Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 17 U 108/09
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. Mai 2009 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg (24 O 537/05) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.
Die Beklagte wird unter Abweisung des weitergehenden Zinsanspruchs verurteilt, an die Klägerin 400.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2005 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe der aus folgenden Einzelkomponenten bestehenden digitalen Druckanlage:
1. 1 Stück A…
2. 2 Stück B…
3. 2 Stück Graphics Quality
4. 2 Stück 1. Printercode I-Mode Software
5. 1 Stück 1. Interface SCSI
6. 1 Stück Enhanced Print Quality Option
7. 1 Stück Twin Option
8. 1 Stück Kreuzwender 180º
9. 2 Stück Leichte Papiere
10. 1 Stück Server Base 2 Prisma-PoD Server
11. 1 Stück 2 x Festplatte 36 GB
12. 1 Stück Monitor 15 Zoll TFT
13. 1 Stück Tastatur Deutsch
14. 1 Stück Betriebssystem Linux für Prismaproduction Server Software
15. 1 Stück Festplatte 18 GB
16. 1 Stück DAT-Laufwerk DDS-3, 12 GB incl. 4 Medien
17. 1 Stück Xeon Prozessor 2.4 GHz/512 kB
18. 1 Stück Prismaproduction Server Rang 6 Software Licence
19. 1 Stück POD-Modul V3.0 Software
20. 1 Stück Server Base 0 Prisma Server
21. 1 Stück Monitor 15 Zoll TFT
22. 1 Stück Tastatur Deutsch
23. 1 Stück Betriebssystem Linux für Prismaproduction Server Software
24. 1 Stück Licence fee Unity Roman (PDF/PS 600dpi) Linux Software Licence
25. 1 Stück PNV Zubehör:
1 x Abwickelmodul UW4
1 x Bahnspeicher WB4-HV
1 x Rotationsquerschneider CS4W-pinless
1 x Transferstation TS4
1 x Zubehör bestehend aus 1 Line Interface LI4 Schnittstelle Falzer, 2 Tänzer Bahnspannung, 1 Auslageband 2m, 1 x Optionen bestehend aus Randbeschnitt links und rechts
26. 1 Stück SW Pharma Composer
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Rücknahme der unter Ziff. 1 bezeichneten digitalen Druckanlage in Annahmeverzug ist.
3.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Vertrag über den Kauf eines digitalen Drucksystems vom 13.11.2003/12.01.2004. Die Klägerin verlangt mit der Klage Rückzahlung eines von ihr bereits entrichteten Teils des Kaufpreises in Höhe von 400.000,00 €; die Beklagte begehrt widerklagend Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von (noch) 399.936,00 € sowie Zahlung der in einem Servicevertrag vom selben Datum vereinbarten Vergütung für 48 Monate von insgesamt 205.347,84 €. Darüber hinaus macht die Beklagte Ansprüche in Höhe von 29.000,00 € wegen ihrer Mitwirkung an der Validierung des Drucksystems durch den Kunden der Klägerin, die Fa. C…, geltend.
4Die Klägerin hat behauptet, die gelieferte Druckanlage sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Insoweit hatte sie vorgerichtlich eine Vielzahl von Mängeln gerügt; wegen der Einzelheiten wird auf das anwaltliche Schreiben der Klägerin vom 14.06.2005 (Anlage K 13, Bl. 76ff. GA) verwiesen, mit dem die Beklagte aufgefordert wurde, ein Angebot zur Rückabwicklung des Vertrages zu unterbreiten. Nachdem die Beklagte dies mit Schreiben vom 24.06.2005 (Anlage K 14) abgelehnt hatte, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 18.07.2005 (Anlage K 15) den Rücktritt vom Vertrag.
5Die Klägerin hat sich im Rechtsstreit im Wesentlichen auf die bereits vorgerichtlich geltend gemachten Mängel berufen sowie darüber hinaus mit Schriftsatz vom 05.12.2006 u. a. geltend gemacht, die Druckanlage könne einen Großteil der vertraglich vereinbarten Formate nicht produzieren, weil diese für die Anlage entweder zu klein oder zu groß seien.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
7Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, mündliche Anhörung des Sachverständigen und die Vernehmung von Zeugen. Es hat sodann die Klage abgewiesen und der Widerklage mit Ausnahme des für die Mitwirkung an der Validierung geltend gemachten Betrages stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
8Die Klägerin sei zur Zahlung des restlichen Kaufpreises aus dem Vertrag über den Kauf einer digitalen Druckmaschine verpflichtet und könne nicht die Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreisanteils verlangen, denn es lägen keine Mängel vor, die sie zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würden. Zwar seien Gewährleistungsansprüche nicht verjährt. Der Klägerin sei jedoch der ihr nach Abnahme der Anlage obliegende Nachweis, dass die Druckanlage mangelhaft sei, nicht gelungen. Ein Mangel liege nicht darin, dass die Validierung der Anlage durch die Fa. C… nicht gelungen sei, denn die Beklagte sei zur (Mit)herbeiführung einer solchen Validierung nicht verpflichtet gewesen. Auch hinsichtlich des Anschnitts von Flattermarken und Barcodes weise die Anlage keine Mängel auf. Es könne schon nicht festgestellt werden, dass die insoweit maßgeblichen Verpackungsnormen der Fa. C… der Beklagten bekannt gewesen seien oder Vertragsbestandteil hätten werden sollen. Jedenfalls aber sei ein „Rausschnitt“ in Querrichtung, mit dem die Anforderungen der Fa. C… hinsichtlich des Anschnitts der Flattermarken hätten umgesetzt werden können, nach den beiden Parteien bekannten technischen Möglichkeiten der Anlage nicht möglich gewesen, weswegen sich die Parteien auch auf eine Nachbearbeitung der Schnittkanten mittels eines Planschneiders geeinigt hätten. Soweit die Klägerin behauptet habe, dass entgegen den getroffenen Vereinbarungen die Anlage nicht für Papier mit einem Gewicht von 40g/m² geeignet sei und dass das Druckbild unrein sei, habe sie dies nicht beweisen können; gleiches gelte für ihre Darstellung, nicht alle vertraglich vorgesehenen Papierformate könnten verarbeitet werden, und die Behauptung, die mitgelieferte Software "Pharma-Composer" sei mangelhaft. Das Fehlen einer sog. „Bahnmittenregulierung“ sei vom Sachverständigen nicht als Mangel bewertet worden.
9Zur Widerklage hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin verpflichtet sei, das im Servicevertrag vom 13.11.2003/12.01.2004 vereinbarte Entgelt für 48 Monate von Oktober 2004 bis September 2008 zu zahlen, ohne dass sich die Beklagte insoweit ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müsse. Ein Anspruch auf Zahlung weiterer 29.000,00 € für die Mitwirkung der Beklagten an der Validierung bestehe dagegen nicht; es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ein entsprechendes Angebot der Beklagten (Anlage B 10, Bl. 192 GA) ausdrücklich oder durch Entgegennahme der Leistungen angenommen habe.
10Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter und wendet sich gegen die auf die Widerklage hin erfolgte Verurteilung.
11Sie tritt insbesondere der Annahme des Landgerichts entgegen, sie habe die Druckanlage am 19.04.2004 abgenommen; schon weil es zuvor keinen einzigen Probelauf für den Druck von Beipackzetteln gegeben habe, der mitzuliefernde Pharma-Composer nicht fertiggestellt gewesen sei und der Kaufvertrag erst zum 01.10.2004 wirksam geworden sei, könne die als Anlage K 8 vorgelegte Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin nicht als Abnahme gewertet werden. Mangels Abnahme sei es entgegen der Auffassung des Landgerichts Sache der Beklagten, die ordnungsgemäße Erfüllung des Kaufvertrages nachzuweisen. Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass die gelieferte Anlage mangelfrei sei. Die Anlage könne entgegen den Vereinbarungen kein Papier des Gewichts von 40g/m² und auch das Format VN 5200 nicht verarbeiten. Ferner könnten die von den zu druckenden Beipackzetteln vorgesehenen Flattermarken nicht ordnungsgemäß angeschnitten werden; auf die Nachbearbeitung mittels eines Planschneiders müsse sich die Klägerin nicht verweisen lassen. Ferner fehle eine Absaugung, die Passgenauigkeit sei nicht hinreichend, so dass es zu Verschiebungen des beidseitigen Drucks komme, und es seien Druckeinschlüsse vorhanden. Hinsichtlich des Formats VN 5200 und des Papiergewichts von 40g/m² habe die Beklagte im Übrigen arglistig gehandelt.
12Zur Widerklage wiederholt die Klägerin ihre erstinstanzliche Auffassung, wonach der Beklagten eine Vergütung für Serviceleistungen nicht zustehe, und sie sich jedenfalls ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müsse.
13Die Klägerin beantragt,
14unter Abänderung des angefochtenen Urteils
151.
16die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 400.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung, Zug-um-Zug gegen Rückgabe der aus den Einzelkomponenten laut Klageantrag bestehenden digitalen Druckanlage, zu zahlen;
172.
18festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Anlage in Annahmeverzug befindet;
193.
20die Widerklage abzuweisen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie ferner sinngemäß,
24die Klägerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, weitere 29.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.07.2005 zu zahlen.
25Die Klägerin beantragt,
26die Anschlussberufung zurückzuweisen.
27Die Beklagte hält die Berufung für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Anlage am 19.04.2004 abgenommen habe; damit trage die Klägerin die Beweislast dafür, dass die Druckanlage mangelhaft gewesen sei. Diesen Beweis habe sie nicht führen können, was insbesondere auch für die Frage gelte, ob die Anlage in der Lage gewesen sei, Papier mit einem Gewicht von 40g/m² zu verarbeiten. Sollte der Senat von einer Beweislast der Beklagten ausgehen, müsse sich die Klägerin jedenfalls Beweisvereitelung vorhalten lassen. Etwaige Ansprüche wegen der behaupteten Mängel seien überdies nach § 377 HGB ausgeschlossen, weil die Klägerin ihrer Rügeobliegenheit nicht rechtzeitig nachgekommen sei; ein Rücktritt scheitere im Übrigen schon an den vertraglichen Vereinbarungen (Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein, Anlage K 3, Bl. 39 GA). Ferner beruft sich die Beklagte auf Verjährung. Arglist müsse sich die Beklagte nicht vorwerfen lassen; sie habe etwaige Mängel bei Vertragsschluss weder gekannt noch insoweit Angaben "ins Blaue hinein" gemacht, sondern nach den Informationen, die sie von ihrem Zulieferer erhalten habe, davon ausgehen dürfen, dass die gelieferte Druckanlage die vertraglichen Anforderungen erfülle.
