Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 22/13
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 17.07.2013, VK 6/13, aufgehoben.
Dem Antragsgegner wird untersagt, im vorliegenden Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB unter Einschluss der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu bis zu 290.000,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2A.
3Der Antragsgegner schrieb am 05.03.2013 im Rahmen des Neubaus „Hochschule Ruhr-West, Standort Mülheim“ das Gewerk Elektrotechnik europaweit im offenen Verfahren aus. In der Auftragsbeschreibung nach Ziffern II.1.5) der Bekanntmachung forderte er die "Werkplanung, Lieferung und betriebsfertige Montage von starkstromtechnischen Anlagen und Installationen für eine Hochschule mit sieben Gebäuden....“ Unter Ziffern II.1.2) der Bekanntmachung wurde die Art des Auftrags mit der Ausführung von Bauleistungen beschrieben. Der Zuschlag sollte nach der Bekanntmachung auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilt werden. Gegenstand der Nachprüfung sind die unter dem Titel 04 des Leistungsverzeichnisses ausgeschriebenen Installationsarbeiten für die Niederspannungsinstallationsanlagen.
4Nach Ziffer 20.0 der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis stellt der Auftraggeber die Ausführungsplanung ausschließlich digital im Internet zum Download bereit. Zugriff darauf soll nach Erteilung des Zuschlags nur der Auftragnehmer erhalten. Nach Ziffer 2. des Leistungsverzeichnisses (Grundlagen) hat die Ausführung „generell nach dem Leistungsverzeichnis einschließlich der Vorbemerkungen ... und nach den Ausführungsplänen“ zu erfolgen. Auf eine Bieteranfrage antwortete der Antragsgegner, dass detaillierte Pläne noch nicht vorhanden seien, sondern erst nach Auftragserteilung erstellt würden. Dies gab der Antragsgegner allen am Auftrag interessierten Unternehmen bekannt.
5Mit Schreiben vom 22.04.2013 und 24.04.2013 bat die Antragstellerin unter anderem um eindeutige Beschreibung verschiedener Positionen des Leistungsverzeichnisses und forderte zeichnerische Darstellungen. Auf dem für alle Bieter im Internet einsehbaren Vergabemarktplatz machte der Antragsgegner weitere Angaben zur Verwendung von Formstücken und veröffentlichte zeichnerische Darstellungen für geforderte Bodenmontagen. Die Antragstellerin wies er darauf hin, dass eine Planeinsicht nicht für erforderlich gehalten werde, weil kalkulationsrelevante Unterlagen vollständig veröffentlich worden seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.04.2013 wiederholte die Antragstellerin ihre Aufforderungen.
6Sie gab kein Angebot ab und reichte einen Nachprüfungsantrag ein, mit dem sie eine Neuausschreibung des Auftrags unter Verwendung überarbeiteter Vergabeunterlagen begehrte. Das Leistungsverzeichnis verstoße gegen § 7 Abs. 1 VOB/A-EG, weil die darin beschriebene Leistung ohne umfangreiche Vorarbeiten keine hinreichend sichere Preiskalkulation ermögliche. Der Antragsgegner ist dem Nachprüfungsbegehren entgegen getreten.
7Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
8Sie ist der Auffassung, dass die Leistungsbeschreibung unbestimmt sei und gegen die Vorgaben des § 7 Abs. 1 VOB/A-EG verstoße. Bietern sei eine sichere und zumutbare Preiskalkulation nicht möglich. Selbst bei funktionalen Elementen müsse die Leistungsbeschreibung gewisse Bestimmtheitserfordernisse erfüllen und dem Bieter die Rahmenbedingungen und wesentlichen Einzelheiten der nachgefragten Leistung mitteilen. Anderenfalls seien die Angebote nicht vergleichbar. Da ihr, der Antragstellerin, eine Einsicht in die Ausführungsplanung verweigert worden sei, seien ihr wesentliche Rahmenbedingungen vorenthalten worden. Ohne Einsicht in die Planungsunterlagen sei eine vernünftige und fachgerechte Werkplanung nicht möglich.
9Die Antragstellerin beantragt,
10unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 17.07.2013 (VK 6/13), dem Antragsgegner die Erteilung eines Zuschlags untersagen.
