Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 26 W 22/12 (AktE)
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 1) und 12) vom 2. Oktober 2012, der Antragsteller zu 16), 17) und 18) vom 2. Oktober 2012, der Antragstellerin zu 29) vom 8. Oktober 2012, des Antragstellers zu 30) vom 8. Oktober 2012, der Antragsteller zu 10) und 11) vom 1. Oktober 2012 sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin vom 30. November 2012 gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 30. August 2012 - 31 O 4/06 (AktE) - werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters der Minderheitsaktionäre im Beschwerdeverfahren trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2A.
3Die Antragsteller waren Aktionäre der L. AG mit Sitz in S. (nachfolgend L.). Diese schloss am 15.09.2005 unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch ihre Hauptversammlung als beherrschtes Unternehmen mit der Antragsgegnerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.07.2006). Im Jahr 2007 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung von 66,36 EUR beschlossen (sog. Squeeze-out).
4Mit dem hiesigen Spruchverfahren begehren die Antragsteller die gerichtliche Überprüfung der im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festgelegten Barabfindung und des Ausgleichs gemäß §§ 304, 305 AktG. Die Überprüfung der Angemessenheit der im Übertragungsbeschluss festgelegten Barabfindung gemäß §§ 327 a ff. AktG ist Gegenstand eines gesonderten Spruchverfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf - 33 O 155/08 (AktE) -, das bei dem Senat unter dem Geschäftszeichen I-26 W 2/13 (AktE) anhängig ist.
5Nachdem die Hauptversammlung der L. dem Unternehmensvertrag am 04.11.2005 zugestimmt hatte, wurde dieser am 23.12.2005 in das Handelsregister eingetragen und zuletzt am 11.01.2006 bekannt gemacht. Der Vertrag sieht für die außenstehenden Aktionäre in § 6 eine feste Ausgleichszahlung in Höhe von 2,88 € je Aktie und in § 7 Ziffer das Angebot einer Barabfindung in Höhe von 56,16 € je Aktie vor. Der Berechnung von Ausgleich und Abfindung liegt ein Bewertungsgutachten der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 09.09.2005 (nachfolgend: BGA, Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.07.2006) zugrunde. Diese hatte anhand der Ertragswertmethode - bezogen auf den 04.11.2005 als Bewertungsstichtag und unter Berücksichtigung des IDW Standard S 1 2000 sowie des am 30.12.2004 als Entwurf veröffentlichten IDW S 1 2005 - einen Unternehmenswert von insgesamt 262,4 Mio. € und demzufolge einen rechnerischen Wert pro Aktie von 54,66 € errechnet; den Basiszins hatte sie mit 4,1 % vor bzw. - unter Berücksichtigung der typisierten persönlichen Ertragssteuer (35 %) - 2,67 % nach Steuern ermittelt (S. 29 BGA), den Risikozuschlag unter Anwendung des Capital Asset Pricing Modell (CAPM) als Produkt aus der Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragssteuern (5,5 %) und Betafaktor (0,7) mit 3,85 %, so dass sich für die 1. Phase ein Kapitalisierungszinssatz von 6,52 % ergab (S. 29 BGA). Für die 2. Phase hielt sie einen Wachstumsabschlag in Höhe von 0,5 % für angemessen, so dass sich für die 2. Phase ein Kapitalisierungszinssatz von 6,02 % errechnete (S. 29 BGA). Angesichts des ungewichteten durchschnittlichen Börsenkurses in dem im Gutachten analysierten Referenzzeitraum vom 09.06.2005 bis 08.09.2005 ermittelte sie letztlich eine Barabfindung von 56,16 € je Stückaktie als Wertuntergrenze sowie eine Nettoausgleichszahlung in Höhe von 2,88 € je Aktie. Die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung bestätigte die vom Landgericht Düsseldorf zur Vertragsprüferin gemäß § 293c AktG bestellte X. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Testat vom 16.09.2005.
6Das eingetragene Grundkapital der L. betrug am 04.11.2005 12,5 Mio. € und war in 4,8 Mio. auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt, die an den Wertpapierbörsen in Berlin-Bremen, Düsseldorf sowie in Frankfurt im Freiverkehr gehandelt wurden.
7Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung von Sanitärkeramik aus dem Sanitär-Porzellan „Keravit“, aus Feuerton und Keralith sowie von Baukeramik und anderen Erzeugnissen für das Sanitär- und Bauwesen sowie der Handel mit diesen Erzeugnissen.
8Das Unternehmen geht auf die im Jahre 1903 von den britischen Produzenten … gegründeten Feuertonfabriken in ... sowie die Diamantsteingutwerke GmbH in … zurück. Seit 1918 trägt es seinen noch heute gültigen Namen. Infolge der florierenden Bauindustrie nach dem 2. Weltkrieg stieg das Unternehmen zum Marktführer für Sanitärkeramik in Deutschland auf, bis in den 1960er Jahren eine europaweite Expansion erfolgte. 1968 wurde das Unternehmen von der französischen B. S.A.S. übernommen, die fortan – bis zum 04.11.2005 – mittelbar die Mehrheit der Aktien hielt. 1990 übernahm die L. von der Treuhandanstalt den DDR-Badkeramik-Marktführer und gründete die L. Keramische Werke Haldensleben GmbH. 1991 erwarb die finnische T. Corp. die B. S.A.S. und gliederte das Unternehmen in die eigene Unternehmensgruppe ein, die mit rund 7.000 Mitarbeitern und 28 Produktionsstätten europäischer Marktführer für Sanitärkeramik ist. 1998 wurde die Spectra Vertriebsgesellschaft mit der Varicor S.A.S., Hersteller des polymergebundenen Mineralwerkstoffs Varicor, zu 100 % übernommen; 2004 wurde diese Beteiligung an die Antragsgegnerin veräußert. Im Frühjahr 2005 übernahm ein von dem schwedischen Investor EQT beratene Private Equity Fonds die Beteiligung an der T.-Unternehmensgruppe.
9Zum Bewertungsstichtag betrieb die L. Produktionsstätten in … mit rund 800 Mitarbeitern und hielt ihrerseits Anteile an den Beteiligungsunternehmen T. Spol Sr.o., Tabor/ Tschechische Republik, L. Nederland B.V., Amersfoort/ Niederlande, L. Belgium N.V., Machelen/ Belgien, L. Vertriebsgesellschaft mbH, Margarethen am Moos/ Österreich und Hutschenreuther L. GmbH, Schwandorf/ Deutschland. Mit Ausnahme der Hutschenreuther L. GmbH (Beteiligung von 50 %) handelte es sich um 100 %-Beteiligungen. Die ausländischen Beteiligungen waren Vertriebsgesellschaften, deren Aufgabe in der Vermittlung von Vertriebsgeschäften bestand, wobei die vereinnahmten Provisionen die Kosten decken sollten; die Zielsetzung war nicht in dem Abschluss von Eigengeschäften zu sehen, die nur nach vorheriger Zustimmung ausgeführt werden durften. Eine Ausnahme hiervon stellte die T. Spol Sr.o. dar, die seit 2004 Umsatzgeschäfte auf eigene Rechnung stellte. Das Unternehmen der Hutschenreuther L. GmbH, deren Geschäftstätigkeit schon seit längerem eingestellt war, bestand ausschließlich noch in der Verwaltung und Verwertung des nicht mehr betrieblich genutzten Firmengrundstücks in Schwandorf.
10Die Antragsteller haben die aus den Börsenkursen vor dem 08.09.2005 ermittelte Abfindungs- und Ausgleichszahlung für zu gering gehalten. Der von der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verwendeten Unternehmensplanung lägen nicht die wirklichen Ertragsplanungen der L. zugrunde; vielmehr sei die für die Wertermittlung verwendete Unternehmensplanung vor allem auf die Bedürfnisse des neuen Finanzinvestors ausgerichtet und nicht nach den wirklichen und unabhängigen Erwartungen der L. erstellt worden. Der Preis, der im Frühjahr 2005 „für die L.“ gezahlt worden sei, sei für die Wertermittlung zu berücksichtigen. Im Zuge der Veräußerung sei die bis dahin schuldenfreie L. „ausgeplündert“ worden, was bei der Wertermittlung nicht zur Lasten der Aktionäre berücksichtigt werden könne.
11Die Darstellung der Prämissen im Bewertungsgutachten sei lückenhaft und nicht nachvollziehbar; alle dort behaupteten Zahlen würden mit Nichtwissen bestritten; die Arbeitspapiere des Bewertungsgutachters und der Vertragsprüferin sollten vorgelegt werden.
12Die L. habe in den vergangenen 17 Jahren ihre Ergebnisse im Jahresdurchschnitt zweistellig gesteigert, obwohl ein Großteil dieses Zeitraums durch den heftigen Einbruch der Branchenkonjunktur gekennzeichnet gewesen sei. Den im Bewertungsgutachten dargelegten Prämissen sei nicht zu entnehmen, warum diese langfristige Ertragsentwicklung der L. zukünftig nicht mehr zu erzielen sei, insbesondere vor dem Hintergrund zu erwartender besserer Branchenbedingungen. Die verwendete Unternehmensplanung sei zum Nachteil der Minderheitsaktionäre viel zu negativ gekennzeichnet.
13Weiter sei der für die Wertermittlung in Ansatz gebrachte Kapitalisierungszinssatz zu hoch bemessen, dieses gelte für den Basiszins ebenso wie für den Risikozuschlag. Ein Wachstumsabschlag von nur 0,5 % in der Phase II sei ebenfalls nicht gerechtfertigt.
14Gegen die Festlegung der verwendeten Ausschüttungsannahmen sei einzuwenden, dass die Ausschüttungsquote zu hoch sei. In die Ermittlung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens seien nur 12,7 Mio. € als Sonderwerte eingeflossen, obwohl zum 31.12.2004 Forderungen gegen verbundene Unternehmen in Höhe von 34 Mio. € bestanden hätten.
15Der Wert für das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei zu niedrig angesetzt worden. Es sei nicht zu erkennen, nach welchen Parametern die Pensionszahlungen errechnet worden seien. Zudem sei das Immobilienvermögen größtenteils nicht durch die Bewertungsgutachter selbst bewertet worden. Im Jahresabschluss zum 31.12.2004 hätten sich Immobilien und Beteiligungen mit Buchwerten von 16 Mio. € befunden, wohingegen im Bewertungsgutachten das nicht betriebsnotwendige Vermögen deutlich geringer berücksichtigt worden sei.
16Da der Stichtagskurs der L.-Aktie am letzten Handelstag vor der beschlussfassenden Hauptversammlung über der angebotenen Abfindung in Höhe von 56,16 € gelegen habe, sei dieser Wert im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Der Referenzzeitraum für den durchschnittlichen Börsenkurs sei im Bewertungsgutachten unzutreffend festgelegt worden, da er sich nach dem Mittel der Kurse der letzten drei Monate vor der beschlussfassenden Hauptversammlung ergebe.
