Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I - 10 U 156/10
Tenor
I Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das am 3. Dezember 2010 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichterin – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen.
II Es wird Gelegenheit gegeben, zu dem Hinweis bis 05.04.2011 Stellung zu nehmen.
III Streitwert: 12.246,09 €
1
G r ü n d e
2Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Entscheidung. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Das Landgericht hat den Beklagten mit zutreffender Begründung zur Zahlung von 12.246,09 € verurteilt und seine Widerklage, die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, abgewiesen. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils nach Maßgabe der folgenden durch das Berufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.
31.
4Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger weder durch vorbehaltlose Rückzahlung der Kaution auf die geltend gemachte Mietforderungen verzichtet (a) noch liegen insoweit die Voraussetzungen der Verwirkung vor (b).
5(a) An die Feststellung eines Verzichtswillens, der nicht vermutet werden darf, sind nach der Rechtsprechung des BGH strenge Anforderungen zu stellen (z. B. BGH, Urt. v. 3.6.2008, XI ZR 353/07; Beschl. v. 19.9.2006, X ZR 49/05). Gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, ist das Gebot einer interessengerechten Auslegung zu beachten und haben die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme (BGH, Urt. v. 15.1.2002, X ZR 91/00). Die Partei, die sich auf einen Ausnahmefall beruft, muss deshalb einen nachvollziehbaren Grund darlegen, warum der Forderungsinhaber bereit gewesen sein sollte, auf seine Forderung zu verzichten (BGH, Beschl. v. 19.9.2006, X ZR 49/05; Urt. v. 10.5.2001, VII ZR 356/00). Dementsprechend ist bei der Prüfung der Frage, ob in der vorbehaltlosen Kautionsrückzahlung ein Verzicht des Vermieters auf weitergehende Forderungen liegt oder ob hierin ggf. das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages zu sehen ist, große Zurückhaltung geboten. Eine verallgemeinernde Betrachtungsweise kommt insoweit nicht in Betracht. Nicht jede Auszahlung der Kaution nach Ablauf einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist rechtfertigt bereits die Annahme, der Vermieter wolle keine weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr erheben. Ein Verzicht oder Forderungserlass im Zusammenhang mit der Kautionsrückzahlung setzt vielmehr grundsätzlich ein unzweideutiges Verhalten voraus. Hierzu bedarf es allerdings nicht in jedem Einzelfall einer ausdrücklichen Willenserklärung. Das Vermieterverhalten kann auch den Umständen nach (§§ 133, 157 BGB) als konkludenter Verzicht oder Erlass zu werten sein. Nach Auffassung des 24. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (ZMR 2001, 962) können damit nicht berücksichtigte Forderungen des Vermieters erlassen worden sein, wenn dieser ein Mietverhältnis unter Berücksichtigung der Kaution abrechnet und er das Abrechnungsguthaben an den Mieter auszahlt. Weitergehend hat das OLG München (NJW-RR 1990, 20) entschieden, dass der Verpächter durch eine vorbehaltlose Rückzahlung der Kaution trotz erkannter oder zumindest leicht erkennbarer Mängel in der Regel aus der Sicht des Mieters schlüssig zu erkennen gibt, dass er den Zustand der Pachtsache als vertragsgemäß anerkennt und insoweit auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet.
6Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt im Streitfall nicht vor. Zwar enthält der notarielle Erwerbsvertrag, mit dem der Beklagte das an ihn vermietete Ladenlokal von dem Kläger erworben hat, unter Ziffer V 4 S. 2 (GA 68) die Regelung „Das Mietverhältnis erlischt mit dem Tage der vollständigen Kaufpreiszahlung; die Kaution wird erstattet“. Da der Notarvertrag zugleich keinen Hinweis auf rückständige Mietforderungen gegenüber dem Beklagten enthält, liegt hierin bei isolierter Betrachtung und ohne Kenntnis der Vertragshistorie ein starkes Indiz dafür, dass mit der vereinbarten vorbehaltlosen Kautionsrückzahlung die wechselseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten sein sollten. Diese Wertung der Rückzahlungsklausel wird jedoch – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – durch das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme widerlegt. Danach steht aufgrund der Aussage des Notars, des Zeugen Dr. W., fest, dass die Parteien vor Abschluss des Kaufvertrages über die offenen Mietforderungen des Klägers verhandelt und den noch im ersten Entwurf des Notarvertrages in Ziffer V 4 S. 3 enthaltenen Zusatz, „Gegenseitige Ansprüche zwischen den Parteien sind abgegolten“, mangels Einigung hierüber ausdrücklich gestrichen haben. Eine Abgeltung der Mietforderungen sollte nach Aussage des Zeugen Dr. W. durch die Änderung des ersten Entwursfassung gerade nicht getroffen werden. Unter diesen Umständen hatte der Beklagte als verständiger Vertragspartner keinen Anlass die endgültige Fassung der Kautionsregelung in Ziffer V 4 S. 2 des Notarvertrages als Verzicht oder Erlass des Klägers in Bezug auf die streitgegenständlichen Mietforderungen zu interpretieren (§ 133 BGB).
