Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - II-8 UF 203/10
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See wird der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 06.10.2010 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich abgeändert und wie folgt neu gefasst:
(a)
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See, Vers.-Nr. 13 … ein Anrecht in Höhe von 3,3377 Entgeltpunkten zugunsten des Antragstellers auf das Versicherungskonto 13 … bei der Deutschen Rentenversi-cherung Bund bezogen auf den 31.01.2010 übertragen.
(b)
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Vers.-Nr. 13 … ein Anrecht in Höhe von 0,4531 Entgeltpunkten zugunsten der Antragsgegnerin auf das Versicherungskonto 13 … bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See bezogen auf den 31.01.2010 übertragen.
(c)
Im Übrigen findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.
II.
Die Entscheidung im Beschwerdeverfahren ergeht gerichtsgebühren-frei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet. Die erstinstanzlichen Kosten bleiben gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert im Beschwerdeverfahren wird auf 3 x (1.800 € + 400 €) x 10 % x 2 = 1.320 € festgesetzt.
1
I.
2Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 18.04.2001 die Ehe miteinander geschlossen und sind auf den im Februar 2010 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers durch den am 06.10.2010 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts geschieden worden. Im Ausspruch zum Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht nur das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See intern geteilt und von einem Ausgleich der Anrechte des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie bei der Nürnberger Versicherungsgruppe gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen.
3Hiergegen wendet sich die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See mit ihrer Beschwerde und rügt, dass das Amtsgericht § 18 VersAusglG fehlerhaft angewendet und den Halbteilungsgrundsatz verletzt habe. Das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sei intern zu teilen, weil beide Parteien Anrechte in der Deutschen Rentenversicherung erworben hätten und ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand durch die Teilung auch des gesetzlichen Rentenanrechts des Antragstellers nicht entstehe.
4II.
5Die gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Korrektur der amtsgerichtlichen Entscheidung.
61)
7Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See ist durch die angefochtene Entscheidung beschwert.
8Das vom Versorgungsausgleich ausgeschlossene Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund würde nämlich im Falle seiner internen Teilung mit dem ebenfalls intern geteilten Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See gem. § 10 Abs. 2 VersAusglG, § 120f SGB VI verrechnet. Die Verrechnung hätte zur Folge, dass die Teilung des Anrechts bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See nur noch in Höhe der Wertdifferenz beider Ausgleichswerte vollzogen wird. Die Entscheidung des Amtsgerichts, das Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Versorgungsausgleich auszuschließen, beeinträchtigt somit die Rechtsstellung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See unmittelbar.
92)
10Das Amtsgericht hat das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Unrecht vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
11Zwar hat das Anrecht einen i.S.d. § 18 Abs. 2 VersAusglG geringen Ausgleichswert; der korrespondierende Kapitalwert von 2.885,61 € erreicht die Höhe des in § 18 Abs. 3 VersAusglG festgelegten Grenzwerts von 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 3 SGB IV (bei Ehezeitende: 3.066 €) nicht.
12Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert "soll" das Familiengericht gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG grundsätzlich nicht ausgleichen. Durch die Ausgestaltung der Ausschlussregelung als Soll-Vorschrift räumt der Gesetzgeber dem Tatrichter ein Ermessen ein, bei dessen Ausübung zu prüfen ist, ob der Ausgleich des geringwertigen Anrechts aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise geboten ist (BT-Drucksache 16/10144 S. 60, 61).
13Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass neben dem Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein weiteres Anrecht des Antragstellers aus einem privaten Versicherungsvertrag bei der Nürnberger Versicherungsgruppe mit einem Ausgleichswert von 1.031,76 € wegen Geringwertigkeit vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen worden ist. Beide ausgeschlossenen Anrechte sind bei isolierter Betrachtung zwar geringwertig im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG, übersteigen jedoch in ihrer Summe die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG.
14In der Literatur wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, das bei dieser Sachlage die Anwendung des § 18 VersAusglG einzuschränken ist (jurisPk - Breuers § 18 Rn. 47, Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Auflage, Rn. 493, Hauß, FPR 2009, 214, 219, Münchner Kommentar – Gräper, 5. Auflage, § 18 VersAusglG, Rn. 12; Johansen/Henrich – Holzwarth, § 18 VersAusglG, Rn. 17, 18; NK- Götsche, Familienrecht, § 18 VersAusglG, Rn. 20).
15Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Dem Bagatellausschluss nach § 18 Abs. 2 VersAusglG liegt die gesetzgeberische Annahme zugrunde, dass der Ausgleich geringwertiger Anrechte wegen des unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwands im Regelfall auch aus der Sicht der Parteien nicht vorteilhaft ist (BT-Drucksache 16/10144, Seite 60).
16Wenn jedoch – wie im vorliegenden Sachverhalt – mehrere geringwertige Anrechte vom Ausgleich ausgeschlossen wurden und der Saldo von deren Ausgleichs- oder Kapitalwerten nicht geringfügig i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusglG ist, kann der fehlende Nutzen für den Ausgleichsberechtigten, der die innere Rechtfertigung für den Ausschluss bildet, nicht unterstellt werden. Hier ist im Regelfall zumindest dafür Sorge zu tragen, dass die Gesamtabweichung von der rechnerischen Halbteilung durch den Ausgleich einiger der geringwertigen Anrechte verringert wird und die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 SGB VI nicht mehr erreicht.
17Vorliegend ist deshalb der Ausgleich des Anrechts bei der Deutschen Rentenversicherung Bund geboten.
18Ob noch weitere Gesichtspunkte wie z.B. der regelmäßig geringe Teilungsaufwand in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Durchführung des Bagatellausgleichs sprechen (so Bergner, NJW 2010, 3269, 3272), muss vorliegend nicht entschieden werden.
193)
20Das Anrecht des Antragstellers bei der Nürnberger Versicherungsgruppe bleibt vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Der gesetzlich vorgesehene Regelausschluss allein dieses Anrechts erscheint zum einen sachgerecht. Darüber hinaus könnte eine Teilung nicht mehr beschlossen werden, weil der Ausschluss des Anrechts bei der Nürnberger Versicherungsgruppe nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
214)
22Im Ergebnis werden somit die Anrechte beider beteiligter Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 10 Abs. 1 VersAusglG intern geteilt; der von den Versorgungsträgern vorgeschlagene Ausgleichswert wird zugunsten der ausgleichsberechtigten Person übertragen. Der Ausgleich des Anrechts bei der Nürnberger Versicherungsgruppe unterbleibt gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG.
235)
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
25Die Festsetzung des Verfahrenswerts hat ihre Grundlage in § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.
26Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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