Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-23 U 91/12
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.05.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
A.
2Die Klägerin ist die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten Prof. Dipl.-Ing. H D (im folgenden Versicherungsnehmer). Der Versicherungsnehmer der Klägerin war im Jahre 1997 von der Stiftung Kinderheim S A und Schule M, der Bauherrin, mit der Durchführung der gesamten Architektenleistung einschließlich Bauleitung und Objektüberwachung zur Durchführung der Renovierung der Klosterkirche M beauftragt worden. Mit der Ausführung der Putzarbeiten war die Beklagte beauftragt worden. Ein Jahr nach der am 27.03.1998 erfolgten Abnahme der Putzarbeiten durch die Bauherrin zeigten sich in dem aufgebrachten Innenputz schollenförmige Rissbildungen und Verfärbungen. Laut des von der Bauherrin bei dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen G in Auftrag gegebenen Privatgutachtens vom 15.02.2005 handelte es sich dabei um putzbedingte Spannungsrisse, welche in erster Linie auf eine zu hohe Rohdichte sowie eine zu hohe Putzfestigkeit zurückzuführen waren. Das Gutachten enthielt keine Feststellungen zu der Frage, ob dafür das ausgeschriebene Material oder ein Ausführungsfehler seitens der Beklagten ursächlich waren. Die vom Sachverständigen G zur Mängelbeseitigung in seinem Ergänzungsgutachten vom 05.02.2007 vorgeschlagenen Maßnahmen wurden von der Beklagten aufgrund ihres entgeltlichen Angebotes vom 05.03.2007 abzüglich eines Nachlasses von 7.000 EUR durchgeführt. Eine Einstandspflicht im Rahmen der Gewährleistung hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 28.11.2003 endgültig abgelehnt. Sie beruft sich auf die Verjährung der Ansprüche.
3Daraufhin nahm die Bauherrin den Versicherungsnehmer der Klägerin in Anspruch. Mit Urteil vom 24.11.2009 (Az 10 O 519/08) gab das Landgericht Düsseldorf der Schadensersatzklage der Bauherrin in Höhe von 56.691,11 EUR statt. Zur Begründung führte das Landgericht an, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin es unterlassen habe, die Bauherrin rechtzeitig - vor Eintritt der Verjährung potentieller Gewährleistungsansprüche gegenüber der Beklagten am 27.03.2003 - über die Rissbildung zu informieren bzw. die Klosterkirche in der Zeit während der Renovierung ausreichend auf etwaige Mängel zu überprüfen. Nachdem die Bauherrin im Jahr 2007 eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers des Klägers angekündigt hatte, ließ die Klägerin vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. S die Ursache für die zu hohe Putzfestigkeit klären. Mit Gutachten vom 16.08.2007 stellte der Sachverständige S fest, dass die hohe Putzfestigkeit nicht auf einem Planungsfehler des Versicherungsnehmers der Klägerin, sondern ausschließlich auf eine fehlerhafte Verarbeitung seitens der Beklagten zurückzuführen sei. Die Klägerin hat aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 24.11.2009 als Berufshaftpflichtversicherung den geltend gemachten Schaden reguliert. Die Klägerin verlangt im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs von der Beklagten die Zahlung des von ihr an die Bauherrin gezahlten Betrages, da die Beklagte im Innenverhältnis zu 100 % hafte.
4Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und das Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses verneint. Darüber hinaus hat sie Ausführungsfehler ihrerseits bestritten.
5Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
6Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Blatt 174 ff. GA Bezug genommen.
7Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und wie folgt begründet:
8Das Landgericht habe zu Unrecht die Verjährung des Anspruches verneint, weil es die erforderliche Qualität des subjektiven Elements im Rahmen des § 426 Abs. 1 BGB verkannt habe. Das Landgericht habe eine grob fahrlässige Unkenntnis von den Umständen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen begründen, zu Unrecht verneint. Nur ausnahmsweise könne die Rechtsunsicherheit des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliege, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermöge. Nur in diesem Falle fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Wann eine für den Beginn der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden sei, sei nicht ausschließlich Tatfrage sondern werde von dem der Beurteilung des Gerichts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt.
