Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 40/10
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 30. August 2010 (VK 3 – 81/10) aufgehoben.
Unter Zurückweisung des weiterreichenden Nachprüfungsantrags wird der Antragsgegnerin untersagt, im Zuge der Ausschreibung von „reprotechnischer Laborausstattung – Analoge Schrittschaltkameras“ einen Zuschlag zu erteilen, ohne dass den zur Abgabe eines Angebots aufgeforderten Bietern nach Bekanntgabe der Bewertungsmatrix erneut Gelegenheit gegeben worden ist, ein Angebot einzureichen.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und Antragsgegnerin sind von der Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweck-entsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und Antragsgegnerin werden der Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2/3 auferlegt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 45.000 € festgesetzt.
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Die Antragsgegnerin machte am 30. September 2009 die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb für einen Rahmenvertrag über "reprotechnische Laborausstattung – analoge Schrittschalt-Mikrofilm-kameras" gemeinschaftsweit bekannt. Die Kameras sollen zur vorlagengerechten und schonenden Verfilmung von unikalem Archivgut des 9. bis 20. Jahrhunderts sowie von anderen schwierigen und großformatigen Vorlagen mit unterschiedlichem Erhaltungszustand eingesetzt werden.
4Gemäß Ziff. II. 1.4, 1.5 der Bekanntmachung soll die Rahmenvereinbarung eine Laufzeit von drei Jahren haben und es ermöglichen, sowohl komplette Kamerasysteme als auch einzelne Komponenten und Ersatzteile flexibel aus dem bestehenden Vertrag abrufen zu können.
5In der Leistungsbeschreibung, die als Anlage 1 zur Angebotsaufforderung beilag, wurden die Anforderungen an die Kamerasysteme u.a. wie folgt beschrieben:
6"2.1 Technische Leistungskriterien Mikrofilmkamerasystem
7Anzubieten ist ein analoges Schrittschaltkamerasystem, welches die nachstehend aufgeführten technischen Spezifikationen erfüllt:
82.1.1 Allgemeines
9- anzubieten ist ein derzeit im Handel befindliches, aktuelles, dem Stand der
10Technik entsprechendes Kameramodell
112.1.2 Kamera
12- Belichtung
13- automatisch, bei Bedarf umschaltbar auf manuelle Einstellung
14- elektronische Belichtungsmessung (standardmäßig mit zwei Messpunkten)
152.1.4 Arbeitsplatzumgebung/Funktionalität Aufnahmetisch
16- Buchwippe mit zweigeteilter Andruckplatte,
17- mit unabhängig verschiebbaren und selbstausgleichenden Auflageflächen …
- gleichmäßig einstellbarer Andruck von gebundenen Vorlagen (mindestens 20 cm dicke bis 30 kg Gewicht) und von Einzelblättern möglich
- motorische Absenkung und sensorgesteuertes Hochfahren der Buchwippe,
19Geschwindigkeit, Anschlag und Anpressdruck regulierbar, per Fußschalter
20steuerbar
21- Absenkung der Buchwippe in mindestens drei voreinstellbaren Positionen,
22automatisch ausgelöst nach jeder Aufnahme, abschaltbar
232.1.5 Zubehör/Zählwerke
24zwei getrennt montierte, extrem hochzählende Zählwerke für den Aufnahmetisch (werden bei der Aufnahme mit aufgenommen) gehören ebenfalls zum Leistungsumfang eines Komplettsystems. Diese erfüllen folgende Anforderungen:
25- vierstellig
- beleuchtet
- Ziffernhöhe ca. 2 cm
- getrennte rück- und einstellbar
…"
27Gemäß Ziff. IV. 2.1 der Bekanntmachung sollte das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen genannten Kriterien bezuschlagt werden. Ziff. 3.1 der Besonderen Hinweise und Verfahrensbedingungen sah diesbezüglich vor:
28"Für die Bewertung der Angebote werden nachstehende Oberkriterien herangezogen:
2970 % Technische Spezifikationen und Serviceleistungen
3030 % Preis des Angebots
31Insbesondere werden für die Bewertung des Angebots die in der Anlage 1 c der Leistungsbeschreibung aufgeführten Kriterien entsprechend der angegebenen Gewichtungen herangezogen."
32Aus der Anlage 1 C zur Angebotsaufforderung ergab sich, dass das Zuschlagskriterium "technische Spezifikationen und Serviceleistungen" auf der Basis folgender Gewichtung:
33- Ergebnisse der technischen Erprobung 70 %
- Serviceleistungen (30 %)
weiter untergliedert werden sollte.
35Der Bewertungstabelle war ferner zu entnehmen, dass die Bewertung der Kriterien nach dem Schulnotenprinzip, allerdings in umgekehrter Rangfolge erfolgen sollte. Die für die "Gesamtbewertung" maßgebliche Berechnungsformel wurde ebenfalls mitgeteilt, ohne dass der dort enthaltene Faktor "Ps" näher erläutert wurde.
36Im Hinblick auf eine mögliche Erprobung der Geräte enthielt Ziff. 2 der Besonderen Hinweise und Verfahrensbedingungen folgende Regelungen:
37"Im Rahmen der Angebotswertung behält sich die Vergabestelle vor, ggfs. Geräte, deren Leistungsfähigkeit im Sinne der Aufgabenstellung nicht abschließend beurteilt werden kann, in einer der zukünftigen Einsatzstellen mindestens einen Monat lang im Echtbetrieb nach den Grundsätzen der Bundessicherungsverfilmung zu testen.
38Der Bieter erklärt sich … bereit, eine vollständige Testinstallation (Komplettsystem) zur Verfügung zu stellen und vor Ort betriebsbereit zu installieren. Im Rahmen der Teststellung erfolgt seitens des Bieters zu Beginn des Erprobungszeitraums eine Einweisung in die Bedienung des Systems vor Ort.
39…"
40Nach Aufforderung durch die Antragsgegnerin gaben u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene fristgerecht einen Teilnahmeantrag ab. Im Februar 2010 fanden mit allen Bietern Verhandlungsgespräche statt. Aufgrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse entschloss sich die Antragsgegnerin, die Bieter zur Abgabe eines modifizierten Angebots aufzufordern. Mit Schreiben vom 16. April 2010 forderte sie unter Beifügung einer geänderten Preisliste sowie überarbeiteten Leistungsanforderungen die Bieter auf, Angebote zu legen und einer Verlängerung der Zuschlagsfrist bis zum 27. Juli 2010 zuzustimmen.
