Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I - 18 U 85/08
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Januar 2008
verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Düsseldorf (37 O 64/06) teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Land-
gerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2007 wird die Beklagte
zu 1. verurteilt, an die Klägerin 13.955,61 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. April 2007 zu zahlen. Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil
vom 11. Oktober 2007 aufrecht erhalten.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen
die Klägerin zu 88,5 % und die Beklagte zu 1. zu 11,5 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz
trägt die Beklagte zu 1. zu 17 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. in erster
Instanz trägt die Klägerin zu 77 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. in erster
Instanz trägt die Klägerin.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre erstinstanzlichen außer-
gerichtlichen Kosten selbst.
Die Klägerin trägt jedoch diejenigen Kosten allein, die durch
ihre Säumnis im Verhandlungstermin vom 11. Oktober 2007
veranlasst sind
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsver-
fahrens tragen die Klägerin zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreck-
baren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von
ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des Senatsurteils vom 19. November 2008 verwiesen.
2Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 1. Dezember 2010 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, die Beklagte sei für die hier in Rede stehenden Abrechnungszeiträume Vertragspartnerin der Klägerin gewesen, weil die Versorgungsverträge mit ihr zustande gekommen seien. Die Zurückverweisung hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif sei, weil noch tatsächliche Feststellungen zur Höhe der Ansprüche erforderlich seien.
3Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, die Beklagte könne sich zu den Zählerständen und damit zu den tatsächlichen Verbräuchen nicht mit Nichtwissen erklären. Dieses Bestreiten sei unsubstantiiert, weil die Beklagte nicht darlege, welcher Verbrauch denn ihrer Ansicht nach vorgelegen habe. In diesem Zusammenhang behauptet sie, die Beklagte habe stets Zugang zu dem Grundstück und somit zu den Zählern der Verbrauchsstelle gehabt.
4Die Klägerin beantragt,
5unter Abänderung des angefochtenen Urteils sowie unter Auf-
6hebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Düsseldorf
7vom 11. Oktober 2007 die Beklagte zu verurteilen an sie, die
8Klägerin, 59.973,60 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent-
9punkten über Basiszinssatz aus 5.871,99 € seit dem 08. 01.
102005, aus 35.354,05 € seit dem 20.07.2005 und aus
1118.747,56 € seit dem 18. 06. 2006 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Die Beklagte wiederholt unter Bezugnahme auf ihren erst- und zweitinstanzlich gehaltenen Sachvortrag ihre Behauptung, zu keinem Zeitpunkt Zugang zu der hier in Rede stehenden Verbrauchsstelle gehabt zu haben.
15Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 9. November 2011 Bezug genommen.
16Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur im zuerkannten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
19I.
20Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 1. Kaufpreisansprüche in Höhe von insgesamt 13.955,61 € zu.
21Aufgrund des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 2010 steht fest, dass die Beklagte zu 1.während der hier in Rede stehenden Abrechnungszeiträume Vertragspartnerin der Klägerin gewesen ist. Deswegen schuldet sie der Klägerin die innerhalb dieser Zeiträume angefallenen verbrauchsunabhängigen Kaufpreise für Strom, Fernwärme und Wasser. Diese verbrauchsunabhängigen Kosten belaufen sich auf insgesamt 13.965,10 €, die sich wie folgt zusammensetzen:
22Die Schlussabrechnung der Klägerin für Fernwärme vom 18. Mai 2006 verhält sich ausschließlich über den verbrauchsunabhängigen Grundpreis für Heizung, so dass der Klägerin aus dieser Rechnung 5.073,42 € netto (197 Tage x 23,50 € x 400 : 365 Tage) zustehen.
23Der verbrauchsunabhängige Kaufpreis aus der Rechnung vom 8. Dezember 2004 (Grundpreis für Heizung) beläuft sich auf 927,12 € netto.
24Aus der Jahresabrechnung für Strom vom 20. Juni 2005 steht der Klägerin der verbrauchsunabhängige Grundpreis in Höhe von 116,93 € netto zu.