9Das subjektive Element des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei bereits erfüllt gewesen, als im Jahr 2002/2003 die Rissbildung bekannt gewesen sei. Spätestens mit Vorliegen der Gutachten im Jahre 2005 sei die Rissbildung bekannt gewesen. Dem sachkundigen Versicherungsnehmer seien sowohl der Leistungs- und Risikobereich der Beklagten als Auftragsnehmerin als auch sein eigener Aufgaben- und Risikobereich als ausschreibender und bauleitender Architekt bekannt gewesen. So sei allen Beteiligten klar gewesen, dass eine gemeinsame Haftung für die festgestellten Fehler nicht ausgeschlossen werden könnte, zumal die gesetzliche Regelung grundsätzlich die Haftung zu gleichen Teilen vorsehe.
10Gleichgültig sei, für die Beurteilung dieser Umstände im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, ob in dem Zeitpunkt die Haftungsverteilung und die Schadensbezifferung bereits feststand oder möglich war.
11Darüber hinaus habe das Landgericht den Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit nach § 311 BGB verletzt, als es „die Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichs als selbstständigen Anspruch neben dem Schadensersatzanspruch des Bauherren angesehen“ habe. Zwar sei der Gesamtschuldnerausgleich von dem Grundgeschäft mit dem Gläubiger unabhängig und die Verjährung des Innenregresses von der Verjährung des Anspruchs des Gläubigers zu trennen, ausnahmsweise könne jedoch die für den Anspruch des Gläubigers maßgebliche Verjährungsfrist auch für den Ausgleichsanspruch gelten. Eine solche abändernde Vereinbarung habe der Versicherungsnehmer der Klägerin mit der Beklagten geschlossen. Die im Angebot im 09.04.1997 und der Einigung vom 13.05.1997 zwischen Bauherrin und Beklagten getroffene Vereinbarung über eine Verjährungsfrist von 5 Jahren gelte sowohl für die Gewährleistungsansprüche als auch für die Gesamtschuldansprüche, da diese Vereinbarung angesichts der gesetzlichen Regelverjährung für Bauwerke von 5 Jahren sonst überflüssig gewesen wäre.
12Schließlich habe das Landgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage, worauf die Rissbildung zurückzuführen sei, abschließend zu klären. Die Beklagte habe durchweg vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der vom Sachverständigen festgestellte Verarbeitungsfehler der Beklagten nicht anzulasten sei, weil ein falsches Anrühren/Mischen des Putzes maschinell unmöglich sei. Außerdem seien die Einflüsse durch die äußeren Umstände (Luftfeuchtigkeit etc.) nicht aufgeklärt worden.
13Die Beklagte beantragt,
14unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 11.05.2012 die Klage abzuweisen.
15Die Klägerin beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Die Klägerin verteidigt im wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts und geht davon aus, dass Kenntnis von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen, erst mit den Feststellungen des Sachverständigen S eingetreten sei, dass die Beklagte alleinige Verantwortliche des eingetretenen Schadens sei. Kenntnis sei erst mit Kenntnis der Ursachen eingetreten. Im Übrigen habe die Bauherrin erst im Jahre 2007 eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers der Klägerin angekündigt. vorher könne er auch die Umstände nicht kennen.
18Auch sei die allgemeine Vertragsfreiheit nicht verletzt worden. Ziffer 7 des Vertrages betreffe ersichtlich nur die Verjährung der werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche zwischen der Bauherrin und der Beklagten. Da hier die Geltung der VOB/B vereinbart worden sei, die eine zweijährige Verjährung vorgesehen hätten, sei die Vereinbarung der Verjährungsregelungen des § 638 BGB eindeutig auf die Gewährleistung der Beklagten bezogen.