41Mit Schreiben vom 30. April 2010 teilte die Antragsgegnerin u.a. der Antragstellerin und der Beigeladenen mit, dass die von ihnen angebotenen Geräte in der engeren Wahl seien. Sie kündigte an, eine technische Erprobung am 11. bzw. 10. Juni durchzuführen und dabei auf Kamerasysteme der Bieter zurückzugreifen, die in der Verfilmungsstätte des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden bereits vorhanden seien. Die Erprobung solle der Prüfung der Einhaltung in der Leistungsbeschreibung geforderten technischen Spezifikationen dienen.
42Während der am 10. und 11. Juni im Hessischen Hauptstaatsarchiv durchgeführten Mustererprobung der Mikrofilmkameras stellte die Bewertungsgruppe fest, dass die Kamera der Beigeladenen "drei gewichtige Probleme" aufwies. Aus dem über die die Erprobung erstellten Protokoll geht hervor, dass diese Fehler es schwierig machten, das Gerät in einigen Bereichen richtig einzuschätzen. Es handelte sich unstreitig um Probleme mit dem Display, der Buchwippe und dem Filmschnitt. Ausweislich des Protokolls ist dieser Situation wie folgt Rechnung getragen worden:
43"Die angegebene Punktzahl in Klammern ist die Bewertung mit Einbeziehung der vorhandenen Fehler, die andere Punktzahl die Bewertung des vollfunktionstüchtigen Geräts."
44Im Ergebnis wurde das Angebot der Beigeladenen in technischer Hinsicht mit rund 5 (Fehlerfreiheit unterstellt) bzw. rund 10 Punkten (tatsächlicher Erprobungszustand) weniger als das Angebot der Antragstellerin bewertet. Nach entsprechender Aufforderung durch die Antragsgegnerin beseitigte die Beigeladene die Fehler am 14. Juni 2010. Eine erneute Erprobung durch die Antragsgegnerin erfolgte nicht. Stattdessen teilte ein Mitarbeiter des Hessischen Hauptstaatsarchivs, der zugleich Mitglied der ursprünglichen Bewertungsgruppe war, der Antragsgegnerin per E-Mail mit, dass die Fehlererhebung erfolgreich verlaufen sei.
45Daraufhin entschloss sich die Antragsgegnerin, auf eine defektbedingte Abwertung der Kamera der Beigeladenen zu verzichten. Nach der Gesamtwertung lag das Angebot der Antragstellerin auf dem zweiten Platz hinter dem Angebot der Beigeladenen.
46Die Antragsgegnerin unterrichtete die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Juli 2010, dass das Angebot der Beigeladenen bezuschlagt werden solle. Zur Begründung teilte sie mit, dass das Angebot der Antragstellerin zwar in technischer Hinsicht besser abgeschnitten habe als das der Beigeladenen, das Angebot der Beigeladenen aber aufgrund des besseren Preis-Leistungs-Verhältnisses den Zuschlag erhalten solle. Nachdem die Antragsgegnerin auf entsprechende Nachfragen der Antragstellerin mit ihren Schreiben vom 15. und 16. Juli 2010 ihre Entscheidung näher erläutert hatte, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Juli 2010 die getroffene Vergabeentscheidung.
47Am 30. Juli 2010 stellte sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes sodann einen Nachprüfungsantrag, mit dem sie eine Wiederholung der Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen sowie hilfsweise eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in einen Zustand vor Versendung der Vergabeunterlagen begehrte.
48Die Vergabekammer hat dem Antrag unter Zurückweisung im Übrigen insoweit stattgegeben, als die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, bei fortbestehender Vergabeabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wertung der Angebote zurückzuversetzen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:
49Bei der Wertung der Angebote habe sich die Antragsgegnerin nicht im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, neben dem sich während der Mustererprobung gezeigten tatsächlichen, fehlerbehafteten auch einen hypothetischen, fehlerfreien Zustand des Geräts zu bewerten, begegne rechtlichen Bedenken. Zudem seien die Wertungsentscheidungen betreffend die Kamera der Beigeladenen nicht hinreichend nachvollziehbar dokumentiert. Im Hinblick auf die aufgetretenen Defekte sei nicht erkennbar, warum die nicht fehlerfrei funktionierenden Kamera der Beigeladenen im Vergleich zum Modell der Antragstellerin immer noch relativ gut bewertet worden sei. Insoweit wäre die Antragsgegnerin gehalten gewesen, die vergleichsweise geringen Unterschiede in der Notenbewertung zwischen den Angeboten zu erläutern. Damit habe die Antragsgegnerin ihre Bewertung auf einen nicht entsprechend dokumentierten Sachverhalt gestützt und ihren Beurteilungsspielraum zum Nachteil der Antragstellerin überschritten.
50Im Übrigen lasse die Wertungsentscheidung der Antragsgegnerin aber Verstöße gegen Vergaberecht nicht erkennen. Auch sei das Angebot der Beigeladenen nicht zwingend auszuschließen. Den unter 2.1.1 ff. der Leistungsbeschreibung gestellten technischen Anforderungen an die Ausstattung werde das von der Beigeladenen angebotene System gerecht. Ein Ausschluss könne auch nicht darauf gestützt werden, dass diese eine werktägliche Erreichbarkeit von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr nicht sicherstellen könne. Indem sich die Beigeladene mit den modifizierten Angebotsbedingungen einverstanden erklärt habe, habe sie diese ausdrücklich zum Bestandteil ihres Angebots gemacht.
51Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere geltend macht, dass das Angebot der Beigeladenen wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen vom Vergabewettbewerb ausgeschlossen werden müsse, da es in mehrfacher Hinsicht nicht den zwingenden Anforderungen der Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin genüge. Zudem habe die Antragsgegnerin überraschend allein der Beigeladenen die Gelegenheit gegeben, ihr Angebot nach dem Schlusstermin für die Einreichung der modifizierten Angebote und nach Durchführung der Mustererprobung inhaltlich nachzubessern. Damit habe die Antragsgegnerin unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz ein Angebot der Beigeladenen bei der Wertung berücksichtigt, welches in unzulässiger Weise nachgebessert und damit verspätet eingereicht worden sei. Das jetzige Angebot der Beigeladenen habe inhaltlich weder zum Zeitpunkt der Einreichung der modifizierten Angebote noch zum Zeitpunkt der Mustererprobung vorgelegen. Insoweit liege eine nachträgliche versteckte Verhandlungsrunde mit nur einem Bieter vor, die auch in einem Verhandlungsverfahren unzulässig sei.