17In einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2007 hat das Landgericht verschiedene Antragsteller - unter anderem die Antragstellerin zu 29) und den Antragsteller zu 30) - nach allgemeiner Erörterung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen, dass ihre Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen sei und zur Nachholung eine Frist von einem Monat ab Zugang des Protokolls gesetzt (Bl. 395 d. A.). Mit Blick auf von den Beteiligten ins Auge gefasste Vergleichsgespräche, die der gemeinsame Vertreter mit der Antragsgegnerin führen sollte, hat es – zunächst - von der Beauftragung eines Sachverständigen abgesehen und diese lediglich für den Fall angekündigt, dass ein Vergleich nicht zustande käme. Die Vergleichsverhandlungen dauerten bis ins Jahr 2009 hinein an und scheiterten letztlich, wie der gemeinsame Vertreter mit Schriftsatz vom 08.01.2009 (Bl. 445 d. A.) mitteilte.
18Mit Beweisbeschluss vom 20.01.2009 (Bl. 450 d. A.) hat das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob die im Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag vorgesehene Barabfindung bzw. der Ausgleich als angemessen anzusehen sei, „ggfs. was sonst als angemessen anzusehen“ sei (Bl. 450 d. A.). Als Sachverständiger solle der Wirtschaftsprüfer O. von der FT Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH & Co. KG in…, ernannt werden; diesbezüglich hat das Landgericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats gegeben (Bl. 451 d. A.). Mehrere Antragsteller haben in der Folgezeit Bedenken gegen seine Beauftragung zum Sachverständigen vorgetragen (Bl. 498 ff. d. A.). Diese hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.03.2009 (Bl. 514 d. A.) zurückgewiesen und ihn zum Sachverständigen ernannt. Mit Verfügung vom 03.04.2009 (Bl. 516 f. d. A.), die konkrete Vorgaben hinsichtlich der Gutachtenerstellung enthielt, ist die Akte an ihn versandt worden. U. a. ist dem Sachverständigen aufgegeben worden, sämtliche Bewertungsrügen zu berücksichtigen und im Zusammenhang mit dem Kapitalisierungszinssatz zu überprüfen, ob dessen Komponenten Basiszins, Risikozuschlag, Beta-Faktor und Wachstumsabschlag zutreffend ermittelt wurden.
19Die Gutachtenerstellung dauerte bis ins Jahr 2011 an. In dem Gutachten vom 04.02.2011 (Anlage) hat der gerichtlich bestellte Sachverständige den IDW S 1 in der Fassung 2005 beachtet. Den Basiszins hat er nach der sog. Svensson-Methode in Ableitung aus den Zinsstrukturkurven der Deutschen Bundesbank und unter Verwendung der 30-jährigen Spot Rate als Schätzer für die Anschlussverzinsung mit 3,75 % vor und - unter Berücksichtigung der typisierten persönlichen Ertragssteuer (35 %) - 2,44 % nach Steuern ermittelt (S. 64 f. GA). Den Risikozuschlag hat er – in Übereinstimmung mit dem Bewertungsgutachten - unter Anwendung des CAPM als Produkt aus der Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragssteuern (5,5 %) und Betafaktor (0,7) mit 3,85 % ermittelt, so dass sich für die 1. Phase ein Kapitalisierungszinssatz von 6,29 % ergibt (S. 88 GA). Für die 2. Phase sieht er es als gerechtfertigt an, einen Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % zu berücksichtigen, so dass sich für die 2. Phase ein Kapitalisierungszinssatz von 5,31 % ergibt (S. 88 GA). Der Sachverständige hat danach einen Wert pro Stückaktie in Höhe von 62,16 € errechnet (S. 93 ff., 103 GA). Den durchschnittlichen Börsenkurs für den Dreimonatszeitraum vor Ankündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag am 12.09.2005 hat er mit 55,74 € beziffert. Ausgehend davon, dass danach der durchschnittliche Börsenkurs unterhalb des rechnerischen Unternehmenswerts je Stückaktie anzusiedeln sei, hat er die angemessene Barabfindung mit 62,16 € je Stückaktie beziffert. Die angemessene jährliche Ausgleichszahlung hat er durch Verzinsung des Unternehmenswerts je Aktie mit dem Mittelwert aus Basiszins nach typisierter persönlicher Ertragssteuer und risikoadjustiertem Kapitalisierungszinssatz (hälftige Marktrisikoprämie von 2,75 %, Beta-Faktor 0,7) mit 3,12 € ermittelt (vgl. S. 121 GA).
20Auf die dagegen erhobenen Einwendungen verschiedener Antragssteller, aber auch der Antragsgegnerin, hat die Kammer die schriftliche Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen angeordnet. Zugleich hat es erneut die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen angeregt und mit der Führung der Vergleichsgespräche den gemeinsamen Vertreter beauftragt (Bl. 646 d. A.) Mit Schriftsatz vom 07.09.2011 (Bl. 659 d. A.) hat der gemeinsame Vertreter mitgeteilt, auch die weiteren Vergleichsverhandlungen seien ohne Ergebnis geblieben. Die schriftliche Ergänzung des Gutachtens dauerte bis ins Jahr 2012 an. Wegen des Ergebnisses des Ergänzungsgutachtens wird auf das Ergänzungsgutachten vom 10.02.2012 (Anlage) verwiesen.
21Auf die Übersendung des Ergänzungsgutachtens hin haben verschiedene Antragsteller wie auch die Antragsgegnerin ihre Einwendungen gegen das Gutachten aufrecht erhalten. Die Antragsgegnerin hat eingewendet, die im Gutachten von F. ermittelte Ausgleichszahlung und Barabfindung müsse schon deshalb als angemessen gelten, weil die abweichenden Beträge des gerichtlich bestellten Sachverständigen nur knapp 10 % (bzgl. Barabfindung) und 8,3 % (bzgl. Ausgleichzahlung) davon abwichen. Der Wachstumsabschlag von 1 % sei viel zu hoch und angesichts der konkreten Wettbewerbssituation des Unternehmens, mit der sich der Sachverständige nicht ausreichend auseinandergesetzt habe, nicht zu rechtfertigen. Überdies habe der Sachverständige in unzulässiger Weise rückwirkend abweichende Bewertungsmethoden verwendet, indem er die Svensson-Formel bei Errechnung des risikofreien Basiszinses unter Verwendung der 30-jährigen Spot Rate als Schätzer für die Anschlussverzinsung angewandt habe. Auch mehrere Antragsteller haben ihre Bedenken gegen die ihrer Ansicht nach viel zu pessimistische Ertragsprognose und die Bewertungsparameter aufrechterhalten.
22Daraufhin hat das Landgericht erneut Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und in diesem die Antragstellerin zu 29) und den Antragsteller zu 30) nochmals darauf hingewiesen, dass ihre Antragsberechtigung bislang nicht ausreichend nachgewiesen sei (Bl. 838 d. A.). Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 17.08.2012 und - eingegangen per Fax vom selben Tag - 29.08.2012 haben die Antragstellerin zu 29) und der Antragsteller zu 30) sodann jeweils Bankbescheinigungen zum Nachweis ihrer Antragsberechtigung eingereicht (Bl. 854, 870 d. A.).
23Mit Beschluss vom 30.08.2012 (Bl. 876 ff d. A.) hat das Landgericht die Anträge der Antragsteller zu 2), 6), 29), 30) und 38) als unzulässig zurückgewiesen. Den angemessenen Abfindungsbetrag hat es auf 62,16 € und den angemessenen Ausgleich auf 4,15 € je Stückaktie festgesetzt. Dabei ist es vollumfänglich der Neubewertung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen gefolgt und u.a. von einer Marktrisikoprämie von 5,5 % und einem Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % ausgegangen.
24Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 1), 12), 16), 17), 18), 29), 30), sowie 10) und 11) – letztere unter Beschränkung auf die Festsetzung der Ausgleichszahlung – sowie die Antragsgegnerin mit ihrer Anschlussbeschwerde.
25Die Antragstellerin zu 29) und der Antragsteller zu 30) rügen, das Landgericht habe ihre Anträge zu Unrecht schon als unzulässig abgewiesen. In der Sache tragen die Antragsteller zusammengefasst vor:
26Das Landgericht habe ihre Einwände „im Wesentlichen begründungslos übergangen“. Es habe „kommentarlos“ die Bewertung des Sachverständigen übernommen. Auch dieser sei „nicht ausreichend“ auf die dagegen vorgebrachten Einwendungen eingegangen. Dadurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht geboten.
27Die Ertragsprognose des Sachverständigen sei zu viel zu pessimistisch. Die L. habe als herausragend profitables Unternehmen in der längsten Einbruchphase der Bau- und Sanitärindustrie der Nachkriegszeit ihre Jahresüberschüsse derart gesteigert, dass die Gesellschaft frei von jedweden Bankverbindlichkeiten gewesen sei und eine erhebliche Überliquidität aufgewiesen habe. Ein Ende des Rückgangs der Bautätigkeit und der Sanitärobjektsproduktion habe unmittelbar bevor gestanden. Damit sei die pessimistische Ertragsprognose des Sachverständigen ebenso wenig vereinbar wie mit der eigenen „positiven“ Einschätzung der L. in ihrem letzten Geschäftsbericht, der „extrem positiven“ Geschäftsentwicklung und Ertragsprognose des einzigen direkten Konkurrenten der L., der E. AG, und den Geschäftschancen aus der gerade erst in Angriff genommenen Internationalisierung des Unternehmens.
28Angesichts des vor dem Bewertungsstichtags erfolgten Unternehmensverkaufs, der die L. eingeschlossen habe, sei die im Bewertungsgutachten zugrunde gelegte und vom Sachverständigen übernommene Ertragsplanung nicht die „wirkliche“ Ertragsplanung gewesen, die zum Bewertungsstichtag bestanden habe. Tatsächlich hätten andere, „realitätsbezogene Planungen“ für die L. zur Kaufpreisbildung gedient, die auch zur Unternehmensbewertung im vorliegenden Spruchverfahren heranzuziehen seien. Überdies sei aus der bis dahin unverschuldeten L. durch den Unternehmensverkauf der T. OY durch Liquiditätsabzug ein völlig verändertes Unternehmen geschaffen worden, was den außenstehenden Aktionären aus „Angemessenheitsgründen“ nicht entgegengehalten werden könne. Die fiktive Ersetzung von 5,2 Mio. € an Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen durch verzinsliches Fremdkapital führe zu einer ungerechtfertigten fiktiven Doppelbelastung mit in Wirklichkeit nicht entstehenden Kosten, weil es diese Ersetzung in Wirklichkeit nicht gegeben habe und die Personalaufwendungen in der Unternehmensplanung bereits Aufwendungen für Altersversorgung enthielten.