19B.
20Die Berufung ist zulässig und begründet.
21Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin nach § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 67 VVG a.F.,§ 86 VVG n.F. aus übergegangenen Recht besteht nicht, weil dem Versicherungsnehmer der Klägerin, Herrn Architekten Prof. Dipl.-Ing. H D, ein solcher nicht zustand und der Anspruch im Übrigen auch gemäß §§195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt wäre.
22Die Entscheidung des Landgerichts beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung, § 546 ZPO.
23I.
24Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag auf Seite 8 unter Punkt 4 der Klageschrift an die Bauherrin genau den Betrag einschließlich Zinsen und Kosten in Höhe von 56.691,11EUR, 49.191,11 EUR auf den festgestellten Schadensersatzanspruch, gezahlt, zu dem ihr Versicherungsnehmer, Architekt Prof. Dipl.-Ing. H D, verurteilt worden ist. Damit hat die Klägerin diejenige Schadensersatzpflicht erfüllt, die im Vorprozess Streitgegenstand war. Bei dieser Schadensersatzpflicht, die die 10. Kammer des Landgerichts Düsseldorf im Vorprozess, Az. 10 O 519/08, in ihrem Urteil vom 04.12.2009 angenommen hat, handelte es sich nicht um eine Verbindlichkeit, für die auch die Beklagte als Gesamtschuldnerin haftet. Zwar haften Architekt und Bauunternehmer für die von ihnen gemeinsam zu verantwortenden Baumängel als Gesamtschuldner, und zwar auch dann, wenn der Architekt nach den Vorschriften des BGB auf Schadensersatz, der Bauunternehmer dagegen nach den Regeln der VOB/B auf Nachbesserung, Wandelung oder Minderung haftet (BGH, Beschluss v. 01.02.1965 - GSZ 1/64; BGH, Urteil vom 19.12.1986 - VII ZR 23/66; Krause-Allenstein in Kniffka, Bauvertragsrecht, München 2012, § 634 BGB Rdnr. 123, 124). Darum geht es hier jedoch nicht.
25Die Schadensersatzpflicht des Versicherungsnehmers der Klägerin, welche die Klägerin durch Zahlung an die Anwälte der Bauherrin erfüllt hat, beruht nach dem rechtskräftigen Urteil im Vorprozess, das von der Klägerin auch nicht angezweifelt wurde, und auf das sich die Klägerin hinsichtlich ihrer Zahlung auch bezogen hat, darauf, dass der Architekt Prof. Dipl.-Ing. H D es pflichtwidrig unterlassen hat, die rechtzeitige Durchsetzung von Baugewährleistungsansprüchen gegen die Beklagte zu sichern, sie insbesondere nicht verjähren zu lassen. Zu den beiderseitigen Verursachungsbeiträgen des Versicherungsnehmers der Klägerin und der Beklagten an dem eingetretenen Schaden hat das Landgericht keine Ausführungen gemacht. Es hat die Haftung des Versicherungsnehmers der Klägerin gerade nicht auf Fehler bei der Beaufsichtigung der Beklagten während der Arbeiten gestützt. Sie wurden vom Landgericht nicht untersucht, da der Versicherungsnehmer der Klägerin bereits aus einem anderen Grund haftete.