52Darüber hinaus könne die bisherige Wertung der Angebote auch aus weiteren, von der Vergabekammer nicht beachteten Gründen und Gesichtspunkten keinen Bestand haben. Die Antragsgegnerin habe nicht beurteilungsfehlerfrei festgestellt, dass die Beigeladene zur Ausführung der von ihr nachgefragten Leistungen geeignet sei. Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der modifizierten Angebotsabgabe ausdrücklich eine Erreichbarkeit des späteren Auftragnehmers für die Durchführung etwaiger Reparaturleistungen werktags von 08.00 bis 18.00 Uhr gefordert habe, werde diese Forderung von der Beigeladenen zwar auf vertraglicher Ebene akzeptiert. Es sei aber gänzlich ungeprüft geblieben, ob die Beigeladene die geforderte Erreichbarkeit überhaupt sicherstellen könne. Vielmehr habe die Antragsgegnerin in der Bewertungstabelle zur Feststellung der Eignung deren Erreichbarkeit an Freitagen nur bis 17.00 Uhr festgehalten. Die Antragsgegnerin habe damit die Eignung der Beigeladenen zur Ausführung der mit dem modifizierten Angebot abgefragten Leistungen auf einer nachweislich und offenkundig unzureichenden Sachverhaltsgrundlage angenommen.
53Zudem habe die Antragsgegnerin die Bewertung des Angebots der Beigeladenen beurteilungsfehlerhaft unter Missachtung des von ihr selbst vorgegebenen Verfahrens und auf der Grundlage falscher Sachverhaltsannahmen vorgenommen.
54Indem die Antragsgegnerin der Bewertung des Angebots der Beigeladenen einen hypothetischen fehlerfreien und nicht den tatsächlichen defekten Zustand, in dem das Gerät erprobt wurde, zugrunde gelegt habe, sei sie vom vorgesehenen Verfahren der Angebotsbewertung abgewichen und habe Sinn und Zweck der Mustererprobung als absurdum geführt.
55Über die von der Vergabekammer bereits angesprochenen Gesichtspunkte hinaus sei die Angebotswertung auch zu weiteren Aspekten objektiv beurteilungsfehlerhaft. Zahlreiche Bewertungen seien unter Berücksichtigung des unstreitigen Inhalts des Angebots der Beigeladenen nicht nachvollziehbar und schlicht abwegig, so dass die Antragsgegnerin hier von unzureichend ermittelten Sachverhaltsannahmen ausgegangen sei bzw. sich nicht an den mitgeteilten Bewertungsmaßstab gehalten habe.
56Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, dass das dem Vergabeverfahren zugrunde gelegte Bewertungssystem insgesamt fehlerhaft sei, da es eine echte vergleichende Bewertung nicht zulasse.
57Sie beantragt,
581.
59der Antragsgegnerin aufzugeben, in dem Vergabeverfahren "reprotechnische Laborausstattung – analoge Schrittschall-Mikrofilmkameras" das Angebot der Beigeladenen vom Verfahren auszuschließen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen
602.
61hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Prüfung und Wertung der Eignung der Beigeladenen sowie die Angebote unter Berücksichtigung der Auffassung des Vergabesenats zu wiederholen
623.
63hilfsweise das Vergabeverfahren in einen Zustand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückzusetzen.
64Die Antragsgegnerin beantragt,
65den Nachprüfungsantrag vollständig zurückzuweisen.
66Im Wege der Anschlussbeschwerde beantragt sie,
67die sofortige Beschwerde vollständig zurückzuweisen.
68Die Antragsgegnerin hat im Nachgang zum Beschluss der Vergabekammer die in den Entscheidungsgründen genannten Dokumentationsmängel zum Anlass genommen, einen erneuten Bewertungsvermerk niederzulegen.
69Sie macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag nur in dem von der Vergabekammer angenommenen Umfang zulässig und zudem überwiegend unbegründet sei. Die Vergabekammer habe zutreffend festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen nicht zwingend auszuschließen sei. Im Hinblick auf die bei der Erprobung aufgetretenen Softwarefehler hätten die Mindestanforderungen und die Vorteile des Geräts trotzdem geprüft werden können. Die Vorführung sei zwar dadurch beeinträchtigt worden, dass manche Vorgänge wiederholt werden mussten. Die Defekte, die nicht die Mindestanforderungen betroffen hätten, hätten innerhalb von 15 Minuten behoben werden können. Dieses sei über einen Zeitraum von zwei Wochen getestet worden. Damit habe eine inhaltliche, das ursprüngliche Angebot abändernde Überarbeitung seitens der Beigeladenen nicht stattgefunden.
70Der Vorwurf der Antragstellerin, die Beigeladene hätte Einstellungsverbesserungen vornehmen dürfen, die dann auch noch positiv gewertet worden seien, gehe ins Leere. Die Bewertung der Angebote sei im Übrigen, bis auf die von der Vergabekammer festgestellten und nunmehr korrigierten Gesichtspunkte vergaberechtskonform. Damit sei auch die Anschlussbeschwerde begründet.
71Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeakten und Akten der Vergabekammer sowie die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen.
72II.
73Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Das Vergabeverfahren ist wegen der Verwendung nicht bekannt gegebener Wertungsunterkriterien in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen. Eine Wiederholung der Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen kommt dagegen nicht in Betracht.
741.
75Der Nachprüfungsantrag ist in dem von der Vergabekammer erkannten Umfang zulässig.
76a. Zu Recht hat die Vergabekammer die Antragsbefugnis der Antragstellerin verneint, soweit diese geltend macht, das Angebot der Beigeladenen sei wegen Verstoßes gegen § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A auszuschließen. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der davor bewahrt werden soll, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in die Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können. Einen Bieterschutz im Rechtssinne entfaltet die Vorschrift hingegen nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebots fordert. Dazu zählen beispielhaft unangemessen niedrige Angebote, die in der zielgerichteten Absicht der Marktverdrängung abgegeben worden sind oder die zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt verdrängt werden (vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 128 f.; NZBau 2002, 627 f.; BayOblG NZBau 2003, 105 f.; 2004, 743 f.; OLG Celle VergabeR 2004, 397, 405; OLG Koblenz, VergabeR 2006, 392, 401 f.; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 25 Rdn. 148). Dass derartige Umstände vorliegen, ist weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen worden.
77b. Auch mit der Beanstandung, das Wertungssystem der Antragsgegnerin sei intransparent und nicht plausibel, ist die Antragstellerin präkludiert.
78Nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist die Geltendmachung eines Verstoßes im Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen, soweit der Antragsteller Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Angebots- oder Bewerbungsfrist gerügt hat. Maßstab für die Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes, d.h. die den Verstoß begründenden Tatsachen und deren rechtliche Beurteilung ist die Erkenntnismöglichkeit für den Bieter bei Anwendung üblicher Sorgfalt, wobei noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ob auf die Perspektive eines durchschnittlichen oder die des konkret betroffenen Unternehmens abzustellen ist.