29Die Annahmen des Sachverständigen zur Höhe der einzelnen Bewertungsparameter seien in sich widersprüchlich.
30Die Marktrisikoprämie von 5,5 % nach Steuern sei erheblich überhöht. Die sog. „Stehle-Studie“, auf der die angenommene Marktrisikoprämie maßgeblich beruhe, sei eine „Parteiarbeit“ für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC gewesen. Die Festlegung der Marktrisikoprämie anhand des arithmetischen Mittelwerts sei fehlerhaft und widerspreche gewichtigen Stimmen in der Literatur. Die angenommene Marktrisikoprämie widerspreche der gleichzeitig angenommenen unendlichen Lebensdauer des Unternehmens.
31Die Verwendung eines Peer-Group-Beta sei nicht nachvollziehbar, die Nichtanwendung eines unternehmenseigenen Beta-Faktors wegen angeblich zu kleiner r²- bzw. t-Test-Werte fehlerhaft. Wenig liquider Handel mit L.-Aktien stünde der Berücksichtigung eines unternehmenseigenen Beta-Faktors bei einem genügend langen Beobachtungszeitraum nicht entgegen. Es sei unzulässig, sich zur Herleitung des unternehmensbezogenen Beta eines mittelständischen deutschen Unternehmens der Beta von Unternehmen aus Japan und den USA zu bedienen. Dies werde durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt (Bl. 1072 d. A.).
32Der Wachstumsabschlag von 1 % sei viel zu niedrig. Die L. gehöre zu den ertragsstärksten deutschen Unternehmen. Das durchschnittliche jährliche Ergebniswachstum börsennotierter deutscher Unternehmen liege wesentlich höher als 1 %; das der branchenzugehörigen deutschen Unternehmen habe sogar im geometrischen Mittel bislang selbst unter schwierigsten Bedingungen 4,1 % betragen. Am Bewertungsstichtag sei ein massives Wachstum der Sanitärkeramik-Branche zu erwarten gewesen. Ein Überschusswachstum „weit unterhalb der vorliegend angenommenen Inflationsrate von mindestens 2 %“ entspreche unabänderlichen realen Ergebnisrückgängen, die zwangsläufig den Untergang des Unternehmens bedeuteten; dies sei unvereinbar mit der gleichzeitig angenommenen unendlichen Lebensdauer des Unternehmens.
33Der Ansatz der hälftigen Marktrisikoprämie bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung entspreche nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Danach sei der volle risikoadjustierte Verrentungszinssatz zur Ermittlung des Ausgleichs anzuwenden. Sollte der Senat beabsichtigen, hiervon abzuweichen, sei die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen (vgl. Bl. 1163 d. A.).
34Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die jeweiligen Beschwerdebegründungen Bezug genommen.
35Die Antragsteller zu 16) bis 18) beantragen,
36den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 30. August 2012 aufzuheben und die Sache an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen,
37hilfsweise,
38den Beschluss aufzuheben und eine angemessene Barabfindung sowie einen angemessenen Ausgleich festzusetzen.
39Die Antragsteller zu 1) und 12) beantragen,
40den Beschluss aufzuheben und eine angemessene Barabfindung sowie einen angemessenen Ausgleich festzusetzen.
41Die Antragsteller zu 10) und 11) beantragen,
42den Beschluss aufzuheben, soweit darin der angemessene Ausgleich auf 4,15 € je Stückaktie festgesetzt worden ist, und einen angemessenen Ausgleich festzusetzen.
43Die Antragsgegnerin beantragt,
44die Beschwerden zurückzuweisen,
45im Wege der Anschlussbeschwerde,
46die Anträge als unbegründet zurückzuweisen.
47Sie meint, das Landgericht habe Ausgleichszahlung und Barabfindung zu Unrecht und ohne überzeugende Begründung erhöht. Bei der Festlegung des Basiszinses und des Wachstumsabschlags habe es ohne kritische eigene Würdigung pauschal das Ergebnis des Sachverständigen übernommen, ohne sich in gebotener Weise mit ihren Einwendungen und den konkreten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens zu befassen.
48- Die von dem Sachverständigen gewählte Methode, die Spot Rate 30-jähriger Anleihen als Schätzer für die Anschlussverzinsung zu verwenden, stelle eine unzulässige rückwirkende Anwendung von zum Stichtag noch nicht vorhandenen Bewertungsstandards dar, nämlich des IDW S 1 2008 anstelle des zum Bewertungsstichtag einschlägigen IDW S 1 2005.
49- Der Wachstumsabschlag sei mit 1,0 % viel zu hoch bemessen: Die Umsätze der großen in Deutschland ansässigen Wettbewerber der L. seien den historischen Branchendaten des Fachverbands Sanitär-Keramische Industrie im Zeitraum 1994 bis 2004 zufolge kontinuierlich zurückgegangen; es sei zu vermuten, dass sich die Ertragslage im nachfolgenden Zeitraum „nicht oder nicht wesentlich“ verbessert habe.
50Auch die konkrete Entwicklung des Unternehmens rechtfertige den Ansatz eines Wachstumsabschlags von 1 % nicht. Der Jahresüberschuss sei keine aussagekräftige Größe für das Potential der Gesellschaft, in Zukunft Überschüsse zu erzielen; abzustellen sei auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Die Wachstumsrate des Jahresüberschusses für die Detailplanungsphase, beginnend mit dem Geschäftsjahr 2005, sei nicht repräsentativ.
51Zwar habe die Detailplanung der Gesellschaft für die Jahre 2005 bis 2008 ein größeres Wachstum des Exportgeschäfts vorgesehen. Es liege aber auf der Hand, dass ein Wachstum in dieser Größenordnung in der Phase der ewigen Rente nicht dauerhaft habe aufrechterhalten werden können.
52Die Energiekosten seien nicht hinreichend analysiert worden. Die diesbezüglichen Zahlen aus den Planungsdaten des Unternehmens für die Detailplanungsphase könnten insoweit „allenfalls Anhaltspunkte“ liefern; vielmehr seien die gesamten wirtschaftlichen Umstände und voraussichtliche Entwicklung des Energiesektors zu berücksichtigen, zumal der gesamte Energiemarkt sehr volatil sei. Daraus resultierten angesichts der Energieintensität der sanitärkeramischen Branche nicht zu unterschätzende Risiken für ein nachhaltiges Wachstum der Gesellschaft, was sich im Wachstumsabschlag deutlich niederschlagen müsse.
53Auch hinsichtlich des Preiswettbewerbs, dem sich das Unternehmen ausgesetzt sehe, sei eine Anknüpfung an die Daten der Detailplanungsphase nicht sachgerecht. Der Preisdruck auf die Gesellschaft werde sich zukünftig weiter erhöhen. Bereits in der Vergangenheit habe es aufgrund des steigenden Wettbewerbs durch in Billiglohnländern gefertigte Konkurrenzprodukte Teile seiner Produktion in günstigere Länder verlagert; das hieraus resultierende Sparpotential sei ausgereizt. Die Märkte der Länder, in denen das Hauptumsatzgebiet der Gesellschaft liege, seien weitgehend gesättigt.
54Eine Kompensation des Preisdrucks durch innerbetriebliche Maßnahmen zur Kostensenkung sei jedenfalls mittelfristig äußerst schwierig. In den Jahren 2003 und 2004 seien bereits massive Kosteneinsparungen vorgenommen worden; das Einsparungspotential sei damit weitgehend erschöpft.
55Signifikante Wachstumsimpulse aufgrund von Innovationen seien nicht zu erwarten. Die technischen Innovationsmöglichkeiten beim Herstellungsverfahren von Keramik, das „im wesentlichen seit Jahrzehnten unverändert“ ablaufe, seien „begrenzt“. Die Versuche der Gesellschaft, z. B. durch die Zusammenarbeit mit bekannten Designern beim Design Innovationen zu erreichen, hätten ihr „nicht den erhofften Erfolg“ beschieden.
56Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Anschlussbeschwerdebegründung (Bl. 1005 ff. d. A.) verwiesen.
57Die Antragsteller zu 1), 3) 5), 8), 10) bis 12), 16) bis 18), 23), 31) bis 34) sowie der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre, der die landgerichtliche Festsetzung der Barabfindung für zutreffend hält (vgl. Bl. 1175 f. d. A.), bitten um Zurückweisung der Anschlussbeschwerde.
58Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss.
59Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst zulässig in Bezug genommener Anlagen verwiesen.
60B.
61Die Rechtsmittel sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
62I.
63Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SpruchG, 22 Abs. 1 FGG. Auf das Verfahren findet gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG das SpruchG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung Anwendung, auch wenn die Beschwerden nach diesem Stichtag eingegangen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 03.11.2010, II ZB 197/10; Senat, Beschluss vom 04.07.2012, I-26 W 8/10 (AktE), jeweils zitiert aus JURIS). Die zweiwöchige Beschwerdefrist wurde gewahrt (vgl. für die Antragsteller zu 1) und 12) Bl. 901, 955 d. A., für die Antragsteller zu 16), 17) und 18) Bl. 915, 974 d. A., für die Antragstellerin zu 29) Bl. 931, 961 d. A., für den Antragsteller zu 30) Bl. 911, 959 d. A. sowie für die Antragsteller zu 10) und 11) Bl. 910, 951 d. A.).
64Auch gegen die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde bestehen keine Bedenken. Sie ist entsprechend § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 31.03.2006; I-26 W 5/06 (AktE), zitiert aus JURIS m. w. N.; zur Zulässigkeit der unselbständigen Anschlussbeschwerde im Verfahren nach § 43 WoEigG BGH, Beschluss vom 18.05.1978, VII ZB 30/76, zitiert aus JURIS).
65II.
66Allerdings hat das Landgericht die Anträge der Antragstellerin zu 29) und des Antragstellers zu 30) – allein diese haben sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung ihrer Anträge als unzulässig gewandt - zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen. Beide haben ihre Aktionärsstellung ausreichend nachgewiesen.
671.
68Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 SpruchG ist antragsberechtigt, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber ist. Dies ist dem Gericht durch Urkunden nachzuweisen, § 3 Satz 3 SpruchG. An den zu erbringenden Nachweis der Aktionärsstellung dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden; formale Anforderungen dürfen nicht allein zu dem Zweck aufgestellt werden, Anteilsinhaber von einem verfassungsrechtlich gebotenen gerichtlichen Verfahren auszuschließen (vgl. Senat, Beschluss vom 27.05.2009, 26 W 5/07 (AktE) unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 25.06.2008, II ZB 39/07, zitiert aus JURIS).
