Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 82/11
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2011 ergangenen Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf (VK-2/2011-L) werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Antragsteller in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden je zur Hälfte der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 1 auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 700.000 Euro
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I. Die Antragsgegnerin, eine kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen, schrieb Krankentransportleistungen im Stadtgebiet aus. Eine erste Ausschreibung im September 2010 wurde nach einem Nachprüfungsantrag des Antragstellers von der Antragsgegnerin aufgehoben (vgl. dazu den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirkregierung Düsseldorf vom 30.12.2010 - VK-36/10-L - und Beschluss des Senats vom 11.5.2011 - VII-Verg 10/11).
3Durch eine europaweite "freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung" vom Dezember 2010 wiederholte die Antragsgegnerin die Ausschreibung. Sie gab an, nachrangige Dienstleistungen nach Anhang II B der Richtlinie 2004/18 zu beschaffen (entsprechend Anhang I B zur VOL/A-EG, dort Kategorie 25 - Gesundheitswesen), mit der Folge, dass auf die Auftragsvergabe Abschnitt 1 der VOL/A anzuwenden sei. Zugleich gab die Antragsgegnerin das Beschaffungsvorhaben in nationalen Veröffentlichungen bekannt. Sie wählte das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung. Aufgeteilt nach Transportkapazitäten waren zwei Teillose gebildet worden. Unterlagen, die für eine Beurteilung der Eignung der Bieter verlangt werden, waren in den veröffentlichten Bekanntmachungen nicht benannt.
4Der Antragsteller forderte die Vergabeunterlagen an, reichte (auch auf eine dahingehende besondere Aufforderung der Antragsgegnerin) jedoch kein Angebot ein, sondern ließ durch seine Verfahrensbevollmächtigten zahlreiche Vergaberechtsverstöße rügen. Die Antragsgegnerin wies die Rügen zum überwiegenden Teil zurück. Zuvor hatte der Antragsteller indes schon einen Nachprüfungsantrag gestellt.
5Während des Nachprüfungsverfahrens wertete die Antragsgegnerin die vier eingegangenen Angebote. Gemäß der (auch dem Antragsteller übersandten) Vorabinformation sollen die Beigeladenen zu 1 und zu 2 (sog. freiwillige Hilfsorganisationen) losweise den Zuschlag erhalten. Auch das ließ der Antragsteller sofort rügen: Die Beigeladenen hätten Unterkostenangebote abgegeben. Zudem bildeten die freiwilligen Hilfsorganisationen bei Krankentransportleistungen ein rechtswidriges Kartell. Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt worden.
6Mit dem Nachprüfungsantrag begehrte der Antragsteller, der Antragsgegnerin auf der Grundlage der bisherigen Ausschreibung eine Auftragsvergabe zu untersagen und ihr aufzugeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nach Maßgabe der VOL/A und der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen. Die Antragsgegnerin trat dem Nachprüfungsbegehren entgegen. Die Verfahrensbeteiligten stritten über die zahlreichen Beanstandungen des Antragstellers.
7Nach mündlicher Verhandlung am 14.7.2011 ließ die Vergabekammer den Beteiligten am 7. und 8.9.2011 die Entscheidung zugehen (Az. VK-2/2011 L), wonach der Antragsgegnerin untersagt wurde, auf der Grundlage der vorliegenden Angebote einen Vertrag abzuschließen, und sie beim weiteren Vorgehen angehalten wurde, das Vergabeverfahren zum Zweck einer Beseitigung von Rechtsverstößen zurückzuversetzen. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
8Dagegen haben sowohl die Antragsgegnerin als auch der Beigeladene zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt.
9Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 beantragen,
10unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Nachprüfungsantrag abzulehnen.
11Der Antragsteller beantragt
12Zurückweisung der Beschwerden.
13Die Verfahrensbeteiligten vertiefen und ergänzen ihren bisherigen Vortrag und ihre bisher eingenommenen Rechtsstandpunkte. Der Beigeladene zu 2 hat sich am Beschwerdeverfahren mit einem Antrag oder Sachvorbringen nicht beteiligt.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst deren Anlagen sowie auf die zu Informationszwecken beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
15II. Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 sind im Ergebnis unbegründet.
161. Gegenstand der Rechtsmittel ist die aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2011 ergangene Beschlussentscheidung der Vergabekammer.
17Entgegen der Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Nachprüfungsantrag infolge der Fiktion in § 116 Abs. 2 GWB nicht als abgelehnt zu gelten. Die Vergabekammer hat innerhalb der nach § 113 Abs. 1 GWB von der Vorsitzenden mehrfach verlängerten Entscheidungsfrist entschieden. Die Verlängerungen sind begründet worden. Darauf, ob die dazu herangezogenen Gründe tatsächlich gerechtfertigt sind (was die Antragsgegnerin anzweifelt), kommt es nicht an. Die Rechtswirksamkeit der vom Vorsitzenden der Vergabekammer verfügten Verlängerung der Entscheidungsfrist hängt nicht von der Art und Qualität ihrer Begründung, ebenso wenig vom tatsächlichen Vorliegen der zu ihrer Rechtfertigung herangezogenen Gründe ab (allgemeine Auffassung, vgl. z.B. OLG Naumburg, Beschl. v. 13.8.2007 - 1 Verg 8/07; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.9.2004 - Verg W 9/04; Beschl. v. 30.11.2004 - Verg W 10/04; Byok in Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 113 GWB Rn. 6; Hölzl in MünchKommBeihVgR, § 113 GWB Rn. 8; Maier in Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 113 GWB Rn. 21, jeweils m.w.N. - so auch die Rechtsprechung des Senats). Anderenfalls wären Antragsteller in jedem Fall einer Verlängerung der Entscheidungsfrist allein zur Rechtswahrung gehalten, eine sofortige Beschwerde einzulegen. Dies wäre weder mit dem Gebot der Rechtsicherheit noch mit dem vom GWB angestrebten raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zu vereinbaren (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.1.2012 - VII-Verg 70/11). Die Verfahrensbeteiligten sind aufgrund dessen bei einer etwaigen überlangen Dauer des Verfahrens vor der Vergabekammer nicht rechtsschutzlos gestellt. Sie können in geeigneten Fällen dagegen mit einer Untätigkeitsbeschwerde vorgehen (vgl. dazu und zu den Anforderungen z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2008 - I-5 W 46/08, BauR 2009, 1933).
182. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
19Die Antragsbefugnis des Antragstellers ist nicht zu verneinen, obwohl er zur Ausschreibung kein Angebot eingereicht hat (§ 107 Abs. 2 GWB). Nach herrschender Meinung muss der Antragsteller bei von ihm behaupteten gravierenden Vergaberechtsverstößen, welche die Ausarbeitung eines Angebots unzumutbar erschweren, zur Begründung der Antragsbefugnis kein Angebot abgeben, weil das Vergabeverfahren - sofern sich der dagegen gerichtete Angriff des Antragstellers als zutreffend erweist - in einem solchen Fall zurückzuversetzen ist, ohnehin ein neues Angebot eingereicht werden kann und ein früheres (auf der Basis der beanstandeten Ausschreibungsbedingungen abgegebenes) Angebot nutzlos wäre (vgl. statt vieler Dicks, in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 12 f. m.w.N.).
20Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 scheint demgegenüber der Meinung zu sein, es genüge in derartigen Fällen, Vergaberechtsverstöße zu eliminieren und die Angebotswertung aufgrund des verbleibenden Restbestands der Vergabeunterlagen vorzunehmen. Diese Meinung übersieht, dass die behaupteten Vergaberechtsverstöße Einfluss auf den Inhalt der Angebote haben können, dies auch im vorliegenden Fall. So macht der Antragsteller u.a. Rechtsverstöße bei der Losaufteilung, der Leistungsbeschreibung, bei Bepreisungsvorgaben sowie bei den Zuschlagskriterien geltend. Bei diesem Befund geht - auch ohne ein Angebot - das Interesse des Antragstellers am Auftrag hinreichend aus seinen (in Übereinstimmung mit § 107 Abs. 3 GWB) erhobenen Rügen in Verbindung mit der Anbringung des Nachprüfungsantrags hervor.
21Rechtsverletzungen sind vom Antragsteller behauptet worden (siehe oben). Durch eine Auftragsvergabe an die Beigeladenen droht dem Antragsteller auf dieser Grundlage ein Schaden.
223. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
23a) Ausgeschrieben sind nachrangige Dienstleistungen (Krankentransportleistungen) nach dem seinerzeit noch anzuwendenden Anhang I B der VOL/A-EG (Kategorie 25 - Gesundheitswesen; übereinstimmend mit Anhang II B der Richtlinie 2004/18). Es handelt sich nicht um bloße Transportleistungen im Landverkehr (prioritäre Dienstleistungen nach Anhang I A der VOL/A-EG, Kategorie 2; a.A. zum Teil allerdings Braun, VergabeR 2011, 384, 386 m.w.N.). Der ausgeschriebene Krankentransport hat nach § 2 Abs. 2 Rettungsgesetz (RettG) NRW die Aufgabe, Kranken, Verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen (die nicht einer Notfallrettung bedürfen) fachgerechte Hilfe zu leisten und sie unter Betreuung durch qualifiziertes Personal mit Krankenkraftwagen in ein Krankenhaus zu befördern. Dazu einzusetzende Krankenkraftwagen unterliegen speziellen Ausstattungs-, Ausrüstungs- und Wartungsvorschriften (vgl. § 3 Abs. 1, 4 RettG NRW). Das im Krankentransport eingesetzte Personal muss in persönlicher und fachlich-medizinischer Hinsicht außerdem bestimmten, hoch angesetzten Qualifizierungsmaßstäben genügen (§ 4 RettG NRW). All dies soll die beim Krankentransport geforderte fachgerechte Hilfe und Betreuung sicherstellen. Nach der insoweit maßgebend zu berücksichtigenden Verkehrsauffassung steht die bloße Transportleistung dabei im Hintergrund. Davon abgesehen wäre der durch das Vergaberecht zu gewährleistenden Rechtssicherheit für Auftraggeber und Bieter außerordentlich abträglich, Krankentransportleistungen je nach den Umständen fallweise und nicht generell voraussehbar mal als prioritäre, ein anderes Mal hingegen als nichtprioritäre Dienstleistungen zu bewerten.
24Nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 EG VOL/A findet bei der Vergabe von Aufträgen, deren Gegenstand nichtprioritäre Dienstleistungen im Sinne des Anhangs I B sind (die Vorschrift ist inzwischen durch § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9.5.2011 abgelöst worden, die im Streitfall freilich noch nicht gilt), § 4 Abs. 4 VgV Anwendung. Gemäß § 4 Abs. 4 VgV a.F. gelten für solche Auftragsvergaben § 8 (Leistungsbeschreibung/technische Spezifikationen), § 15 Abs. 10 (Hinweis auf die zuständige Nachprüfungsinstanz), § 23 EG VOL/A (Ex-post-Bekanntmachung) sowie die Regelungen des Abschnitts 1 der VOL/A (mit Ausnahme des § 7 VOL/A - Leistungsbeschreibung). Die von der Antragsgegnerin gewählte Vergabeverfahrensart der öffentlichen Ausschreibung ist danach statthaft (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VOL/A).
25Die Antragsgegnerin ist entgegen der Meinung des Antragstellers aufgrund der ersten Vergabebekanntmachung vom September 2010 nicht daran gebunden, zur Beschaffung der Leistung weiterhin ein offenes Verfahren unter Zugrundelegung der VOL/A-EG durchzuführen. Das offene Verfahren ist aufgehoben worden. Dies hat der Antragsteller hingenommen (siehe dazu die im ersten Nachprüfungsverfahren ergangenen Entscheidungen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2011 - VII-Verg 10/11; erste Instanz: Vergabekammer Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2010 - VK-36/2010-L). Die Vergabebekanntmachung vom Dezember 2010 leitete formell ein neues Vergabeverfahren ein, für das die darauf anzuwendenden Regeln gelten. Unabhängig davon ist weder vorgetragen noch sonst zu erkennen, dass dem Antragsteller durch die Wahl der öffentlichen Ausschreibung statt eines offenen Verfahrens bei seinen Auftragschancen ein Schaden droht. In der Struktur ist die öffentliche Ausschreibung mit dem offenen Verfahren zu vergleichen. Für eine Verfolgung von Popularinteressen steht das Vergabenachprüfungsverfahren nicht zur Verfügung.