79Für die Antragstellerin als langjährige und vergabeerfahrene Marktteilnehmerin war erkennbar, dass die Antragsgegnerin in Ziff. 2.1 der Leistungsbeschreibung bestimmte Mindestanforderungen an die Beschaffenheit und Ausstattung der Leistung stellen und im Rahmen der Zuschlagsentscheidung die genannten Beschaffenheitsanforderungen einer vergleichenden Bewertung unterziehen wollte. Diese Vorgehensweise ergab sich eindeutig aus den Angaben im Leistungsverzeichnis und der Anlage 1 c zur Angebotsaufforderung. Die den Rechtsverstoß nach Auffassung der Antragstellerin begründenden Tatsachen waren demnach als solche offensichtlich und der rechtlichen Bewertung ohne Weiteres zugänglich. Die rechtliche Würdigung der Antragstellerin, die Bezugnahme der Wertungskriterien auf zwingende technische Mindestanforderungen sei vergaberechtlich unzulässig, beruht allein auf der Annahme, dass zwingende technische Anforderungen entweder erfüllt oder nicht erfüllt sind, dagegen eine Bewertung, wie gut sie erfüllt werden, nicht in Betracht kommt. Diese Schlussfolgerung hätte die Antragstellerin - wenn sie denn zuträfe - bereits auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen ziehen können.
80c. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Antragsgegnerin habe den Faktor "Ps" erstmals nach der Vorabinformation erläutert, ist sie auch mit diesem Vorbringen präkludiert. Der Faktor ist offenkundig Bestandteil der in der Anlage 1 c den Bietern mitgeteilten Bewertungsformel und weder dort – im Gegensatz zu den anderen Faktoren – noch in anderem Zusammenhang näher erläutert worden. Aus der Formel, ergab sich, dass es sich um einen Preisfaktor handeln musste, der zusammen mit dem Angebotspreis einen Preisquotienten bildete; Angaben zum angesetzten Wert dieses Faktors fehlen jedoch erkennbar. Die unterbliebene Aufklärung lag demnach auf der Hand, so dass die Antragstellerin den angenommenen Vergaberechtsverstoß unmittelbar nach Kenntnisnahme der Verdingungsunterlagen hätte rügen müssen.
81d. Den Umstand, dass die Antragsgegnerin die im Laufe des Vergabeverfahrens festgelegte Bewertungsmatrix nicht bekanntgegeben hat, hätte die Antragstellerin nach Gewährung von Akteneinsicht durch die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren erkennen können. Dass sie die unterbliebene Bekanntgabe nicht unverzüglich beanstandet hat, steht der Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrags aber nicht entgegen.
82Die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Beschl. v. 8.3.2007 – 13 Verg 2/07, VergabeR 2007, 401, 402), wonach dem Antragsteller bei im Nachprüfungsverfahren nachgeschobenen Beanstandungen in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB eine unverzügliche Rüge obliege, ist in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Rechtsprechung der Vergabesenate der Oberlandesgerichte abzulehnen (vgl. Brandenburgisches OLG VergabeR 2007, 529, 533; OLG Schleswig ZfBR 2005, 616; OLG Düsseldorf VergabeR 2005, 364; NZBau 2001, 106, 111; 155; BayObLG VergabeR 2002, 77; 2001, 438; OLG Frankfurt am Main VergabeR 2004, 754; NZBau 2002, 161; OLG Celle VergabeR 2003, 252, 253; ZVgR 1999, 158; OLG Dresden VergabeR 2001, 41; OLG Jena NZBau 2000, 350).
83Die Neufassung des § 107 Abs. 3 durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts, durch das die Präklusionsvorschriften vollständig neugefasst wurden, hat die Rechtsmeinung des Oberlandesgerichts Celle nicht übernommen. Es gilt lediglich § 113 Abs. 2 GWB (gegebenenfalls i.V.m. § 120 Abs. 2 GWB).
842.
85Der Nachprüfungsantrag ist insoweit begründet, als dass die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Verfahren keinen Zuschlag erteilen darf, ohne zuvor den zur Abgabe eines Angebots aufgeforderten Bietern nach Bekanntgabe der Bewertungsmatrix erneut Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots zu geben. Die Antragstellerin kann dagegen nicht eine Wiederholung der Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen erreichen.
86a) Die von der Antragsgegnerin im Vergabeverfahren verwandte Bewertungsmatrix nebst Unterkriterien und Gewichtungsregeln hat sie den Bietern nicht zuvor bekanntgegeben. Die im Rahmen der Erprobung und Bewertung eingesetzte Matrix ergänzte und detaillierte die mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots in der Anlage 1 c mitgeteilte Bewertungstabelle um die bei der Angebotswertung maßgebenden Unterkriterien und deren Gewichtung. Der den Bietern bekannt gegebene Bewertungsbogen enthielt nur Oberkriterien, die an die Ordnungsziffern 2.1.1 (Allgemeine Anforderungen)., 2.1.2 und 2.1.3 (Kamera und Objektiv), 2.1.4 (Arbeitsplatzumgebung und Aufnahmetisch), 2.15 (Zubehör/Zählwerke) und 2.1.7 (optionale Ausstattung) der Leistungsbeschreibung angelehnt waren.
87Im Unterschied dazu wies die der Bewertung und Erprobung tatsächlich zugrunde gelegte Matrix weitere Unterkriterien aus, die jeweils mit einem gleichen Anteil gewichtet worden sind. Die Unterkriterien sind mit Punkten entsprechend dem umgekehrten Schulnotenprinzip bewertet und aus der Gesamtpunktzahl ist anschließend der Durchschnittswert ermittelt worden.
88Die Aufnahme der Unterkriterien in die Bewertungsmatrix stellt keineswegs eine rein formale Abweichung ohne sachlich-inhaltlichen Gehalt dar. Die Antragsgegnerin hat sich nicht darauf beschränkt, lediglich die in der Leistungsbeschreibung unterhalb der einzelnen Oberkriterien aufgeführten Unterpunkte in die Bewertungsmatrix zu übertragen. Vielmehr unterscheidet sich die Bewertungsmatrix, insbesondere im Hinblick auf die Gewichtung der Unterkriterien auch in materieller Hinsicht maßgeblich von der sich aus der Leistungsbeschreibung ergebenden Unterdifferenzierung.