7Auch in der vorbehaltlosen Erstattung der Kaution nach Eingang des Kaufpreises liegt entgegen der Auffassung der Berufung kein konkludenter Verzicht. Der Beklagte hatte schon deshalb keinen Anlass die Kautionsauszahlung in diesem Sinn zu verstehen, weil die Parteien in Ziffer V 4 des Notarvertrages die Rückzahlung der Kaution ohne Einschränkung vereinbart haben und es eines ausdrücklichen Vorbehalts angesichts der im Vorfeld des Notarvertrages hinsichtlich der Mietforderungen abgegebenen Erklärungen des Klägers nicht bedurfte.
8(b.) Entgegen der Ansicht der Berufung ist der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete auch nicht verwirkt. Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (st. Rspr.., zuletzt BGH, Urt. v. 17.11.2010, XII ZR 124/09).
9Es kann dahingestellt bleiben, ob das Zeitmoment erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls an Umständen, die geeignet sind, ein Vertrauen des Beklagten darauf zu begründen, der Kläger werde die Mietrückstände nicht mehr abrechnen. Hierfür reicht der bloße Zeitablauf nicht aus. Denn allein daraus, dass der Kläger seine Mietforderungen nicht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vollzug des Notarvertrages vom 31.01.2007, sondern erst mit dem am selben Tag bei Gericht eingereichten Schriftsatz vom 31.12.2008 geltend gemacht hat, konnte und durfte der Beklagte nicht schließen, der Beklagte wolle auf die Geltendmachung der ihm vertraglich zustehende Miete verzichten. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, aus denen sich ein solcher Wille des Beklagten ergibt, konnte der Beklagte nicht auf einen Verzicht des Klägers auf diese Forderungen vertrauen.
10Auch der Umstand, dass der Zwangsverwalter die streitgegenständlichen Mietrückstande nicht vor Rücknahme des Zwangsverwaltungsantrags durch die betreibende Gläubigerin und die herauf gestützte Aufhebung der Zwangsverwaltung durch Beschluss des AG Neuss vom 19.03.2007 gerichtlich geltend gemacht hat, rechtfertigt die Annahme der Verwirkung nicht. Es fehlt auch insoweit an einem Vertrauenstatbestand zugunsten des Beklagten. Der Beklagte durfte das Verhalten des Zwangsverwalters nicht dahin gehend verstehen, dieser habe die seinerzeit von ihm geltend gemachte Minderung von 50 % als gerechtfertigt angesehen. Hiergegen spricht bereits, dass der Zwangsverwalter zeitnah auf Mängelrügen des Beklagten reagiert, deren Reparatur in Auftrag gegeben und auch die vorgerichtlich für den Beklagten tätigen Rechtsanwälte W. hierüber unterrichtet hat. Es kommt hinzu, dass diese den Zwangsverwalter mit Schreiben vom 24.05.2006 über die Kaufvertragsverhandlungen zwischen den Parteien und der die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigerin unterrichtet und angeregt haben, deren Ausgang abzuwarten. Zudem hat der Beklagte den Zwangsverwalter nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht darüber unterrichtet, dass die Reparaturen teilweise erfolglos gewesen sind. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Beklagten lässt sich unter diesen Umständen nicht feststellen.
112.
12Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte auch gegen die festgestellte Minderung in Höhe von lediglich 5 %. Seine nicht näher begründete Auffassung, die gravierenden Mängel rechtfertigten ein Minderung von 50 % und das Landgericht habe die Aussagen der Zeugen nicht entsprechend gewertet, lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.
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