69Die Antragstellerin zu 29) hat mit ihrer Antragsschrift vom 05.04.2006, bei Gericht eingegangen am selben Tag, eine auf den 29.03.2006 datierende Bestätigung der Kreissparkasse Köln vorgelegt, wonach aktuell - bezogen auf den 29.03.2006 und damit nur eine Woche vor Eingang der Antragsschrift - Aktien der L. in ihrem Depot verwahrt wurden (Bl. 32 der verbundenen Akte 31 O 35/06). Damit ist dem Nachweiserfordernis vorliegend hinreichend Genüge getan. Für eine nachträgliche Veräußerung der Aktien bis zur Einreichung der Antragsschrift fehlen jedwede Anhaltspunkte; die zum Zeitpunkt des Eingangs der Antragsschrift andauernde Aktionärsstellung wird vielmehr bestätigt durch die mit Schriftsatz vom 17.08.2012 übersandte weitere Bescheinigung der Kreissparkasse Köln, wonach sich auch am 15.04.2006 Aktien der L. in dem Depot befanden (Bl. 872 d. A.). Im Einklang damit hat die Antragstellerin zu 29) schließlich im Beschwerdeverfahren eine weitere Bescheinigung der Kreissparkasse Köln vom 07.12.2012 vorgelegt, die die Verwahrung von Aktien der L. für die Antragstellerin zu 29) am 05.04.2006 zweifelsfrei bestätigt (Bl. 1141 d. A.).
70Der Antragsteller zu 30), dessen Antrag ebenfalls am 05.04.2006 bei Gericht eingegangen ist, hat mit der Antragsschrift eine ebenso zeitnah erstellte Bescheinigung der DAB Bank vom 31.03.2006 vorgelegt, in der auf seine Anfrage vom Vortag bezogen auf dieses Datum (30.03.2006) bestätigt wird, dass für ihn Aktien der L. verwahrt wurden (Bl. 33 der verbundenen Akte 31 O 35/06). Anhaltspunkte für eine nachträgliche Veräußerung der Aktien sind auch insoweit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Danach hat auch er seine Antragsberechtigung hinreichend nachgewiesen. Auch in seinem Fall wird die Aktionärsstellung überdies durch die mit Schriftsatz vom 16.08.2012 übersandte weitere Bescheinigung zweifelsfrei bestätigt, wonach sich auch am Tag des Antragseingangs (05.04.2006) Aktien der L. in seinem Depot befanden (Bl. 875 d. A.).
712.
72Die mit Schriftsätzen vom 17.08.2012 bzw. 16.08.2012 eingereichten Nachweise waren auch nicht angesichts der Versäumnis der durch das Landgericht im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2007 (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 392 d. A.) gesetzten Frist von einem Monat verspätet.
73Allerdings durfte das Landgericht den Antragstellern als vorbereitende Maßnahme Fristen zur Erbringung des Nachweises setzen (vgl. § 7 Abs. 5 SpruchG). Das Spruchverfahren soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Verfahrensförderungspflichten der Beteiligten nachhaltig beschleunigt werden (BT-Drs. 15/371, 11). Dementsprechend sehen §§ 9 und 10 SpruchG in Anlehnung an §§ 282, 296 ZPO sowohl allgemeine Verfahrensförderungspflichten als auch Verspätungsvorschriften vor, die die Ahndung eines Verstoßes gegen die Verfahrensförderungspflicht mit der Präklusion des verspäteten Vorbringens ermöglichen (Bungert/ Mennike, Das Spruchverfahrensneuordnungsgesetz, BB 2003, 2021 ff, 2027). Der Wertung des Landgerichts ist auch insoweit beizupflichten, als das Verhalten der Antragstellerin zu 29) und des Antragstellers zu 30) nicht einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entsprach, wie es § 9 Abs. 1 SpruchG voraussetzt. Beide haben die gerichtliche Fristsetzung – zunächst - über Jahre hinweg unbeachtet gelassen.
74Nach § 10 Abs. 2 SpruchG kann verspätetes Vorbringen aber nur dann zurückgewiesen werden, wenn dessen Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde. Das ist vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um ein Verfahren mit 38 Antragstellern, von denen die meisten entweder der gerichtlichen Aufforderung nach Vorlage eines Nachweises nachgekommen sind oder Nachweise über ihre Aktionärsstellung bereits mit der Antragstellung vorgelegt haben. Insbesondere befand sich das im Jahr 2006 eingeleitete Verfahren zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Fristsetzung ganz unzweifelhaft noch in der Anfangsphase. Nach dem Termin vom 25.10.2007 ruhte es - mit Blick auf von den Beteiligten ins Auge gefasste Vergleichsgespräche, die bis ins Jahr 2009 hinein andauerten und schließlich scheiterten - bis zum Erlass des Beweisbeschlusses im Januar 2009 (Bl. 450 d. A.). Die Erstellung des Erstgutachtens dauerte wiederum bis ins Jahr 2011 an. Auf die dagegen erhobenen Einwendungen verschiedener Antragssteller, aber auch der Antragsgegnerin, wurde die schriftliche Ergänzung des Gutachtens angeordnet. Zugleich ist erneut die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen angeregt und mit der Führung der Vergleichsgespräche den gemeinsamen Vertreter beauftragt worden (Bl. 646 d. A.). Die Ergänzung des Gutachtens dauerte schließlich bis ins Jahr 2012 an. In der Sache haben die Antragstellerin zu 29) und der Antragsteller zu 30) ausschließlich Standardrügen gegen die Bewertungsparameter erhoben, mit denen sich der mit der vollständigen Neubewertung beauftragte Sachverständige und das Landgericht in seiner Entscheidung ohnehin zu befassen hatten. Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass sich das Verfahren durch die Nachlässigkeit der Antragstellerin zu 29) und des Antragstellers zu 30) verzögert hätte.
75III.
76In der Sache haben die Beschwerden wie auch die Anschlussbeschwerde indessen keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht – dem Sachverständigen O. folgend – die Barabfindung mit 62,16 € und den Ausgleich auf 4,15 € je Stückaktie als angemessen festgesetzt. Für eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ist daher kein Raum.
771.
78Gemäß § 305 Abs. 1 AktG muss ein Unternehmensvertrag die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens enthalten, auf Verlangen der außenstehenden Aktionäre dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Angemessen ist eine Abfindung, die – unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag (vgl. § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) – dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist. Sie muss also dem vollen Wert seiner Beteiligung entsprechen (vgl. nur BVerfGE 14, 263, 284; 100, 289, 304 f.; BVerfG AG 2007, 697; BGHZ 71, 40, 51; Senat AG 2004, 614 f.; ZIP 2006, 2379, 2381; Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 9, 74; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 305 Rn. 18, 26). Dabei ist der Wert der Beteiligung regelmäßig als anteiliger Unternehmenswert im Wege einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO unter Ermittlung einer hierfür anerkannten Methode zu ermitteln. Grundsätzlich darf sich das erkennende Gericht insoweit nicht auf eine reine Plausibilitätsbetrachtung beschränken. Wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt und von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wird, gibt es indes einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert nicht. Dies folgt schon daraus, dass der Unternehmenswert von den zukünftigen Erträgen der Gesellschaft sowie einem in die Zukunft gerichteten Kapitalisierungszins abhängig ist und die zukünftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Entsprechend führen die prognostischen Schätzungen wie auch die methodischen Einzelentscheidungen, die Grundlage der Unternehmensbewertung sind, im Ergebnis dazu, dass die Wertermittlung insgesamt keinem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich ist (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.07.2011, 20 W 14/08, zitiert aus JURIS Rn. 179 ff.; Beschluss vom 03.04.2012, 20 W 6/09, zitiert aus JURIS Rn. 110 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, 21 W 7/11, zitiert aus JURIS Rn. 34 f.).
792.
80Ohne Erfolg rügen einige Beteiligte in verfahrensrechtlicher Hinsicht, das Landgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihre Einwände „begründungslos übergangen“, „kommentarlos“ die Ertragsprognose des Sachverständigen übernommen und sich nicht mit ihren methodischen Einwänden zu den einzelnen Bewertungsparametern „befasst“ habe.
81Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Damit korrespondiert die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, soweit das Vorbringen nach den Prozessvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder bleiben kann. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, da es nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (vgl. nur BVerfGE 5, 22, 24; 11, 218, 220; 14, 320, 323; 18, 380, 383; 22, 267, 274; 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 23.02.2012, I ZB 30/10, zitiert aus JURIS Rn. 7 m. w. N.). Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG aaO).
82Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Das Landgericht war nicht gehalten, in seiner Entscheidung die Einwendungen im Einzelnen explizit abzuhandeln; erst Recht war – entgegen der Rüge der Anschlussbeschwerdebegründung, die „eigentliche Begründung“ nehme „gerade einmal vier Seiten ein“ – ein bestimmter Entscheidungsumfang nicht geboten. Dass das Landgericht Vortrag der Beteiligten inhaltlich übergangen hätte, lässt sich nicht feststellen, zumal es dem Sachverständigen mit Verfügung vom 03.04.2009 (Bl. 516 f. d. A.) u. a. konkret aufgegeben hatte, sämtliche Bewertungsrügen zu berücksichtigen; dem ist der Sachverständige auch erkennbar gefolgt. Da von den Antragstellern nahezu alle Aspekte angesprochen wurden, die für eine Unternehmensbewertung der L. zum 04.11.2005 relevant sind, hat er - in Abstimmung mit dem Landgericht - eine vollständige Neubewertung des Unternehmens vorgenommen (vgl. S. 14 GA). In dem 125-seitigen Erstgutachten hat er zu jedem Prüfungspunkt zunächst zusammengefasst die Vorgehensweise der Bewertungsgutachterin, daran anschließend die vorgebrachten Einwendungen (vgl. S. 15, 27, 59, 89, 95, 104 GA) und sodann - in Auseinandersetzung mit diesen - seinen eigenen Lösungsansatz dargelegt. Das Ergänzungsgutachten verhält sich – in entsprechender Vorgehensweise - ausschließlich und vollumfänglich zu den dagegen vorgebrachten Einwendungen der Verfahrensbeteiligten (vgl. S. 4, 5, 8, 10, 13, 17, 20, 32, 34 EGA). Die Substanz der Rügen der beschwerdeführenden Antragsteller sowie der Antragsgegnerin erschöpft sich nach alledem letztlich darin, dass das Landgericht – wie auch der Sachverständige – ihren jeweiligen rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen nicht gefolgt ist; die Überprüfung der Entscheidung lässt insoweit Fehler jedoch nicht erkennen, wie noch aufgezeigt werden wird.
833.
84In der Sache ist die von der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wie auch von dem Sachverständigen O. angewandte Ertragswertmethode als eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung anerkannt (vgl. nur BGHZ 156, 57 – „Ytong“; Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 80 f.) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 100, 289, 307 – „Altana“); abgesehen davon wird sie von den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt. Unter Anwendung dieser Methode sind die den Aktionären künftig zufließenden Erträge zu schätzen und jeweils mit dem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag am 04.11.2005 abzuzinsen. Der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und andere Sonderwerte sind hinzuzurechnen (vgl. nur Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 139 m. w. N.).