26Insoweit fehlt es von vornherein an einem für die Gesamtschuld wesentlichen Merkmal, dass nämlich der Gläubiger berechtigt ist, die Leistung von jedem Gesamtschuldner nach seinem Belieben ganz oder teilweise zu fordern. Die Beklagte als Bauunternehmerin war nämlich nicht verpflichtet, gegen sich selbst oder gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin als Architekten gerichtete Gewährleistungsansprüche nicht verjähren zu lassen. Die Pflicht zur Wahrung der Rechte der Bauherrin trifft nur den Architekten, dem wie hier Planung und Bauaufsicht übertragen worden sind, nicht dagegen den Bauunternehmer (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 30.03.1993 - 4 U 22/93 - NJW-RR 1993, 1237/1238 m.w.N.; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.11.2001 - 8 U 176/01 - BauR 2002, 1866-1868; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Auflage, Rdnr. 2483 am Ende; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht 6. Aufl. Kap. 34 Rdnr. 1884,1953; Wirth in Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 18. Aufl., Vor § 13 VOB/B Rdnr. 208). Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und im Schriftsatz vom 21.11.2013 darauf hingewiesen hat, dass eine gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Bauunternehmer auch bei Fragen der Rechnungsprüfung durch den Architekten angenommen werde, für die Rechnungsprüfung sei auch nicht der Bauunternehmer verantwortlich, greift dieser Einwand zu kurz. Bei der Entscheidung des BGH (Urteil vom 26.07.2007, -VII ZR 5/06 -BauR 2007, 1875-1878) ging es um die Frage, ob eine Gesamtschuld zu verneinen sei, wenn der Bauherr entgegen der Empfehlung des Architekten wegen vorhandener Mängel über den bei der Rechnungsprüfung freigegebenen Betrag zu viel bezahlt hat. Diese Tätigkeit des Architekten wurde noch im Rahmen der Objektüberwachung, Leistungsphase 8, ausgeführt, während es sich bei dem Schadensersatzanspruch bei Versäumnissen bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen bzw. diesbezüglichen Beratungsfehlern um einen nach Fertigstellung und Abrechnung des Bauwerks im Rahmen der Objektbetreuung, Leistungsphase 9 entstehenden Anspruch handelt und nicht um eine Pflichtverletzung im Bereich der Objektüberwachung.
27Mangels gesamtschuldnerischer Verpflichtung entfällt somit ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte nach § 426 Abs. 1 BGB.
28II.
29Darüber hinaus ist ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB aus gesamtschuldnerischer Haftung von Architekt und Bauunternehmer für die von ihnen gemeinsam zu verantwortenden Baumängel gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Versicherungsnehmer der Klägerin als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners bereits im Jahr 2002/2003, spätestens im Jahr 2005 Kenntnis erlangt bzw. hätte sie ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen, so dass die Erhebung der Klage im Jahre 2010 die dreijährige Verjährung nicht mehr unterbrechen konnte.
30Für eine Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, ist es erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnisse von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - VII ZR 167/08 - BauR 2009, 1458-1461).
31Neben der Kenntnis reicht auch die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners aus, um die Verjährung beginnen zu lassen. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der Gläubiger sich bei auch nur mäßiger Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt Kenntnis hätte verschaffen können. Grob fahrlässig handelt der Gläubiger also dann, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 23.09.2008 - XI ZR 253/07 - NJW-RR 2009, 544; Kesseler in Prütting, Wegen, Weinreich, Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 199 BGB Rdnr. 17). Grob fahrlässige Unkenntnis liegt folglich bereits dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen kann, die auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeiten jedoch nicht ausnutzt (BGH, Urteil vom 08.07.2010- III ZR 249/09 - WM 2010, 1493, vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.05.2012 - 13 U 146/10 -, IBR 2013, 159).
32So liegt der Fall hier.