25Aus der Jahresabrechnung für Fernwärme vom 20. Juni 2005 hat die Klägerin einen Anspruch auf den Grundpreis in Höhe von 5.743,01 € netto.
26Gemäß der Schlussrechnung für Strom vom 18. Mai 2006 kann die Klägerin einen Grundpreis in Höhe von 72,90 € beanspruchen.
27Schließlich steht der Klägerin auch der in der Schlussrechnung für Wasser vom 18. Mai 2006 ausgewiesene Grundpreis in Höhe von 105,50 € zu.
28Diese Beträge ergeben einen Zahlungsanspruch in Höhe von 12.038,88 € netto, so dass die Beklagte zu 1. einschließlich der MwSt. (16 % von 11.933,38 € sowie 7 % von 105,50 €) 13.955,61 € zu zahlen hat.
29II.
30Die gegen diesen Zahlungsanspruch erhobenen Einwände der Beklagten zu 1 (Einrede der Verjährung und Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts wegen nicht auf sie lautende Rechnungen) verfangen aus den im Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs genannten Gründen nicht, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf verweist.
31Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1. hat die Klägerin ihre Kaufpreisansprüche auch nicht verwirkt. Weil die Beklagte zu 1. nicht dargetan hat, in welchem Verhältnis sie seinerzeit zu der Firma V… stand, kann der Senat nicht feststellen, dass die Klägerin mit der Rechnungsstellung gegenüber dieser Firma bei der Beklagten einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen hat, sie, die Klägerin, werde sie, die Beklagte, wegen dieser Versorgungsleistungen nicht (mehr) in Anspruch nehmen.
32Schließlich sind diese Kaufpreisansprüche auch seit dem 17. April 2007 fällig. Die Klägerin hat nämlich in ihrer Klagebegründung vom 22. Februar 2007 klargestellt, dass die auf die Firma V… ausgestellten Rechnungen Rechnungen der Beklagten zu 1. sein sollen. Damit sind die Kaufpreisansprüche gemäß den jeweiligen Versorgungsbedingungen (AVB) 14 Tage nach Zustellung dieser Rechnungen fällig geworden.
33III.
34Hieraus folgt zugleich, dass die Klägerin gemäß §§ 291, 288 Abs. 2, 286 BGB ab dem 15. Mai 2007 Zinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen kann. Für den davor liegenden Zeitraum stehen ihr demgegenüber mangels Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs weder Verzugs- noch Prozesszinsen zu.
35IV.
36Die weitergehende Klage ist demgegenüber unbegründet, weil der Klägerin der ihr obliegende Beweis nicht gelungen ist, dass während der hier in Rede stehenden Abrechnungszeiträume an der Verbrauchsstelle tatsächlich Strom, Wärme und Wasser in den in Rechnung gestellten Mengen verbraucht worden ist.
37Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich die Beklagte zu 1. zu den jeweiligen Verbrauchsmengen zulässigerweise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklärt, so dass diese Verbräuche nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig angesehen werden können.
38Die Beklagte zu 1. hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass sie die jeweiligen Zählerstände weder selbst abgelesen hat noch die Zählerstände zeitnah zu den jeweiligen Abrechnungszeiträumen kontrolliert hat und warum sie diese Kontrollen unterlassen hat.
39Hinsichtlich der Kontrollen hat die Beklagte zu 1. behauptet, zu Kontrollen schon faktisch nicht in der Lage gewesen zu sein, weil sie nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen ist und auch der über das Grundstück abgeschlossene Kaufvertrag ihr keine Kontrollmöglichkeit eröffnet hat, weil dieser Kaufvertrag nicht vollzogen wurde. Dies erscheint dem Senat plausibel und nachvollziehbar.
40Dass die Beklagte zu 1. nicht Grundstückseigentümerin geworden ist, ist unstreitig.
