Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 95/11
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 21.Oktober 2011 (VK 1 - 123/11) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 230.000 € festgesetzt.
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2A.
3Die Antragsgegnerin schrieb mit EU-weiter Bekanntmachung vom 29.7.2011 im offenen Verfahren die Vergabe des "Rahmenvertrags Berufe.TV" aus, dessen Gegenstand die Produktion von berufskundlichen und anderen Filmen sowie die Bereitstellung der Filme im Internet, für mobile Geräte und zum Abruf in ihren Berufsinformationszentren ist. Im Jahr sollen 40 bis 50 Filme produziert werden. Optional sollen die Entwicklung von neuen Filmformaten und die Weiterentwicklung von Berufe.net erfolgen.
4Die Vertragslaufzeit soll 72 Monate ab Auftragsvergabe betragen. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin in der Bedarfsanforderung vom 17.6.2006 sowie in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ausgeführt:
5Die enge Verzahnung aus Filmproduktion, Redaktionsdienstleistung und Programmierung - inklusive Aufbau und Pflege eines Content-Management-Systems (CMS) - erfordert vom Auftragnehmer erhebliche Investitionen und Aufwände, speziell in der Startphase und bei einem Auftragnehmerwechsel. Diese finanziellen und personellen Aufwände tangieren den Angebotspreis (Mischkalkulation). Eine mögliche längere Vertragslaufzeit reduziert diese Fixkosten im Verhältnis. Es ist davon auszugehen, dass sich in der Gesamtsumme dadurch - bezogen auf sechs Jahre - ein wirtschaftlicheres Angebot ergibt. Dieses betriebswirtschaftliche Modell berücksichtigt auch die denkbaren kalkulatorischen Auswirkungen auf die Personalkosten.
6Die Angebotsfrist endete am 12.9.2011.
7In der EU-Bekanntmachung heißt es unter III.2.2) "wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" unter anderem:
8Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:
9- berufskundliche Filmprojekte
- redaktionelle und IT-spezifische Kenntnisse
- Nachweis technischer Betrieb
Zum Eignungskriterium "berufskundliche Filmprojekte" war in der Anlage E.2 unter B.I.1.3.1 gefordert:
11Benennen Sie bitte drei von ihnen erstellte berufskundliche Filmprojekte als Referenzen, die sie innerhalb der letzten drei Jahre abgewickelt haben und durch welche ihre Kenntnisse in der Filmproduktion der Berufskunde gemäß Leistungsbeschreibung nachgewiesen werden!
12Für jede Referenz ist eine detaillierte Beschreibung des Auftrags in inhaltlicher Sicht anzugeben.
13Zum Eignungskriterium "redaktionelle und IT-spezifische Kenntnisse" heißt es in der Anlage E.2 unter B.I.1.3.2:
14Benennen Sie bitte ein Referenzprojekt aus den letzten drei Jahren, durch welches ihre redaktionellen und IT-spezifischen Kenntnisse gemäß Leistungsbeschreibung und Technischer Dokumentation (Anlage 1 zur Leistungsbeschreibung) nachgewiesen werden aus! Speziell nachzuweisen sind insbesondere Kernkompetenzen der Programmierer in PHP, Flash – inklusive Flash-Programmierung, ActionScript3, JavaScript, Objective-C, Programmierung und Betreuung von CMS-Video-Systemen und Programmierung von mobilen Applikation. Bei Einreichen von mehr als einer Referenz wird die mit Nummer 1 versehene Referenz in die Bewertung einbezogen.
15Zum Eignungskriterium "Nachweis technischer Betrieb" lautet die Anlage E.2 unter B.I.1.4:
16Bitte weisen Sie Ihre Fähigkeit zum technischen Betrieb durch Ihr Unternehmen nach! Beschreiben Sie auf maximal 10 DIN-A4-Seiten (...) die technische Ausstattung, Anzahl der bisher gehosteten und betreuten Filme sowie Erstellung von Navigationsstrukturen und Landingpages! Es könnte Testlinks zu bestehenden Projekten angegeben werden.