28Zutreffend habe das Landgericht auch Ansprüche aus dem Servicevertrag bejaht, die entgegen der Auffassung der Klägerin nicht etwa um ersparte Aufwendungen zu kürzen seien, da die Beklagte solche nicht erspart habe. Zu Unrecht habe das Landgericht die Widerklage dagegen abgewiesen, soweit sie auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 29.000,00 € für die Mitwirkung an der Validierung gerichtet sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe sich am 05.11.2004 damit einverstanden erklärt, für eine Unterstützung bei der Validierung zu bezahlen und nach Unterbreitung des Angebots vom 16.11.2004 die Leistungen der Beklagten entgegen genommen.
29Der Senat hat durch den Berichterstatter gemäß § 527 ZPO Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und mündliche Anhörung des Sachverständigen Stier. Auf die Protokolle vom 22.11.2010 und 10.05.2011 wird verwiesen.
30In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.12.2011 hat die Beklagte die nach § 527 ZPO durchgeführte Beweisaufnahme gerügt.
31II.
32Die Berufung ist zulässig und – mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs - begründet. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist dagegen unbegründet.
33Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung der auf den Kaufpreis geleisteten Anzahlung nebst Zinsen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe der gelieferten Druckanlage. Die Beklagte ihrerseits hat weder Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises aus dem Vertrag vom 13.11.2003/12.01.2004 noch auf Zahlung der mit Servicevertrag vom selben Tage vereinbarten Vergütung; ebenso wenig kann sie von der Klägerin eine Vergütung für ihre Mitwirkung an der Validierung der Druckanlage verlangen.
34Im Einzelnen:
35A.
36Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs auch begründet.
37I.
38Die Klägerin hat infolge des mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2005 erklärten Rücktritts vom Vertrag gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung der auf den Kaufpreis erbrachten Anzahlung in Höhe von 400.000,00 € aus den §§ 346, 434 Abs. 1 Satz 1, 437 Nr. 2 BGB.
391.
40Soweit die Klägerin erstinstanzlich behauptet hat, die Druckanlage sei deswegen mangelhaft, weil sie Papier mit einem Gewicht von 50g/m² nicht verarbeiten könne, die Barcodes auf den Beipackzetteln nicht ordnungsgemäß angeschnitten würden, 4-Punkt-Schriften nicht ordnungsgemäß dargestellt würden und die Software „Pharma-Composer“ nicht den Vereinbarungen entspreche, rechtfertigt dies ihren Klageanspruch allerdings nicht. Das Landgericht hat insoweit keine Mängel feststellen können. Hieran ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn es liegen selbst nach eigenem Vortrag der Klägerin, die diese Feststellungen mit ihrer Berufung nicht angegriffen hat, keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen würden.
41Hinsichtlich der klägerischen Behauptung, der Druckanlage fehle die Passgenauigkeit, weil sie nicht über eine Bahnmittenregelung, sondern nur über einen seitlichen Anschlag verfüge, hat das Landgericht das Vorliegen eines Mangels ebenfalls zutreffend verneint. Die Klägerin trägt insoweit vor, dass sich wegen des Fehlens der Bahnmittenregelung das zu bedruckende Papier verschiebe, wenn es zum Zwecke des beidseitigen Drucks gewendet werde, so dass es zu einem Versatz des Druckbildes komme, was ihre Endkundin, die C…, nicht akzeptiere. Hiermit kann sie jedoch einen zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel nicht begründen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten zwar ausgeführt, Steuerung und Kontrolle der seitlichen Passgenauigkeit seien „verbesserungswürdig“ (S. 10 des Gutachtens) und mit einer Bahnmittenregelung zu erreichen. Zugleich hat er jedoch bei seiner mündlichen Anhörung erklärt, man könne auch mit einem seitlichen Anschlag – wie hier – zu vernünftigen Druckergebnissen kommen, wenn dies auch einen erhöhten Einstell- und Regulierungsaufwand erfordere (S. 2 des Protokolls vom 02.12.2008, Bl. 497 GA). Insoweit ist die Anlage daher mangelfrei, denn weder fehlt der Druckanlage insoweit die vereinbarte Beschaffenheit – eine Bahnmittenregelung war nicht Gegenstand des Auftrags – noch ist die Druckanlage aufgrund ihres Fehlens nicht zu der vertraglich vorausgesetzten oder der gewöhnlichen Verwendung geeignet.
42Auch mit der Behauptung, es seien Druckeinschlüsse (Unreinheiten) vorhanden, lässt sich ein Mangel nicht begründen. Anhand der von der Klägerin vorgelegten Druckbeispiele konnte der Sachverständige relevante Unreinheiten nicht feststellen (vgl. S. 15-17 des Gutachtens und S. 5 des Protokolls vom 02.12.2008, Bl. 500 GA). Dem ist zu folgen. Selbst wenn man an die Qualität der Ausdrucke den für die Validierung durch die Fa. C… maßgeblichen Maßstab anlegt (vgl. hierzu die Unterlage „Validierung Digitales Drucksystem“, Anlage B 12, Ziff. 9.3, Bl. 192ff. GA), sind die auf den Druckbeispielen von der Qualitätssicherung der Klägerin markierten „Fehler“ keine solchen im Sinne der Unterlage. Dort werden in der leichtesten Fehlerklasse 3 (Nebenfehler, die eine allgemeine Qualitätsminderung darstellen) Flecken und Fehlstellen von 1—2 mm sowie Verschmutzungen, Verschmierungen und Verwischungen der Oberfläche genannt. Es fällt dem Senat schwer, die auf den Druckproben markierten „Fehler“ hierunter zu subsumieren.
432.
44Auch die Behauptung, die gelieferte Anlage könne das (kleinste) Format VN 5200 105x148mm nicht verarbeiten, rechtfertigt den Klageanspruch nicht.
45a)
46Insoweit liegt allerdings ein Mangel vor, denn die Anlage entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB).
47Nach der „Aufgabenstellung Version 1.13“ sollte die von der Beklagten gelieferte Anlage neben neun weiteren Formaten auch das Format „VN 5200 105 x 148mm“ verarbeiten können. Hierzu heißt es in der Aufgabenstellung unter Ziff. 4.1 (Bl. 140 GA) weiter:
48„Die Formate 5207 – 5218 müssen durch die MB CAS 52 endverarbeitet werden. Die anderen Formate können auf dem Auslageband abgelegt werden.“
49Unter Ziff. 3.3 heißt es darüber hinaus:
50„Sind die Beipackzettel innerhalb der 2. Formatangabe kleiner als 14‘‘ kann auf dem Auslageband abgestapelt werden; Voraussetzung: Beipackzettel sind nicht gefalzt. Bei dieser Ausgabevariante muss ein Trennschnitt oder Rausschnitt … zwingend an dem D… Querschneider erfolgen.“
5114‘‘ sind 355,6 mm; mithin fällt das Format VN 5200 unter die in Ziff. 3.3 enthaltene Regelung.
52Der Sachverständige hat festgestellt, dass das kleinste Format VN 5200 nur unter Einsatz einer Falzmaschine – die nicht zum Lieferumfang gehörte – verarbeitet werden könne (Gutachten, Bl. 14/15). Allerdings liegt das nach seinen Ausführungen nicht daran, dass das Querschneidemodul dieses Format nicht verarbeiten kann; aus dem Datenblatt (Anlage K 20) ergebe sich das nicht. Das Format sei jedoch, wie sich aus einem Schreiben der Fa. D… vom 27.05.2008 (Anlage 10 zum Gutachten) ergebe, zu schmal für eine Verarbeitung, so dass die (Längs-)Trennung der sog. Nutzen erst in einer nachfolgenden Falzmaschine oder einem Planschneider erfolgen könne, wozu es erforderlich sei, das bedruckte Papier aus der Anlage herauszuheben (Protokoll vom 02.12.2008, Bl. 499 GA). Der Senat sieht keinen Anlass, die Ausführungen des Sachverständigen zu diesem Punkt in Zweifel zu ziehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des erstmals mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 05.11.2010 vorgebrachten, im Hinblick auf die Konfiguration der gelieferten Druckanlage nicht nachvollziehbaren Einwand, dieses "Scheinproblem" beim Einsatz der Trennstrecke könne bei der streitgegenständlichen Anlage gar nicht auftreten, weil der Einsatz einer solchen Trennstrecke "obsolet" sei (S. 5/6 des Schriftsatzes vom 05.11.2010, Bl. 1047f. GA).
53Damit entsprach die gelieferte Anlage nicht den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. In der „Aufgabenstellung Version 1.13“ vom 03.11.2003 war für die kleineren Formate eben nicht der Einsatz einer Falzmaschine, sondern die Ablage der fertigen Beipackzettel auf einem Auslageband vorgesehen (Ziff. 3.3 und 4.1).
54Soweit die Beklagte hierzu vorgetragen hat, die Parteien hätten mündlich den Einsatz eines separaten Planschneiders vereinbart, der eine Trennung der einzelnen Nutzen im Rahmen der "inline"-Fertigung entbehrlich mache und damit das angeblich vorhandene Problem beseitige, vermag dies – ungeachtet der Frage, ob sie eine solche mündliche, den schriftlich fixierten Vertragsgrundlagen widersprechende Abrede bewiesen hat – keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Wie die Beklagte selbst vorträgt, betraf die behauptete Abrede nicht das Problem der mangelnden Eignung zur Verarbeitung des Formats VN 5200, sondern den strittigen Anschnitt der Flattermarken. Selbst wenn mithin der Geschäftsführer der Klägerin dem Einsatz eines Planschneiders zugestimmt haben und sich die vom Sachverständigen bestätigte Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung des Papierformates VN 5200 durch den Einsatz des Planschneiders quasi "miterledigt" haben sollte, wäre das Einverständnis des Geschäftsführers der Klägerin mit dem Einsatz eines Planschneiders nicht dahingehend zu verstehen, dass er die Beklagte auch von ihrer Verpflichtung entbinden wollte, eine zur Verarbeitung des Papierformats VN 5200 geeignete Anlage zu liefern.