89Während die das Kriterium " Allgemeine Anforderungen" präzisierenden Unterpunkte der Matrix dem Inhalt der Unterkriterien, wie sie aus der Leistungsbeschreibung selbst hervorgehen, noch entsprechen, bildet das Kriterium "Objektiv" eines von sechs Unterkriterien des Wertungspunktes "Kamera und Objektiv", obgleich es in der Leistungsbeschreibung eine gesonderte Anforderung unter Ziff. 2.1.3 bildet, die ihrerseits über fünf Unterpunkte verfügt. Auch die unter Ziff. 2.1.2 unter zwölf Unterpunkten aufgezählten detaillierten Anforderungen an die Ausstattung der Kamera sind in der Bewertungsmatrix zu fünf Unterkriterien zusammengefasst worden.
90Für die Bieter war in keiner Weise erkennbar, dass für die Gesamtwertung des Kriteriums "Kamera und Objektiv" die technische Qualität des Objektivs den gleichen Anteil einnimmt wie die Unterpunkte "Bedienpult" oder "Belichtung". Bezüglich des Kriteriums "Zubehör" ging aus der mitgeteilten Matrix ebenfalls nicht hervor, dass der Punkt "getrennte Montagemöglichkeit" die Gesamtwertung zu einem Drittel beeinflussen würde. Eine solche Schlussfolgerung ergab sich insbesondere auch nicht aus dem Zusammenhang zwischen Bewertungsmatrix und Leistungsbeschreibung. Die der Erprobung und Bewertung zugrunde gelegte Matrix wich demnach aufgrund ihres deutlich höheren Detaillierungsgrades und ihrer stärkeren Ausdifferenzierung durch Unterkriterien und deren Gewichtung in inhaltlicher und qualitativer Hinsicht wesentlich von der den Bietern bekannt gegebenen Bewertungstabelle ab.
91b) Dass die Antragsgegnerin die von ihr in Gestalt einer Wertungsmatrix vorgenommene Gewichtung der Unterkriterien und Detailforderungen den Bietern nicht und insbesondere nicht zu einem Zeitpunkt bekannt gegeben hat, in dem diese sie bei der Angebotserstellung noch berücksichtigen konnten (Art. 55 Abs. 2 S. 4 der Richtlinie 2004/17/EG), stellt einen Vergaberechtsverstoß dar.
92Den am Auftrag interessierten Unternehmen müssen in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Auftraggeber den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilen will, aus Gründen der Chancengleichheit, der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Vergleichbarkeit der eingehenden Angebote alle Kriterien, Unterkriterien und deren relative Bedeutung, die bei der Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden sollen, im Zeitpunkt der Vorbereitung der Angebote bekannt sein. Umgekehrt darf der Auftraggeber keine Zuschlagskriterien, Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat (EuGH, Urt. v. 24.1.2008 - C-532/06, Lianakis, Rn. 36 - 38 zu Art 36 der Richtlinie 92/50/EWG). Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber solche Kriterien und Regeln erst im Nachhinein aufgestellt hat und nicht auszuschließen ist, dass, wären diese bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen, sie die Vorbereitung hätten beeinflussen können (EuGH a.a.O. Rn. 42 - 44; Urt. v. 24.11.2005 - C-331/04, ATI EAC e Viaggi di Maio, Slg. 2005, I-10109, Rn. 32 sowie ständige Rechtsprechung des Senats).
93Hat der Auftraggeber – wie im Streitfall - zur Ausfüllung bekannt gegebener Wertungskriterien nachträglich differenzierende Unterkriterien und Detailforderungen aufstellt und diese gewichtet und ist nicht auszuschließen, dass die weitere Ausdifferenzierung der Wertungsmatrix durch die Festlegung von Unterkriterien sowie deren Gewichtung objektiv geeignet ist, den Inhalt der Angebote zu beeinflussen, greifen die genannten Grundsätze ebenfalls ein (vgl. Senat, Beschl. v. 14.11.2007, VII-Verg 23/07, Umdruck S. 9/10). Differenzierende (Unter-) Unterkriterien und Detailforderungen (Detailkriterien) sind den Bietern genauso wie deren Gewichtung bekannt zu geben (zu den Grenzen s. Senat, Beschluss vom 30.07.2009, VII-Verg 10/09).
94Das Unterlassen einer Bekanntgabe in der Form einer Bewertungsmatrix nachträglich festgelegter Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten ist seiner Art nach geeignet, die Leistungs- und die Angebotsmöglichkeiten der Bieter nachteilig zu beeinflussen. Die Bieter können das Angebot dann nicht an den Erwartungen des Auftraggebers hinsichtlich der ausgeschriebenen Leistung sowie ebenso wenig an den genauen Bewertungsvorstellungen des Auftraggebers ausrichten. Sie werden dadurch darin behindert, ein unter allen Umständen vergleichbares sowie das annehmbarste Angebot abzugeben (vgl. EuGH, Urt. v. 12.2.2004 - C-230/02, NVwZ 2004, 460, 461, Senat, Beschl. v. 28.2.2002 - Verg 40/01, NZBau 2003, 173, 174; Beschl. v. 8.4.2004 - Verg 38/04, NZBau 2004, 688). Insoweit hatte die Antragstellerin mit dem Nachprüfungsantrag auch nicht darzulegen, welches konkrete, chancenreichere Angebot sie eingereicht hätte, wenn ihr die Unterkriterien und deren Gewichtung bekannt gewesen wären. Der Antragsteller ist zu einer solchen Darlegung nicht verpflichtet, da der öffentliche Auftraggeber die ihm obliegende Bekanntmachungspflicht schon dann verletzt, wenn es nur möglich ist, dass die Kenntnis von der Gewichtung von Unterkriterien der Angebotswertung einen Einfluss auf den Inhalt der Angebote ausgeübt hat. Abgesehen davon ist dem Antragsteller die Ausarbeitung eines Angebotes allein für Zwecke des Nachprüfungsverfahrens nicht zumutbar.
95c) Ein Ausnahmefall, der es dem Auftraggeber aus nachvollziehbaren Gründen nicht erlaubte, die Unterkriterien und deren Gewichtung schon in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen bekannt zu geben, liegt im Streitfall nicht vor. Nach Art. 53 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 46 Abs. 2 darf der Auftraggeber nur in begründeten Ausnahmefällen von einer Bekanntgabe der Gewichtung in der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen absehen, wenn die Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien ihm aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist, insbesondere wenn die Gewichtung aufgrund der Komplexität des Auftrags nicht im Vorhinein (vor Versendung der Angebotsaufforderung und der Verdingungsunterlagen) vorgenommen werden kann. In diesen Fällen soll (muss) der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien (und ihre Unterkriterien) in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung entweder in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen bekanntgeben. Das heißt, auf eine Angabe der Zuschlagskriterien in absteigender Reihenfolge kann vom öffentlichen Auftraggeber nur zurückgegriffen werden, wenn eine Gewichtung aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist. Dabei muss es sich um vernünftige, die objektiv mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Gründe handeln. Solche sind weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin vorgetragen worden.