26Auf die Zulässigkeit des Vergabenachprüfungsverfahrens hat im Übrigen keinen Einfluss, dass die Auftragsvergabe eine nichtprioritäre Dienstleistung betrifft (h.M., vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2010 - VII-Verg 19/10, VergabeR 2010, 955, 958, 961; bestätigt durch BGH, Beschl. v. 8.2.2011 - X ZB 4/10, betreffend nichtprioritäre Dienstleistungen nach Kategorie 18 des Anhangs zur VOL/A-EG; ebenso OLG Dresden VergabeR 2008, 567; 809; OLG Brandenburg VergabeR 2008, 231 - nunmehr anders als noch in der in VergabeR 2003, 654 abgedruckten Entscheidung).
27b) Im Vergabeverfahren hat es die Antragsgegnerin in mehrfacher Hinsicht zu - auch von der Vergabekammer im Wesentlichen erkannten - Regelverstößen kommen lassen, die im Nachprüfungsverfahren nicht behoben worden sind. Das Vergabeverfahren ist infolgedessen rechtlich ungeeignet, mit einer Auftragserteilung abgeschlossen zu werden.
28aa) Gegenstand der Ausschreibung sollen nach den Vergabeunterlagen und dem Ergebnis der Erörterung im Senatstermin sein:
29- die sog. Grund- (an anderer Stelle auch Regel-)Vorhaltung von Krankentransportwagen (KTW) und Personal,
- ein Spitzenbedarf (Einsatzspitzen bei zeitweise erhöhter Nachfrage),
- ein Sonderbedarf (bei besonderen Lagen wie Jahreswechsel, Karneval und Großveranstaltungen; bei außerplanmäßigen Rettungs- und Sanitätssicherheitswachdiensten; bei einem sog. Massenanfall von verletzten oder erkrankten Personen [MANV]),
- die Sicherstellung von Krankentransportleistungen beim Ausfall eines privaten Krankentransportdienstleisters nach § 18 RettG NRW.
Darüber sowie über die Vergütung und die Kalkulation sind in den Vergabeunterlagen von der Antragsgegnerin Regelungen getroffen worden:
31- im Bedarfsplan Rettungsdienst der Stadt (nach § 12 RettG NRW), der gemäß Leistungsverzeichnis (Teil A 1) und der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots Grundlage der Vergabe und eines Vertragsschlusses ist,
- im Angebotsformular,
- in Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen der Stadt Mönchengladbach,
- in zusätzlichen Vertragsbedingungen,
- in einem Leistungsverzeichnis, Teil A (Allgemeines),
- in weiteren Vertragsbedingungen, Teil B, welche die geforderten Leistungen und die Abrechnung konkretisieren,
- in einem sog. Qualitätsfragebogen,
- in einer den am Auftrag interessierten Unternehmen übermittelten Wertungsmatrix.
bb) Die Bieter hatten die abgefragten Leistungen aus der Gesamtheit der vorgenannten Unterlagen "herauszufiltern". Die maßgebenden Leistungsbestimmungen finden sich in den vorgenannten Unterlagen verstreut, zum Teil sind sie überdies unvollständig, widersprüchlich und missverständlich formuliert worden. In der Gesamtheit sind sie intransparent (§ 97 Abs. 1 GWB) und nicht geeignet, die geforderten Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben sowie miteinander vergleichbare Angebote hervorzubringen (§ 8 EG VOL/A, § 4 Abs. 4 VgV a.F.). Das aufgestellte Leistungsverzeichnis (Teil A) verdient diese Bezeichnung nicht. Es enthält keine in sich geschlossene Leistungsbeschreibung. Im Einzelnen:
33- Spitzenbedarf: Die Leistungen finden sich - intransparent - im Bedarfsplan unter 10.2.3 sowie in den weiteren Vertragsbedingungen (Teil B) unter 5.1 und 6.3 beschrieben. Im eigentlichen Leistungsverzeichnis (Teil A) steht dazu nichts. Es sind an unvermuteter Stelle in den weiteren Vertragsbedingungen lediglich Bestimmungen über die Vorhaltung eines Krankenwagens nebst Personal und die Vergütung getroffen worden. So soll nur die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung vergütet werden (keine Vorhaltekosten). Grundlage der Vergütung soll die (jeweils gültige) Satzung der Stadt über die Erhebung von Gebühren für den Rettungsdienst sein, "abzüglich einer Gemeinkostenpauschale, die maximal 25 % der jeweiligen Gebühr betragen kann."
Für Spitzenbedarfsleistungen ist kein Angebotspreis abgefragt worden. Die Vergütung und die Kalkulation sind unklar (Gebührensatz der Stadt abzüglich einer Gemeinkostenpauschale von maximal 25 %). Wieviel die Stadt von der Gebühr absetzen will und nach welchen Maßstäben dies geschehen soll, ist (von der Höchstgrenze abgesehen) unbestimmt.
35Infolgedessen sind Bieter gehalten, Spitzenleistungen beim Preis für die Grund- (Regel-) Vorhaltung einzukalkulieren, m.a.W. eine Mischkalkulation anzustellen und dabei die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls solcher Leistungen mittels eines Kostenzuschlags sowie den von der Antragsgegnerin vorzunehmenden Abschlag abzuschätzen. Der Auftraggeber darf den Bietern in den Vergabeunterlagen eine Mischkalkulation grundsätzlich vorgeben (genauso wie Pauschalpreisangaben oder Teilpauschalierungen). Infolgedessen kann zwar die öffentlich-rechtliche Gebührenerhebung zu beanstanden sein, weil die festgesetzten Gebühren wegen darin enthaltener "fremder" Kostenbestandteile (insbesondere durch Sonderbedarfsleistungen, dazu unten) dann dem im Gebührenrecht zu beachtenden Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip (vgl. dazu BVerfGE 50, 217, 226) nicht mehr genügen und sie deshalb anfechtbar sein können. Dies ist im Vergabenachprüfungsverfahren nicht zu kontrollieren. Als fehlerhaft ist jedoch zu bewerten, dass die Abdeckung eines Spitzenbedarfs als Leistung in den Vergabeunterlagen nicht transparent und näher beschrieben worden ist.
36Vergaberechtlich ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, einen solchen Bedarf zum Zweck einer vergleichbaren Angebotskalkulation in der Leistungsbeschreibung zu quantifizieren. Dazu müssen die Bedarfsleistungen bekannt oder abschätzbar sein. Dies ist aufgrund der Erfahrungen der Antragsgegnerin aus Vorjahren jedoch anzunehmen. Dazu hätten nur die Abrechnungen ausgewertet werden müssen. Zumindest die Größenordnung eines Spitzenbedarfs war in den Vergabeunterlagen anzugeben.