41Dass sie nicht in der Lage gewesen ist, die Zählerstände selbst zu ermitteln, steht entgegen der Darstellung der Klägerin nicht in Widerspruch zu den Erklärungen der Beklagten zu 1. im Antragsschreiben vom 7. April 2004, denn in diesem Schreiben hat die Beklagte zu 1. gerade nicht erklärt, den unmittelbaren Besitz am Grundstück innezuhaben, sondern sie hat im Gegenteil erklärt, dass zwar vereinbarungsgemäß eine Übergabe hätte erfolgen sollen, diese jedoch tatsächlich nicht durchgeführt worden ist.
42Weil die Beklagte zu 1. in diesem Schreiben darum gebeten hat, die Zählerstände bis einschließlich 16. März 2004 zu erfassen und zu diesem Stichtag eine Schlussrechnung zu erstellen, und sie für den Fall, dass dies nicht möglich sei, darum gebeten hat, die aktuellen Zählerstände für diese Schlussrechnung zugrunde zu legen, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte zu 1. die Zählerstände zu Beginn des Vertragsverhältnisses, also am 17. März 2004, nicht kannte.
43Schließlich kann der Senat auch nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1. sich nach Erhalt der Rechnungen treuwidrig verhalten hat, indem sie auch zu diesen Zeitpunkten nicht versucht hat, die Zählerstände zu ermitteln, um zu prüfen, ob die angesetzten Verbräuche für die jeweiligen Abrechnungsperioden plausibel erscheinen. Selbst wenn man hierin im Ausgangspunkt eine Obliegenheitsverletzung des Kunden sehen würde, kann die Klägerin der Beklagten zu 1. diese Obliegenheitsverletzung nicht entgegen halten, weil sie durch ihr Schreiben vom 8. Dezember 2004 gegenüber der Beklagten zu 1. den Eindruck hervorgerufen hat, dass seit dem 17. März 2004 die V… ihr Vertragspartner sei und sie zudem die streitgegenständlichen Rechnungen vertragswidrig nicht auf die Beklagte zu 1., sondern auf diese Firma fakturiert hat. Diese Umstände waren nämlich zumindest geeignet, bei der Beklagten zu 1. den Eindruck hervorzurufen, dass diese Rechnungen nicht sie selbst betreffen und sie deswegen auch nicht im eigenen Interesse gehalten war, diese Rechnungen sofort zu überprüfen.
44Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis des Verbrauchs von Wasser, Strom und Fernwärme nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt. Der hierzu vom Senat vernommene Zeuge W. vermochte lediglich glaubhaft zu bekunden, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Verbräuche inhaltlich dem entsprechen, was in der EDV der Klägerin an Daten hinterlegt ist. Denn sein Wissen zu dem Beweisthema beschränkte sich auf die Kenntnis dieses Datenbestandes. Dies genügt nicht, um die tatsächlichen Verbräuche zur Überzeugung des Senats nachzuweisen.
45Der Zeuge W. hat auch keine Hilfstatsachen bekundet, die den sicheren Schluss darauf zulassen, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Verbräuche innerhalb der Abrechnungszeiträume tatsächlich angefallen sind. Seine Bekundungen geben vielmehr begründeten Anlass, an der Verlässlichkeit der in den Rechnungen ausgewiesenen Zählerstände zu zweifeln.
46Der Zeuge hat selbst keine Zählerablesungen vorgenommen und konnte daher aus eigener Anschauung zu dem jeweiligen Verbrauch nichts aussagen.