17Ein weiteres Bewertungskriterium im Bereich der fachlichen Anforderungen (Anlage E.2 II.2 i.V.m. B.II.2.3) ist die "Konzeption Weiterentwicklung Berufe.TV-Medienangebot", zu dem in der Anlage E.2 unter B. II.2.3 angegeben ist:
18Bitte unterbreiten Sie auf maximal 4 DIN-A4-Seiten (...) Vorschläge zur Weiterentwicklung der Berufe.TV-Medienangebote!
19In der Leistungsbeschreibung, nach der sich bei der "Weiterentwicklungsberufe TV-Medienangebots" um eine optionale Leistung (V.0) handelt, heißt es unter V.2:
20Die Weiterentwicklung des Berufe.TV-Medien Angebots kann individuell konzeptioniert und individuell beauftragt werden. Der Auftragnehmer ist gefordert, selbst Vorschläge zu entwickeln und dem Auftraggeber vorzulegen. Im Preisblatt ist der Stundensatz für die Konzeption anzugeben. Sofern die Konzeption umgesetzt werden sollte, ist dann - nach entsprechender Aufforderung durch den Auftraggeber - ein separates Angebot zu erstellen.
21Nach den Bewerbungsbedingungen sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot, welches nach der erweiterten Richtwertmethode gemäß UfAB ermittelt werden sollte, erfolgen.
22Die Anlage E.2 der Vergabeunterlagen enthält unter III.0 ein Bewertungsschema. Unter III.1 sind Bewertungskriterien für die Leistung mit jeweiliger Gewichtung und jeweils zu erreichender Mindestpunktzahl aufgelistet. Das Nichterreichen der Mindestpunktzahl führt zum Ausschluss des Bieters. Das Begründungsschema für die Bewertung der einzelnen Kriterien vor Gewichtung stellt sich wie folgt dar:
230 Punkte: Erwartungen und Niveau wurden nicht erfüllt, weil ...
241 Punkt: Erwartungen und Niveau werden nur zum Teil abgedeckt, weil ...
252 Punkte: Erwartungen und Niveau werden überwiegend abgedeckt, weil ...
263 Punkte: Erwartungen und Niveau werden in vollem Umfang abgedeckt, weil ...
27Für die Eignungsprüfung gilt das vorstehende Bewertungsschema. Bei jedem der drei vorgenannten Eignungskriterien ist eine Bewertung von 2 Punkten erforderlich, um mit der entsprechenden Gewichtung die jeweilige Mindestanzahl zu erreichen. Liegt die erreichte Punktzahl unter der Mindestpunktzahl, ist der Bieter auszuschließen. Dies gilt auch für das Kriterium "Konzeption Weiterentwicklung Berufe.TV-Medienangebot".
28Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 18.8.2011 und 31.8.2011 unter anderem die Anforderung an die Referenzen zu den berufskundlichen Filmprojekten. Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 25.8.2011 und 31.8.2011 zurück.
29Die Antragstellerin rügte mit weiteren Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7.9.2011 und 9.9.2011 unter anderem weitere vermeintliche - im Nachprüfungsverfahren nicht mehr geltend gemachte - Vergaberechtsverstöße, worauf die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.9.2011 erwiderte.
30Die Antragsgegnerin stellte noch vor Ablauf der Angebotsfrist mit Schriftsatz vom 8.9.2011 einen Nachprüfungsantrag und reichte ein Angebot ein.
31Die Antragsgegnerin kam bei der Eignungsprüfung zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin bei den drei Bewertungskriterien "berufskundliche Filmprojekte", "redaktionelle und IT-spezifische Kenntnisse" sowie "Nachweis technischer Betrieb" jeweils nicht die geforderte Mindestpunktzahl erreicht und folglich wegen mangelnder Eignung auszuschließen sei. Ferner kam die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin auch beim Kriterium "Weiterentwicklung des Berufe.TV-Medienangebots" nicht die geforderte Mindestpunktzahl erreicht und ihr Angebot mithin nicht als wirtschaftlichstes in Betracht komme.
