung weiterer Geräte haben bzw. ohne vorherige Kündigung berechtigt sein, von vornerein weniger Geräte oder zukünftig deren Abbau und Abholung zu beanspruchen.
50Da es sich demnach nicht um eine Rahmenvereinbarung handelt, begegnet die vorgesehene Vertragsdauer von sieben Jahren keinen vergaberechtlichen Bedenken.
513. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.
52Dicks Schüttpelz Frister
53Vors. Richter am OLG Richter am OLG Richterin am OLG
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