47Der Zeuge hat des Weiteren glaubhaft bekundet, dass davon auszugehen ist, dass die Rechnungen ihren Ausgangspunkt in tatsächlich vorgenommenen Zählerablesungen hatten. Dies beruht darauf, dass die EDV der Klägerin abgelesene Zählerstände in den Rechnungen mit einem “A“ kennzeichnet. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge dargestellt, dass die Klägerin ihre Ableser mit elektronischen Datenerfassungsgeräten ausgestattet hat, in die die Ableser die abgelesenen Zählerstände eingeben. Die auf diese Weise von einem Ableser an einem Arbeitstag ermittelten und elektronisch gespeicherten Zählerstände werden sodann am Ende des Arbeitstages in das EDV-System der Klägerin eingespeist. Bei dieser Dateneingabe wird in der EDV der Klägerin jedoch nicht festgehalten, welcher Ableser die Zählerstände in das Erfassungsgerät eingegeben hat. Auch die Einteilung der an den jeweiligen Einsatztagen tätigen Ableser wird bei der Klägerin nicht dokumentiert. Deswegen konnte der Zeuge nicht angeben, wer wann die hier in Rede stehenden Zählerstände ermittelt hat. Weil diese Registrierung nicht vorgenommen wurde, vermag der Senat sich allein aufgrund des geschilderten Ablaufs der Ablesung nicht die sichere Überzeugung zu bilden, dass die tatsächlichen Zählerstände an den in den Rechnungen ausgewiesenen Tagen mit den in den Rechnungen angegebenen Zählerständen übereinstimmen. Diese Ausgestaltung der Ablesung ermöglicht es nämlich jedem Ableser, statt tatsächlich abgelesener Zählerstände fiktive Zählerstände in das Gerät einzugeben, ohne dass er befürchten muss, dass die Klägerin diese Manipulation im Nachhinein, wenn sich diese Zählerstände als falsch erweisen, gewahr wird und ihm dann vorhalten kann. Außerdem ist diese Art der Datenerfassung gegenüber einer schriftlichen Aufzeichnung der Zählerstände anfälliger für Übertragungsfehler, weil man sich erfahrungsgemäß schneller einmal bei der Eingabe von Zahlen vertippt als beim Schreiben von Zahlen verschreibt.
48Der Zeuge W. hat darüber hinaus bekundet., dass es der Klägerin jederzeit möglich ist, die aus den Erfassungsgeräten übertragenen Daten in ihrer EDV manuell zu ändern, zum Beispiel dann, wenn sich aufgrund einer Kundenreklamation nach erneuter Überprüfung ergibt, dass ein Ablesefehler oder Eingabefehler gegeben ist. Wenn eine solche Änderung vorgenommen wird, werden die falsch abgelesenen Zählerstände manuell überschrieben und durch die richtigen Zählerstände ersetzt. Der Zeuge hat jedoch nicht bekundet, dass im EDV-System hinterlegt wird, wer diese Änderung vorgenommen hat, wann diese Änderung vollzogen wurde und warum diese Änderung erfolgt ist. Weil somit nicht fest steht, dass das EDV-System der Klägerin den einmal aus einem Erfassungsgerät eingelesenen Zählerstand unveränderbar und jederzeit abrufbar festhält, und das System es auch nicht ermöglicht, im Nachhinein vorgenommene Veränderungen zu rekonstruieren, kann der Senat sich auch nicht Überzeugung bilden, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Zählerstände noch mit den Zählerständen übereinstimmen, die seinerzeit aus den Erfassungsgeräten der damals eingesetzten Ableser ausgelesen wurden.
49Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall Umstände vorliegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Zählerstände nachträglich manuell verändert worden sind. Der Zeuge hat nämlich bekundet, dass die EDV selbständig nach Eingabe der Daten aus den Ablesegeräten die Kundenrechnungen erstellt, so dass die Kunden zeitnah nach der Ablesung ihre Rechnung erhalten. Dieser automatisierte Vorgang wird jedoch abgebrochen, wenn eine von dem Computerprogramm durchgeführte Plausibilitätsprüfung ergibt, dass die eingegebenen Zählerstände zweifelhaft erscheinen. Wenn das Programm die Erstellung der Kundenrechnung abbricht, wird erneut ein Ableser herausgeschickt, um den Zählerstand noch einmal zu prüfen. Ob dies auch bei den hier in Rede stehenden Rechnungen der Fall gewesen ist und ob es hierauf zurückzuführen ist, dass die streitgegenständlichen Rechnungen nicht zeitnah nach dem jeweiligen Enddatum der Abrechnungsperioden erstellt worden sind, vermochte der Zeuge indes nicht zu sagen, weil die EDV der Klägerin hierzu keine abrufbaren Informationen enthält. Einen sonstigen Grund, der plausibel erklärt, warum alle streitgegenständlichen Rechnungen nicht zeitnah nach der jeweiligen Abrechnungsperiode erstellt wurden, konnte der Zeuge jedoch auch nicht angeben.
