Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 103/11
Tenor
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Senat wies den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 25. November 2011 (VK 1-135/11) mit Beschluss vom 30. Januar 2012 zurück. Daraufhin nahm sie ihren Nachprüfungsantrag zurück. Der Senat legte ihr mit Beschluss vom 13. Februar 2012 sowohl die Kosten der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen, deren Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig erachtet wurde, als auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter Einschluss des Verfahrens gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen auf.
4Die Antragsgegnerinnen, die sowohl im Verfahren vor der Vergabekammer als auch im Beschwerdeverfahren durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten worden waren, haben im Kostenfestsetzungsverfahren mit Schriftsatz vom 5. Juni 2012 für das Verfahren vor der Vergabekammer unter anderem eine Geschäftsgebühr nach Nummer 2301 VV RVG von 1,1 sowie für das Beschwerdeverfahren unter anderem eine Verfahrensgebühr nach Nummer 3200 VV RVG von 1,6 zur Festsetzung gegen die Antragstellerin angemeldet. Der Rechtspfleger hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juli 2012 gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet, so dass eine Kürzung der Verfahrensgebühr um 744,70 € erfolgte.
5Gegen diesen ihr am 30. Juli 2012 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegnerinnen mit am 13. August 2012 eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt, der der Rechtspfleger mit Verfügung vom 15. August 2012 nicht abgeholfen hat. Zur Begründung haben sie ausgeführt, nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG könne eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur stattfinden, wenn die gesetzliche Geschäftsgebühr entstanden sei. Rechtsanwaltsgebühren die aufgrund einer Honorarvereinbarung entstanden seien, seien jedoch keine gesetzlichen Gebühren. Die Antragsgegnerinnen haben den zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen geschlossenen Rahmenberatungsvertrag nebst Honorarvereinbarung aus dem Jahr 2008 vorgelegt. Danach erhalten die Verfahrensbevollmächtigten für ihre außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit ein zeitabhängiges Honorar, welches nach Stunden- bzw. Tagessätzen berechnet wird.
6Die Antragstellerin hat zur Erinnerung keine Stellung genommen. Sie hatte bereits im Kostenfestsetzungsverfahren die Auffassung vertreten, die Geschäftsgebühr sei gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG teilweise auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
7II.
8Nach Ansicht des Senats ist die Erinnerung zwar zulässig, aber unbegründet.
9Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist gemäß § 11 Abs. 2 RPflG die Erinnerung statthaft. Die Frist des § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG in Verbindung mit § 569 Abs. 1 ZPO ist eingehalten.
10Die Erinnerung ist unbegründet. Der Rechtspfleger hat im Anschluss an die Rechtsprechung des vorlegenden Senats (Beschlüsse vom 30. Mai 2012, VII-Verg 1/11, juris, und vom 4. Juni 2012, VII-Verg 8/11, NRWE) gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG zu Recht eine hälftige Anrechnung der geltend gemachten Geschäftsgebühr auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr vorgenommen, obwohl beide Gebühren aufgrund des zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen geschlossenen Rahmenberatungsvertrags nebst Honorarvereinbarung tatsächlich nicht angefallen sind. Der Umstand, dass die beiden Gebühren tatsächlich nicht angefallen sind, weil eine Honorarvereinbarung gemäß § 3a RVG getroffen worden ist, steht der vorgenommenen Anrechnung jedoch nicht entgegen.
11Die vom Bundesgerichtshof in seinen Beschlüssen vom 18. August 2009, VIII ZB 17/09 und vom 9. September 2009, Xa ZB 2/09, vertretene Rechtsauffassung, wonach bei der Kostenfestsetzung im Zivilprozess eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht in Betracht kommt, wenn zwischen der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr entstanden ist, weil eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden ist, ist auf die Kostenfestsetzung im Vergabenachprüfungsverfahren nicht übertragbar.
12Während im zivilgerichtlichen Verfahren die Geschäftsgebühr nicht im Wege des Kostenfestsetzungsverfahrens festgesetzt werden kann (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008, VIII ZB 57/11, juris, Rdnr. 5; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 104 Rdnr. 21 Stichwort: Geschäftsgebühr unter d)), ist dies im Vergabenachprüfungsverfahren anders. Der Kostengläubiger kann auch im Vergabenachprüfungsverfahren lediglich die gesetzlichen Gebühren seiner Verfahrensbevollmächtigten festgesetzt erhalten (§ 91 Abs. 2 ZPO analog; insoweit zutreffend: OLG München, Beschluss vom 30.12.2011, Verg 9/11, juris, Rdnr. 17). Dies bedeutet, dass der Kostengläubiger für das Verfahren vor der Vergabekammer nur die Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG anmelden kann. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass bei gleichzeitiger Beantragung einer Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren die – ebenfalls die gesetzliche Gebühr regelnde – Anrechnungsvorschrift des Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG anzuwenden ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2009, X ZB 1/09, juris, Rdnr. 12). Auch für das gesamte Nachprüfungsverfahren (Verfahren vor der Vergabekammer sowie Beschwerdeverfahren) kann der Kostengläubiger nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren (einschließlich der Anrechnung) festgesetzt erhalten (vergleiche auch: Herget, a.a.O., § 104 ZPO Rdnr. 21 Stichwort: Geschäftsgebühr unter c) a.E.).
13Der Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG für das Verfahren vor der Vergabekammer und deren Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG steht auch nicht entgegen, dass im Verhältnis zwischen den Antragsgegnerinnen und ihren Verfahrensbevollmächtigten insoweit nach einer Honorarvereinbarung abzurechnen ist. Die Anmeldung einer Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 ff. VV RVG betrifft zwar insoweit „fiktive Kosten“, weil eine Geschäftsgebühr nach diesen Vorschriften tatsächlich nicht angefallen ist. Das ist aber zwangsläufige Folge dessen, dass der Kostengläubiger die Kosten seines Rechtsanwalts nur in gesetzlicher Höhe anmelden kann. Ein Grundsatz, dass fiktive Kosten nicht festgesetzt werden können, existiert nicht (vergleiche: Herget in Zöller, a.a.O., § 91, Rdnr. 12 a.E.).
14III.
15Der Senat sieht sich an einer Zurückweisung der Erinnerung durch die Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 20. Februar 2012, Verg W 5/11, juris, Rdnr. 8f) gehindert. Es hat unter Hinweis auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 18. August 2009, VIII ZB 17/09, und vom 9. September 2009, Xa ZB 2/09, tragend entschieden, dass eine Anrechnung der im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Geschäftsgebühr auf die im Beschwerdeverfahren entstandenen Verfahrensgebühr nicht stattfindet, wenn zwischen der Partei und ihrem Verfahrensbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung geschlossen worden ist. Dass in dem vom brandenburgischen Oberlandesgericht entschiedenen Verfahren ein Pauschalhonorar, in dem vorliegenden Verfahren dagegen ein zeitabhängiges Honorar vereinbart worden ist, ist im vorliegenden Zusammenhang rechtlich bedeutungslos, da es sich in beiden Fällen um eine Vergütungsvereinbarung im Sinne von § 3a RVG handelt.
16Der Senat hat die Sache daher gemäß § 124 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof vorzulegen.
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