85a)
86Die in dem Gutachten des Sachverständigen O. ermittelte Prognose der künftigen Erträge der L. ist nicht zu beanstanden. Konkrete Ansatzpunkte dafür, dass die Annahmen des Sachverständigen nicht realistisch sind oder die von ihm zugrundegelegte Unternehmensplanung Widersprüche aufweisen, sind von den Antragstellern nicht aufgezeigt.
87aa)
88Der Einwand, L. habe als herausragend profitables Unternehmen in der längsten Einbruchphase der Bau- und Sanitärindustrie der Nachkriegszeit ihre Jahresüberschüsse mit jährlich zweistelligen Prozentsätzen derart gesteigert, dass die Gesellschaft frei von jedweden Bankverbindlichkeiten gewesen sei und eine erhebliche Überliquidität aufgewiesen habe, ist durch die Feststellungen des Sachverständigen, der die Umsatzzahlen im Zeitraum 2002 bis 2005 analysiert hat, widerlegt. Danach hatte das Unternehmen seit Jahren Umsatzrückgänge zu verzeichnen, die der Sachverständige nachvollziehbar auf die schlechte Baukonjunktur und den scharfen Preiswettbewerb im Low-Segment zurückführt (S. 34 GA). Der Rückgang der Umsätze mit den Privatbad-Serien entspreche ebenfalls dem Branchentrend (S. 35 GA). Allein bei den Hausserien sowie Spezialprodukten wie Badmöbeln sei eine positive Entwicklung zu verzeichnen gewesen, die allerdings nicht ausgereicht habe, um die Rückgänge im Übrigen auszugleichen.
89bb)
90Ebenso widerlegt ist die von einzelnen Antragstellern formulierte Erwartung, angesichts jahrelangen Auseinanderklaffens von Wohnraumbedarf und Neubautätigkeit habe ein Ende des Rückgangs der Bautätigkeit und der Sanitärobjektsproduktion unmittelbar bevorstehen müssen. Festzustellen ist, dass zum Bewertungsstichtag weiterhin eine signifikante Kaufzurückhaltung bei zugleich steigenden Energiepreisen bestand (S. 40 GA). Für das Jahr 2006 wurde – nach mehrjähriger Rezession der Baubranche – ein weiterer Rückgang erwartet, den der Sachverständige plausibel mit dem Wegfall der Eigenheimzulage Ende des Jahres 2004 begründet und der anhand einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2005 bestätigt wird (S. 42 GA). Im Einklang damit erwartete die Unternehmensleitung der L. bei den Hausserien am Bewertungsstichtag einen weiteren Rückgang; diese Einschätzung findet sich bestätigt durch die Ist-Zahlen, die diese (negative) Erwartung noch übertrafen (S. 49 GA). Auch im Low-Segment war ein starker Rückgang der Umsatzzahlen zu verzeichnen (S. 49 GA). Insgesamt hat der Sachverständige die tatsächliche Planung der L. angesichts der Umsatzrückgänge der vergangenen Jahre zum Bewertungsstichtag als allenfalls „verhalten optimistisch“ bezeichnet (S. 35 GA).
91cc)
92Die Annahme einzelner Antragsteller, die Geschäftschancen aus der gerade erst in Angriff genommenen Internationalisierung des Geschäfts der L. hätten zu einer günstigeren Einschätzung führen müssen, steht ebenfalls in Widerspruch zu den tatsächlich rückläufigen Exportumsätzen, die der Sachverständige festgestellt hat (S. 35 GA).
93dd)
94Soweit einige Antragsteller behaupten, angesichts der im Jahr 2005 vor dem Bewertungsstichtag erfolgten Veräußerung der Anteile der T. Oy sei die im Bewertungsgutachten zugrunde gelegte und vom Sachverständigen übernommene Ertragsplanung der L. nicht die „wirkliche“ Ertragsplanung gewesen, die zum Bewertungsstichtag bestanden habe, tatsächlich hätten „andere, realitätsbezogene Planungen“ für die L. vorgelegen, die zur Kaufpreisbildung gedient hätten, ist damit ein Bewertungsmangel des Sachverständigengutachtens nicht dargetan. Wie die Antragsgegnerin - von den Antragstellern unwidersprochen - aufgezeigt hat, bezog sich die in Rede stehende Veräußerung von Unternehmensanteilen an den von EQT beratenen Private Equity Fonds auf die T.-Unternehmensgruppe, die bereits 1991 die B. S.A.S. erworben und in die eigene Unternehmensgruppe eingegliedert hatte. Die Veräußerungssituation in Bezug auf die übergeordnete Unternehmensgruppe lässt daher schon für sich betrachtet keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Bewertung des Unternehmens der L. zum Bewertungsstichtag zu. Hinzu kommt, dass die der Kaufpreisbildung zugrundeliegende Investitionsentscheidung beim Erwerb von Unternehmensanteilen für Bewertungsgesichtspunkte regelmäßig deshalb ungeeignet ist, weil sie erkennbar von zahlreichen weitere, nicht bewertungsrelevanten Faktoren abhängig ist, etwa dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage und subjektiven Nutzungseinschätzungen der Käuferseite, z. B. hinsichtlich deren spezifischer steuerlicher Situation sowie deren subjektiver Risikoeinschätzung sowie spezifischer Alternativanlage- und Refinanzierungsmöglichkeiten (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.04.2012, 20 W 7/09, zitiert aus JURIS).
95ee)
96Der Einwand einzelner Antragsteller, infolge der Veräußerung der Unternehmensanteile sei aus der bis dahin unverschuldeten L. durch Liquiditätsabzug ein völlig verändertes Unternehmen geschaffen worden, was den Minderheitsaktionären aus „Angemessenheitsgründen“ nicht entgegengehalten werden könne, vermag nicht zu überzeugen. Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf, dass das Unternehmen so bewertet wird, wie es unabhängig von einer bereits bestehenden Konzernstruktur stehen würde. Zum Bewertungsstichtag bestehende nachteilige Konzernstrukturen bedürfen keiner fiktiven Korrektur (so auch OLG Stuttgart AG 2010, 510; AG 2011, 795).
97Ebenso wenig ist die Bildung des negativen Sonderwertes in Höhe von 5,2 Mio. € für die Pensionsrückstellungen zu beanstanden. Die - in der Unternehmensbewertung zur Berücksichtigung wertrelevanter Effekte gängige (vgl. Sauer, WPg 2011, 1019) - Bildung eines von dem Ertragswert in Abzug zu bringenden Sonderwerts war vorliegend geboten, weil den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen zufolge bis zum Ende der Detailplanungsphase ein sog. Beharrungszustand, in dem Pensionsaufwendungen und –zahlungen in gleicher Höhe anfallen, nicht eingetreten war. Zu einer Doppelbelastung führt diese Vorgehensweise nicht, weil die mit den Pensionsverpflichtungen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen in Höhe von 6 Mio. € gleichzeitig aus der Planung der ewigen Rente eliminiert und das Ergebnis der ewigen Rente entsprechend entlastet worden sind (S. 32 EGA). Wie der Sachverständige weiter nachvollziehbar dargelegt hat, müssen zukünftig entstehende gesetzliche Ansprüche für Altersversorgung notwendigerweise in der Planung berücksichtigt werden, da mit dem in Abzug gebrachten Sonderwert lediglich die bislang erdienten Pensionsansprüche für die geschlossene betriebliche Altersversorgung erfasst sind (S. 33 EGA). Eine ungerechtfertigte Mehrbelastung liegt daher nicht vor.
98b)
99Zutreffend ist das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – auch davon ausgegangen, dass der seiner Unternehmensbewertung zugrunde gelegte Kapitalisierungszinssatz keiner Korrektur bedarf.
100Der Kapitalisierungszinssatz dient der Diskontierung der den Anteilseignern zukünftig zufließenden Erträge, um deren Barwert zu erhalten und setzt sich aus einem quasi risikolosen Basiszins sowie einem Risikozuschlag zusammen. Da der Unternehmensbewertung eine Nominalrechnung zugrunde liegt, ist in der Phase der ewigen Rente zudem ein Wachstumsabschlag zu berücksichtigen (vgl. nur Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 132 m. w. N.).
101aa)
102Gegen den von dem Sachverständigen ermittelten Basiszins in Höhe von 3,75 % bestehen keine Bedenken. Insbesondere stellt die von ihm bei der Ableitung des Basiszinses gewählte Vorgehensweise, anhand der sog. Svensson-Methode unter Heranziehung der Zinsstrukturkurve die Spot Rate 30-jähriger Anleihen als Schätzer für die Anschlussverzinsung zu verwenden, entgegen dem Einwand der Anschlussbeschwerde keine unzulässige rückwirkende Anwendung von zum Stichtag noch nicht vorhandenen Bewertungsstandards dar. Allerdings ist umstritten, inwieweit ein IDW-Standard rückwirkend angewendet werden kann (vgl. dazu ausführlich Senat, Beschluss vom 21.12.2011, 26 W 3/11 (AktE), zitiert aus JURIS; Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 92 ff. m. w. N.). Der Senat hat hierzu bereits entschieden, dass für die Bewertung in Spruchverfahren im Regelfall der IDW-Standard anzuwenden ist, der im Zeitpunkt der Unternehmensentscheidung gegolten hat. Es ist im Hinblick auf das Stichtagsprinzip und aus Gründen der Rechtssicherheit zwar bedenklich, einen nach Ende der Unternehmensmaßnahme geänderten Bewertungsstandard rückwirkend anzuwenden (vgl. ausführlich Senat, Beschlüsse vom 21.12.2011, I-26 W 2/11 (AktE) und I-26 W 3/11 (AktE), jeweils zitiert aus JURIS). Jedoch können neuere und gefestigte bessere Erkenntnisse und Schätzungsmethoden nach dem Bewertungsstichtag, etwa die Ermittlung des Basiszinses anhand der Zinsstrukturkurve, zur Plausibilisierung des berechneten Unternehmenswertes berücksichtigt werden (vgl. Senat aaO).