37Wegen der ausgeschriebenen Spitzenbedarfsleistungen bleiben die Vergabeunterlagen überdies unter dem Gesichtspunkt der Intransparenz (s.o.) zu kritisieren. Das Gebot der Eindeutigkeit und Transparenz der Leistungsbeschreibung (in § 8 Abs. 1 EG VOL/A sowie in § 7 Abs. 1 VOL/A) ist ernst zu nehmen. Es geht unter Zugrundelegung sachgerechter und gleicher Bewertungsmaßstäbe nicht an, bei den von Bietern mit dem Angebot beizubringenden Nachweisen durch eine vom Auftraggeber bekannt zu gebende abschließende Liste eine höchstmögliche Bestimmtheit und Transparenz zu verlangen (normiert in § 8 Abs. 3 VOL/A, § 9 Abs. 4 EG VOL/A), bei der Leistungsbeschreibung hingegen auf eine gleichwertige Klarheit zu verzichten und einen minderen Standard gelten zu lassen. Das Gebot der Eindeutigkeit und Transparenz der Leistungsbeschreibung hat für das vergaberechtlich anzustrebende Ziel, aufgrund der Ausschreibungsunterlagen miteinander vergleichbare Angebote zu erlangen, mindestens denselben Stellenwert wie eine über von Bietern einzureichende Nachweise aufzustellende Liste.
38Unabhängig davon hat die Antragsgegnerin in der bekannt gegebenen Wertungsmatrix (unter der Rubrik Sicherstellung Großschaden) den Eindruck erweckt, auf die Sicherstellung eines Spitzenbedarfs zu verzichten und Angebote, die insoweit die Vergabeunterlagen an sich unzulässig ändern, von einem Wertungsausschluss nach § 16 Abs. 3 Buchst. d, § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A ausgenommen. Angebote, die einen Spitzenbedarf personell nicht abdecken, sollen nicht ausgeschlossen werden, sondern (mit gegebenenfalls null Punkten) lediglich abgewertet werden. Dies steht im Widerspruch zu den übrigen Ausschreibungsbedingungen und lässt Bieter im Unklaren, was angeboten werden soll.
39- Sonderbedarf bei besonderen Lagen wie Jahreswechsel, Karneval und Großveranstaltungen: Leistungen sind im Bedarfsplan unter 10.2.3 sowie in den weiteren Vertragsbedingungen unter 1.6 genannt. Bei Großveranstaltungen und dergleichen soll der Auftraggeber berechtigt sein, "zusätzliche Besetztzeiten festzulegen". Hingegen fehlt namentlich nach Anlass, Art, Häufigkeit und Größenordnung eines Bedarfs sowie der Einsatzbedingungen jede nähere Beschreibung der Leistung, mit deren Hilfe Bieter den Angebotspreis kalkulieren können und die für eine Erwartung vergleichbarer Angebote unerlässlich ist. Dahingehende Erfahrungen liegen im Geschäftsbereich der Antragsgegnerin aus der Vergangenheit vor. Sie waren in den Vergabeunterlagen bekannt zu geben.
Auch insoweit soll die Leistung nach der Gebührensatzung der Stadt für den Rettungsdienst (abzüglich einer Gemeinkostenpauschale von höchstens 25 % der Gebühr) vergütet werden (s. weitere Vertragsbedingungen unter 6.3). Abgesehen davon, dass die Regelung völlig unbestimmt ist, sind Bieter auch hier gezwungen, bei der Regelvergütung im Wege der Mischkalkulation einen Zuschlag anzubringen, für den es freilich an einer verlässlichen Berechnungsgrundlage fehlt. Zugleich werden am Auftrag interessierte, überregional tätige Unternehmen wie der Antragsteller gegenüber lokal tätigen Unternehmen und freiwilligen Hilfsorganisationen ungleich behandelt und diskriminiert (§ 97 Abs. 2 GWB). Letztgenannte Bewerber verfügen hinsichtlich der Einsatzbedingungen und der Kalkulationsgrundlagen über ein erworbenes Erfahrungswissen, das ihnen im Wettbewerb einen (im Streitfall von der Antragsgegnerin nicht ausgeglichenen) Vorsprung vor auswärtigen Konkurrenten sichern kann. Ein Sonderbedarf bei Großveranstaltungslagen ist in den Vergabeunterlagen nicht eindeutig und daher intransparent beschrieben worden. Zudem wird der Antragsteller dadurch diskriminiert.
41Schließlich hat die Antragsgegnerin in der Wertungsmatrix auch insoweit zu erkennen gegeben, dass ihr die Abdeckung eines Sonderbedarfs in personeller Hinsicht nicht so wichtig erscheint. Bieterangebote, die zu den bei Großveranstaltungen oder ähnlichem bereit zu stellenden Krankentransportwagen kein Personal vorsehen, sollen wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen nicht von der Wertung ausgenommen, vielmehr lediglich abgewertet werden. Dadurch ist ein nicht aufgelöster Widerspruch zu den übrigen, die Leistung betreffenden Festlegungen entstanden.
42- Sonderbedarf bei außerplanmäßigen Rettungs- und Sanitätssicherheitswachdiensten: Nach Nr. 1.10 der weiteren Vertragsbedingungen können "Fahrzeuge auf Weisung bzw. in Abstimmung mit dem Auftraggeber außerplanmäßig bei Rettungs- und Sanitätssicherheitswachdiensten eingesetzt werden." Insoweit soll ausschließlich eine tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen "im vorgenannten Sinne" zusätzlich vergütet werden. Die Vergütung soll sich bei Anwendung der städtischen Gebührensatzung nach dem unter vorstehenden Spiegelstrichen bereits dargestellten Modus richten (s. weitere Vertragsbedingungen unter 6.3).
Der Sonderbedarf ist in den Vergabeunterlagen, insbesondere in der Leistungsbeschreibung, nach Art, Häufigkeit und Umfang einer Inanspruchnahme in keiner Weise konkretisiert und daher ebenso wenig eindeutig dargestellt worden. Die Antragsgegnerin macht nicht geltend, zu dahingehenden weiteren Angaben in der Leistungsbeschreibung nicht imstande zu sein. Davon abgesehen geben die Angaben der Antragsgegnerin keinen Aufschluss darüber, ob eine Vergütung schon bei einer Anforderung von außerplanmäßigen Wachdiensten oder erst dann gewährt werden soll, wenn in diesen Wachdiensten Krankentransportleistungen anfallen. Die Vergabeunterlagen bilden auch insoweit keine zuverlässige Grundlage für eine Preiskalkulation.