55b)
56Indessen kann sich die Klägerin auf diesen Mangel nicht berufen. Die Anlage gilt insoweit als genehmigt, weil die Klägerin der Beklagten den Mangel nicht unverzüglich angezeigt hat (§ 377 Abs. 1 und Abs. 2 HGB). Sie hat ihn vielmehr erstmals im laufenden Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 05.12.2006 (dort S. 3/4, Bl. 357/358 GA) geltend gemacht. Damit hat sie ihren Obliegenheiten nach § 377 HGB, wonach die Ware unverzüglich nach Ablieferung zu untersuchen und, wenn sich dabei ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen ist, nicht genügt.
57Die Ablieferung im Sinne des § 377 HGB ist erfolgt, wenn die Kaufsache derart in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, dass er sie auf ihre Beschaffenheit prüfen kann (BGH, NJW 2000, 1415ff., Rz. 10, zitiert nach juris; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 377, Rn. 5); das war – ohne dass es an dieser Stelle auf die streitige rechtliche Einordnung der „Abnahmeerklärung“ vom 19.04.2004 ankäme – spätestens zu diesem Zeitpunkt der Fall. Ungeachtet des Umstandes, dass die Anlage nach Behauptung der Klägerin noch keinen Tests mit den Papiergewichten 40 und 50g/m² unterzogen worden war, hat es Testläufe mit schwereren Papiergewichten gegeben (80g/m²; "Kochbuchpapier"). Es fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin dazu, warum in diesem Zusammenhang nicht auch die Eignung der Anlage zur Verarbeitung des Formates VN 5200 überprüft worden ist; ebenso wenig ist ersichtlich, dass dies nicht möglich war oder dass die Ungeeignetheit zur Verarbeitung dieses Formates bei einem etwaigen Probelauf nicht erkennbar gewesen wäre (§ 377 Abs. 2 2. Halbsatz HGB).
58Die Beklagte könnte sich allerdings auf § 377 HGB nicht berufen, wenn sie der Klägerin die Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung des Formates VN 5200 arglistig verschwiegen hätte (§ 377 Abs. 5 HGB). Das vermag der Senat indessen nicht festzustellen. Arglist im Sinne des § 377 Abs. 5 HGB setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel der Kaufsache kennt oder doch mit dem Vorliegen eines Mangels rechnet, und ihm bewusst ist oder er doch jedenfalls damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass dem Käufer der Mangel unbekannt sein könne und er bei Kenntnis der Sachlage die angebotene Ware nicht als Vertragserfüllung annehmen werde (BGH, NJW 1986, 316ff., Rz. 19, zitiert nach juris; NJW 2007, 835ff., Rz. 8f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 377, 34. Aufl., Rn. 53). Das lässt sich hier hinsichtlich des Mangels „Format VN 5200“ nicht feststellen. Denn anders als die Klägerin ursprünglich behauptet hatte und nunmehr mit Schriftsatz vom 16.11.2011 erneut vorträgt, ergab sich ein etwaiger Mangel nicht schon ohne Weiteres aus der Produktbeschreibung des Querschneidemoduls CS4 der Fa. D… (Anlage K 20, Bl. 365 GA). Denn bei Ausgabe an eine Trennstrecke – so war nach der unbestritten gebliebenen Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin in der Beweisaufnahme am 22.11.2010 (vgl. S. 16 des Protokolls vom 22.11.2010, Bl. 1118R GA) auch die streitgegenständliche Anlage konzipiert – war ausweislich der Produktbeschreibung eine Mindestlänge der Bögen von 139,7 mm vorgesehen; das Format VN 5200 erfüllt diese Voraussetzungen mit einer Länge von 148 mm. Zwar ist dort auch eine Mindestbreite von 148 mm vorgesehen, die von den fertigen Bögen des Formates VN 5200 unterschritten würde (je 105 mm); die Vereinzelung der Nutzen erfolgt aber erst in der dem Querschneidemodul nachfolgenden Trennstrecke LS4. Die vom Querschneider verarbeiteten Papierbahnen (unvereinzelte Dreifach-Nutzen) waren dagegen mehr als 300 mm breit und erfüllten damit die Vorgabe der Fa. D… für das Querschneidemodul.
59Aus den ihr ggf. vorliegenden schriftlichen Unterlagen konnte die Beklagte also nicht erkennen, dass das kleinste Format nicht „inline“ zu verarbeiten war. Dass sie es wusste oder billigend in Kauf nahm, lässt sich auch den Zeugenaussagen nicht entnehmen; insbesondere nicht derjenigen des von der Klägerin für die angebliche Kenntnis der Beklagten benannten Zeugen E… vor dem Landgericht am 31.03.2009 (Bl. 612ff. GA) und dem Senatsberichterstatter am 22.11.2010 (S. 7ff. des Protokolls, Bl. 1114ff. GA). Seine schriftliche Erklärung vom 06.05.2007 (Anlage B 19; Bl. 400 GA) spricht eher für das Gegenteil.
60Einer Vernehmung des klägerischen Prozessbevollmächtigten zu dieser Frage, wie von der Klägerin beantragt, bedarf es nicht. Selbst wenn dieser bekunden würde, der Zeuge E… habe früher ihm gegenüber etwas anderes ausgesagt, würde dies der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Dann wäre zwar der Zeuge E… – wie die Klägerin selbst meint – ggf. unglaubwürdig, der Beweis eines arglistigen Verhaltens der Beklagten aber damit immer noch nicht geführt. Im Übrigen ist die Klägerin mit diesem im Berufungsverfahren neuen Beweisantritt auch nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Es sind keine Umstände vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, die eine Zulassung ausnahmsweise rechtfertigen würden. Anlass zur Benennung dieses Zeugen hätte bereits bestanden, nachdem die Beklagte auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.12.2006 repliziert und mit Schriftsatz vom 15.06.2007 den angeblichen Äußerungen des Zeugen E… entgegenstehende schriftliche Unterlagen vorgelegt hatte (Anlagen B 19 und B 20, Bl. 400/401 GA).
613.
62Auch mit der Rüge, der Anlage fehle die erforderliche Absaugung, ist die Klägerin ausgeschlossen, nachdem sie erstmals mit Schriftsatz vom 05.12.2006 erhoben wurde.
634.
64Die Klage ist hingegen begründet, weil die gelieferte Druckanlage hinsichtlich ihrer Eignung zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprach (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB).
65a)
66Nach dem Inhalt der "Aufgabenstellung F… Version 1.13" vom 03.11.2003 (Anlage B 1) war vorgesehen, dass auf der gelieferten Druckanlage u. a. auch Papier mit einem Gewicht von 40g/m² Verwendung finden sollte (Ziff. 4.1 der Aufgabenstelllung, Bl. 140 GA). Entgegen der – jedenfalls erstinstanzlich noch vertretenen – Auffassung der Beklagten kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Inhalt dieser Aufgabenstellung zum Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages geworden ist; die Anlage zum Kaufschein (Anlage K 3, Bl. 39 GA) nimmt ausdrücklich darauf Bezug.
67Der Senat hat nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der vom vorbereitenden Einzelrichter des Senats durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die gelieferte Anlage hierzu nicht in der Lage ist. Dies gilt selbst unter der Voraussetzung, dass – wie die Beklagte meint – die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels infolge der vom Geschäftsführer der Klägerin am 19.04.2004 abgegebenen Erklärung über die "Abnahme der Betriebsbereitschaft" gemäß § 363 BGB grundsätzlich bei der Klägerin liegt.
68Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:
69(aa)
70Die Klägerin hat als Anlage K 18 Betriebs- bzw. Serviceanleitungen für das Modul LS 4 mit Trennstrecke der Fa. D… – sowie im Übrigen auch für die Vakuumeinheit – vorgelegt. Diese Unterlagen enthalten unter den Technischen Daten die Anmerkung
71"Papiergewicht 50-150g/m²" (LS 4) bzw. "Papiergewicht 56-180g/m²" (VU)
72Einen Vorbehalt dahingehend, dass u. U. auch geringere Papiergewichte verarbeitet werden können, enthalten die Betriebsanleitungen – anders als etwa diejenige der Druckeinheit VarioStream 7300 (Anlage K 34) – nicht. Nach dem wörtlichen Inhalt dieser Betriebs- und Serviceanleitungen war mithin die Verarbeitung von geringeren Papiergewichten – also etwa 40g/m² – mit der gelieferten Anlage nicht möglich.
73Nach den Aussagen der Mitarbeiter der Fa. D… waren die Angaben in den Betriebsanleitungen allerdings nicht dahingehend zu verstehen, dass keinesfalls geringere Papiergewichte verarbeitet werden konnten. So haben die Zeugen G…, H… und I… im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass die Angaben in den Betriebsanleitungen der Fa. D… so gemeint seien, dass die Fa. D… die Verarbeitung der dort erfassten Papiergewichte garantiere, aber nicht etwa ausschließe, dass auch geringere Gewichte verarbeitet werden könnten; dies hinge auch von anderen Parametern (Papierqualität und -sorte, Umweltbedingungen) ab und bedürfe jeweils einzelfallbezogener Tests und Freigaben (S. 3, 5 und 8 des Protokolls vom 10.05.2011, Bl. 1307, 1309 und 1312 GA). Diese Aussagen werden gestützt durch den Inhalt des Schreibens der Fa. D… vom 27.05.2008 (Anlage 10 zum Gutachten des Sachverständigen J…); dort heißt es ebenfalls, dass maßgebend für die Angaben in den technischen Unterlagen das sog. "Standard Business" sei; für "Sonderanwendungen" könnten die Grenzen mit Hilfe kundenspezifischer Anpassungen, speziellen Verbesserungen bei Klima, Papier und Arbeitsabläufen noch etwas verschoben werden.