32Nur einer der 11 Bieter, die bisherige Auftragnehmerin, bestand die Eignungsprüfung sowie die fachliche Prüfung und wurde von der Antragsgegnerin zur Abgabe von Arbeitsproben aufgefordert.
33Zur Begründung des Nachprüfungsantrags hat die Antragstellerin ausgeführt, die Antragsgegnerin habe gegen den vergaberechtlichen Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem sie als Referenz die Benennung von berufskundlichen Filmprojekten verlange, die Kenntnisse der Filmproduktion und der Berufskunde gemäß Leistungsbeschreibung nachwiesen. Nur Unternehmen, die bereits für die Antragsgegnerin tätig gewesen seien, könnten solche Referenzen vorlegen. Ferner hat die Antragstellerin die Wertung der Antragsgegnerin beanstandet.
34Die Antragstellerin hat beantragt,
35- festzustellen, dass sie in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist,
- die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren "Herstellung von Filmen und -videofilmen" gemäß der Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 29.7.2011, Aktenzeichen 2011/S 144-239440, in den Stand vor der Veröffentlichung des Dienstleistungsauftrag zurückzuversetzen und im Falle der fortbestehenden Beschaffungsabsicht die Ausschreibung entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer einheitlich für alle Bieter zu bearbeiten,
- hilfsweise, ihr Angebot vom 8.9.2011 nicht auszuschließen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer eine Neubewertung vorzunehmen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
37den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
38Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ausgeführt, für das Eignungskriterium "berufskundliche Filmprojekte" seien sowohl Kenntnisse der Filmproduktion als auch der Berufskunde nachzuweisen. Diesen inhaltlichen Mindestanforderungen müsse ein Bieter genügen. Wesentlich seien vergleichbare Inhalte. Es komme nicht darauf an, für welchen Auftraggeber produziert worden sei. Die Kompetenz werde durch die Referenzen nachgewiesen.
39Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 21.10.2011 stattgegeben. Sie hat der Antragsgegnerin untersagt, auf der Grundlage der bisherigen Angebotswertung den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, die Bewertung des Eignungskriteriums "berufskundliche Filmprojekte", welches als solches nicht zu beanstanden sei, sei fehlerhaft. Auch die Bewertung des Eignungskriteriums "redaktionelle und IT-spezifische Kenntnisse" beschränke die Bieter unangemessen in ihren Möglichkeiten, die erst aus der Wertung ersichtlichen hohen Eignungsanforderungen nachzuweisen. Ebenso liege beim Bewertungskriterium "Konzeption Weiterentwicklung Berufe.TV-Medienangebot" ein Vergabeverstoß vor. Die unzureichenden Wertungsvorgaben könnten die schlechte Bewertung nicht rechtfertigen.
40Gegen den Beschluss der Vergabekammer hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verfahren vor der Vergabekammer. Sie beanstandet weiter, sie habe entgegen der Auffassung der Vergabekammer bei allen Bewertungskriterien unter Beachtung des Transparenzgrundsatzes die den Bietern gestellten Anforderungen hinreichend deutlich gemacht. In konsequenter Beachtung der mitgeteilten Anforderungen habe sie bei jedem Bewertungskriterium eine ermessensfehlerfreie Bewertung des Angebots der Antragstellerin vorgenommen. Es seien weder überhöhte Anforderungen gestellt worden, noch seien die Bieter im Unklaren gelassen worden, welche Inhalte abzudecken waren.
41Die Antragsgegnerin beantragt,
42den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 21.10.2011 (VK 1 - 123/11) aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
43Die Antragstellerin beantragt,
44die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
45Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss, indem sie das Vorbringen aus dem Verfahren vor der Vergabekammer wiederholt und sich der Auffassung der Vergabekammer anschließt.
46Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakte der Antragsgegnerin verwiesen.
47B.
48Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.
49Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer verwiesen. Der Nachprüfungsantrag ist schon deshalb begründet, weil die Antragsgegnerin eine zu lange Vertragslaufzeit vorgesehen und diese nicht hinreichend gerechtfertigt hat. Ausweislich II.3) der EU-Bekanntmachung soll die Vertragslaufzeit 72 Monate ab dem Zeitpunkt der Auftragsvergabe betragen. Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf jedoch vier Jahre grundsätzlich nicht überschreiten (siehe: Art. 31 Abs. 2 UA 4 Richtlinie 2004/18/EG, siehe auch: § 4 Abs. 1 S. 4 VOL/A und § 4 Abs. 7 EG VOL/A). Die Regellaufzeit bezweckt, dass das geschlossene System der Rahmenvereinbarung die Auftragsvergabe nur für einen begrenzten Zeitraum dem Wettbewerb entzieht. Die Laufzeitbegrenzung ist daher unauflösbar mit der spezifischen Systematik der Rahmenvereinbarung verknüpft, welche einerseits Effizienzgewinne ermöglicht, andererseits aber wettbewerbsbeschränkend wirkt. Insoweit konkretisiert die Vorschrift den allgemeinen Wettbewerbsgrundsatz. Soll die Vertragslaufzeit länger als vier Jahre betragen, muss der Auftraggeber diesen eng zu begrenzenden Sonderfall "aufgrund des Gegenstands der Rahmenvereinbarung" rechtfertigen, wobei der Auftragsgegenstand oder andere besondere Umstände herangezogen werden können. Eine längere Dauer kann beispielsweise durch die Erforderlichkeit erheblicher Aufwendungen bei der Entwicklung des Vertragsgegenstandes gerechtfertigt werden, wenn dem Auftragnehmer mit Rücksicht darauf eine Amortisation zugestanden werden soll (siehe zum Ganzen: BayObLG, Beschluss vom 17.2.2005, Verg 27/04 "integrierte Leitstelle"; Zeise in Kulartz u.a., VOL/A, 2. A., § 4 VOL/A, Rdnr. 29 m.w.N., § 4 EG VOL/A, Rdnr. 57 m.w.N.; Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 99 GWB, Rdnr. 23). Obwohl für die Rechtfertigung einer längeren Vertragsdauer prognostische Beurteilungen bedeutsam sein können, ist dem Auftraggeber kein - nur auf die Einhaltung seiner Grenzen - kontrollierbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt, so dass die Rechtfertigung einer längeren als vierjährigen Vertragsdauer im Nachprüfungsverfahren in vollem Umfang überprüft werden kann. Die Überprüfung erfolgt anhand der Gründe, die der Auftraggeber im Vergabevermerk nachvollziehbar zu dokumentieren hat (siehe auch: Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2004/18/EG a.E.). Gemessen daran reicht die schmale Begründung der Antragsgegnerin in der Bedarfsanforderung vom 17.6.2011 und der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht aus, um die die vierjährige Regellaufzeit um 50 % übersteigende Vertragsdauer zu rechtfertigen. Es ist zwar zutreffend, dass eine längere Vertragsdauer die Fixkosten des Auftragnehmers reduziert und diesem ein wirtschaftlicheres Angebot ermöglicht. Dieser Umstand - der bei jeder Vergabe festzustellen sein dürfte - reicht im Streitfall aber nicht aus, um die Abweichung von der Regellaufzeit und eine daraus folgende Wettbewerbseinschränkung, die möglicherweise zu weniger und höherpreisigen Angeboten führt, zu rechtfertigen. Auch die Begründung, in der Startphase und durch den Auftragnehmerwechsel seien erhebliche Investitionen notwendig, ist letztlich nicht ausreichend und überzeugend. Dies zeigt unter anderem das Angebot der Antragstellerin, die für das so genannte Übergabemanagement lediglich Kosten in Höhe von 20.000 € angesetzt hat, die im Verhältnis zur Bruttoauftragssumme vernachlässigenswert niedrig sind.
50Die Antragsgegnerin wird, sofern die Vergabeabsicht fortbesteht, die vorstehenden Ausführungen bei der erforderlichen neuen EU-Bekanntmachung der Ausschreibung zu berücksichtigen haben.