33Zwar ist hier mit dem Bundesgerichtshof (BGH in NJW 2010, 60 ff.) davon auszugehen, dass es für die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu fordernde Kenntnis nicht ausreicht, den im Bauwerk zu Tage getretenen Mangel zu kennen, weil allein darauf nicht ohne weiteres die Kenntnis der für einen Anspruch des Bestellers gegen die Baubeteiligten notwendigen weiteren Voraussetzungen abzuleiten sein muss. Dennoch ist hier in Bezug auf die weiteren Umstände von grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen. Nach den Feststellungen der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, die von der Klägerin nicht angegriffen werden, waren für deren Versicherungsnehmer die Rissbildungen im Innenputz der Klosterkirche bereits Ende des Jahres 2002 deutlich sichtbar. Fest steht nach den Ausführungen im Urteil des Vorprozesses auch, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin Anfang August 2002 eine Objektbegehung durchgeführt hat und ihm diese Rissbildungen dabei hätten auffallen müssen. Nach den Aussagen der vernommenen Zeugen waren die Rissbildungen bereits ein Jahr nach Fertigstellung der Baumaßnahme, also Ende des Jahres 1998, aufgetreten. Als ausführendes Unternehmen für die Putzarbeiten kam nur die Beklagte in Betracht, die für diesbezügliche Mängel der Ausführungsarbeiten nach den Gewährleistungsvorschriften grundsätzlich zur Nachbesserung herangezogen werden konnte. Vor dem Hintergrund seiner eigenen vertraglichen Verpflichtung zur Objektbetreuung den Bauherrn gegenüber, Gewährleistungsansprüche in nicht verjährter Zeit anzuzeigen und geltend zu machen, entsprach es bereits den Sorgfaltsanforderungen in eigenen Angelegenheiten, dem Mangel nachzugehen und dies aufzuklären. Als renommiertem Architekten musste ihm bekannt sein, dass für mangelhafte Arbeiten nicht allein das ausführende Unternehmen für Ausführungsfehler haften konnte, sondern auch der bauleitende Architekt für sein Aufsichtsverschulden. Diese Kenntnis der Rechtsgrundlagen, die vom Bundesgerichtshof seit 1965 entwickelt wurden, muss bei Architekten als Standardwissen vorausgesetzt werden.
34Er hätte die sehr nahe liegenden Überlegungen anstellen müssen, dass er als planender, die Arbeiten ausschreibender und bauleitender Architekt für Fehler bei der Bauüberwachung ebenfalls zur Rechenschaft für die Mängel gezogen werden könnte. Der Versicherungsnehmer musste keine Kenntnis aller Einzelheiten haben. Es genügt, dass der Anspruchsberechtigte den Sachverhalt, etwa den Schadenshergang, in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (BGH, Urteil vom 29. Juni 1989 - III ZR 92/87 - NJW 1990, 176,179). Davon konnte der Versicherungsnehmer nach seinen Fachkenntnissen als Architekt ausgehen.
35Nicht notwendig war daher, dass ihm die genaue Haftungsverteilung bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, so dass es auf die Erkenntnisse im Gutachten des Sachverständigen S aus dem Jahre 2007 nicht ankommt. Es reicht für eine verjährungsunterbrechende Feststellungsklage aus, dass sie erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2003- VI ZR 379/02, NJW 2004, 510). Der Architekt hätte bereits im Jahre 2002 noch im Jahre seiner Objektbetreuungstätigkeit die Möglichkeit gehabt, bei dem Bauherrn auf ein verjährungsunterbrechendes selbständiges Beweisverfahren zur Klärung der Mängel, ihrer Ursache und der Verursachungsbeiträge hinzuwirken. Nach der Begehung im August 2002 und der "Entdeckung" der Rissbildungen hätte sich die durchaus übliche Vorgehensweise bei Baumängeln dem Kläger geradezu aufdrängen müssen, da sowohl er als auch die Beklagte als gemeinsam für die Mängel Haftende der Bauherrin gegenüberstanden. Es ist zu vermuten, dass die Bauherrin bei unverzüglicher und umfassender Aufklärung über die entstandenen Mängel und die möglichen Ursachen sichtbar gewordener Baumängel rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegen die möglichen Verantwortlichen eingeleitet hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26.10.2006 - VII ZR 133/04 - BauR 2007, 365-366). In diesem Fall wird diese Vermutung sogar bestätigt durch die Einholung der Gutachten durch die Sachverständigen G und S.
36Nach diesen Grundsätzen waren die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zumindest bis zum 31.12.2005 erfüllt.
37III.
38Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung weicht nicht von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ab, die ähnliche Fragen bereits entschieden haben.
40Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis 50.000 EUR.
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