74Das Schreiben vom 27.05.2008 weist aber zugleich auch aus, dass "generell" die von der Fa. D… angegeben Spezifikationen gelten und für Sonderanwendungen spezielle Versuche und Anwendungstests erforderlich seien, nach deren positivem Verlauf eine entsprechende Freigabe erfolge. Unter Berücksichtigung des mithin zwischen den für das "Standard Business" geltenden technischen Unterlagen einerseits und den Tests und Freigaben im Bereich der Sonderanwendungen andererseits bestehenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist die Klägerin ihrer Beweislast mit Vorlage der Betriebs- und Serviceanleitungen zunächst nachgekommen; es wäre nunmehr im konkreten Falle – auch ohne hierbei das Institut der Beweislastumkehr zu bemühen – Sache der Beklagten gewesen nachzuweisen, dass es die von der Fa. D… vorgesehenen Versuche und Anwendungstests mit positivem Ergebnis gegeben hat und die Anlage hiernach ausnahmsweise doch zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier freigegeben worden ist. Dieser Nachweis ist ihr nicht gelungen.
75(1)
76Allerdings ist sowohl den Aussagen der Zeugen H… und I… zu entnehmen, dass im Zuge der Vertragsanbahnung zwischen den Parteien tatsächlich Testläufe in den Räumen der schweizerischen Muttergesellschaft der Fa. D… stattgefunden haben, die sich auf "vergleichbare" bzw. sogar "identische" Anlagen bezogen hätten (S. 5f. und 8 des Protokolls vom 10.05.2011, Bl. 1309f. und 1312 GA). Dies reicht jedoch zum Nachweis, dass die streitgegenständliche Anlage in ihrer konkreten Konfiguration und unter den konkret gegebenen Umweltparametern geeignet war, 40g/m²-Papier zu verarbeiten, nicht aus. Zum einen sind die Zeugenaussagen hinsichtlich der Frage der Vergleichbarkeit von Konfiguration und Umweltparametern denkbar pauschal, zum andern ergibt sich aus der von der Beklagten selbst vorgelegten E-Mail-Korrespondenz (Anlage zum Protokoll vom 10.05.2011, Bl. 1369ff. GA), dass die Konfiguration der in der Schweiz getesteten Anlage keineswegs derjenigen der später an die Klägerin gelieferten entsprach (E-Mails vom 08.-16.07.2003, Bl. 1376ff. GA).
77Offen bleibt darüber hinaus auch, ob die Testläufe überhaupt erfolgreich waren; jedenfalls hat die Beklagte nicht zu beweisen vermocht, dass die Fa. D… aufgrund der vorgenommenen Tests tatsächlich auch die an sich vorgesehene Freigabeerklärung erteilt hat. Der Zeuge K… hat zwar ausgesagt, die Fa. D… habe die Eignung auch für 40g/m²-Papier bestätigt, aber nur vorbehaltlich positiver Testläufe; ob es solche Testläufe gegeben habe, könne er nicht sagen. Ebenso wenig könne er angeben, welcher Mitarbeiter eine solche Aussage getätigt habe. Diese Aussage reicht zum Nachweis der behaupteten Freigabe der streitgegenständlichen Anlage nicht aus. Gleiches gilt für die Angaben des Zeugen E…, der ausgesagt hat, "wir haben uns auf Messen und unmittelbar bei der Fa. D… danach erkundigt", ob die Anlage in der Lage sei, 40g/m2-Papier zu verarbeiten. Auch diese Aussage ist nicht zum Nachweis einer auf die streitgegenständliche Anlage in ihrer konkreten Konfiguration bezogenen Freigabeerklärung geeignet. Der Zeuge H… – Geschäftsführer der Fa. D… – musste einräumen, eine Freigabeerklärung nicht vorlegen zu können (S. 5 des Protokolls vom 10.05.2011; Bl. 1309 GA). Schließlich weist auch die von der Beklagten vorgelegte E-Mail-Korrespondenz keine Freigabe der streitgegenständlichen Anlage in ihrer konkreten Konfiguration aus.
78Unter diesen Umständen sind die von der Beklagten herangezogenen Bekundungen der Zeugen G…, H… und I…, ihrer Ansicht nach seien die gelieferte Anlage bzw. die Module der Fa. D… zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier geeignet, substanzlos und schon deshalb nicht überzeugend.
79Die Aussage des Zeugen G… ist darüber hinaus auch deshalb nicht überzeugend, weil sie dem Inhalt seiner E-Mail vom 11.01.2011 (Bl. 1225/1226 GA) widerspricht. Dort hatte er auf eine Anfrage der Klägerin angegeben, das im Hause der Klägerin vorhandene Equipment könne "bis 40g/m² schneiden, allerdings nicht stapeln". Diese Abweichung haben der Zeuge und die Beklagte damit zu erklären versucht, dass sich die Aussage auf die Anbindung an eine Offset-Druckmaschine ("L…") bezogen habe. Das ist so nicht zutreffend. Zwar war Gegenstand der Anfrage vom 01.12.2010 (Anlage B 26, Bl. 1284f. GA) die Frage einer Anbindung der vorhandenen Module an eine Offset-Druckmaschine; hierauf bezog sich auch die Antwort des Zeugen G… vom selben Tage. Aus der E-Mail vom 07.01.2011 (Bl. 1227 GA) ergibt sich jedoch auch, dass die Frage der Eignung zur Verarbeitung von 40g/m²-Papieren getrennt von der Frage einer Anbindung an eine Offset-Druckmaschine weiterverfolgt werden sollte, und auch die Formulierung der abschließenden E-Mail vom 11.01.2011 deutet eher darauf hin, dass beide Fragen nicht in einem Zusammenhang standen, der Zeuge G… vielmehr die Auffassung vertreten hat, das verwendete POPP4-Equipment sei für 40g/m²-Papier ungeeignet. Das lässt Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit entweder seiner Zeugenaussage oder seiner E-Mail vom 11.01.2011 und damit insgesamt am Wahrheitsgehalt seiner Erklärungen aufkommen.
80(2)
81Von einem – gar erfolgreichen – Testlauf der Druckanlage mit 40g/m²-Papier anlässlich ihrer Präsentation in Poing vermag der Senat nicht auszugehen. Ungeachtet der Frage, ob die damalige Konfiguration der vertraglich vereinbarten entsprach und damit die Tatsache eines erfolgreichen Testlaufs in M… überhaupt Rückschlüsse auf die Eignung der gelieferten Anlage zur Verarbeitung dieses Papiergewichts zuließe, lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen, dass in M… 40g/m²-Papier verwendet worden ist. Nach Erinnerung des Zeugen N… wurde in M… nur 50g/m²-Papier verwendet; gleiches hat der Zeuge E… ausgesagt (S. 6 bzw. 9 des Protokolls vom 22.11.2010, Bl. 1113R bzw. 1115 GA). Auch die Zeuge O… und P… konnten die Verwendung von 40g/m²-Papier nicht bestätigen (S. 17 bzw. 21 des Protokolls, Bl. 1119 bzw. 1121 GA). Allein die Aussagen der Zeugen K… und Q…, die "davon ausgingen" bzw. "ziemlich sicher" waren, dass auch 40g/m²-Papier Verwendung fand, ohne dies aber "beschwören" zu können (S. 23 bzw. 27 des Protokolls, Bl. 1122 bzw. 1124 GA), reichen zum Beweis der Tatsache, dass bei der Präsentation in Poing 40g/m²-Papier Verwendung fand, nicht aus.
82(3)
83Unstreitig ist mittlerweile, dass es planmäßige, nämlich unter Verwendung der dafür vorgesehenen Zusatzausstattung durchgeführte Probeläufe mit 40g/m²-Papier auch im Rahmen der Validierung der gelieferten Anlage ab Dezember 2004 nicht gegeben hat, so dass auch hieraus keine Rückschlüsse auf die Eignung der Anlage zur Verarbeitung dieses Gewichts gezogen werden können.
84Nichts anderes ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen R…, P… und K…, die sowohl vor dem Landgericht als auch (teilweise) vor dem vorbereitenden Senatseinzelrichter bestätigt haben, es sei – wenn auch ohne Verwendung der erforderlichen Zusatzausstattung – zwischenzeitlich 40g/m²-Papier zum Einsatz gekommen, wobei "ein paar Stapel" verarbeitet und "ganz manierliche Ergebnisse" erzielt worden seien (so der Zeuge P…, S. 21 des Protokolls vom 22.11.2010, Bl. 1121 GA). Abgesehen davon, dass diese Aussagen durch den Inhalt des vom Zeugen R… zeitnah erstellten Protokolls (Anlage B 7, Bl. 175 GA) widerlegt, jedenfalls aber nicht gestützt werden, lässt die erfolgreiche, aber nur sporadische Verarbeitung einiger weniger Papierstapel bei einem einmaligen, dazu noch ohne Verwendung der erforderlichen Zusatzausstattung vorgenommenen Testlauf angesichts der aus dem Protokoll des Zeugen R… (Anlage B 7) ersichtlichen, insgesamt verzweifelt wirkenden Versuche, zu befriedigenden Verarbeitungsergebnissen zu gelangen, keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Eignung der Anlage zu.
85(bb)
86Der Sachverständige J… konnte zur Eignung der Anlage, Papier des Gewichts von 40g/m² zu verarbeiten, keine belastbare Aussage treffen. Er hielt es zwar für problematisch, ob die Ziehmarke am Längsschneider für dünnere Papiere als 50g/m² geeignet ist, konnte dies aber ohne einen Probelauf der – zuvor dafür hergerichteten – Anlage nicht abschließend beurteilen (vgl. S. 13 des Gutachtens; S. 4 des Protokolls seiner landgerichtlichen Anhörung vom 02.12.2008, Bl. 505 GA). Bei seiner ergänzenden Anhörung vor dem vorbereitenden Einzelrichter des Senats am 10.05.2011 hat er zwar ausgeführt, unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen nunmehr von einer höheren Wahrscheinlichkeit dafür auszugehen, dass die Anlage zur Verarbeitung dieses Papiergewichts in der Lage war; gleichwohl hat er nach wie vor mit der technischen Beschaffenheit der verwendeten D…-Module begründete Zweifel zum Ausdruck gebracht.