44- Sonderbedarf bei Schadensereignissen mit einer größeren Anzahl verletzter oder erkrankter Personen (MANV - an anderer Stelle sprachlich missverständlich "Sicherstellung Großschaden" genannt):
Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 RettG NRW in Verbindung mit dem Bedarfsplan nach § 12 RettG NRW (dort unter 10.3.2) hat die Antragsgegnerin als Trägerin des Rettungsdienstes für Schadensereignisse mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Erkrankter ausreichende Vorbereitungen in Bezug auf einen Einsatz zusätzlicher Rettungsmittel und des notwendigen Personals zu treffen. Der Bedarfsplan ist Gegenstand der Vergabeunterlagen (s.o.).
46Die weiteren Vertragsbedingungen (unter 1.11) - nicht hingegen die eigentliche Leistungsbeschreibung (Teil A) - verhalten sich dazu wie folgt:
47Der Auftragnehmer benötigt im Fall von Großschadenslagen im Rahmen seiner Sicherstellungsverpflichtung zusätzliches rettungsdienstlich qualifiziertes … haupt-, ehren- oder nebenamtliches Personal (außerhalb der Regelvorhaltung), welches durch den Auftragnehmer auf Anforderung rund um die Uhr innerhalb von max. 90 Minuten an einer Einsatzstelle in Mönchengladbach bereitgestellt werden kann. Diese Anlässe sind weder zeitlich vorhersehbar noch quantitativ zu beziffern, eine gesonderte Vergütung dieser Vorhalte- oder Einsatzkosten erfolgt nicht.
48Die durch den Bieter hierzu benannten Personalressourcen werden Vertragsbestandteil und sind im Bedarfsfall durch den Auftragnehmer wie angeboten bereitzustellen.
49Abgefragt wurde zusätzliches Personal bei sog. Großschadenslagen, nicht hingegen eine Bereitstellung weiterer Rettungsmittel. Auch insoweit waren Bieter allerdings gezwungen, den Preis bei den Kosten der Regelvorhaltung einzukalkulieren. Die Angabe, "eine gesonderte Vergütung … erfolgt nicht", ist nicht so zu verstehen, dass die Bereitstellungsleistung und ein tatsächlicher Personaleinsatz unvergütet bleiben sollten. Bereitstellung und Verwendung zusätzlichen Personals sind auf dem Markt für Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen nach der Verkehrsauffassung nicht unentgeltlich zu bekommen. Indes ist genauso selbstverständlich, dass die abgefragte Leistung im Vorhinein für den Auftraggeber nicht weiter konkretisierbar, insbesondere quantifizierbar ist. Die bei der Vergütung anzuwendende Mischkalkulation ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
50Jedoch ist aufgrund der Vergabeunterlagen unklar und von der Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung nicht eindeutig und unmissverständlich bestimmt worden, ob die Bieter für den Fall sog. Großschadenslagen zusätzliches Personal anzubieten hatten oder nicht. Auf das Erfordernis eines dahingehenden Angebots deuteten der Inhalt des Bedarfsplans nach § 12 RettG NRW, die gesetzliche und bei Bietern als bekannt vorauszusetzende Verpflichtung der Antragsgegnerin gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 RettG NRW sowie der Wortlaut der weiteren Vertragsbedingungen unter 1.11 hin:
51Der Auftragnehmer (und nicht: Der Auftraggeber - wie die Antragsgegnerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.1.2012, S. 3, fehlerhaft wiedergegeben hat) benötigt im Fall von Großschadenslagen … zusätzliches … Personal … Die … benannten Personalressourcen werden Vertragsbestandteil.
52Hiernach hat die Regel zu gelten: Wer vom Angebot einer Bereitstellung zusätzlichen Personals bei Großschadenslagen absah, änderte die Vertragsunterlagen (Vergabeunterlagen) unzulässig ab und wäre mit seinem Angebot auszuschließen gewesen (§ 16 Abs. 3 Buchst. d, § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A).
53Zweifel an einer derartigen Auslegung der Ausschreibungsbedingungen erzeugt allerdings die bekannt gegebene Wertungsmatrix. Infolge der Angabe der Antragsgegnerin, wonach bei fehlender Personalbereitstellung für Großschadenslagen keine Wertungspunkte vergeben werden sollen, kann der Eindruck entstehen, ein Leistungsangebot sei in diesem Punkt nicht notwendig, ändere folglich auch die Vergabeunterlagen nicht ab und führe zu keinem Ausschluss von der Wertung, sondern lediglich zu einer Abwertung. Dies stellt sich die Antragsgegnerin - so die Ausführungen ihres Vertreters im Senatstermin - offenbar vor. Ihre diesbezüglichen Angaben in den Vergabeunterlagen sind indes widersprüchlich. Angaben in der Wertungsmatrix stehen solchen in den weiteren Vertragsbedingungen und deren Verständnis entgegen. Die für Bieter nötige Klarheit, ob die Leistung gefordert sein sollte, ist von der Antragsgegnerin nicht hergestellt worden. Dabei ist vergaberechtlich durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Leistung "Bereitstellung zusätzlichen Personals bei Großschadenslagen" fakultativ ausgeschrieben wird. Nur muss dies in der Leistungsbeschreibung dann unmissverständlich angegeben werden.