11Der Antragsgegner beantragt,
12die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
13Er hält die sofortige Beschwerde für unzulässig, weil sie nicht hinreichend begründet worden sei (§ 117 Abs. 2 GWB). Jedenfalls sei sie unbegründet. Denn der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nicht genügt habe. Bereits aus der Bekanntmachung habe sich ergeben, dass die Werkplanung Gegenstand des Auftrags und damit Sache des Bieters sei. Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.04.2013 Einsicht in Planungsunterlagen begehrt habe, sei allen Bietern mitgeteilt worden, dass Pläne erst im Rahmen der Auftragsausführung zu erstellen seien. Dies habe die Antragstellerin rügelos hingenommen. Sowohl die Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung als auch das Leistungsverzeichnis enthielten zahlreiche Hinweise darauf, dass die Ausführung der Elektroinstallation unter Berücksichtigung anderer Gewerke und dadurch entstehender unvorhersehbarer Verlegebedingungen erfolgen müsse. Es habe sich dabei um eine für den Bieter erkennbare teilfunktionale Ausschreibung gehandelt, die die Antragstellerin ebenfalls nicht gerügt habe.
14Ein Vergaberechtsverstoß liege zudem nicht vor. Die Werkplanung baue immer auf der Ausführungsplanung auf und erfolge erst im Rahmen der Auftragsausführung. Da bei der Errichtung der Hochschule Ruhr-West mehrere Gewerke zur Erstellung der technischen Gebäudeausrüstung zu koordinieren seien, habe sich der Antragsgegner dafür entschieden, Ausführungspläne erst nach der Erteilung der für die verschiedenen Gewerke zu vergebenden Aufträge in Abstimmung mit den von den Auftragnehmern zu liefernden Werkplänen zu erstellen und nur den Auftragnehmern zugänglich zu machen. Ein solches Vorgehen sei als teilfunktionale Ausschreibung zulässig und unterliege der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers. Für die Ausarbeitung eines Angebots seien Ausführungspläne nicht erforderlich gewesen, weil sich die Bieter alle erforderlichen Informationen im Rahmen der angebotenen Ortsbesichtigung hätten verschaffen können. Wenn die Antragstellerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, gehe dies zu ihren Lasten.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Vergabeakten und die Verfahrensakten der Vergabekammer verwiesen.
16B.
17Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Auf ihren zulässigen Nachprüfungsantrag ist das Vergabeverfahren zurückzuversetzen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat der Antragsgegner die am offenen Verfahren beteiligten Bieter unter Bekanntgabe vergaberechtskonformer Vergabeunterlagen erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern und die Angebotswertung zu wiederholen.
18I. Zweifel an der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin bestehen nicht. Die Antragstellerin hat ihre Beschwerde hinreichend gemäß § 117 Abs. 2 GWB begründet. Denn die Begründung muss nur das bestimmte Begehren enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung angestrebt wird, so dass das Rechtsschutzziel erkennbar ist. An den Mindestinhalt sind keine hohen Anforderungen zu stellen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 28/12). Dem genügt die Beschwerdeschrift der Antragstellerin, die erkennen lässt, dass sie das Leistungsverzeichnis der strittigen Ausschreibung für vergaberechtswidrig hält.
19II. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
201. Die Antragstellerin ist nach § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Der Antragsteller muss ein Interesse am Auftrag darlegen, eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen sowie einen entstandenen oder drohenden Schaden durch die behauptete Rechtsverletzung vortragen. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin.
21Es schadet nicht, dass sie sich nicht durch die Einreichung eines Angebots am Vergabeverfahren beteiligt hat. Denn der Antragsteller muss sein Interesse am Auftrag nicht durch die Abgabe eines Angebotes dokumentieren, wenn er einen gewichtigen Vergabeverstoß rügt, der bereits die grundlegenden Rahmenbedingungen der Ausschreibung betrifft (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 28/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.02.2012, VII-Verg 75/11). So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat im Anwaltsschreiben vom 26.04.2013, in dem sie auf ihr vorangegangenes Schreiben vom 24.04.2013 Bezug genommen hat, die Bestimmtheit des Leistungsverzeichnisses und damit eine wesentliche Rahmenbedingung der Ausschreibung beanstandet. In solchen Fällen reicht es aus, wenn das Interesse am Auftrag durch eine vorprozessuale Rüge und den anschließenden Nachprüfungsantrag zum Ausdruck gebracht wird. Denn die Einreichung von Angeboten auf der Grundlage rechtswidriger Vergabebedingungen zum Zwecke der Erlangung der für ein späteres Nachprüfungsverfahren erforderlichen Antragsbefugnis stellt eine vom Gesetzgeber für die Gewährung von Primärrechtsschutz nicht vorgegebene Bedingung dar, wenn Ziel des begehrten Rechtsschutzes die rechtliche Überprüfung eben dieser Vergabebedingung ist. Durch Androhen und späteres Stellen eines Nachprüfungsantrags hat die Antragstellerin ihr Interesse am Auftrag hinreichend dargelegt. Ihr droht auch ein Schaden, weil sie aufgrund der nicht eindeutigen Leistungsbeschreibung an einer Angebotsabgabe und damit an der Chance auf eine Zuschlagserteilung gehindert ist.
222. Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen. Es kann dahinstehen, ob bereits die Schreiben der Antragstellerin vom 22. und 24.04.2013 eine Rüge im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB darstellen, da jedenfalls das anwaltliche Schreiben der Antragstellerin vom 26.04.2013 die Voraussetzungen einer Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 GWB erfüllt. Danach müssen Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder ab positiver Kenntnis unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Das Wort Rüge muss dabei nicht ausdrücklich verwendet werden. Vielmehr muss für den Auftraggeber erkennbar sein, um welchen Verstoß es sich handelt und dass eine Beseitigung des Vergabefehlers verlangt wird (OLG Düsseldorf Beschl. v. 29.03.2006 -VII-Verg 77/05). Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die inzwischen anwaltlich vertretene Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Schreiben vom 26.04.2013 vor Ablauf der Angebotsfrist am 30.04.2013 darauf hingewiesen, aufgrund Mängeln der Leistungsbeschreibung und der bisher unterbliebenen Erläuterungen gehindert zu sein, ein Angebot abzugeben. Dazu hat sie sich auf die Schreiben vom 22. und 24.04.2013 bezogen, in welchen sie bereits die Unbestimmtheit der Leistungsbeschreibung und einen Verstoß gegen § 7 VOB/A-EG geltend gemacht hatte, und hat eine Verlängerung der Angebotsabgabefrist unter Androhung eines Nachprüfungsantrags gefordert. Hiermit hat sie unmissverständlich, rechtzeitig und unverzüglich zum Ausdruck gebracht, die Leistungsbeschreibung für unzureichend zu halten und Beseitigung durch Aufklärung zu verlangen.
233. Auch die erst in der Beschwerdebegründung erhobene Rüge der Antragstellerin, die vom Antragsgegner beabsichtigte teilfunktionale Ausschreibung sei vergaberechtswidrig, erfolgte rechtzeitig. Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist ein Bieter verpflichtet, einen erkannten Verstoß gegen Vergabevorschriften unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Eine Rügeobliegenheit wird dabei nur ausgelöst, wenn der Bieter positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen und bei vernünftiger Bewertung die Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften hat (BGH, Beschl. v. 26.09.2006, X ZB 14/06 – jris Tz. 35; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.03.2008, VII-Verg 56/07 – juris Tz. 28). Von einer positiven Kenntnis der Antragstellerin von dem behaupteten Verstoß gegen Vorschriften über die Zulässigkeit einer teilfunktionalen Leistungsbeschreibung kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Sie vertritt in der Beschwerdebegründung die Auffassung, die Voraussetzungen einer teilfunktionalen Ausschreibung lägen nicht vor, weil erforderliche Planungsunterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden seien und das Leistungsverzeichnis deshalb unbestimmt sei. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer teilfunktionalen Ausschreibung handelt es sich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung über den Gesetzeswortlaut hinaus vertiefte Kenntnisse der Rechtsprechung erfordert, über die auch ein anwaltlich beratener Bieter nicht ohne weiteres verfügt. Oftmals erlangt er eine derartige Kenntnis erst durch die in einem Rechtsstreit geführte Diskussion. Dies ist auch der Antragstellerin nicht zu widerlegen. In einem solchen Fall ist für eine vorprozessuale Rügeobliegenheit kein Raum.
24III. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
25Die Leistungsbeschreibung der Ausschreibung „Neubau Hochschule Ruhr-West Standort Mülheim an der Ruhr – 407 Starkstromtechnik“ ist unbestimmt. Sie erfüllt weder die Voraussetzungen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Leistungsbeschreibung (§ 7 Abs. 13 bis 15 VOB/A EG) noch die einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (§ 7 Abs. 9 VOB/A EG). Es fehlt deshalb an der erforderlichen Ausschreibungsreife (§ 2 Abs. 5 VOB/A EG), was fehlende Vergleichbarkeit der Angebote zur Folge hat.