51Der Senat weist für den Fall einer erneuten Ausschreibung vorsorglich auf folgende weitere zu berücksichtigende Punkte hin:
521. Das Eignungskriterium "berufskundliche Filmprojekte" dürfte als solches nicht zu beanstanden sein, sofern - wie die Antragsgegnerin zugestanden hat - auch Filmproduktionen zugelassen sind, die nicht unternehmensneutral sind und einen werbenden Charakter aufweisen. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn gefordert wird, dass durch die Filmreferenzen in einer Weise filmische Erfahrungen nachgewiesen werden, die erkennen lassen, dass der Bieter auch berufskundliche Filme produzieren kann, die sich in das Portfolio von Berufe.TV einfügen. Dazu müssen zwar keine Filmreferenzen vorlegt werden, die genau den Leistungsvorgaben der vorliegenden Ausschreibung entsprechen, diese müssen aber erkennen lassen, dass der Bieter in der Lage ist, die wesentlichen Merkmale eines Berufsfilms, der eine Ausbildung, ein Studium oder einen Beruf vorstellt, in einer solchen Produktion abzubilden. Es ist allerdings zu beachten, dass in diesem Zusammenhang keine übersteigerten Anforderungen an die Filmreferenzen gestellt werden. Dass ein Bieter einen berufskundlichen Film erstellen kann, hat er nicht mittels der vorzulegenden Filmreferenzen, sondern durch die vorzulegende Arbeitsprobe nachzuweisen. Dafür, dass die Antragsgegnerin möglicherweise übersteigerte Anforderungen an die Filmreferenzen gestellt hat, könnte sprechen, dass nur zwei von elf Bietern nicht an diesem Eignungskriterium gescheitert sind.
532. Das Eignungskriterium "redaktionelle und IT-spezifische Kenntnisse" dürfte als solches ebenfalls nicht zu beanstanden sein. Zu beanstanden dürfte jedoch sein, dass diese Kenntnisse nur durch ein einziges Referenzprojekt aus den letzten drei Jahren nachgewiesen werden dürfen. Eine solche Vorgabe dürfte den Bieterkreis unzulässig verengen. Die Begründung der Antragsgegnerin, nur die Darstellung der geforderten Kenntnisse im ihrer Gesamtheit könne einen zuverlässigen Aufschluss darüber geben, ob der Bieter zu einer erfolgreichen Vertragsausführung in der Lage sei, vermag nicht zu überzeugen. Dagegen spricht bereits, dass die Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung vorträgt, dass nicht alle, sondern nur ein Teil der von ihr in der Anlage E.2 genannten Kernkompetenzen "standardmäßig die technologische Basis von Videoportalen" bilden. Es fehlen JavaScript und Objective-C. Selbst wenn es zutreffend wäre, dass alle Softwareprogrammierungen tatsächlich in einer systematischen Einheit zusammenarbeiten müssen, erscheint es gleichwohl nicht zwingend, den Bietern ausschließlich die Möglichkeit zu geben, die reibungslose Zusammenarbeit der Softwareprogrammierung nur in einer einzigen Referenz nachweisen zu können.