54cc) Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin die ihr obliegende Entscheidung, die Bereitstellung zusätzlichen Personals bei Großschadenslagen zusammen mit den Krankentransportleistungen auszuschreiben, diese jedoch nicht zum Gegenstand gesonderter Teillose zu machen, nicht rechtsfehlerfrei getroffen hat. Gemäß § 97 Abs. 3 GWB, § 2 Abs. 2 VOL/A sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) oder nach Fachgebieten (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Entscheidung für eine Gesamtvergabe ist dem öffentlichen Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, die von den Vergabenachprüfungsinstanzen lediglich auf die Einhaltung ihrer Grenzen zu kontrollieren ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.11.2009 - VII-Verg 27/09; Beschl. v. 11.7.2007 - VII-Verg 10/07). Indes hat die Antragsgegnerin den ihr danach zu Gebote stehenden Beurteilungsspielraum nicht oder fehlerhaft ausgeübt. Die erforderliche Gesamtabwägung eines Für und Wider hat nicht stattgefunden. Gründe, welche die Antragsgegnerin zu einer Gesamtvergabe bewogen haben, sind in der Vergabeakte an keiner Stelle dokumentiert und im Nachprüfungsverfahren nicht stichhaltig vorgetragen worden. Im Rahmen der Erörterung dieser Frage im Senatstermin hat sich der Vertreter der Antragsgegnerin darauf berufen, eine Zusammenfassung der Leistungen sei betriebswirtschaftlich erforderlich, es bestehe ein sachlicher und personeller Zusammenhang. Diese Begründung gelangt über formelhafte Ansätze nicht hinaus. Dasselbe hat im Ergebnis auch für die Ausführungen der Antragsgegnerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.1.2012 zu gelten, der demnach keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (entsprechend § 156 ZPO) gibt. So bestimmt § 7 Abs. 3 Satz 2 RettG NRW keineswegs, dass die gesetzlich gebotenen Vorbereitungen für den Einsatz des notwendigen zusätzlichen Personals bei sog. Großschäden - wie die Antragsgegnerin meint - "auf der Basis der Regelvorhaltung" für den Krankentransportdienst und, gewissermaßen vom Gesetz vorgegeben, im selben organisatorischen Rahmen zu treffen sind. Überdies kann die Ausbildung der einzusetzenden Kräfte bei Krankentransportwagen und technischem Gerät sowie ihre Ortskunde auch bei einer losweisen Vergabe sichergestellt werden. Ungeachtet dessen ist eine Losvergabe geeignet, zusätzliche Wirtschaftlichkeitseffekte zu eröffnen, dies etwa in der Form von Preisnachlässen bei einem auf mehrere Lose an einen Bieter ergehenden Zuschlag. Die von der Antragsgegnerin für eine Gesamtvergabe geltend gemachten Gründe lassen außerdem weder die notwendige umfassende Abwägung aller widerstreitenden Belange, noch erkennen, dass die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Umstände nicht nur anerkennenswert sind, sondern gegenüber einer Losvergabe überwiegen und den Vorzug verdienen. Dies bedeutet nicht, dass die Vorhaltung von zusätzlichem Personal für Großschadenslagen neben Krankentransport- oder Rettungsdienstleistungen generell getrennt auszuschreiben ist. Dass es bei der gebotenen Abwägung vielmehr beachtliche Gründe für eine Gesamtvergabe geben kann, ist im Senatstermin erörtert worden. Dahingehende Überlegungen sind von der Antragsgegnerin indes nicht angestellt worden. Die zu treffende Beurteilungsentscheidung ist gegebenenfalls nachzuholen. Gegebenenfalls kann Synergieeffekten auch dadurch Rechnung getragen werden, dass Bieter Angebote abgeben, die bei einer Beauftragung mit der Gesamtleistung niedrigere Entgelte vorsehen als bei einer Beauftragung nur mit Teilleistungen.
55dd) Soweit nach Nr. 2.4 Abs. 1 der Bewerbungsbedingungen der Stadt unvollständige Angebote zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden sollen, hat die Antragsgegnerin das ihr nach § 16 Abs. 2 VOL/A zu Gebote stehende Ermessen vorweg dahin ausgeübt, dass von einer Nachforderung generell abgesehen werden soll. Diesbezügliche Ermessenserwägungen sind nicht dokumentiert worden und auch sonst im Vortrag der Antragsgegnerin nicht festzustellen. Eine regelgerechte Ermessensentscheidung ist danach nicht ergangen. Sie bleibt, sofern sich für die bisherige Festlegung überzeugende Gründe finden lassen, weiterhin zu treffen.
56c) Für den Fall, dass die Antragsgegnerin trotz erklärter Absicht, bei einem Scheitern des angegriffenen Vergabeverfahrens Krankentransportleistungen nicht weiter auszuschreiben, sondern zu rekommunalisieren, an einer Auftragsvergabe nach dem GWB festhalten, das Vergabeverfahren zu einer Beseitigung der festgestellten Rechtsverstöße zurückversetzen und am Auftrag interessierten Unternehmen die Einreichung neuer Angebote ermöglichen sollte, erteilt der Senat in den zwischen den Verfahrensbeteiligten darüber hinaus umstrittenen Punkten folgende ergänzende Hinweise:
57aa) Die Gewichtung des Angebots im Wertungspunkt "Sicherstellung Großschaden" (Bereitstellung von zusätzlichem Personal für Schadensereignisse mit einer größeren Anzahl verletzter oder kranker Personen) mit 30 % ist nicht zu beanstanden. Bei den Wertungskriterien und deren Gewichtung hat der öffentliche Auftraggeber einen weiten Bestimmungs- und Entscheidungsspielraum. Nach welchen sach- und auftragsbezogenen Kriterien er seine Beschaffungsentscheidung ausrichten und wie er diese gewichten will, ist ihm im Nachprüfungsverfahren im Prinzip nicht vorzuschreiben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2010 - VII-Verg 42/09). Die die Gewichtung betreffende, angegriffene Entscheidung der Antragsgegnerin bewegt sich innerhalb des als angemessen und vertretbar zu bezeichnenden Rahmens.
58Der vom Antragsteller eingenommene Standpunkt, dass es sich beim Merkmal "Sicherstellung Großschaden" als solchem um ein sog. vergabefremdes Wertungskriterium handle, ist im Übrigen rechtlich fernliegend. Die Bereitstellung zusätzlichen Personals für den Fall von Ereignissen mit zahlreichen Verletzten oder Erkrankten ist Gegenstand der Ausschreibung, gleichviel, ob die Leistung in den Vergabeunterlagen gefordert ist oder lediglich fakultativ angeboten werden kann.