261. Die Voraussetzungen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung liegen nicht vor.
27a) Im Gegensatz zu einer Ausschreibung mit konstruktiver Leistungsbeschreibung ist eine funktionale Ausschreibung dadurch gekennzeichnet, dass der Auftraggeber bestimmte Planungsaufgaben, aber auch Risiken auf den Bieter verlagert. Typischerweise kombiniert die funktionale Leistungsbeschreibung einen Wettbewerb, der eine Konzeptionierung und Planung der Leistung zum Gegenstand hat, mit der Vergabe der Leistung als solcher und unterscheidet sich dadurch vom reinen Wettbewerb um einen klar umrissenen und beschriebenen Auftrag. Dass die Bieter dabei, und zwar unter anderem bei der Konzeptionierung und Planung der Leistung, Aufgaben übernehmen sollen, die an sich dem Auftraggeber obliegen, lässt die funktionale Ausschreibung nicht per se unzulässig werden. Deren Wesen liegt nämlich gerade darin, dass der Auftraggeber im Planungsbereich auf Bieterseite vorhandenes Know-how abschöpfen will und dies grundsätzlich auch tun darf. Ihrem Wesen entsprechend schließt die funktionale Ausschreibung ebenso wenig aus, dass nicht oder nicht genau kalkulierbare und damit riskante Leistungen ausgeschrieben werden. Denn es gibt keinen Rechtssatz, der Bietern oder Auftragnehmern eine Übernahme riskanter Leistungen verbietet. Dass bei funktionaler Ausschreibung von Planungsleistungen Risiken auf den Auftragnehmer übertragen werden, ist für diese Art der Ausschreibung vielmehr typisch und für die Bieter auch zu erkennen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013, VII-Verg 7/13 – juris Tz. 42).
28Gleiches gilt für eine Ausschreibung, die nur teilweise funktionale Elemente enthält. Denn auch bei einer nur teilfunktionalen Ausschreibung überträgt der Auftraggeber wesentliche Planungsaufgaben, insbesondere die Ausführungsplanung des Architekten und/oder des Ingenieurs, ganz oder großenteils auf den Bieter und übernimmt nur planerische Vorarbeiten wie die Erstellung von Entwürfen selbst. Die Übertragung wesentlicher, wenn auch nur teilweiser Planungsaufgaben im Sinne der §§ 7 Abs. 13 bis 15 VOB/A EG knüpft an die Ausführungsplanung nach §§ 33 Nr. 5, 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 HOAI 2009 (§§ 34 Abs. 3 Nr. 5, 55 Abs. 1 Nr. 5 HOAI 2013) an (Kapellmann in: Kapellmann/ Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 7 VOB/A EG Rnr. 76, 100). Gegen eine teilfunktionale Ausschreibung bestehen bei verständiger Interpretation des § 7 Abs. 1 und Abs. 9 VOB/A EG vergaberechtlich keine Bedenken, weil ein in allen Details ausgearbeitetes Leistungsverzeichnis nach § 7 Abs. 9 VOB/A EG zwar den Regelfall der Leistungsbeschreibung darstellt, andere Formen, d.h. funktionale Leistungsmerkmale jedoch nicht ausgeschlossen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013, VII-Verg 7/13 – juris Tz. 44; Kapellmann, a.a.O., § 7 VOB/A EG Rnr. 76,77; Prieß in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 7 Rnr. 191).
29b) Ausgehend von diesen Maßstäben erfüllt die Ausschreibung des Antragsgegners die Voraussetzungen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung trotz gegenteiliger Auffassung des Antragsgegners schon deshalb nicht, weil dem Bieter in der Ausschreibung keine wesentlichen Planungsleistungen, insbesondere keine Ausführungsplanung der hier betroffenen Technischen Ausrüstung (§ 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 HOAI 2009, § 55 Abs. 1 Nr. 5 HOAI 2013), übertragen werden.