96d) Aufgrund des Vergaberechtsverstoßes ist das Vergabeverfahren bis zum Stand vor der Übersendung der Verdingungsunterlagen einschließlich einer Bekanntgabe der Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen aufzuheben, d.h. zurückzuversetzen.
97Eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens durch Wiederholung der Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen – wie von der Antragstellerin beantragt – kommt bereits aus diesem Grund nicht in Betracht: Der gebotene Ausschluss eines Angebots ist rechtlich unerheblich, wenn der betroffene Bieter nach (teilweiser) Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen eines Rechtsverstoßes, der sich in einem früheren Stadium des Verfahrens zugetragen hat, Gelegenheit erhalten muss, ein neues Angebot einzureichen und dabei den geltend gemachten Ausschlussgrund zu vermeiden (vgl. Senat, Beschl. v. 24.3.2004 - Verg 7/04; VergabeR 2004, 517, 518; KG; Beschl. v. 15.4.2004 - 2 Verg 22/03, VergabeR 2004, 762, 764 f. und, soweit ersichtlich, einhellige Rechtsprechung der Vergabesenate der Oberlandesgerichte).
983.
99Der Umstand, dass im Falle einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens wieder mit einer Beteiligung der Antragstellerin und der Beigeladenen zu rechnen ist und einige der zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Punkte erneut relevant werden könnten, veranlasst den Senat zu dem Hinweis, dass das Angebot der Beigeladenen ohnehin nicht aus den von der Antragstellerin geltend gemachten Gründen auszuschließen ist.
100a) Eine zum Ausschluss des Angebots zwingende Änderung an den Verdingungsunterlagen (§ 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A) liegt nicht vor.
101(1) Die Beigeladene hat eine Kamera angeboten, die der unter Ziff. 2.1.2 der Leistungsbeschreibung genannten Anforderung an die Ausstattung der Kamera entspricht. Danach musste die anzubietende Kamera eine elektronische Belichtungsmessung, die standardmäßig über zwei Messpunkte verfügt, aufweisen. Diese Anforderung hat die Antragsgegnerin zudem mit einem Nachtrag zu den Verdingungsunterlagen dahingehend klargestellt, dass damit "zwei unabhängig voneinander beliebig verstellbare Messpunkte" gemeint seien. Die von der Beigeladenen angebotene Kamera ist unstreitig in der Lage, in zeitlich aufeinander folgenden Messungen Belichtungen an unterschiedlichen Stellen der Vorlage zu erfassen. Allerdings verfügt sie nicht über zwei parallel einsetzbare Belichtungsmessköpfe, die es ermöglichen, zeitgleiche Messungen an unterschiedlichen Messpunkten der Vorlage durchzuführen.
102Die Leistungsbeschreibung enthält keine ausdrückliche Forderung nach einer eine zeitgleiche Messung ermöglichenden technischen Ausstattung. Auch musste ein verständiger und fachkundiger Bieter, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, die Leistungsbeschreibung nicht dahingehend auslegen, dass die Antragsgegnerin eine solche Ausstattung beschaffen wollte. Da sowohl Kameramodelle mit einer gleichzeitigen Belichtungsmessungsoption als auch solche mit nacheinander erfolgenden Messungen auf dem Markt angeboten werden, kann der offenen Formulierung der Leistungsbeschreibung nicht entnommen werden, dass ausschließlich Kameras mit zwei Belichtungsköpfen dem Beschaffungsbedarf der Antragsgenerin genügen würden.
103(2) Es handelt sich bei dem von der Beigeladenen angebotenen auch um ein derzeit im Handel befindliches, aktuelles, dem Stand der Technik entsprechendes Kamera-Modell im Sinne der Ziff. 2.1 der Leistungsbeschreibung. Zwar ist unstreitig, dass nicht alle Komponenten des von der Beigeladenen angebotenen Kamerasystems bereits zum Zeitpunkt der Angebotseinreichung im Handel erhältlich gewesen sind. Dieses ist aber unschädlich, da jedenfalls die Kamera als solche bereits erhältlich war. Die Argumentation der Antragstellerin, der Leistungsanforderung nach Ziff. 2.1.1 sei nur durch ein insgesamt auf dem Markt schon erhältliches Kamerasystem Genüge getan, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Die insoweit allein maßgebliche Leistungsbeschreibung bezieht sich weder nach ihrem Wortlaut noch bei einer Auslegung nach Sinn und Zweck der Vergabeunterlagen auf ein als einheitliches Modell angebotenes Schrittschaltkamerasystem als Gesamtheit von Einzelkomponenten. In den Anforderungen an die technischen Leistung wird ausdrücklich zwischen der ein Schrittschaltkamerasystem bildenden Gesamtheit und der Kamera als einzelnem Bestandteil dieses Systems differenziert: Während die Antragsgegnerin in der Erläuterung zu Ziff. 2.1 auf ein Kamerasystem abstellt, formuliert der Unterpunkt Ziff. 2.1.2 technische Anforderungen an die Kamera. Da zwischen Kamera, Objektiv, Arbeitsplatzumgebung und Zubehör unterschieden wird, ist davon auszugehen, dass die Begriffe Kamera und Kamerasystem keine Synonyme bilden und auch nicht zufällig, willkürlich oder austauschbar verwandt worden sind. Mit der Verwendung des Begriffs "Kamerasystem" in der Leistungsbeschreibung wird die Gesamtheit der in den einzelnen Gliederungsunterpunkten detaillierter beschriebenen Einzelmodule, zu denen auch die Kamera zählt, erfasst. Soweit im Unterschied dazu Ziff. 2.11 ausdrücklich auf ein "Kameramodell" und damit auf eine der Einzelkomponenten, die zusammen das Kamerasystem bilden, Bezug nimmt, hätte auch ein verständiger Bieter dem nicht entnehmen können, dass es der Antragsgegnerin tatsächlich auf die Marktreife des Gesamtsystems ankommt.
104(3) Das Angebot der Beigeladenen genügt ferner auch den unter Ziff. 2.1.4 der Leistungsbeschreibung gestellten Anforderungen. Danach musste eine Buchwippe mit zweigeteilter Andruckplatte angeboten werden, die über unabhängig verschiebbare und selbst ausgleichende Auflageflächen sowie die Möglichkeit eines gleichmäßig einstellbaren Andrucks von Vorlagen verfügen sollte. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung geltend macht, aus den dokumentierten Fehlfunktionen ergebe sich, dass die Mindestanforderungen an die Verstellbarkeit des Anpressdrucks und der Höhe nicht eingehalten worden seien, rechtfertigt der Vermerk über die Mustererprobung diese Schlussfolgerung gerade nicht.
