Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 8/11
Tenor
Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Oberlandesgericht vom 23. Februar 2012 wird auf ihre Kosten verworfen.
1
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Der Senat hat mit Beschluss vom 16. März 2011 die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1. jeweils zu 50% auferlegt. Die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB hat er der Antragsgegnerin zu 50% und den Beigeladenen zu 1. und 5. zu je 25% auferlegt.
4Die Antragstellerin hat für das Verfahren vor der Vergabekammer eine 2,5 Geschäftsgebühr gemäß 2300 VV RVG (nebst weiterer Kosten) sowie für das Beschwerdeverfahren eine 1,6 Verfahrensgebühr gemäß 3200 VV RVG (nebst weiterer Kosten) angemeldet. Eine Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG hat sie unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.08.2010 (VIII ZB 17/09) für ausgeschlossen erachtet, weil ihre Verfahrensbevollmächtigten aufgrund einer Honorarvereinbarung nach § 3a RVG tätig gewesen seien.
5Der Rechtspfleger hat mit dem angefochtenen Beschluss u.a. eine 1,3 Geschäftsgebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer nach Nr. 2301 VV RVG festgesetzt sowie für das Beschwerdeverfahren eine Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr vorgenommen. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Antragstellerin.
6II.
7Die – an sich statthafte (§ 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 S. 3 GWB, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1, 2 RPflG) – Erinnerung hat keinen Erfolg.
81.
9Die Erinnerung ist bereits unzulässig. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist der Antragstellerin bereits am 14. März 2012 zugestellt worden, während die Erinnerung erst am 11. Mai 2012 eingelegt worden ist.
102.
11Die Erinnerung ist zudem unbegründet.
12a) Zu Recht hat der Rechtspfleger gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG eine Anrechnung der im Verfahren vor der Vergabekammer abgerechneten Geschäftsgebühr auf die im Beschwerdeverfahren entstandene Verfahrensgebühr vorgenommen.
13aa) § 15a Abs. 1 RVG steht der Anrechnung nicht entgegen. Die Antragstellerin hat nämlich eine Festsetzung beider Gebühren in demselben Kostenfestsetzungsverfahren beantragt, § 15a Abs. 2, 3. Alt. RVG (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2009 – X ZB 1/09, Rdnr. 25); der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.04.2012 (X ZB 7/11) weicht von dieser Entscheidung lediglich hinsichtlich der Auslegung der – hier unerheblichen – Übergangsvorschrift des § 60 RVG ab.
14bb) Der Anrechnung steht entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht die Tatsache entgegen, dass sie mit ihren Verfahrensbevollmächtigten eine – inhaltlich nicht näher mitgeteilte – Honorarvereinbarung geschlossen hat.
15Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18.08.2009 (VIII ZB 17/09) für das Zivilverfahren entschieden, dass bei Vereinbarung einer Pauschale für das vorgerichtliche Verfahren eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nicht stattfinde, weil in derartigen Fällen eine – allein anrechnungsfähige - Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG nicht angefallen sei.
16Diese Entscheidung kann auf die Geschäftsgebühr in einem Verfahren vor der Vergabekammer nicht übertragen werden.
17Während im zivilgerichtlichen Verfahren die Geschäftsgebühr nicht im Wege des Kostenfestsetzungsverfahrens festgesetzt werden kann (BGH NJW 2008, 1323; Herget, in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 104 Rdnr.21 Stichwort: Geschäftsgebühr unter d)), ist dies im Vergabenachprüfungsverfahren – jedenfalls in gewissen Fallkonstellationen – anders (vgl. auch nachfolgend unter b)). Der Kostengläubiger kann auch in Vergabenachprüfungsverfahren lediglich die gesetzlichen Gebühren seiner Verfahrensbevollmächtigten festgesetzt erhalten (§ 91 Abs. 2 ZPO analog; insoweit zutreffend OLG München, Beschluss vom 30.12.2011 – Verg 9/11). Dies bedeutet, dass der Kostengläubiger für das Verfahren vor der Vergabekammer nur die Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG anmelden kann. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass bei gleichzeitiger Beantragung einer Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren die – ebenfalls die gesetzliche Gebühr regelnde – Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG anzuwenden ist. Auch für das gesamte Nachprüfungsverfahren (Verfahren vor der Vergabekammer sowie Beschwerdeverfahren) kann der Kostengläubiger nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren (einschließlich der Anrechnung) festgesetzt erhalten (vgl. auch Herget, a.a.O., § 104 ZPO Rdnr. 21 Stichwort: Geschäftsgebühr unter c) a.E.).
18b) Der Senat bemerkt im Hinblick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 30.12.2011 (Verg 9/11) Folgendes:
19Es steht dem Rechtspfleger des Oberlandesgerichts in den Fällen, in denen er die Festsetzung auch der im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten vornehmen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 22.11.2010 – VII-Verg 55/09), nicht frei, die beantragte Festsetzung derartiger Kosten abzulehnen. Nach § 162 Abs. 2 VwGO gehören auch die Kosten des Vorverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits. Da das Verfahren vor der Vergabekammer kostenrechtlich als Vorverfahren ausgestaltet ist (BGH, Beschluss vom 29.09.2009 – X ZB 1/09, Rdnr. 17 m.w.N.), ist auch diese Vorschrift analog anzuwenden.
20Der Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG für das Verfahren vor der Vergabekammer steht nicht von vornherein entgegen, dass im Verhältnis zwischen Kostengläubiger und seinem Verfahrensbevollmächtigten insoweit nach einer Honorarvereinbarung nach § 3a RVG abzurechnen ist. Die Anmeldung einer Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG betrifft zwar insoweit "fiktive Kosten", weil – je nach Ausgestaltung der Vereinbarung – dann vielfach eine Geschäftsgebühr nach diesen Vorschriften nicht angefallen ist. Das ist aber zwangsläufige Folge dessen, dass der Kostengläubiger die Kosten seines Rechtsanwalts nur in gesetzlicher Höhe anmelden kann. Ein Grundsatz, dass fiktive Kosten nicht festgesetzt werden können, existiert nicht (vgl. Herget, in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rdnr. 12 a.E.). Eine Festsetzung kann allerdings nur in der Höhe erfolgen, in der tatsächlich aufgrund der Honorarvereinbarung eine Zahlungspflicht des Kostengläubigers entstanden ist.
21III.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO analog (vgl. Herget, a.a.O., § 104 ZPO Rdnr. 21, Stichwort: Kostentragung).
23Wert des Erinnerungsverfahrens: 679,90 €
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Schüttpelz | Rubel | Barbian |
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