50Schließlich bestehen auch deshalb Zweifel an den in den Rechnungen ausgewiesenen Zählerständen, weil das Gebäude während der Abrechnungszeiträume nach Darstellung der Beklagten zu 1. durchgehend leer stand und der Zeuge W. aus eigener Anschauung zumindest bestätigen konnte, dass das Gebäude im fraglichen Zeitraum zumindest weitgehend nicht genutzt wurde. Dieser Umstand macht es dem Senat auch unmöglich, einen etwaigen Verbrauch unter Anwendung des § 287 ZPO sachgerecht zu schätzen.
51Mithin ist durch die Beweisaufnahme lediglich bewiesen, dass die streitgegenständlichen Rechnungen inhaltlich mit dem übereinstimmen, was zum Zeitpunkt ihres Ausdrucks im EDV-System der Klägerin hinterlegt war. Dies vermag den tatsächlich erfolgten Verbrauch jedoch zumindest im vorliegenden Fall nicht einmal ansatzweise zu beweisen. Zwar ist es im Regelfall so, dass die in den Rechnungen von Versorgungsunternehmen ausgewiesenen Zählerstände mit den tatsächlichen Zählerständen übereinstimmen, weil die Ableser kein Interesse daran haben, Zählerstände falsch zu erfassen und auch die Versorgungsunternehmen kein Interesse daran haben können, in Rechnungen falsche Zählerstände auszuweisen, weil dies zwangsläufig dazu führen muss, dass Kunden verärgert und unter Hinweis auf den tatsächlichen Zählerstand die Rechnungen reklamieren und bis zum Erhalt der korrigierten Rechnung keine Zahlungen leisten. Hieraus mag sich im Ausgangspunkt ableiten lassen, dass Abrechnungen von Versorgungsunternehmen im Regelfall für sich in Anspruch nehmen können, hinsichtlich der ausgewiesenen Zählerstände richtig zu sein, so dass allein den Rechnungen ein bestimmter indizieller Beweiswert für den tatsächlich erfolgten Verbrauch zugebilligt werden kann. Diesen Beweiswert der Rechnungen kann die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nicht zu ihren Gunsten reklamieren, weil dieser Beweiswert schon dadurch erschüttert ist, dass die EDV der Klägerin diese Rechnungen auf eine nach eigener Darstellung nicht zu ihren Kunden zählende Firma fakturiert hat, diesem Nichtkunden vom EDV-System eine Kundennummer zugeteilt wurde und sie diesem Nichtkunden – höchstwahrscheinlich ebenfalls EDV-unterstützt – zudem schriftlich bestätigt hat, dass er ihr Kunde sei. Da sie hiermit selbst eingesteht, dass ihre Rechnungen in diesen Punkten fehlerhaft sind, und sie – wie auch der Zeuge W. – einräumen muss, diese Fehler nicht erklären zu können, ist auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit der in den Rechnungen ausgewiesenen Zählerstände nachhaltig beschädigt, zumal die Beweisaufnahme ergeben hat, dass auch die einmal ins EDV-System gelangten Zählerstände jederzeit manuell verändert werden können.
52V.
53Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3, 334, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
54Ein Anlass, zugunsten einer Partei die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.
55Streitwert des Berufungsverfahrens: 59.563,60 €.
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Referenzen
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