105Danach hat die Beigeladene vielmehr ein Gerät angeboten, dass die erforderlichen Ausstattungsmerkmale aufwies: Ausweislich des über die Mustererprobung angefertigten Vermerks verfügt das Gerät der Beigeladenen durchaus über eine zweigeteilte Andruckplatte sowie die in Ziff. 2.1.4 geforderten Einstellungsoptionen. Zudem ermöglicht das Gerät einen gleichmäßig – d.h. stufenlos – einstellbaren Andruck von Vorlagen sowie eine ebenfalls gleichmäßige Verstellbarkeit der Höhe, wobei beide Ausstattungsmerkmale in der Mustererprobung deutliche Qualitätsunterschiede zu dem von der Antragstellerin angebotenen Gerät aufwiesen. Der Umstand, dass der Druck bei dem Gerät der Beigeladenen schlechter ("nicht ausgereift", "nicht ausreichend") regulierbar und das Absenken bzw. Hochfahren der Wippe weniger gleichmäßig ist als bei dem Produkt der Antragstellerin, bedeutet aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht, dass diese Ausstattungsmerkmale nicht vorhanden sind, sondern dass sie schlechter funktionieren und einen nicht unerheblichen Punktabzug im Verhältnis zum Angebot der Antragstellerin rechtfertigen. Stellt der Auftraggeber bei technischen Geräten Mindestanforderungen an die Ausstattung und verlangt er den Nachweis bestimmter Funktionen, so erfüllen nur die Geräte, die diese Funktionen von vornherein nicht aufweisen bzw. bei denen die Funktionen zwar vorhanden sind, aber vollständig ausfallen, die Mindestanforderungen nicht. Davon kann auch angesichts des Vermerks, dass der Druck "nicht ausreichend regulierbar" sei, aber nicht ausgegangen werden. Insoweit handelt es sich erkennbar um eine vergleichende Kritik und Bewertung des Geräts, das im Vergleich zu dem konkurrierenden Modell im Hinblick auf die in Rede stehende Funktion deutlich schlechter abschnitt. Damit ist aber ersichtlich nicht eine Nichterfüllung gemeint, die einem Nichtvorhandensein der Funktion oder des Ausstattungsmerkmals gleichkommt. Eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen ist demnach im Hinblick auf die Anforderungen unter Ziff. 2.1.4 der Leistungsbeschreibung nicht gegeben.
106(4) Das Angebot der Beigeladenen erfüllt schließlich auch die Anforderungen gemäß Ziff. 2.1.5 der Leistungsbeschreibung, wonach "zwei getrennt montierte, extern hochzählende Zählwerke für den Aufnahmetisch" zum Leistungsumfang gehören. Soweit die Antragstellerin moniert, dass bei dem System der Beigeladenen die Zählwerke nicht getrennt, sondern nur gemeinsam und untrennbar montiert werden könnten, schließt sich der Senat dieser Betrachtungsweise nicht an. Unstreitig ist, dass die Zählwerke bei dem Gerät der Beigeladenen im Abstand voneinander auf einer Schiene fest eingebettet und in der Höhe individuell verschiebbar sind. Infolge der Anordnung auf einer Schiene sind sie im Unterschied zu dem von der Antragstellerin angebotenen System nicht in der Tiefe verschiebbar. Mit der Forderung nach einer "getrennten Montagemöglichkeit" hat die Antragsgegnerin aber nicht in einer einen Ausschluss rechtfertigenden, hinreichend eindeutigen Form zum Ausdruck gebracht, dass das anzubietende Gerät zwei vollkommen unabhängig, d.h. auch in der Tiefe unterschiedlich positionierbare Zählwerke aufweisen muss. Die Forderung nach einer getrennten Montagemöglichkeit schließt ein, dass zwei Zählwerke auf einer festen Schiene nebeneinander, aber in unterschiedlichen Höhen montiert werden können. Eine "Trennung" ist auch durch seitlichen Abstand und unterschiedliche Höhenverstellbarkeiten gegeben.
107b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin auch nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage die werktägliche Erreichbarkeit der Beigeladenen angenommen und deren Eignung somit in beurteilungsfehlerhafter Weise bejaht. Zwar ist unstreitig, dass in der Bewertungstabelle zur Feststellung der Eignung für die Beigeladene eine Erreichbarkeit an Freitagen bis 17 Uhr festgehalten ist. Da aber die Beigeladene in dem modifizierten Angebot vom 22. April 2010 die werktägliche Erreichbarkeit bis 18 Uhr angeboten und diese auch in der Verhandlungsrunde zugesichert hat, bestand für die Antragsgegnerin kein Anlass, an der Erreichbarkeit zu zweifeln und diese durch Stichproben oder Kontrollanrufe zu überprüfen und zu verifizieren. Der öffentliche Austraggeber ist keineswegs gehalten, sämtliche Eigenangaben des Bieters zu Eignungsanforderungen zu kontrollieren. Erst wenn sich ihm der Verdacht aufdrängt, dass die Angaben des Bieters unzutreffend sind, hat er diesem durch geeignete Überprüfungsmaßnahmen nachzugehen. Eine solche Situation ist im Streitfall weder ersichtlich noch von der Antragstellerin substantiiert vorgetragen worden. Ihre Ausführungen, die Beigelade sei weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, die Erreichbarkeit an Freitagen sicherzustellen, ist rein spekulativ. Belastbare Anhaltspunkte für diese Behauptung fehlen.
108c) Aus den voranstehenden Erwägungen unter d) folgt, dass es für die Entscheidung des Streitfalls dahinstehen kann, ob der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe das vorgesehene Wertungssystem missachtet, zutreffend ist. Da aber auch in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen ist, dass im Falle einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens die im Hinblick auf die Durchführung der Erprobung und der Wertung aufgetretenen streitigen Fragen erneut relevant werden, weist der Senat auf folgendes hin:
109Entgegen der ursprünglichen Ankündigung unter Ziff. 2 "Produkterprobung" der Besonderen Hinweise und Verfahrensbedingungen, wonach von den Bietern zur Verfügung zu stellende und vor Ort zu installierende Kamerasysteme im Echtbetrieb über einen Zeitraum von einem Monat erprobt werden sollten, hat die Antragstellerin im laufenden Verfahren die Vorgehensweise geändert und sich entschieden, eine deutlich kürzere, nur noch mehrstündige Erprobung vorzunehmen. Auch hat sie unstreitig nicht Geräte erprobt, die von den Bietern eigens für diesen Zweck zur Verfügung gestellt und installiert worden waren, sondern auf Geräte zurückgegriffen, die in einer der Verfilmungsstellen schon vorhanden waren, wenngleich diese auch von den Bietern dem Angebot entsprechend ausgerüstet und überholt werden konnten.