30In Ziffern II.1.2) der Bekanntmachung hat der Antragsgegner zunächst die Art des Auftrags als „Ausführung von Bauleistungen“ beschrieben, obwohl das Bekanntmachungsformular daneben „Planungs- und Ausführungsleistungen“ vorsah. Des weiteren hat er vom Bieter auch nach den Vergabeunterlagen keine planerische Leistung im Rahmen des Angebots verlangt. Nach Ziffern 20.0 und 2. der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis sollte die Ausführungsplanung vielmehr durch den Auftraggeber selbst erstellt und der späteren Auftragsausführung zugrunde gelegt werden. In der Auftragsbeschreibung unter Ziffern II.1.5) der Bekanntmachung bezeichnete der Antragsgegner das Beschaffungsvorhaben zwar mit den Worten „Werkplanung, Lieferung und betriebsfertige Montage von starkstromtechnischen Anlagen...“ und legte in Ziffer 4 der Vorbemerkung der Leistungsbeschreibung fest, der Bieter sei verpflichtet, die wirtschaftlichste Leitungsführung zu wählen. Um die Übertragung wesentlicher Planungsleistungen auf den Bieter im Sinne einer Übertragung der Ausführungsplanung nach § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 HOAI 2009 (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 HOAI 2013) handelte es sich hierbei aber nicht. Denn die verlangte Werkplanung beschränkte sich auf den ausgeschriebenen Auftrag und das auszuführende Einzelgewerk und umfasste nicht, wie es typischerweise bei der Ausführungsplanung der Technischen Ausrüstung im Sinne der HOAI erforderlich ist, eine auf alle für eine Versorgungsinstallation notwendigen Gewerke bezogene Planungsleistung, bei der neben Stromleitungen u.a. auch Wasser- und Heizungsinstallationsleitungen zu berücksichtigen sind. Was der Antragsgegner vorhatte, war vielmehr eine sog. ausführungsbegleitende Planung, die der Auftragserteilung nachgelagert werden sollte. Als solche beschränkte sie sich auf das zu erstellende Gewerk und war nach den Ausschreibungsbedingungen weder bei der Ausarbeitung noch bei der Auswertung der Angebote von Bedeutung. Ein solcher Beitrag dient weder der Konzeptionierung noch der Planung der Leistung im Rahmen der Angebotsphase. Funktionale Elemente finden dabei weder im Angebot des Bieters Ausdruck noch werden sie dem Wettbewerb unterstellt.
312. Enthielt die Ausschreibung keine dem Wettbewerb unterstellten Planungsleistungen, ist sie an den Anforderungen an eine konstruktive Leistungsbeschreibung zu messen (§ 7 Abs. 1 und Abs. 9 VOB/A EG). Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Hierbei ist die Leistung in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis zu beschreiben. Diesen Anforderungen genügte die Leistungsbeschreibung ebenfalls nicht. Die im Leistungsverzeichnis angegebenen Mengen waren wegen der vom Antragsgegner noch nicht erstellten Ausführungspläne nur geschätzt und vorläufig zur Herbeiführung vergleichbarer Angebote festgelegt worden. Auch der Antragsgegner räumt im Schriftsatz vom 10.10.2013 ein, dass Ausführungspläne bei einer Ausschreibung mit konstruktivem Leistungsverzeichnis den Vergabeunterlagen beizufügen sind, was hier unterblieben ist. Eine genaue Berechnung der erforderlichen Mengen war ohne Ausführungspläne und daraus ersichtliche Verlegearten aber ebenso wenig möglich, wie eine verlässliche Berechnung erforderlicher Arbeitsstunden. Eine solche Leistungsbeschreibung verletzt das Bestimmtheitsgebot des § 7 Abs. 1 und Abs. 9 VOB/A EG.