87(cc)
88Das von der Beklagten mehrfach in Bezug genommene Schreiben der Fa. D… vom 27.05.2008 (Anlage 10 zum Gutachten) belegt nicht, dass die streitgegenständliche Anlage 40g/m²-Papier verarbeiten konnte. Dort heißt es lediglich, dass man "mit dem Papier Z-Bond Classic auch im Grammaturbereich bis 40g/m² sehr gute Erfahrungen gemacht" habe und dass man "für F… sehr gute Chancen sehe", die geforderten Papiergewichte verarbeitet zu bekommen.
89(dd)
90Soweit sich die Beklagte zum Beleg ihrer Behauptung, die gelieferte Anlage könne 40g/m²-Papier verarbeiten, auf vergleichbare Anlagen der Fa. S… und der Fa. T… berufen hatte (S. 8 des Schriftsatzes vom 17.09.2010, Bl. 986 GA), hat sie diesem – ohnehin erfolglosen – Einwand nunmehr selbst den Boden entzogen.
91Auf den Hinweis des Senats vom 01.10.2010, dass der Sachvortrag der Beklagten zu anderen, vergleichbaren Anlagen nicht hinreichend konkret sei, hat die Beklagte zunächst vorgetragen, bei der Fa. T… in U… sei eine solche Anlage im Einsatz (S. 9 des Schriftsatzes vom 05.11.2010, Bl. 1051 GA). Der ZeugeH… – Geschäftsführer der Fa. D… – hat jedoch ausgesagt, dass diese Anlage nicht völlig vergleichbar sei (S. 6 des Protokolls vom 10.05.2003, Bl. 1310 GA). Überdies hat die Beklagte selbst vorgetragen, die streitgegenständliche Anlage verfüge über ein leistungsstärkeres Drucksystem (S. 9 des Schriftsatzes vom 05.11.2010). Entgegen ihrer zunächst geäußerten Auffassung ist diese Tatsache keineswegs irrelevant für die Vergleichbarkeit: sie hat im Schriftsatz vom 26.04.2011 behauptet, "derart leichtes Papier sei umso schwieriger zu handhaben, je schneller es bewegt werde" (S. 9, Bl. 1280 GA). Dann macht es aber ersichtlich einen Unterschied, ob das Papier mit einer maximalen Geschwindigkeit von 360 Seiten pro Minute (VarioStream 7200) oder 520 Seiten pro Minute (VarioStream 7300) zugeführt wird; auf die Betriebsanleitung des Druckmoduls (Anlage K 34) wird verwiesen.
92Darüber hinaus hat die Beklagte nunmehr selbst vorgetragen, die "betreffenden Systeme" – gemeint sind die Anlagen bei den Unternehmen S…, T… und V… – könnten keinen Beleg dafür liefern, ob das streitgegenständliche System vereinbarungsgemäß funktionierte oder nicht (insbesondere S. 7ff. des Schriftsatzes vom 08.12.2011, Bl. 1546ff. GA).
93Auf den Sachvortrag der Klägerin zu den bei der Fa. T…, V… und S… betriebenen Anlagen im Schriftsatz vom 16.11.2011 kommt es mithin nicht entscheidend an.
94(ff)
95Mit den bisher erhobenen Beweisen ist es der Beklagten mithin nicht gelungen, den sich aus den Betriebsanleitungen der Fa. D… ergebenden Schluss auf die Ungeeignetheit der gelieferten Druckanlage zu widerlegen.
96Die Erhebung weiterer Beweise – insbesondere die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens – ist nicht veranlasst:
97- 98
Der mit Schriftsatz vom 30.12.2011 (erneut) gestellte Antrag auf Inaugenscheinnahme der beim Unternehmen T… betriebenen Anlage ist kaum mehr nachvollziehbar, nachdem die Beklagte noch mit Schriftsatz vom 08.12.2011 behauptet hatte, die Vergleichssysteme könnten keinen Beleg für das vertragsgemäße Funktionieren der streitgegenständlichen Anlage liefern.
- 99
Dem bereits mit Schriftsatz vom 22.11.2010 (dort S. 27) gestellten und mit Schriftsatz vom 30.12.2011 wiederholten Antrag auf ergänzende Befragung des Sachverständigen J… war nicht nachzugehen; der Sachverständige hat angegeben, ohne Inbetriebnahme der Anlage keine weitergehenden Aussagen zur Frage der Verarbeitung von 40g/m²-Papier treffen zu können.
- 100
Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach Instandsetzung und Reaktivierung der streitgegenständlichen Anlage ist ebenfalls nicht veranlasst, erweist sich vielmehr nach eigenem Vorbringen der Beklagten als sinnfrei. Die Beklagte hat ausdrücklich und mehrfach die Auffassung vertreten, eine Reaktivierung der Druckanlage sei als Beweismittel ungeeignet, weil durch eine Instandsetzung der Anlage das ursprünglich verkaufte System nicht wiederhergestellt werden könne und der Nachweis der Mangelhaftigkeit bzw. –freiheit auf diese Weise daher unmöglich sei (S. 6 des Schriftsatzes vom 17.09.2010, Bl. 984 GA, S. 25 des Schriftsatzes vom 22.12.2010, Bl. 1195 GA; S. 11 des Protokolls vom 10.05.2011, Bl. 1315 GA; S. 1, 2 und 12 des Schriftsatzes vom 06.07.2011, Bl. 1390, 1391, 1401 GA; S. 8 des Schriftsatzes vom 30.12.2011). Damit fehlt es ersichtlich schon nach eigenem Vorbringen der Beklagten an den für die Erstattung des Gutachtens notwendigen Anknüpfungstatsachen, so dass der Senat weder auf Antrag der Beklagten noch von Amts wegen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO) Anlass zu entsprechenden Anordnungen sieht.
- 101
Ob die Klägerin den Zeugen E… beauftragt hat, nach Abweichungen zwischen den Betriebsanleitungen und den vereinbarten Eigenschaften zu suchen, mag zugunsten der Beklagten unterstellt werden, lässt aber keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Anlage mangelhaft war oder nicht; einer Vernehmung des Zeugen E… zu dieser Frage bedarf es mithin nicht.
(gg)
103Eine Beweisvereitelung seitens der Klägerin sieht der Senat nicht.
104Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Beweisvereitelung vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen. Als Folge der Beweisvereitelung kommen in solchen Fällen Beweiserleichterungen in Betracht, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können (BGH, U. vom 23.11.2005, NJW 2006, 434ff., Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen hier hingegen nicht vor.
105Der Klägerin ist es nicht vorzuwerfen, dass sie das Toner-/Entwicklergemisch nicht entfernt hat – hätte sie das selbstständig getan, hätte ihr möglicherweise von der Beklagten vorgeworfen werden können, Beweismittel zu „manipulieren“. Die Hochdruckzerstäubungsanlage, die nach den Feststellungen des Sachverständigen zu Oxidationserscheinungen geführt hat, hat die Klägerin in Absprache mit der Beklagten installiert (vgl. etwa Schreiben vom 05.11.2004, Anlage K 9, Bl. 58 GA). Schließlich hatte es die Beklagte aber auch selbst in der Hand, die ggf. erforderlichen Beweise rechtzeitig sichern zu lassen, indem sie ein selbstständiges Beweisverfahren einleitete; insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung entscheidend von derjenigen, die dem zitierten Urteil des BGH zugrunde lag. Im Übrigen kann die ihrerseits arglistig handelnde Beklagte (siehe dazu unten e)) aus dem allenfalls fahrlässigen Handeln der Klägerin keine Rechte herleiten.
106b)
107Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Rücktritt der Klägerin nach den "Zusatzvereinbarungen zum Kaufvertrag" (Anlage zum Kaufschein; Anlage K 3, Bl. 39 GA) nicht ausgeschlossen.
108Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein sieht vor, dass
109„der Kunde berechtigt [ist], innerhalb von vier Wochen nach der erfolgreichen Installation des A… + Endverarbeitung, Server und Software von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn die in der Aufgabenstellung F…, Stand 03 November 2003 V 1.13 vereinbarten Spezifikationen und Toleranzen (siehe Kapitel 4.1 dieser Aufgabenstellung) nicht eingehalten werden.“
110Ferner bestimmt Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein, dass der Beklagten vor einem Rücktritt vom Vertrag die Möglichkeit zur Beseitigung der innerhalb der Frist aufgetretenen Mängel einzuräumen war.
111Sinn und Bedeutung dieser Bestimmung ergeben sich aus den ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarten bzw. vorgesehenen Abläufen: Hiernach sollte die Druckanlage noch im Jahre 2003 bei der Klägerin angeliefert werden, was auch erfolgt ist. Hiernach sollte – wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 13.11.2003 (Anlage K 6, Bl. 52f. GA) ergibt – nach klägerseits zu erbringender Installierung der elektrischen Anschlüsse und einer Klimatisierung ab dem 19.11.2003 mit der Installation der Anlage begonnen werden, woran sich ab Januar 2004 ein vierwöchiger Testzeitraum anschließen sollte, in dem zu prüfen war, ob „die Anlage den Spezifikationen und hier im Speziellen der geforderten Schnittgenauigkeit entspricht“ (TOP 6 des Schreibens). Hierauf nimmt Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein ganz offensichtlich Bezug, mit der Folge, dass ein Rücktritt vom Vertrag spätestens innerhalb von vier Wochen nach Abschluss der nach den Vorstellungen der Parteien Anfang 2004 beginnenden Testzeitphase erfolgen musste. Hiernach wäre der erst mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2005 erklärte Rücktritt verfristet.