103Vorliegend hat der Sachverständige – entgegen der Darstellung der Anschlussbeschwerde - nicht den IDW S 1 2008 anstelle des zum Bewertungsstichtag einschlägigen IDW FN 2005 angewendet, sondern den unmittelbar vor dem Bewertungsstichtag am 18.10.2005 verabschiedeten IDW S 1 i. d. F. 2005. Die seit dem 02.04.2008 vorliegende weitere Überarbeitung (IDW S 1 i. d. F. 2008) hat er unberücksichtigt gelassen, weil die Unternehmenssteuerreform 2008 zum Bewertungsstichtag nicht in ihren Wurzeln angelegt gewesen ist (S. 19 GA). Entsprechend dieses Bewertungsstandards (IDW S 1 i. d. F. 2005) hat er den Basiszins mit Hilfe der Zinsstrukturkurve unter Anwendung der Svensson-Methode abgeleitet. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden (so auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.07.2010, 5 W 53/09, zitiert aus JURIS). Auch die F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war – von der Vertragsprüferin gebilligt – davon ausgegangen, dass der Basiszins anhand der Zinsstrukturkurve zu berechnen sei (S. 25 f. BGA). Die bloße weitere Plausibilisierung des dabei gefundenen Ergebnisses durch Verwendung der Spot Rate 30-jähriger Anleihen als Schätzer für die Anschlussverzinsung stellt nicht die Anwendung eines neuen Bewertungsstandards dar, sondern ist als Ansatz, sich aufgrund neuerer Erkenntnisse im Wege der Sachaufklärung einem realistischen Basiszins zu nähern, zulässig (vgl. Senat, Beschluss vom 21.12.2011, 26 W 3/11(AktE); Beschluss vom 29.02.2012, 26 W 2/10 (AktE); Beschluss vom 04.07.2012, 26 W 11/11 (AktE), jeweils zitiert aus JURIS).
104bb)
105Der Senat hält auch den in Übereinstimmung mit dem Bewertungsgutachten und der Vertragsprüferin zugrunde gelegten Risikozuschlag in Höhe von 3,85 % nach Steuern zum damaligen Bewertungsstichtag für realistisch.
106Der Basiszins ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen, da bei der Investition in ein Unternehmen im Gegensatz zur Anlage in öffentliche Anleihen die Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind (vgl. nur Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 115 ff.). Der Risikozuschlag ist nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen, wobei die Schätzung auf der – nicht zu beanstandenden (vgl. Senat WM 2009, 2220, 2226) – theoretischen Basis des CAPM erfolgt. Hiernach wird die aus der langjährigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und (quasi) risikofreien öffentlichen Anleihen ermittelte durchschnittliche Risikoprämie (Marktrisikoprämie) mit einem das unternehmensspezifische Risiko abbildenden Faktor (Betafaktor) multipliziert (vgl. nur Senat aaO).
107aaa)
108Die Marktrisikoprämie nach Steuern ist vom Sachverständigen O. - übereinstimmend mit der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie der X. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Vertragsprüferin (vgl. S. 27 ff. BGA; Prüfbericht S. 24 f.) - mit 5,5 % veranschlagt worden (S. 67 ff. GA, 14 ff. EGA). Für eine gerichtliche Korrektur dieser Einschätzung besteht kein Anlass.
109Allerdings ist – wie der Senat nicht verkennt – die konkrete Höhe der Marktrisikoprämie innerhalb der Wirtschaftswissenschaften sehr umstritten. Eine allgemein anerkannte Höhe hat sich bislang nicht herausgebildet; eine empirisch genaue Festlegung der Marktrisikoprämie ist nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftswissenschaften nicht möglich (vgl. ausführlich Senat, Beschluss vom 04.07.2012,I-26 W 8/10 (AktE), zitiert aus JURIS Rn. 52 m. w. N.).
110Auch die Diskussion darüber, welches Mittel für die Unternehmensbewertung angewendet werden sollte, ist noch nicht abgeschlossen. Soweit einzelne Antragsteller einwenden, statt des arithmetischen sei das geometrische Mittel heranzuziehen, ist auch diese Frage wissenschaftlich nicht geklärt, und es ist auch nicht belegt, dass sich die geometrische Methode gegenüber dem arithmetischen Mittel mittlerweile durchgesetzt hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 04.07.2012, 26 W 8/10 (AktE), zitiert aus JURIS Rn. 53 f. m. w. N.). Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, erscheint es - solange das Problem der wissenschaftlich vorzugswürdigen Durchschnittsbildung nicht abschließend gelöst ist – sinnvoll, einen zwischen dem geometrischen und dem arithmetischen Mittel liegenden Wert heranzuziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 04.07.2012, 26 W 8/10 (AktE); Beschluss vom 29.02.2012, 26 W 2/10 (AktE), jeweils zitiert aus JURIS m. w. N.). Dies entspricht zugleich der Empfehlung des Arbeitskreises Unternehmensbewertung des IDW, der für die Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragssteuern eine Bandbreite von 5 % bis 6 % empfohlen hat (vgl. IDW Fachnachrichten 2005 S. 70, 71) sowie regelmäßigen Annahmen der Bewertungspraxis (vgl. etwa Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 128).
111Soweit einzelne Antragsteller Bedenken gegen die Studie von Stehle aus dem Jahr 2004 (vgl. Stehle, WPg 2004, 906) erheben, kommt es darauf nicht entscheidend an. Maßgeblich ist, dass die Studie in Zusammenschau mit den Ergebnissen anderer Studien (vgl. dazu auch Übersicht bei Drukarczyk/ Schüler, Unternehmensbewertung, 6. Aufl., S. 221 f.), allgemeinen Plausibilitätserwägungen, der Rechtsprechung anderer Gerichte und den Empfehlungen des einschlägigen Berufsverbandes als ausreichende Schätzgrundlage angesehen werden kann.
112Der Mittelwert von 5,5 % ist danach im Rahmen einer Schätzung, die sich zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Werte zu bewegen hat, – auch bezogen auf den vorliegenden Bewertungsstichtag 04.11.2005 – nicht zu beanstanden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.07.2013, 20 W 2/12 (Stichtag: 09.05.2003; Beschluss vom 03.04.2012, 20 W 7/09 (Stichtag: 13.12.2004); Beschluss vom 14.09.2011, 20 W 4/10 (Stichtag: 30.11.2006); Beschluss vom 18.12.2009, 20 W 2/08 (Stichtag: 16.02.2007); Beschluss vom 17.10.2011, 20 W 7/11 (Stichtag 16.02.2007); OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.03.2012, 21 W 11/11 (Stichtag im November 2007); Beschluss vom 29.03.2011, 21 W 12/11 (Stichtag 22.11.2002); ebenso Senat, Beschluss vom 04.07.2012, 26 W 8/10 (AktE), zitiert aus JURIS Rn. 54 (Stichtag: 29.11.2007).
113bbb)
114Auch der Betafaktor von 0,7 ist nicht zu beanstanden.
115In ihrem Bewertungsgutachten vom 09.09.2005 hat die F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Betafaktor wegen mangelnder statistischer Signifikanz des eigenen Börsenkurses der L.-Aktie anhand der Börsenkurse einer Peer Group ermittelt und auf 0,7 geschätzt (vgl. S. 27 ff. BGA). Diese Vorgehensweise hat die zur Vertragsprüferin bestellte X. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gebilligt (vgl. Prüfbericht S. 24 f.). Auch der Sachverständige O. hat mit derselben Vorgehensweise einen Beta-Faktor von 0,7 ermittelt (S. 72 ff. GA).
116Der Senat sieht keinen Anlass, der Schätzung einen abweichenden Wert zugrunde zu legen.
117Mit dem Betafaktor wird der allgemeine Risikozuschlag an das konkrete Risiko des zu bewertenden Unternehmens angepasst. Der Beta-Faktor gibt an, wie sich die Rendite der Aktien des zu bewertenden Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält. Ist der Betafaktor größer als 1, liegt das individuelle Risiko über dem des Marktdurchschnitts, ein Betafaktor von kleiner als 1 bedeutet, dass das individuelle Risiko unterdurchschnittlich ist (Riegger in: Kölner Kommentar, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 21; Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 119 f.). Insoweit ist es zwar zutreffend, dass die Multiplikation der Marktrisikoprämie mit dem Beta-Faktor der Individualisierung des allgemeinen Marktrisikos auf das konkrete Unternehmensrisiko dienen soll. Dabei ist indessen anerkannt, dass der relevante Betafaktor auch durch Rückgriff auf eine Gruppe von – auch internationalen - Vergleichsunternehmen (sog. Peer Group) geschätzt werden kann, falls die Börsenkurse der Gesellschaft nicht aussagekräftig (Marktenge) oder aus anderen Gründen nicht verwertbar sind oder das zu bewertende Unternehmen nicht an der Börse notiert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27.05.2009, 26 W 5/07 (AktE); OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.12.2009, 20 W 2/08; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2008, 12 W 16/02, jeweils zitiert aus JURIS; Paulsen in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 120; Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 217 ff.).
118Ein solcher Fall liegt hier vor.
119Wie der Sachverständige O. in seinem Gutachten vom 04.02.2011 ausführlich und überzeugend dargelegt hat, erfolgt die Ermittlung des Beta-Faktors anhand einer linearen Regression der unternehmensspezifischen Aktienkursrendite auf die Rendite des Aktienindex, wobei der Betafaktor die Steigerung der Regressionsgeraden angibt. Neben der rein rechnerischen Ableitung des Steigungsmaßes stellt sich dabei die Frage nach der Aussagekraft der Regressionsanalyse. Hierzu werden unterschiedliche statistische Maße verwendet, die darüber Aufschluss geben sollen, wie „gut“ im Sinne von statistisch aussagekräftig die abgeleiteten Regressionsergebnisse sind. Neben der Liquidität des Aktienhandels kommen hierbei der Korrelationskoeffizient (r²) und der so genannte t-Test zur Anwendung. Je weiter der Wert von r² unter 1,0 sinkt und sich dem Wert von 0,0 nähert, desto größer wird der Anteil der in der Stichprobe beobachteten Aktienkursstreuung, der nicht durch die Marktentwicklung, sondern durch andere Einflussfaktoren erklärt wird. Bei einem Wert unter 0,1 wird in der Praxis der Unternehmensbewertung regelmäßig auf die fehlende Geeignetheit des eigenen Betas des zu bewertenden Unternehmens geschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.07.2011, 20 W 14/08, zitiert aus JURIS Rn. 265 ff.). Teilweise werden in der Rechtsprechung sogar Werte über 0,15 bzw. 0,5 als Voraussetzung für die Heranziehung des eigenen Betas genannt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.12.2009, 20 W 2/08, zitiert aus JURIS). Im Rahmen des t-Tests wird ein statistischer Zusammenhang zwischen Aktienkurs- und Marktrendite immer nur bei einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (sog. Konfidenzwahrscheinlichkeit), üblicherweise bei 95 % oder 99 %, vermutet (vgl. S. 72 ff. GA).