59Im vorgenannten Wertungspunkt ("Sicherstellung Großschaden") sind Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht unzulässig miteinander vermengt worden (vgl. dazu u.a. EuGH Urt. v. 24.1.2008 - C-532/06, Lianakis; BGH, Urt. v.15.4.2008 - X ZR 129/06, Sporthallenbau, Rn. 10 bis 13; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.1.2009 - VII-Verg 59/08; Beschl. v. 30.11.2009 - VII-Verg 41/09; VergabeR 2010, 83). Zwar sollen gemäß der Wertungsmatrix einem Angebot desto mehr Wertungspunkte zuteil werden, je mehr Personal bei sog. Großschadenslagen zur Verfügung gestellt wird. Doch handelt es sich dabei um einen im Wesentlichen ausführungsbezogenen Umstand. Durch zahlenmäßige Angabe des bei Großschäden zusätzlich verfügbaren Personals soll im Angebot dargestellt werden, auf welche Weise der betreffende Bieter einer Leistungsverpflichtung nachzukommen gedenkt.
60bb) Das Zuschlagskriterium "Qualität" ist entgegen der Kritik des Antragstellers weder unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens zusätzlicher Unterkriterien noch unter dem einer unstatthaften Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien zu bemängeln. Als Unterkriterien sollen einerseits ein Qualitätsmanagement und Hygienekonzept sowie andererseits ein Beschwerdemanagement dienen. Was Bieter sich darunter vorzustellen hatten, ist im Qualitätsfragebogen hinreichend erläutert worden. Weiterer Unterkriterien bedurfte es nicht.
61So wie die Antragsgegnerin die genannten Unterkriterien verwendet hat, sind sie in den Augen eines fachkundigen Bieters als auftragsbezogen aufzufassen. Es geht der Antragsgegnerin um eine Beschreibung im Angebot, wie, d.h. mit welchen konzeptionellen Maßnahmen und Mitteln die vertraglichen Aufgaben hinsichtlich Qualität und Hygiene sowie bei Beschwerden sachgerecht erfüllt werden sollen. Dies betrifft im Wesentlichen die Art und Weise der Aufgabenerfüllung, nicht hingegen die Eignungsmerkmale.
62cc) Das Wertungskriterium "zusätzliche Betriebskosten" (damit sollen nach Nr. 9 der weiteren Vertragsbedingungen Sicherstellungsleistungen beim Ausfall eines nach § 18 RettG NRW tätigen Privatunternehmens bewertet werden) und die daran beanstandete Festlegung, wonach Angebote von Bietern, die über eine Genehmigung nach § 18 RettG NRW verfügen, mit null Punkten bewertet werden, solche Angebote, die von Bietern ohne eine solche Genehmigung unterbreitet werden, hingegen 100 Punkte erhalten sollen, beeinträchtigt - wie sich im Rahmen der Erörterung dieser Frage im Senatstermin herausgestellt hat - nicht die Auftragschancen des Antragstellers. Als nicht aufgrund einer Genehmigung nach § 18 RettG NRW tätiges Unternehmen hätte der Antragsteller bei diesem Wertungsmerkmal die volle Punktzahl verdient.
63dd) Der Antragsteller ist nicht befugt, mit der Begründung, die Preisangebote von am Vergabeverfahren beteiligten Bietern - insbesondere solche von freiwilligen Hilfsorganisationen - stünden in einem Missverhältnis zur Leistung, deren Ausschluss von der Wertung zu verlangen (§ 107 Abs. 2 GWB, § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A). Der Antragsteller hat sich selbst nicht mit einem Angebot an der Ausschreibung beteiligt. Infolgedessen droht ihm durch eine Wertung solcher eingereichten Angebote keine Beeinträchtigung seiner Auftragschancen und kein Schaden.
64Unabhängig davon ist gegen eine Beteiligung freiwilliger Hilfsorganisationen an Ausschreibungen der vorliegenden Art vergaberechtlich zumindest grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn diese - anders als sich ebenfalls bewerbende gewerbliche Unternehmen - über ehrenamtlich tätige Sanitäts- und Rettungskräfte verfügen und bei Ausrüstung, Krankentransport- und Rettungsfahrzeugen sowie bei den Kosten vom Staat bekanntermaßen finanziell unterstützt werden.
65Die frühere Vorschrift des § 7 Nr. 6 VOL/A, wonach Justizvollzugsanstalten oder ähnliche Einrichtungen, zu denen möglicherweise auch freiwillige Hilfsorganisationen gezählt werden konnten, zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen nicht zuzulassen sind, ist in die VOL/A 2009 (Abschnitte 1 und 2) nicht übernommen worden. Sie ist ersatzlos entfallen.
66§ 19 Abs. 7 EG VOL/A betreffend Angebote, die aufgrund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig sind, ist nur auf die dem 2. Abschnitt der VOL/A unterfallenden Auftragsvergaben anzuwenden, auf den Streitfall hingegen nicht (s.o.). Eine entsprechende Bestimmung fehlt im 1. Abschnitt der VOL/A. Eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 7 EG VOL/A scheidet in Ermangelung einer vom Normgeber unbewusst gelassenen Regelungslücke aus. Wollte man die Vorschrift trotzdem entsprechend heranziehen, sind im vorliegenden Fall jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben. Erforderlich ist, dass die mit Hilfe staatlicher Beihilfen eingereichten Angebote im Sinne des § 19 Abs. 6 Satz 1 EG VOL/A (gleichlautend: § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A) ungewöhnlich niedrig sind. Dafür liegen keine Anhaltspunkte, nicht einmal die Aufgriffsvoraussetzungen für eine Aufklärung und vertiefende Prüfung vor.
67Der Antragsteller hat ungewöhnlich niedrige Angebote der freiwilligen Hilfsorganisationen im Vergabeverfahren ins Blaue hinein und deswegen prozessual unzulässig behauptet. Tatsächliche Anhaltspunkte sind dafür nicht gegeben (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59, Rn. 39 f. m.w.N.). Sie sind vom Antragsteller auch nicht vorgetragen worden.
68Tatsächlich liegen die Angebote der zum vorliegenden Nachprüfungsverfahren beigeladenen freiwilligen Hilfsorganisationen in unterschiedlicher Höhe preislich über dem von der Antragsgegnerin ermittelten Kostenaufwand für den Auftrag. Das Angebot des Antragstellers im parallelen Nachprüfungsverfahren (Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens VII-Verg 68/11), eines privaten Unternehmens, unterschreitet das Preisangebot einer ebenfalls am Vergabeverfahren beteiligten freiwilligen Hilfsorganisation deutlich. Dies ist dem Antragsteller im Rahmen der Erörterung der Sache im Senatstermin bekannt gegeben worden.