112Tatsächlich jedoch haben die für Anfang des Jahres 2004 vorgesehenen Tests so nicht stattgefunden. Es ist vielmehr unstreitig, dass Probeläufe mit Papier des Gewichts von 50g/m² erstmals im Rahmen der Validierung ab Dezember 2004 und planmäßige – nämlich unter Verwendung der dafür vorgesehenen Zusatzausstattung durchgeführte – Probeläufe mit 40g/m²-Papier überhaupt nicht stattgefunden haben (S. 4ff. der Berufungsbegründung, Bl. 769ff. GA, einerseits; S. 7f. des Schriftsatzes vom 05.11.2010, Bl. 1049f. GA andererseits). Mithin ist eine vollständige Überprüfung der gelieferten Anlage auf die Einhaltung der vereinbarten Spezifikationen und Toleranzen abweichend von den Vorstellungen der Parteien, die der Rücktrittsklausel in Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein zugrunde lagen, niemals vorgenommen worden. Der Senat kann nicht annehmen, dass die in Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein enthaltene Beschränkung des gesetzlichen Rücktrittsrechts auch für den Fall gelten sollte, dass die vorgesehene Testphase nicht vollständig abgeschlossen war – also Tests nicht mit allen vertraglich vorgesehenen Papiersorten vorgenommen worden waren. Sinn und Zweck der Klausel war zwar offensichtlich, den Parteien – insbesondere der Beklagten – zu einem möglichst frühen Zeitpunkt nach Abschluss der Testphase Klarheit über den Fortbestand des Vertrages zu geben; die Klägerin konnte sich aber sinnvollerweise hierzu nur erklären, wenn sie vollumfängliche Erkenntnisse über die Einhaltung der Spezifikationen und Toleranzen gewonnen hatte. Da dies mangels Durchführung ordnungsgemäßer Probeläufe mit 40g/m²-Papier nicht der Fall war, kann auch die Rücktrittsklausel in Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein keine Geltung beanspruchen.
113c)
114Auch § 377 HGB steht der Geltendmachung dieses Mangels nicht entgegen. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin den Mangel "Ungeeignetheit zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier" erstmals im Mai 2005 und damit mehr als ein Jahr nach Ablieferung am 19.04.2004 gerügt habe.
115Auf die Ablieferung der Anlage am 19.04.2004 kann es hinsichtlich der Verarbeitung von 40g/m²-Papier nicht ankommen. Unstreitig konnte die gelieferte Anlage jedenfalls bis zur Installation der erforderlichen Klimatisierung nicht auf ihre Eignung zur Verarbeitung der geringen Papiergewichte von 40 und 50g/m² getestet werden. Eine Untersuchung der Anlage im Sinne des § 377 HGB war der Klägerin insoweit also zunächst gar nicht möglich.
116Probeläufe mit den geringen Papiergewichten haben ebenso unstreitig erst ab Dezember 2004 im Rahmen der dann begonnenen Validierung stattgefunden. Im Rahmen dieser Validierung kam es – wie sich insbesondere aus dem Protokoll des Zeugen R… (Anlage B 7) ergibt – zu Problemen mit der Verarbeitung der leichteren Papiersorten; der Zeuge R… notierte unter dem 01.02.2005:
117"40g-Papier kann im Drucker zwar verarbeitet werden, aber nicht in der Linie. D… schreibt in seiner Bedienungsanleitung ebenfalls mindestens 50g-Papier vor. Wir müssen warten, bis die Lieferung des 50g-Papiers kommt." (S. 5 der Anlage B 7, Bl. 175 GA).
118Ungeachtet des Umstandes, dass die mit der Validierung befassten Techniker es offenbar unterlassen hatten, vor der Verwendung des 40g/m²-Papiers die dafür erforderlichen Zusatzteile einzubauen (vgl. Aussage des Zeugen R… vor dem Senatseinzelrichter am 22.11.2010, S. 14 des Protokolls, Bl. 1117R GA), war den in die Validierung eingebundenen Mitarbeitern der Beklagten – insbesondere dem Zeugen P… – die aufgetretene Problematik mithin bekannt, auch wenn dieser die Eignung der Anlage zur Verarbeitung dieses Papiers anders beurteilt haben mag (S. 21 des Protokolls vom 22.11.2010, Bl. 1121 GA). Gleichwohl hat ein erneuter Versuch zur Verarbeitung des 40g/m²-Papiers unter Verwendung der dafür vorgesehenen Zubehörteile bis zur Beendigung der Validierung nicht mehr stattgefunden. Unter diesen Umständen kann sich die Beklagte nicht darauf stützen, dass die Klägerin erstmals im Mai 2005 die Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung dieser Papiersorte gerügt habe. Die Rügeobliegenheit des § 377 HGB bezweckt den Schutz des Verkäufers davor, dass er noch nach geraumer Zeit wegen vermeintlicher Mängel in Anspruch genommen wird und dann ggf. erheblichen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 377, Rn. 1). Dieses Risiko konnte sich hier nach Lage der Dinge jedenfalls bis zum Mai/Juni 2005 nicht verwirklichen.
119d)
120Der Rücktritt der Klägerin ist schließlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil bei seiner Erklärung Leistungs- bzw. Nacherfüllungsansprüche der Klägerin bereits verjährt gewesen wären (§§ 218, 438 Abs. 4 Satz 1 BGB).
121Nach den gesetzlichen Bestimmungen verjähren Mängelansprüche hinsichtlich der gelieferten Druckanlage in zwei Jahren ab Ablieferung (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Diese Frist war bei Zugang der Rücktrittserklärung vom 18.07.2005 unter keinen Umständen abgelaufen.
122Auch bei Geltung der in Abschnitt D § 1 Abs. 1 der AGB der Beklagten vorgesehenen Gewährleistungsfrist von einem Jahr ergibt sich kein anderes Ergebnis. Auch hier gilt, dass es auf die Ablieferung der Anlage am 19.04.2004 nicht ankommen kann. Wie bereits ausgeführt, konnte die gelieferte Anlage jedenfalls bis zur Installation der erforderlichen Klimatisierung Ende Juli 2004 nicht auf ihre Eignung zur Verarbeitung der geringen Papiergewichte von 40 und 50g/m² getestet werden, wie beiden Parteien auch bewusst war. Dies steht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles hinsichtlich des Mangels "Ungeeignetheit zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier" nicht nur der Anwendung des § 377 HGB, sondern gleichermaßen dem Beginn der Verjährungsfrist schon im April 2004 entgegen. Denn auch insoweit wird vorausgesetzt, dass der Käufer die gelieferte Sache untersuchen kann. Dies war hier hinsichtlich des Papiergewichts jedoch frühestens nach Installation der Klimatisierung Ende Juli 2004 der Fall, so dass die Verjährungsfrist bei Zugang des Rücktrittsschreibens vom 18.07.2005 noch nicht abgelaufen war.
123e)Ungeachtet dieser Erwägungen kann sich die Beklagte aber auch deswegen nicht auf einen Ausschluss des Rücktrittsrechts, auf Verjährung oder eine verspätete Mängelrüge berufen, weil sie den Mangel arglistig verschwiegen hat (vgl. § 377 Abs. 5 HGB, § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB).
124Arglist im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel der Kaufsache kennt oder doch mit dem Vorliegen eines Mangels rechnet und ihm bewusst ist oder er doch jedenfalls damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass dem Käufer der Mangel unbekannt sein könne und er bei Kenntnis der Sachlage die angebotene Ware nicht als Vertragserfüllung annehmen werde (BGH, NJW 1986, 316ff., Rz. 19, zitiert nach juris; NJW 2007, 835ff., Rz. 8f.). Dabei reicht es aus, wenn der Verkäufer, obwohl er die Unrichtigkeit seiner Angaben für möglich hält, "ins Blaue hinein" unrichtige Angaben macht. Selbst guter Glaube des Handelnden schließt bei einer "ins Blaue hinein" abgegebenen Erklärung Arglist nicht aus, wenn er das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offen legt (BGH, NJW 2006, 2839ff., Rn. 13, 15). So verhält es sich hier.
125Wie ausgeführt, war das Modul LS 4 mit Trennstrecke der Fa. D… ausweislich des Inhalts der als Anlage K 18 überreichten Betriebs- bzw. Serviceanleitungen (nur) für Papiergewichte ab 50g/m² – die Vakuumeinheit sogar nur für Gewichte ab 56g/m² – ausgelegt, ohne dass diese Unterlagen dabei einen Vorbehalt des Inhalts enthielten, dass ggf. auch leichtere Papiersorten verarbeitet werden können. Der Senat hat entgegen der Behauptung der Beklagten davon auszugehen, dass der Beklagten der Inhalt dieser Unterlagen bekannt war. Der Zeuge K…, der als Mitarbeiter der Beklagten mit der Implementierung der Anlage befasst war, hat bei seiner Vernehmung am 22.11.2010 ausgesagt, dass er die Datenblätter der bei der Druckanlage verwendeten Module kannte (S. 25 des Protokolls, Bl. 1123 GA); seine Kenntnis ist der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
126Damit wusste die Beklagte jedenfalls, dass das gelieferte Modul der Fa. D… in seiner "Standardkonfiguration" – so die eigene Wortwahl der Beklagten im Schriftsatz vom 17.09.2010 (S. 9; Bl. 987 GA) – möglicherweise nicht den vertraglichen Anforderungen entsprechen könnte. Nach dem Inhalt der „Aufgabenbeschreibung Version 1.13“, wonach Papier mit einem Gewicht von 40g/m² und 50g/m² – ersteres mit steigender Tendenz, vgl. Ziff. 3.3 – verwendet werden sollte, war auch ernsthaft damit zu rechnen, dass der Klägerin diese Zweifel an der Eignung der Anlage verborgen geblieben sein könnten und sie zudem den Vertrag, wäre ihr die Sachlage bekannt gewesen, nicht abgeschlossen hätte. Unter diesen Umständen war die Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet, die Klägerin über die wahre Sachlage, nämlich darüber, dass jedenfalls ein Modul der Anlage „standardmäßig“ laut Betriebsanleitungen gar nicht für 40g/m²-Papier geeignet war und es insoweit zur Feststellung ihrer Eignung positiver Testläufe bedurfte, aufzuklären. Dies ist – wie etwa der Zeuge K… ausdrücklich eingeräumt hat – nicht geschehen.
127Die Beklagte beruft sich allerdings darauf, dass sie nach den Informationen, die sie von der Fa. D… erhalten habe, von der Eignung der Anlagenmodule ausgehen durfte. Mit diesem Einwand kann sie keinen Erfolg haben. Die Behauptung, dass es für die gelieferte Anlage eine ausdrückliche Freigabeerklärung gegeben habe, hat sich, wie bereits ausgeführt, nicht bestätigt (siehe oben unter a) (aa) (1)). Ohne eine solche Freigabeerklärung, nur aufgrund pauschaler Angaben von Mitarbeitern der Fa. D… und damit eben ohne eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage durfte die Beklagte aber offenkundig nicht einfach die Eignung der gelieferten Anlage unterstellen, ohne die Klägerin über die tatsächlich gegebenen Umstände zu informieren.