120Die nach diesen - wirtschaftswissenschaftlich anerkannten – Prämissen vorgenommene Betrachtung des originären Beta-Faktors der L. über einen Zeitraum von zwei Jahren unter Verwendung wöchentlicher Renditeintervalle wie auch die weitere Plausibilisierung dieses Ergebnisses anhand von Beta-Werten über einen Fünf-Jahreszeitraum mit monatlichen Renditen sowie anhand von durchschnittlichen Beta-Werten aus fünf Ein-Jahreszeiträumen mit jeweils täglichen Renditeintervallen zeigen, dass lediglich bei der Variante des fünfjährigen Beobachtungszeitraumes mit monatlichen Renditen für den Fall der Verwendung des MSCI-World-Index ein Beta-Faktor vorliegt, der mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von 95 % als statistisch signifikant erachtet werden könnte. Rein statistisch ist danach die Anwendbarkeit des originären Beta-Faktors zwar nicht von vornherein ausgeschlossen; sie ist aber aufgrund der Ablehnung auf dem 99 %-Niveau in Frage zu stellen. Dabei fällt ins Gewicht, dass die Anwendbarkeit des originären Beta-Faktors in allen übrigen Varianten schon mangels Erreichens einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von 95 % aus statistischer Sicht ausgeschlossen ist; zugleich liegen in allen Varianten die r²-Korrelationskoeffizienten als Indikator für die statistische Aussagefähigkeit durchgängig nur bei Werten unter 0,1, was ebenfalls gegen Verwendbarkeit des eigenen Betas des zu bewertenden Unternehmens spricht.
121Weiter zeigt den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen zufolge die Analyse der ermittelten Kennzahlen zum Handelsvolumen der L.-Aktie, dass in den beiden Jahren vor dem Bewertungsstichtag 04.11.2005 kein als liquide zu bezeichnender Handel mit L.-Aktien stattgefunden hat. Überwiegend, nämlich an 228 von 524 Tagen, war kein Handel mit L.-Aktien zu verzeichnen; zudem wies der Handel relativ hohe Bid-Ask-Spreads auf, die typisch für Unternehmen mit geringen Handelsvolumen sind.
122Demgegenüber zeigt die Peer-Group-Analyse, dass die von dem Sachverständigen betrachteten Vergleichsunternehmen, insbesondere in dem zweijährigen Beobachtungszeitraum mit wöchentlichen Renditen und dem jeweiligen nationalen marktbreitesten Index als Referenzindex, ganz überwiegend Korrelationskoeffizienten zwischen 0,1 und 0,5 sowie regelmäßig bestätigte Konfidenzwahrscheinlichkeiten bei 95 % und/ oder 99 % aufwiesen (S. 83 f. GA). Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, sondern vielmehr sachgerecht, dass der Sachverständige vorliegend zur Bestimmung des Beta-Faktors auf eine Vergleichsgruppe von Unternehmen zurückgegriffen hat.
123Auch gegen die konkret herangezogene Vergleichsgruppe bestehen keine Bedenken. Die pauschal gebliebene Ansicht einzelner Antragsteller, es sei „kapitalmarkttheoretisch und im Rahmen des CAPM unzulässig“, sich zur Herleitung des unternehmensbezogenen Beta eines mittelständischen deutschen Unternehmens der Beta von Unternehmen aus Japan und den USA zu bedienen, teilt der Senat nicht. Dem diesbezüglichen Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 1072 d. A.) ist daher nicht nachzugehen.
124Grundsätzlich ist dem Sachverständigen bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen, da verschiedene Vergleichskriterien gegeneinander abgewogen und entsprechend gewichtet werden müssen (vgl. dazu Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 217 ff.). Wie der Sachverständige überzeugend – und von den Antragstellern unangegriffen – dargelegt hat, setzt sich die von ihm herangezogene Vergleichsgruppe aus Unternehmen mit vergleichbaren Tätigkeitsfeldern und ähnlicher Risikostruktur wie denen der L. zusammen (S. 79 GA). Die vorliegend gewählte Gruppe deutscher und internationaler börsennotierter Vergleichsunternehmen ist gemessen an den maßgeblichen Kriterien (vgl. Dörschell/Franken/Schulte, aaO, S. 221) plausibel und nachvollziehbar. Ein konkretes Überschreiten des dem Sachverständigen einzuräumenden Ermessenspielraums ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern aufgezeigt. Dass er – neben drei in Deutschland, einem in der Schweiz und einem in Polen angesiedelten Unternehmen – unter anderem die Toto Ltd. mit Sitz in Japan und die Jacuzzi Brands. Inc. mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika in die Bewertung mit einbezogen hat, ist nicht zu beanstanden. Unabhängig davon, dass die L. ebenfalls als international präsentes Unternehmen anzusehen ist, wiesen beide Vergleichsunternehmen im maßgeblichen Geschäftsjahr mit der Produktion und dem Vertrieb von Sanitärkeramik wie WCs, Armaturen, Waschbecken und Badewannen einen durchaus vergleichbaren Unternehmensgegenstand auf und waren überdies jeweils über die Beteiligung an Bulthaup bzw. den Auslandsvertrieb eigener Marken (Morphosis und Jacuzzi) auch in Europa bzw. am deutschen Markt vertreten.
125cc)
126Ebenso wenig ist der Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % zu beanstanden.
127In ihrem Bewertungsgutachten vom 09.09.2005 hat die F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Wachstumsabschlag mit 0,5 % beziffert. Ihrer Einschätzung nach könnten Kostensteigerungen seitens der Gesellschaft teilweise in den Preisen weitergegeben werden (vgl. gutachterliche Stellungnahme S. 28 f.). Dies hat die zur Vertragsprüferin bestellte X. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als angemessen und sachgerecht gebilligt (vgl. Prüfbericht S. 24 f.). Demgegenüber ist der Sachverständige O. von einem Wachstumsabschlag von 1 % ausgegangen. Zwar hat auch er einen erhöhten Preisdruck auf das Unternehmen festgestellt; indes sei insbesondere aufgrund der schon der Vergangenheit bewiesenen Innovationsfähigkeit der L. trotz des aktiven Wettbewerbsumfelds eine gute Wettbewerbsposition des Unternehmens und ein Wachstum oberhalb der hälftigen Inflationsrate der Jahre 2003 bis 2005 anzunehmen (S. 87 GA).
128Der Senat hält diese Einschätzung des Sachverständigen O. für differenziert und durchweg überzeugend. Soweit einzelne Antragsteller den Wachstumsabschlag als „viel zu niedrig“, die Antragsgegnerin ihn hingegen als zu „deutlich zu hoch“ rügen, sieht er keinen Anlass, der Schätzung einen abweichenden Wert zugrunde zu legen.
129aaa)
130Der Einwand einiger Antragsteller, ein Überschusswachstum „weit unterhalb der der vorliegend angenommenen Inflationsrate von mindestens 2 %“ entspreche realen Ergebnisrückgängen, die zwangsläufig den Untergang des Unternehmens bedeuteten; dies sei unvereinbar mit der gleichzeitig angenommenen unendlichen Lebensdauer des Unternehmens, kann nicht zu einer anderen Bewertung führen.
131Allerdings sinken die nominal konstant wachsenden Gewinne eines Unternehmens bei einem unterhalb der erwarteten Inflationsrate liegenden Wachstumsabschlag real, d. h. gemessen anhand eines als konstant normierten Preisniveaus, und tendieren in der langen Frist gegen Null. Diese Annahme ist indes nicht in sich widersprüchlich, sondern steht in Einklang mit der in der Volkswirtschaftslehre üblichen Nullgewinnannahme von Unternehmen. Jedenfalls auf relativ nicht expandierenden, sondern eher schrumpfenden Märkten ist es nicht fernliegend anzunehmen, dass Kostensteigerungen nur teilweise von einem Unternehmen an seine Kunden weitergegeben werden können (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.01.2010, 5 W 38/09, zitiert aus JURIS). Die erwartete Geldentwertungsrate ist nur ein erster Anhaltspunkt für die Schätzung des zukünftigen nominalen Wachtsums der finanziellen Überschüsse, denn die Preissteigerungen, denen sich das Unternehmen auf den Beschaffungsmärkten gegenüber sieht, können von dieser Geldentwertungsrate mehr oder weniger stark abweichen. Auch kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass diese Preissteigerungen voll auf die Kunden übergewälzt werden können. Überdies ist eine Annahme darüber zu treffen, ob und in welcher Höhe für das in Rede stehende Unternehmen Mengen und Strukturänderungen (z. B. durch neue Produkte, Einsparung von Kosten) zu erwarten sind (vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn. 1054 ff. m. w. N.). Die Höhe des Abschlags hängt nach alledem vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob und in welcher Weise das konkrete Unternehmen aufgrund der Unternehmensplanung und der Erwartungen an die Marktentwicklung und die Inflationserwartung in der Lage sein wird, nachhaltige Wachstumserwartungen zu erfüllen (vgl. Senat, Beschluss vom 27.05.2009, 26 W 5/07 (AktE), zitiert aus JURIS m. w. N.).
132In seinem Gutachten vom 04.02.2011 hat der Sachverständige zunächst unter Bezugnahme auf den Verbraucherpreisindex (Basis 2005 = 100) die durchschnittliche Inflationsrate im Zeitraum 2003 bis 2005 mit 1,41 % berechnet; die zukünftig zu erwartenden Preissteigerungsraten hat er unter Bezugnahme auf den Zielkorridor der Europäischen Zentralbank mit ca. 2,0 % beziffert (S. 86 GA).
133Weiter hat er ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass den Wachstumspotentialen der L. im inländischen Absatzmarkt ein erhöhter Preisdruck aufgrund eines Verdrängungswettbewerbs durch Wettbewerber gegenübersteht. Nach der Detailplanungsphase sei mit einer nachhaltig stabilen Wettbewerbsposition von L. nur zu rechnen, wenn entsprechende Investitionen in neue Produktionsverfahren, Techniken und Designlinien getätigt würden. Auf den für das Unternehmen relevanten Exportmärkten stelle sich die Konkurrenzsituation ähnlich dar; dort herrsche eine noch höhere Preissensibilität bei den Abnehmern. Allerdings deute die schon in der Vergangenheit bewiesene Innovationsfähigkeit der Gesellschaft darauf hin, dass dem Unternehmen trotz des aktiven Wettbewerbsumfelds ein Wachstum oberhalb der hälftigen Inflationsrate der Jahre 2003 bis 2005 gelingen werde. Ein darüberhinausgehender Wachstumsabschlag erscheine nicht sachgerecht, zumal er entsprechend höhere Investitionserfordernisse und Abschreibungen mit entsprechenden Auswirkungen auf den Refinanzierungsbedarf mit sich bringe.
134bbb)
135Diese durchweg überzeugenden sachverständigen Feststellungen sind auch nicht durch das Vorbringen der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht entkräftet worden. Eine Herabsetzung des von dem Sachverständigen angenommenen Wachstumsabschlags ist daher ebenso wenig veranlasst.