110Entsprechende Veränderungen der Vorgehensweise sind vergaberechtlich statthaft, soweit sie in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei vorgenommen werden. Da die Antragsgegnerin die Bieter über ihre geänderten Absichten und Wünsche bezgl. der anstehenden Geräteerprobung informiert und ihr Einverständnis mit der geplanten Vorgehensweise eingeholt hat, bestehen gegen ihre Vorgehensweise unter diesem Gesichtspunkt keine rechtlichen Bedenken.
111Bei einer Rückversetzung des Verfahrens könnte sich aber anbieten, die Bieter bereits in den Verdingungsunterlagen darüber zu informieren, dass die Antragsgegnerin sich eine Änderung der Erprobungsvorgehensweise unter welchen Umständen vorbehält und die Erprobungsalternativen dazustellen.
112Der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe das vorgesehene Wertungsverfahren missachtet, indem sie ihrer Wertung nicht das tatsächliche Ergebnis der Mustererprobung, sondern eine hypothetisch unterstellte Defektfreiheit des Geräts der Beigeladenen zugrunde gelegt habe, geht insoweit fehl, als es der Antragsgegnerin nicht grundsätzlich verwehrt war, der Beigeladenen die Gelegenheit zur Reparatur einzuräumen.
113Die Möglichkeit, während der Erprobung auftretende Defekte, die ohne konstruktive Veränderungen des Geräts behoben werden können, abzustellen, war im Rahmen der ursprünglich beabsichtigten Erprobung über einen mehrwöchigen Zeitraum konkludent durchaus vorgesehen. Der gemäß Ziff. 2.2 und 2.3 der Besonderen Hinweise und Verfahrensbedingungen angekündigte "einmonatige Einsatz im Echtbetrieb" hätte eine Reparaturmöglichkeit sogar vorausgesetzt: Im Echtbetrieb können infolge der hohen Komplexität der zu lieferenden Kamerasysteme Defekte auftreten, die die Durchführung eines mehrwöchigen Testbetriebs hindern, wenn die auftretenden Defekte die Funktionsfähigkeit des betroffenen Geräts einschränken. Da es sich bei den zu beschaffenden Kamerasystemen um komplexe technischen Gerätschaften handelt, ist auch im Echtbetrieb das Auftreten von Defekten und Mängeln nicht untypisch, so dass neben der reinen Lieferung der Gerätschaften auch Anlass und Bedarf für die Beschaffung von Serviceleistungen bestand. Bei einer solchen Sachlage hat der öffentliche Auftraggeber aber durchaus ein beachtliches Interesse daran, seine Wertung - und damit letztlich die Zuschlagsentscheidung – nicht ausschließlich auf den Zustand stützen zu müssen, den das bei der Erprobung zur Verfügung stehende defekte Mustergerät aufweist. Zeigt sich während der Erprobung oder des Testbetriebs ein behebbarer Fehler an einzelnen Funktionen des Geräts, der ohne konstruktive Veränderungen des Geräts zu beheben ist, so entspricht es dem Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer umfassenden Bewertungsgrundlage, die einen sachlich zutreffenden Vergleich der konkurrierenden Geräte erst ermöglicht, aufgetretene Defekte beheben zu lassen. Hätte die Antragsgegnerin somit die Erprobung wie ursprünglich angekündigt durchgeführt, hätte sie jedem Bieter in vergaberechtlich unbedenklicher Weise Gelegenheit zur Abstellung von Defekten einräumen können.
114Ob die geänderte Vorgehensweise eine Reparaturmöglichkeit ebenfalls einschloss, ergibt sich aus den Verdingungsunterlagen in ihrer jetzigen Form dagegen nicht mit hinreichender Klarheit. Insoweit würde es sich für den Fall fortbestehender Vergabeabsicht und Zurückversetzung des Vergabeverfahrens anbieten, diese an die tatsächlichen Bedürfnisse der Antragsgegnerin anzupassen und den Bietern Klarheit darüber zu verschaffen, ob und in welcher Form auftretende Defekte auch im Rahmen einer Kurzerprobung beseitigt werden können.
1154.
116Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, aber unbegründet.
117In entsprechender Anwendung von § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO ist eine Anschlussbeschwerde spätestens bis zum Ablauf der dem Beschwerdegegner gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung zu erheben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.2009, Verg 30/09). Die der Antragstellerin mit Verfügung vom 15. September 2010 gesetzte Frist bis zum 8. Oktober 2010 hat die Antragsgegnerin eingehalten. Ihre Anschlussbeschwerdeschrift ist per Fax unter dem 8. Oktober 2010 eingegangen.
118Wie sich aus den voranstehenden Ausführungen ergibt, hat die Anschlussbeschwerde aber in der Sache keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den von der Vergabekammer aufgezeigten Vergaberechtsfehlern tatsächlich um reine Dokumentationsmängel handelte, die durch die Neufassung des Vermerks behoben werden konnten, denn das Vergabeverfahren leidet infolge der Nichtbekanntgabe der verwandten Bewertungsmatrix an einem Mangel, der durch eine erneute Dokumentation der Bewertungsergebnisse nicht zu beheben ist.
1195.
120Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer beruht auf § 128 Abs. 3, 4 GWB. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war darauf gerichtet, einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen im laufenden Vergabeverfahren zu erreichen, was mutmaßlich zu einer Zuschlagserteilung an sie, die Antragstellerin, geführt hätte. Sie erreicht lediglich die Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen, wobei sie jedoch eine weitere Chance erhält. Der Senat hält unter diesen Umständen eine Kostenquotelung im Verhältnis 1/3 zu 2/3 für angebracht. Da das Nachprüfungsverfahren Sach- und Rechtsfragen aufwarf, die ohne spezialisierte Rechtskenntnisse nicht sachgerecht behandelt werden konnten, war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig (§ 128 Abs. 4 S. 4 i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG).
121Die Kosten des Beschwerdeverfahrens richten sich nach § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB. Insoweit ist aus den gleichen Gründen eine Kostenquotelung in dem genannten Verhältnis veranlasst.
122Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
123
Schüttpelz | Frister | Offermanns |
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