128Auf die von der Fa. D… nach den Aussagen der Zeugen H… (S. 5f. des Protokolls vom 10.05.2011, Bl. 1309f. GA) und I… (S. 8 des Protokolls, Bl. 1312 GA) vorgenommenen Testläufe durfte die Beklagte nicht vertrauen. Aus dem von ihr selbst in Termin am 10.05.2011 überreichten E-Mail-Verkehr (Anlage zum Protokoll vom 10.05.2011, Bl. 1369ff. GA) ergibt sich, dass die Frage der Eignung zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier zunächst offen war (vgl. E-Mail des Zeugen K… an Herrn W… (Fa. D…) vom 12.05.2003, Bl. 1369 GA). Die Antwort auf die E-Mail des Herrn X… (Beklagte) an Herrn W… vom 04.07.2003 (Bl. 1376 GA), ob es "eine Aussage zum Schneiden und Ablegen von Z Bond Classic 40g gebe", war wenig konkret ("wie schon besprochen sind die Tests sehr zufriedenstellend verlaufen") und die Konfiguration des in der Schweiz getesteten "Prototyps" (vgl. E-Mails des Herrn X… und des Herrn W… vom 09. und 11.07.2003, Bl. 1377 GA) erkennbar keineswegs mit derjenigen der später in M… präsentierten und an die Klägerin gelieferten Anlage identisch (e-Mails vom 08.-16.07.2003, Bl. 1376ff. GA). Damit ist die Beklagte nach den Gesamtumständen "auf gut Glück" bzw. "ins Blaue hinein" von der Eignung der gelieferten Anlage ausgegangen, ohne diese Annahme auf belastbare Testergebnisse oder Freigabeerklärungen stützen zu können.
129f)
130Der Rücktritt scheitert schließlich auch nicht an § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB; die Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier ist kein unerheblicher Mangel im Sinne dieser Vorschrift.
131Abgesehen davon, dass die Unerheblichkeit bei Vorliegen arglistigen Verhaltens in der Regel zu verneinen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB,69. Aufl., § 323, Rn. 32), kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Endkundin der Klägerin, die Fa. C…, vornehmlich Papier mit einem Gewicht von 50g/m² verwende, so dass 80% der Drucke ohnehin auf diesem Papiergewicht vorgenommen worden wären (S. 8 des Schriftsatzes vom 22.12.2010, Bl. 1178 GA). So muss sich die Beklagte schon fragen lassen, wieso sie an dieser Stelle auf die Anforderungen der Fa. C… abstellt, wo sie doch im Zusammenhang mit der Problematik der Flattermarken die Auffassung vertreten hat, die Vorgaben der Fa. C… beträfen nur deren Verhältnis zur Klägerin und gingen sie nichts an. Selbst wenn aber ihre Behauptung zuträfe, wonach die Verarbeitung von 40g/m²-Papier nur einen geringen Teil der Gesamtproduktion ausmachte, so wäre ihr Einwand unbegründet. Zum einen stellt sich ein Anteil von immerhin 20% an der Gesamtproduktion schon nicht mehr als unerheblich dar. Zum andern muss sich die Beklagte entgegenhalten lassen, dass die Parteien in ihrem Vertrag ausdrücklich von einem steigenden Anteil der Verarbeitung dieser Papiersorte ausgegangen sind. Insoweit heißt es unter Ziff. 3.3 der Aufgabenstellung vom 03.11.2003, dass sich "mit der Erhöhung der Produktion für gefalzte Beilagen auch der Anteil von 40g/m²-Papier an der Gesamtproduktion erhöht" und "das Hochrüstkonzept der A… 7000er Serie mit seiner Flexibilität eine solche Entwicklung unterstützt". Hiernach war es Vertragsgrundlage, dass die Verarbeitung von 40g/m²-Papier zukünftig einen – ggf. auch deutlich – höheren Anteil an der Gesamtproduktion als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausmachen würde. Als unerheblich vermag der Senat den festgestellten Mangel daher nicht zu betrachten.
132Im Übrigen kommt es auf die mit den vorangehenden Erwägungen verbundene Frage des Ausmaßes der Funktionsbeeinträchtigung überhaupt nur dann entscheidend an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist (BGH, U. vom 29.06.2011, VIII ZR 202/10, Rz. 21). Andernfalls ist die Unerheblichkeit im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zu bejahen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH, aaO, Rz. 19). Das dürfte hier auszuschließen sein; jedenfalls fehlt es an Sachvortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten zu der Frage, welche Aufwendungen erforderlich wären, um die gelieferte Anlage in den Stand zu versetzen, auch Papier des Gewichts von 40g/m² verarbeiten zu können.
133g)
134Eine Fristsetzung war entbehrlich, nachdem die Beklagte mit E-Mail vom 14.06.2005 (Anlage K 12, Bl. 73f. GA) und Schreiben vom 24.06.2005 (Anlage K 14; Bl. 83ff. GA) das Vorliegen von Mängeln entschieden bestritten und damit zu erkennen gegeben hatte, dass sie eine Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigern werde (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
1355.
136Ob der Klägerin auch wegen der Problematik "Flattermarken" Ansprüche zustehen, kann hiernach dahinstehen.
137II.
138Der Klageanspruch ist gemäß § 348 BGB Zug-um-Zug gegen Rückgabe der gelieferten Druckanlage zu erfüllen; dem wird der Klageantrag in der gestellten Form gerecht.
139Die Klägerin hat Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Zinsanspruch in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz steht ihr dagegen nicht zu; die Klageforderung ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB. Eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB liegt nur dann vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (BGH, U. vom 16.06.2010, NJW 2010, 3226ff., Rz. 12). Das ist hier nicht der Fall.
140Schließlich hat die Klägerin Anspruch auf die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Druckanlage in Annahmeverzug befindet, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 24.06.2005 die Rücknahme der Anlage abgelehnt hat und ihr die Klägerin daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2005 die Rückgabe der Anlage mündlich angeboten hat (§§ 293, 295 BGB).
141B.
142Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
1431.
144Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung des im Servicevertrag vom 13.11.2003/12.01.2004 vereinbarten Entgeltes von monatlich netto 3.688,00 € = brutto 4.278,08 € für 48 Monate vom 01.10.2004 bis 30.09.2008 aus § 611 BGB.
145Nach den Vereinbarungen der Parteien sollte der Servicevertrag "mit Inkrafttreten des Kaufvertrages zu den dann gültigen Konditionen starten" (Serviceschein vom 13.11.2003, Bl. 38 GA; Anlage zum Kaufschein, Anlage K 3, Bl. 39 GA). Für das „Inkrafttreten“ des am 13.11.2003/12.01.2004 unterzeichneten Kaufvertrages war wiederum vorgesehen, dass die Klägerin je nach Auslastung der Druckmaschine während der sog. Vorlaufphase
146„berechtigt [sei], den Kauf bis spätestens bis 09/2004 zu tätigen. Als Zahlungsziel ist in jedem Fall der 01.10.2004 vereinbart. Der Kunde ist berechtigt, den Kauf auch zu einem früheren Zeitpunkt zu tätigen. Mit Inkrafttreten des Kaufvertrages startet der Servicevertrag zu den dann gültigen Konditionen.“ (Ziff. 4 der Anlage zum Kaufschein, Anlage K 3, Bl. 39 GA)
147Die Beklagte leitet hieraus ab, dass sie berechtigt sei, ab dem 01.10.2004 das vereinbarte Entgelt für die Vertragslaufzeit von 48 Monaten zu verlangen. Das ist hingegen nicht der Fall.
148Ungeachtet der zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz streitig gewordenen Frage, ob mit dieser Regelung lediglich eine Stundung des Kaufpreises bis spätestens zum 30.09.2004 verbunden war – so die Beklagte – oder ob hiermit die Wirksamkeit des Kaufvertrages hinausgeschoben werden sollte – so die Klägerin –, so ist doch den Vereinbarungen der Parteien im Gesamtzusammenhang folgendes zu entnehmen:
149Wie schon ausgeführt, sollte zunächst eine vierwöchige Testphase stattfinden, die für Anfang 2004 vorgesehen war (Schreiben der Beklagten vom 13.11.2003, Anlage K 6, Bl. 52f. GA). Im Anschluss hieran sollte die Klägerin bis zum 29.02.2004 zunächst kostenfrei produzieren können (Ziff. 3 der Anlage zum Kaufschein) und sodann während der „Vorlaufphase“ bis zur „Tätigung“ des Kaufs zu einem „All-in-Superclickpreis“ von 20,00 € je 1000 12“-Abschnitt (Ziff. 4 Satz 1 der Anlage zum Kaufschein). Nach den Vorstellungen der Parteien war damit Voraussetzung für eine „Tätigung“ des Kaufs bzw. ein „Inkrafttreten“ des Kaufvertrages – wie immer man diesen Begriff im Kontext der getroffenen Vereinbarungen versteht – und folglich für ein Inkrafttreten des Servicevertrages die vollständige Absolvierung der vorgelagerten Test- und Vorlaufphase und ein vertragsgemäßes Arbeiten der Druckanlage. Hiervon kann aber – wie ebenfalls bereits erörtert – keine Rede sein, weil jedenfalls bis Dezember 2004 unstreitig kein 40- und 50g/m²-Papier verarbeitet worden war, obwohl dies zu den Spezifikationen der Anlage gehörte, und die Verarbeitung von 40g/m²-Papier auch später nicht unter ordnungsgemäßen Bedingungen, nämlich unter Verwendung der dafür vorgesehenen Zusatzteile, getestet wurde.