323. Der Ausschreibung fehlte zugleich die nach § 2 Abs. 5 VOB/A EG erforderliche Ausschreibungsreife. Denn nicht nur die vom späteren Auftragnehmer zu liefernde Werkplanung, sondern auch die vom Auftraggeber zu erstellende Ausführungsplanung sollte nach dem Willen des Antragsgegners erst in der Ausführungsphase geliefert werden. Damit widersprach die Ausschreibung den in der HOAI festgelegten Planungsgrundsätzen und der in §§ 33 Nr. 5 und Nr. 6 und 7, 53 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 und 7, Abs. 3 HOAI 2009 (§§ 34 Abs. 3 Nr. 5 und Nr. 6 und 7, 55 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 und 7 HOAI 2013) vorgegebenen Reihenfolge der einzelnen im Rahmen einer Bauwerksplanung und –errichtung zu beachtenden Leistungsphasen. Danach erfolgt die Vorbereitung der Vergabe sowie die Vergabe der Aufträge im Anschluss und auf der Grundlage der Ausführungsplanung. Diese Reihenfolge dient der planerischen Vorbereitung späterer Auftragsausführungen mit dem Ziel einer größtmöglichen Klarheit, Verbindlichkeit und Genauigkeit zu erbringender Leistungen, die der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge zu beachten hat. Darüber hinaus unterliegt der öffentliche Auftraggeber auch bei einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung bestimmten allgemeinen Anforderungen und Beschränkungen sowie Anforderungen an die Bestimmtheit der Vergabeunterlagen. So darf er zur Vorbereitung der Ausschreibung nicht von vornherein von jeder eigenen Planungstätigkeit absehen. Er muss vielmehr auch bei einer funktionalen oder nur teilfunktonalen Ausschreibung im Rahmen des ihm Möglichen selbst planen und die notwendigen Festlegungen treffen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013, VII-Verg 7/13 – juris Tz. .44). Unterlässt er aber – wie hier – eine Planung insgesamt und vergibt er planungsrelevante Aufträge, ohne eine solche Planung entweder zu Beginn der Ausschreibung zur Verfügung zu stellen oder in der Angebotsphase durch den Bieter erstellen zu lassen, verletzt er seine Pflicht zur sorgfältigen Vorbereitung einer Auftragsvergabe.
334. Entgegen der vom Antragsgegner unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 01.08.2012, VII-Verg 10/12 („Warnsystem“) vertretenen Rechtsauffassung, rechtfertigt sich die Wahl einer teilfunktionalen Ausschreibung nicht aus der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers. Danach ist der öffentliche Auftraggeber zwar bei seiner Beschaffungsentscheidung im Hinblick auf ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, die Wahl des Verfahrens oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden. Die Wahl unterliegt seiner Bestimmungsfreiheit, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Dementsprechend regelt das Vergaberecht nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.08.2012, VII-Verg 10/12 – juris Tz. 41 m.w.N.). Hat er sich indes vor Beginn der Ausschreibung für eine bestimmte Verfahrensart entschieden, ist er bei der Durchführung dieses Verfahrens an die vergaberechtlichen Vorschriften gebunden, deren Einhaltung einem Bestimmungsrecht entzogen ist. Es ist von daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass sich der Antragsgegner für sein Beschaffungsvorhaben für eine teilfunktionale Ausschreibung entschieden hat. Um diese Entscheidung, die der Antragsgegner mit der Notwendigkeit einer Abstimmung verschiedener Werkplanungen begründet, geht es hier jedoch nicht. Entscheidungserheblich ist vielmehr, dass er in der Folge seiner Entscheidung für eine teilfunktionale Ausschreibung die hierfür vom Vergaberecht vorgegebenen Voraussetzungen nicht beachtet und nicht geschaffen hat – nämlich wesentliche planerische Leistungen in den Wettbewerb der Bieter zu stellen. Statt dessen hat er die Ausführungsplanung nicht nur sich selber vorbehalten und dem Bieter eine nur untergeordnete Werkplanung übertragen, sondern diese zudem noch dem Wettbewerb entzogen. Die sich selbst vorbehaltene Ausführungsplanung hat er darüber hinaus ohne nachvollziehbaren Grund für die Durchführung des Vergabeverfahrens nicht erstellt und damit die ihm möglichen Planungsleistungen nicht (rechtzeitig) erbracht. Von den vergaberechtlichen Vorgaben durfte er nicht mit der Begründung abweichen, nach Auftragserteilung sei ein Abstimmungsprozess der Werkplanungen aller Gewerke erforderlich. Denn die Einhaltung von Vergaberecht ist der Disposition des öffentlichen Auftraggebers entzogen. Selbst wenn dem Antragsgegner ein Spielraum bei der Einhaltung von Vergaberecht zugestanden würde, wäre die gewählte Vorgehensweise hier sachlich nicht gerechtfertigt. Denn die Erarbeitung von Ausführungsplänen im Rahmen der Technischen Gebäudeausrüstung ist Gegenstand der Leistungsphase 5 des § 53 HOAI 2009 (§ 55 HOAI 2013) und als Ingenieurleistung Grundlage der Auftragsvergabe. Warum die Ausarbeitung von Ausführungsplänen hier nicht möglich gewesen sein soll, ist vom Antragsgegner nicht im Ansatz vorgetragen worden. Allein die Notwendigkeit späterer Anpassungen reicht nicht aus, weil sie nach Vorlage der ausführungsbezogenen Werkplanung des späteren Auftragnehmers in dem durch die Planung vorgegebenen Umfang jederzeit möglich ist. Auch sieht die HOAI in Anlage 14 zu § 53 HOAI 2009 (Anlage 15 zu § 55 HOAI 2013) Möglichkeiten späterer Anpassungen in der Phase der Bauausführung vor. Den Schriftsätzen und der Vergabeakte kann auch nicht entnommen werden, dass sich eine Verlagerung wesentlicher Planungstätigkeiten in die Ausführungsphase als besonders kostengünstig erweisen könnte oder einer besonderen Eilbedürftigkeit der Gebäudeerrichtung geschuldet ist, so dass sich eine Abweichung von Vergaberecht auch von daher verbietet. Das planlose Vorgehen des Antragsgegners führt vielmehr neben einer durch ein Nachprüfungsverfahren verzögerten Auftragsvergabe und Auftragsabwicklung vor allem zu im Vorhinein absehbaren und deshalb unzulässigen Nachträgen, die klassische Ursache unwirtschaftlicher Beschaffung sind.