69Die Behauptung des Antragstellers, die freiwilligen Hilfsorganisationen (wie …, …, …, …) bildeten auf dem einschlägigen Angebotsmarkt ein nach § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenes Kartell, ist ohne eine für die Entscheidung verwertbare Substanz. Zur sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung ist vom Antragsteller nichts ausgeführt worden. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für explizit wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen oder für abgestimmte Verhaltensweisen vorgetragen worden. Die voneinander abweichenden Preisangebote der freiwilligen Hilfsorganisationen im streitigen Vergabeverfahren deuten darauf jedenfalls nicht hin.
70ee) An den mit dem Bieterfragebogen (unter 3.) verlangten Erläuterungen der Struktur der dem Bieter zur Verfügung stehenden Personal- und Sachmittelressourcen ist zum Zweck der Eignungsprüfung sachlich nichts auszusetzen. Die Vorlage von Unterlagen, die der Auftraggeber für die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers oder Bieters verlangt, sind freilich bereits in der Bekanntmachung anzugeben (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Buchst. l VOL/A). Die vorgenommenen Bekanntmachungen weisen dahingehende Angaben nicht auf.
71Eine abschließende Liste der geforderten Nachweise (vgl. § 8 Abs. 4 VOL/A) ist in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots enthalten. Soweit der Angebotsvordruck darüber hinausgehende Eigennachweise enthält, ist dies unschädlich. Die Nachweise werden mit der Abgabe eines Angebots auf dem Vordruck eingereicht. Allerdings sind auch insoweit die Bekanntmachungsvorschriften von der Antragsgegnerin nicht beachtet worden (s.o.).
72Das Fehlen näherer Angaben der Antragsgegnerin zu einem möglichen Betriebsübergang nach § 613a BGB (s. weitere Vertragsbedingungen unter 14.1) ist nicht zu bemängeln. Der Auftraggeber hat insoweit in den Vergabeunterlagen grundsätzlich nur in Bezug auf solche Verhältnisse Angaben und (dann auch verbindliche) Festlegungen vorzunehmen, die er ohnehin und positiv kennt. Hinsichtlich eines Betriebsübergangs kann die erforderliche Tatsachenkenntnis bei der Antragsgegnerin ausgeschlossen werden. Generell betrachtet ist sie ebenso eher zu verneinen als anzunehmen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2009 - VII-Verg 50/08, BeckRS 2009, 25237).
73Das vormalige (grundsätzliche) Verbot einer Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse (eine Sollvorschrift, vgl. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006) ist seit Inkrafttreten der Neufassung der VOL/A (Abschnitte 1 und 2) im Übrigen nicht mehr existent und von den Vergabenachprüfungsinstanzen als solches nicht mehr zu prüfen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2011 - VII-Verg 54/11, NZBau 2011, 762; Beschl. v. 7.11.2011 - VII-Verg 90/11; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 2.8.2011 - WVerg 4/11; OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2011 - 9 Verg 2/11). Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof wegen einer Divergenz bei dieser Rechtsfrage (§ 124 Abs. 2 GWB) scheidet mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsauffassung des Senats im Streitfall aus.
74Der vom Antragsteller beanstandete Umstand, dass nach der von der Antragsgegnerin ursprünglich festgelegten Bindefrist für die Angebote (§ 10 Abs. 1 VOL/A) nach Zuschlagserteilung für die Vorbereitung und den Beginn der Ausführung lediglich etwa sechs bis sieben Wochen übrig blieben, ist im Vergabenachprüfungsverfahren nicht zu überprüfen. Bei der Festlegung des Auftragsbeginns handelt es sich um eine Vertragsbestimmung, nicht aber um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren, deren Verletzung im Nachprüfungsverfahren allein Gegenstand einer Überprüfung ist (vgl. § 97 Abs. 7, § 107 Abs. 2 GWB). Ungeachtet dessen erschöpft sich die diesbezügliche Kritik des Antragstellers, wonach die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeitdauer für eine Vorbereitung der Vertragsausführung nicht auskömmlich sei, in einer bloßen Rechtsfolgenbehauptung, die ohne einen eingehenden Vortrag zu den sie tragenden Tatsachen einer Überprüfung nicht zugänglich ist.
75Die Vorschriften über eine (beauftragte) Geschäftsführung vor Ort sowie über Orts- und Infrastrukturkenntnisse des Personals (weitere Vertragsbedingungen unter 2.0 und 2.2) sind nicht zu bemängeln, sondern beinhalten in der Sache Selbstverständliches. Auch dabei handelt es sich nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren.
76Soweit in den weiteren Vertragsbedingungen geregelt ist (unter 1.7):
77Die Krankentransporte sind ausschließlich im Auftrag und nach Weisung des Auftraggebers durchzuführen. Andere Krankentransporte dürfen nicht durchgeführt werden,
78handelt es sich ebenfalls um eine Vertragsbestimmung, die keiner vergaberechtlichen Prüfung unterliegt. Davon abgesehen ergibt die Auslegung (wie die Vergabekammer mit Recht entschieden hat - VKB 59), dass dem Auftragnehmer ausschließlich in dieser Funktion weitere Krankentransporte im Auftrag Dritter untersagt sein sollen.
79Die Vertragsstrafenregelung unter 10.1 der weiteren Vertragsbedingungen ist nicht unangemessen. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 VOL/A ("sollen") lässt insoweit Abweichungen vom Normtext zu, die - gemessen an den Besonderheiten des Auftrags und zur Sicherstellung einer vertragsgerechten Erfüllung - nicht zu kritisieren sind. Eine Überprüfung der Vertragsstrafenbestimmung nach Maßgabe der §§ 339 ff. BGB oder der Vorschriften der VOL/B ist im Vergabenachprüfungsverfahren im Übrigen ausgeschlossen.
80Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 120 Abs. 2 GWB.
81Bei der Streitwertbemessung (§ 50 Abs. 2 GKG) ist der Senat (in Ermangelung eines Angebots des Antragstellers) gemäß seiner Rechtsprechung von der im Vergabevermerk vom 24.11.2010 dokumentierten Auftragswertermittlung der Antragsgegnerin ausgegangen (2.250.000 Euro netto für die zunächst vorgesehene Vertragsdauer von einem Jahr bis zum 30.4.2012, zuzüglich Umsatzsteuer). Entsprechend § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV sind mögliche Vertragsverlängerungen berücksichtigt worden (bis zu einer Gesamtvertragsdauer von fünf Jahren).
82Dicks Schüttpelz Rubel
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