543. Beim Eignungskriterium "Nachweis technischer Betrieb" müsste die Antragsgegnerin zunächst ihre Erwartungen genau definieren, wenn sie die Erfüllung dieser Erwartungen durch den Bieter differenziert bewerten will. Das vorliegende Bewertungsschema sieht vier Bewertungsstufen vor. Jede Bewertungsstufe stellt darauf ab, in welchem Umfang die Erwartungen des Auftraggebers durch den Bieter erfüllt werden. Die höchste Punktzahl von drei Punkten ist nur zu erreichen, wenn die Erwartungen in vollem Umfang abgedeckt werden. Die notwendige Mindestbewertung mit zwei Punkten ist nur zu erreichen, wenn die Erwartungen zumindest überwiegend abgedeckt werden. Ein Bieter, der die Erwartungen nur teilweise erfüllt, wird ausgeschlossen. Weder der Bezeichnung des Eignungskriteriums noch den Vergabeunterlagen ist zu entnehmen, welche konkreten Erwartungen die Antragsgegnerin hat. In der Anlage E.2 wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Fähigkeiten zum technischen Betrieb auf maximal 10 DIN-A4-Seiten zu beschreiben sind. Darüber hinaus wird gefordert, dass die technische Ausstattung, die Anzahl der gehosteten und betreuten Filme sowie die Erstellung von Navigationsstrukturen und Landingpages zu beschreiben sind. Die Notwendigkeit darüber hinausgehender Angaben kann ein Bieter allenfalls mittelbar der Bekanntmachung, der Leistungsbeschreibung und der technischen Dokumentation entnehmen. Angesichts des Umfangs der Leistungsbeschreibung einschließlich der technischen Dokumentation vermag er allerdings ohne weitere detailliertere Anforderungen des Auftraggebers nicht, dessen Erwartungen präzise zu definieren und seinem Angebot zugrunde zu legen. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer ausgeführt, der geforderte Nachweis müsse die gesamte Leistungsbeschreibung, die 32 DIN-A4-Seiten umfasst, einschließlich der technischen Dokumentation, die weitere 29 DIN-A4 -Seiten umfasst, abdecken. Diese Aussage wird auch durch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bewertung bestätigt. Diesen Erwartungsumfang konnte ein Bieter angesichts der nur rudimentärem Beschreibung des Eignungskriteriums "Nachweis technischer Betrieb" nicht erkennen. Dass ein Bieter die 29-seitige technische Dokumentation nicht auf maximal 10 DIN-A4-Seiten wiedergeben konnte und musste, wie die Antragsgegnerin ausführt, ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist, dass der "Nachweis technischer Betrieb" die Berücksichtigung der Vorgaben der technischen Dokumentation voraussetzt. Dies enthebt die Antragsgegnerin jedoch nicht davon, ihre Erwartungen an den anzugebenden Inhalt des Eignungskriteriums "Nachweis technischer Betrieb" näher einzugrenzen und zu definieren. Auch soweit das Bewertungsschema darauf abstellt, in welchem Umfang ein "Niveau" erfüllt wird, ist für einen Bieter nicht ersichtlich, was mit dem unbestimmten und auch nicht näher erläuterten Begriff des "Niveaus" gemeint ist.
554. Bei dem Kriterium "Konzeption Weiterentwicklung Berufe.TV-Medienangebot" dürfte zum einen eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vorliegen. Zum anderen ist für den Bieter unklar, welche Erwartungen die Antragsgegnerin bei der Bewertung leiten. In der Anlage E.2 werden die Bieter lediglich dazu aufgefordert, auf maximal vier DIN-A4-Seiten Vorschläge zur Weiterentwicklung des Berufe.TV-Medienangebots zu machen. Es ist nicht einmal ersichtlich, welche Zielrichtung wertbare Vorschläge haben sollen und ob nicht zielführende Vorschläge zu einer Abwertung führen. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, ihre Erwartungshaltung werde unter III.6 der Leistungsbeschreibung dargestellt, geht dies fehl. Die Leistungsanforderung "Weiterentwicklung des Berufe.TV Medienangebots" findet sich in der Leistungsbeschreibung unter V.2 im Bereich der "Optionalen Leistungen" (V.0). In diesem Zusammenhang gibt es keine Anhaltspunkte, die einen Schluss auf die Erwartungen der Antragsgegnerin zulassen. Es fehlt auch ein Verweis auf III.6 der Leistungsbeschreibung, der mit "konzeptionelle Leistungen und Umsetzung" überschrieben ist. Ein Bezug zur Entwicklung des Berufe.TV Medienangebots in der Zukunft ist weder aus dieser Überschrift, noch aus dem Inhalt ersichtlich. Vielmehr bezieht sich III.6 auf ein völlig anderes Bewertungskriterium, nämlich das Kriterium "Beschreibung kVP" (= kontinuierlicher Verbesserungsprozess). Die Verbesserung eines Produkts und die Weiterentwicklung eines Produkts in der Zukunft haben zwar Berührungspunkte, sind aber keinesfalls identisch.
56C.
57Die Entscheidung über die Kosten und Aufwendungen beruht auf den §§ 120 Abs. 2, 78 GWB
58Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
59
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