345. Die Ausschreibungsbedingungen waren des Weiteren intransparent. Die Bieter konnten die Absicht des Antragsgegners, die ausgeschriebenen Bauleistungen über vermeintlich konstruktive Leistungselemente hinaus auch im Wege einer zumindest teilfunktionalen Ausschreibung in den Wettbewerb stellen zu wollen, weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen erkennen. Folgerichtig rügte die Antragstellerin vorprozessual auch zunächst nur die fehlende Eindeutigkeit und die Unbestimmtheit der Leistungsbeschreibung. Beides ergab sich aus dem Umstand, dass das vom Antragsgegner bezweckte funktionale Element nicht verständlich und damit transparent gemacht worden war.
356. Auch die Wahl des Zuschlagskriteriums des „niedrigsten Preises“ begegnet rechtlichen Bedenken. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass der Antragsgegner das in Ziffern IV.2.1) der Bekanntmachung festgelegte Zuschlagskriterium des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der Angebotsaufforderung in das des „niedrigsten Preises“ geändert hat, denn er hat dies transparent dem interessierten Bieterkreis mitgeteilt. Zu beanstanden ist aber, dass er sich für diesen Wechsel bei einer vermeintlich teilfunktionalen Ausschreibung entschieden hat.
36Nach Art. 53 Abs. 1 i.V.m. Erwägungsgrund 46 RL 2004/18/EG wird der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis oder auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. In § 97 Abs. 5 GWB hat sich der deutsche Gesetzgeber für die Maßgeblichkeit des wirtschaftlichsten Angebots entschieden. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 97 Abs. 5 GWB (§ 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A EG) darf der öffentliche Auftraggeber aber auch den Preis als ausschließliches Zuschlagskriterium bestimmen, sofern andere Kriterien nicht geeignet sind oder erforderlich erscheinen (EuGH, Urt. v. 7.10.2004 - C-247/02; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.02.2006, VII-Verg 66/08 – juris Tz. 61). Im Rahmen funktionaler oder nur teilfunktionaler Ausschreibung von Bauleistungen ist der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium jedoch wegen des qualitativen Elements von Planungsleistungen ungeeignet, weil eine allein am Preis ausgerichtete Wertung der Angebote qualitative Elemente von Planungsleistungen nicht berücksichtigt. Da Planungsleistungen aber nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 7 Abs. 13 bis 15, 2 Abs. 1 VOB/A EG dem Wettbewerb zu unterstellen sind, kommt in einem solchen Fall nur das wirtschaftlich günstigste Angebot als Zuschlagskriterium in Betracht, bei dem neben dem Preis qualitative Wertungskriterien ins Gewicht fallen.
377. Weitergehende Rügen, die die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag geltend gemacht hat, hat die Vergabekammer mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Sie werden von der Antragstellerin in ihrem Beschwerdevorbringen auch nicht mehr weiter verfolgt.
38C.
39Die Entscheidung über Kosten und Aufwendungen beruht auf §§ 128 Abs. 3 und Abs. 4, 78, 120 Abs. 2 GWB.
40Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
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Referenzen
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- X ZB 14/06 1x (nicht zugeordnet)
- 46 RL 2004/18 1x (nicht zugeordnet)