150Für die Zeit ab März 2005 ist darüber hinaus davon auszugehen, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass der Servicevertrag keine Wirkung mehr entfallen sollte. Unstreitig hat die Klägerin die ihr für die Zeit vom 01.10.2004 bis 28.02.2005 ausgestellten Rechnungen (Anlage K 19, Bl. 328ff. GA) an die Beklagte zurückgesandt. Sie hat zu keinem Zeitpunkt „Serviceleistungen“ von der Beklagten abgefordert. Obwohl die Servicevergütung nach den Vertragsbedingungen jeweils monatlich im Voraus zu zahlen war, hat die Beklagte trotz Rücksendung der für den Zeitraum bis Februar 2005 ausgestellten Rechnungen und trotz des anschließenden Zerwürfnisses der Parteien und des mit Schreiben vom 18.07.2005 erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag die nach ihrer Rechtsauffassung ausstehenden monatlichen Servicepauschalen erstmals mit der Widerklageschrift vom 05.04.2006 (Bl. 304ff. GA) geltend gemacht. Hiernach konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte wolle ihr künftig Serviceleistungen im Sinne von Abschnitt G § 1 Ziff. 1 ihrer AGB anbieten; die Beklagte musste ihrerseits das Verhalten der Klägerin so verstehen, dass diese den Servicevertrag noch nicht als wirksam betrachtete bzw. nicht mehr an ihm festhalten wollte. Damit haben die Parteien für die Zeit nach Rücksendung der Rechnungen übereinstimmend von einer Umsetzung des Servicevertrages abgesehen. Ansprüche aus diesem Vertrag stehen der Beklagten mithin insgesamt nicht zu.
1512.
152Einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vergütung für ihre Mitwirkung an der Validierung der Druckanlage hat das Landgericht zutreffend verneint.
153Ein Vertrag über die Erbringung einer solchen Leistung, auf den die Beklagte ihren Anspruch stützt, ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Klägerin, wie die Beklagte behauptet, in einer Besprechung am 05.11.2004 mit der Erstellung eines diesbezüglichen Angebots der Beklagten einverstanden erklärt haben sollte. Denn das am 16.11.2004 erstellte Angebot der Beklagten über die Erstellung von Unterlagen zur Validierung der Druckanlage (Anlage B 10, Bl. 182 GA) hat die Klägerin nicht angenommen. Eine ausdrückliche Annahme des Angebots seitens der Klägerin behauptet die Beklagte selbst nicht (vgl. S. 25 der Klageerwiderung, Bl. 129 GA), sondern meint, dass die Klägerin ihr Angebot durch die Entgegennahme der anschließend erbrachten Leistungen angenommen habe. Das ist indes nicht der Fall.
154Zwar kann die Entgegennahme angebotener Leistungen je nach Lage des Einzelfalls als schlüssig erklärte Annahme des Angebots verstanden werden (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 147, Rn. 2). Hier ist eine solche Beurteilung aber nicht gerechtfertigt. Zwar hat die Beklagte unstreitig auch nach Erstellung und Zugang des Angebots vom 16.11.2004 an dem Versuch der Validierung der Druckanlage durch die Fa. C… mitgewirkt. Das Angebot vom 16.11.2004 bezog sich jedoch gar nicht auf die noch zu erbringenden Leistungen. Vielmehr heißt es dort:
155„Die aufgeführten Leistungen wurden aufgrund der Dringlichkeit zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe schon größtenteils erbracht …“
156Die angebotene Vergütung von 29.000,00 € bezog sich mithin auf schon erbrachte Leistungen. Der Entgegennahme weitergehender Leistungen nach Unterbreitung des Angebots kann daher ein Erklärungswert des Inhalts, dass die Klägerin mit der Entrichtung einer Vergütung in der angebotenen Höhe für die bereits erbrachten Leistungen einverstanden sei, nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände, für die hier nichts vorgetragen ist, entnommen werden. Dies gilt erst recht angesichts des vorangegangenen Streits der Parteien über die Frage, ob die Beklagte schon nach dem Vertrag vom 13.11.2003/12.01.2004 zur Mitwirkung an der Validierung verpflichtet war (vgl. Schreiben der Klägerin vom 05.11.2004, Anlage K 9).
157III.
158Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge, der Senat habe die Beweisaufnahme unzulässigerweise nach § 527 ZPO durch den Berichterstatter als vorbereitenden Einzelrichter durchführen lassen, geht ins Leere und nötigt nicht zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme.
159Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass nach § 527 Abs. 2 ZPO der Einzelrichter nur "einzelne" Beweise erheben dürfe. Nach überwiegender Auffassung in der Literatur, der sich der Senat anschließt, wird hierdurch die Erhebung aller notwendigen Beweise durch den vorbereitenden Einzelrichter nicht grundsätzlich ausgeschlossen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 527, Rn. 9; Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 527, Rn. 4; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 527, Rn. 11; Rimmelspacher, in: Münchener Komm. zur ZPO, 3. Aufl., § 527, Rn. 11; a. A.: Ball, in Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 527, Rn. 6). Eine andere Beurteilung würde zu Wertungswidersprüchen mit den §§ 375 Abs. 1a, 402 ZPO führen, die es zulassen, einem Mitglied des Prozessgerichts die Aufnahme des Zeugenbeweises und die Einholung von Sachverständigengutachten durch konkrete Zuweisung, aber gerade ohne Beschränkung auf "einzelne Beweise", zu übertragen. Es ist nicht einzusehen, dass einem Mitglied des Prozessgerichts – wie es letztlich hier auch geschehen ist – durch konkrete Zuweisung die gesamte Beweisaufnahme übertragen werden könnte, der vorbereitende Einzelrichter hieran aber gehindert wäre. Entscheidend ist vielmehr, ob die Übertragung auf den vorbereitenden Einzelrichter zur Entlastung des Senatskollegiums geeignet ist. Dies ist hier gerade im Hinblick auf die Vielzahl der zu vernehmenden Zeugen und damit verbundenen zeitlichen Aufwand ersichtlich zu bejahen.
160Soweit der Bundesgerichtshof eine andere Auffassung vertreten hat, bezog sich dies ausdrücklich auf einen – mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbaren - Arzthaftungsprozess (BGH, U. 26.10.1993, NJW 1994, 801ff.). Anders als in Arzthaftungsprozessen, in denen es in der Regel maßgeblich auf sachverständige Beratung ankommt, ging es hier – ungeachtet des Umstandes, dass zu den Beweisaufnahmeterminen jeweils der Sachverständige J… hinzugezogen war, ergänzende Fragen an die Zeugen gerichtet und seine gutachterlichen Ausführungen am Ende kurz ergänzt hat – in erster Linie um die Beantwortung für sich genommen überschaubarer Fragestellungen (siehe Ziff. II des Beweisbeschlusses vom 01.10.2010, Ziff. II des Beschlusses vom 25.02.2011).
161Allerdings ist eine Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter unzulässig, wenn von vorneherein abzusehen ist, dass es bei der Beweiswürdigung auf den persönlichen Eindruck der Beweisaufnahme – insbesondere von Zeugen – ankommen wird (§ 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 527, Rn. 8). So verhielt es sich hier jedoch nicht; der Senat hat bei der Würdigung des Beweisergebnisses letztlich auch nicht auf solche Eindrücke bzw. Glaubwürdigkeitserwägungen abgestellt.
162Ungeachtet dessen ist die Beklagte mit dieser Rüge ausgeschlossen, weil sie auf die Einhaltung der Bestimmung des § 527 ZPO – wäre sie verletzt – verzichtet hat, § 295 ZPO. Die Beklagte hat zwar nicht ausdrücklich auf die Einhaltung der Voraussetzungen des § 527 ZPO verzichtet; ein Verzicht im Sinne des § 295 ZPO ist hingegen auch durch schlüssiges Verhalten möglich (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 295, Rn. 6). So liegt es hier; der Senat konnte das prozessuale Verhalten der Beklagten nur dahingehend verstehen, dass sie auf den nunmehr erhobenen Einwand, der Berichterstatter des Senats habe entgegen § 527 ZPO umfassend Beweis erhoben, verzichte. So hat die Beklagte – anders als die Klägerin – nicht nur einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter zugestimmt (S. 2 des Schriftsatzes vom 22.12.2010), sondern vor allem ihren "vorsorglichen Hinweis" im Schriftsatz vom 26.04.2011 auf den Einwand beschränkt, der Senat habe sich einer Bewertung der Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen zu enthalten (dort S. 6, Bl. 1277 GA). Den Umfang der vom Berichterstatter durchgeführten und laut Beschluss vom 25.02.2011 noch durchzuführenden Beweisaufnahme hat sie dagegen bei dieser Gelegenheit nicht gerügt. Dies konnten der Senat und die Klägerin nur dahingehend verstehen, dass die Beklagte aus dem Umfang der nach § 527 ZPO durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls ohne – hier nicht eingetretene – wesentliche Änderung der Prozesslage keine Rechte herleiten werde.
163IV.
164Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) besteht ebenso wenig wie die Notwendigkeit weiterer Hinweise an die Beklagte. Die von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 30.12.2011 umfangreich erbetenen Hinweise beziehen sich – soweit sie überhaupt entscheidungsrelevante Fragen betreffen – sämtlich auf solche Aspekte, die im Verlauf des Rechtsstreits umfangreich erörtert worden sind und zu denen der Senat bereits hinreichend Stellung genommen hat.
165V.
166Über Wert- und Schadensersatzansprüche der Beklagten bzw. die Aufrechnung mit ihnen war nicht zu entscheiden. Solche Ansprüche hat sie erstmals mit Schriftsatz vom 30.12.2011 und damit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung (annähernd) beziffert und zur Aufrechnung gestellt, damit ist sie nach § 296a ZPO ausgeschlossen. Soweit sie auf ihr Vorbringen in den Schriftsätzen vom 22.12.2010 und 26.04.2011 verweist, enthalten diese weder einen Hinweis auf Wert- oder Schadensersatzansprüche noch eine Erklärung dahingehend, dass die Beklagte mit solchen Ansprüchen aufrechne oder ihre Widerklage darauf stütze. Letzteres lässt sich zwar dem Schriftsatz vom 17.09.2010 entnehmen (dort S. 5, Bl. 984 GA); eine auch nur annähernd substantiierte Darlegung des der Beklagten entstandenen Schadens oder des Wertverlustes enthält dieser Schriftsatz hingegen ersichtlich nicht. Es liegt im Übrigen fern, dass die streitgegenständliche Anlage völlig wertlos ist; hiervon sind auch die Parteien im Zuge ihrer Vergleichsüberlegungen ersichtlich nicht ausgegangen.
167VI.
168Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
169Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
170Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.034.283,84 € festgesetzt, wovon auf die Berufung der Klägerin 1.005,283,84 € und auf die Anschlussberufung der Beklagten 29.000,00 € entfallen.
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