136Soweit die Antragsgegnerin der Bewertung des Sachverständigen entgegenhält, die Umsätze der großen in Deutschland ansässigen Wettbewerber der L. seien laut den historischen Branchendaten des Fachverbands Sanitär-Keramische Industrie e. V. im Zeitraum 1994 bis 2004 kontinuierlich zurückgegangen; es sei zu vermuten, dass sich die Ertragslage auch im nachfolgenden Zeitraum „nicht oder nicht wesentlich“ verbessert habe, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Wie bereits dargelegt, kommt es entscheidend auf die konkrete Wettbewerbsposition der L. selbst an. Diesbezüglich ist nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Ausführungen im Gutachten vom 04.02.2011 festzustellen, dass die Unternehmensleitung im Jahr 2004 gezielt Akzente in den Bereichen Qualität, Design und Innovation plante. Vor dem Hintergrund gesteigerten Wettbewerbs- und Preisdrucks beabsichtigte das Unternehmen, seine Produktbreite und –tiefe auszubauen und in Segmente vorzustoßen, die bisher vernachlässigt wurden, insbesondere im Premium-Badbereich. Gerade die hochpreisigen Privatbad-Serien – wie auch die mittelpreisige Serie … – zählten bereits zu den umsatzstärksten Artikelserien der L. (vgl. S. 48 oben GA); dort erwartete die Unternehmensleitung für die Zukunft aufgrund einer Vielzahl neuer Serien, die zum Zeitpunkt der Planung noch in der Entwicklung waren und in den Jahren 2005 bis 2008 auf den Markt kommen sollten, weitere Wertzuwächse. Insgesamt plante das Unternehmen im Privatbadbereich mit im Mittel rund 8 % den deutlichsten Umsatzanstieg aller Bereiche (vgl. S. 48 GA). Es versprach sich zugleich bessere Wettbewerbschancen durch die in Zukunft geplante Kooperation mit renommierten Partnern und Trenddesignern. Der bereits eingeschlagene Weg der Kostensenkung entlang der Wertschöpfungskette sollte fortgeführt werden. Mit Einsparungen in Verkaufs- und Overhead- und Verwaltungsprozessen sollten Risiken verringert und Chancen im Hinblick auf die moderat positiven Geschäftsaussichten im Jahr 2006 eröffnet werden (vgl. S. 45 oben GA).
137Der Einwand der Antragsgegnerin, der Jahresüberschuss sei schon im Grundsatz keine aussagekräftige Größe für das Potential der Gesellschaft, in Zukunft Überschüsse zu erzielen, weil er Sondereffekte, insbesondere das außergewöhnliche Ergebnis enthalte; abzustellen sei auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Sachverständige ist – in Einklang mit den in der Wissenschaft und Rechtsprechung zur Ermittlung des Wachstumsabschlags üblicherweise herangezogenen Grundsätzen (vgl. Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 133; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn. 1069 ff.) - zu Recht davon ausgegangen, dass für die Ableitung des nachhaltigen Ergebniswachstums in der ewigen Rente nur der Jahresüberschuss und nicht die Entwicklung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in der Vergangenheit allein eine gewisse Indikatorfunktion haben kann, der Wachstumsabschlag daher auf der Basis der Ergebnisentwicklung in der Detailplanungsphase und der konkreten Erwartungen der Unternehmensleitung für die darüber hinausgehende Zukunft zu schätzen ist (vgl. S. 28 EGA).
138Die nicht näher begründete Erwartung der Antragsgegnerin, ein Exportwachstum in der von der Unternehmensleitung geschätzten Größenordnung könne – „auf der Hand liegend“ - in der Phase der ewigen Rente nicht dauerhaft aufrechterhalten werden, vermag vor dem Hintergrund der hierzu getroffenen Feststellungen des Sachverständigen ebenfalls nicht zu überzeugen. Bereits die F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war in ihrem Bewertungsgutachten vom 09.09.2005 von einem mäßigen Umsatzwachstum im Inland und deutlich höheren Wachstumsraten im Ausland ausgegangen; dabei stützte sie sich auf Angaben des Fachverbands der Sanitär-Keramischen Industrie, wonach Wachstumspotentiale vor allem im Export zu sehen seien (S. 12, 23 BGA, 23 EGA). Dafür, dass nach dem Jahr 2008 entgegen dieser Einschätzung eine Fortsetzung des Wachstums im Export nicht mehr zu erwarten war, hat die Antragsgegnerin nichts Konkretes vorgetragen und liegen auch sonst keine greifbaren Anhaltspunkte vor. Vielmehr konnte die deutsche sanitärkeramische Industrie nach dem Zwischenbericht der L. für das 1. Halbjahr 2008 (www.L..de) ihren Gesamtumsatz tatsächlich um 4,4 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigern. Dieser Anstieg wurde durch ein zweistelliges Plus der Auslandsumsätze getragen (11,3 %).
139Auch dem Einwand, das Landgericht habe die Energiekosten nicht hinreichend analysieren lassen, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Sachverständige O. hat diesbezüglich in seinen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass die Unternehmensplanung sachgerechte Annahmen zur Entwicklung der Energiepreise enthält und es nicht geboten sei, für den Zeitraum der ewigen Rente von überproportionalen Energiepreisanstiegen auszugehen (S. 24 EGA). Die Energiepreisverteuerung sei auf den seit 2003 kontinuierlich angestiegenen Rohölpreis zurückzuführen, der sich auch auf die anderen Energiepreise, insbesondere das für die sanitärkeramische Industrie wichtige Erdgas, ausgewirkt habe (S. 42 GA). Die Unternehmensleitung der L. selbst sei – beginnend ab dem Jahr 2007 – von einer Stabilisierung der Gaspreise auf dem erwarteten hohen Niveau ausgegangen, was er – unter Berücksichtigung der Kenntnisse des Bewertungsstichtags und eigener Analysen - für plausibel erachte (S. 52 GA, 24 EGA). Das reicht nach dem oben dargestellten Maßstab als Grundlage für die anzustellende Schätzung des nachhaltigen Ergebniswachstums durchaus aus, zumal die Energiekosten den Feststellungen des Sachverständigen zufolge durch die unabhängig von der Auslastung ganzjährig mit konstanter Temperatur zu betreibenden Brennöfen dominiert werden und nur ca. 13 % der reinen Werkskosten ausmachen (vgl. S. 24 EGA).
140Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, hinsichtlich des Preiswettbewerbs, dem sich das Unternehmen ausgesetzt sehe, sei eine Anknüpfung an die Daten der Detailplanungsphase für die Ermittlung des Wachstumsabschlags nicht sachgerecht, der Preisdruck auf die Gesellschaft werde sich zukünftig weiter erhöhen, hat der Sachverständige auch dies in seine Bewertung einbezogen (vgl. S. 45 ff. GA, 25 f. EGA). Auch die F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat einen erhöhten Preisdruck, gekennzeichnet durch eine Verschiebung der Marktpreislinien nach unten, festgestellt und dargelegt, dass eine Ausweitung des Umsatzvolumens im Wesentlichen nur über die Verdrängung von Wettbewerbern möglich sei (S. 10 BGA). Sie ging im Hinblick auf die Gesamtwürdigung der Unternehmensplanung davon aus, dass es L. zukünftig gelingen wird, sich in einem schwierigen Marktumfeld zu behaupten (S. 24 BGA). Im grundsätzlichen Einklang damit hat sich der Sachverständige O. – durchweg überzeugend - vor dem Hintergrund des festzustellenden Preiskampfes insbesondere mit der Unternehmensplanung zur Erhaltung bzw. zum Ausbau der Marktstellung der L. eingehend beschäftigt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Unternehmensleitung bereits 2004 betont hatte, hinsichtlich ihrer Produktpalette gezielt Akzente in den Bereichen Qualität, Design und Innovation setzen, seine Produktbreite und –tiefe ausbauen und in Segmente vorstoßen zu wollen, die bisher vernachlässigt wurden, insbesondere im Premium-Badbereich. Gerade im Privatbad-Bereich erwartete die Unternehmensleitung für die Zukunft aufgrund einer Vielzahl neuer Serien, die zum Zeitpunkt der Planung noch in der Entwicklung waren und in den Jahren 2005 bis 2008 auf den Markt kommen sollten, weitere Wertzuwächse (vgl. S. 48 GA). Sie versprach sich auch bessere Wettbewerbschancen durch die in Zukunft geplante Kooperation mit renommierten Partnern und Trenddesignern. Gleichzeitig wurde infolge des Preiskampfes mit einem (nur) moderaten Rückgang der Preise gerechnet (S. 48 GA). Der Sachverständige ist danach überzeugend zu dem Schluss gelangt, dass die konkrete Planung der L. den Preiswettbewerb hinreichend berücksichtigte, wobei dem Unternehmen dennoch ein erhebliches Wachstum gelingen werde. Für eine nachhaltige Umkehrung oder Minderung der Wachstumserwartungen ist danach aus Sicht des Bewertungsstichtages nichts erkennbar (S. 26 EGA).
141Der Senat hält die Ausführungen des Sachverständigen für durchweg nachvollziehbar und schlüssig. Seine Prognose wird im Übrigen durch die in den Folgejahren veröffentlichten Berichte zur Geschäftsentwicklung bestätigt. So ergibt sich aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 2006, dass die L. in diesem Jahr ihre führende Marktposition erneut behauptet und die betrieblichen Kennzahlen bei Umsätzen, Jahresüberschuss und Cashflow gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert hat. Für 2007 erwartete das Unternehmen wiederum eine Umsatzsteigerung, und zwar im Inland um ca. 2 % und im Export um ca. 5 %. Dem Geschäftsbericht für das Jahr 2007 zufolge ist der Gesamtumsatz wiederum um 3,3 % gestiegen, wodurch das Unternehmen seine führende Position in Deutschland behaupten und sogar leicht ausbauen konnte. Auf den Auslandsmärkten wurden erneut gute Zuwachsraten erzielt. Nach dem Zwischenbericht der L. für das 1. Halbjahr 2008 konnte die deutsche sanitärkeramische Industrie ihren Gesamtumsatz sogar um 4,4 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigern. Dieser Anstieg wurde durch ein zweistelliges Plus der Auslandsumsätze getragen (11,3 %) (vgl. www.L..de). Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand fehl, die – vom Sachverständigen O. zur Plausibilisierung herangezogene - konkrete Wachstumsrate des Jahresüberschusses für die Detailplanungsphase, beginnend mit dem Geschäftsjahr 2005, sei „nicht repräsentativ“ und könne nicht als Ausgangsgröße für die Ermittlung des prozentualen Wachstums der Folgejahre herangezogen werden.
142Auch der Einwand, das Einsparpotential der Gesellschaft sei bereits in den Jahren 2003 und 2004 ausgeschöpft worden, steht in Widerspruch zu der bekundeten Unternehmensplanung, der bereits eingeschlagene Weg der Kostensenkung entlang der Wertschöpfungskette solle fortgeführt werden, mit Einsparungen in Verkaufs- und Overhead- und Verwaltungsprozessen sollten Risiken verringert und Chancen im Hinblick auf die moderat positiven Geschäftsaussichten im Jahr 2006 eröffnet werden (vgl. S. 45 oben GA). Wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, waren – auch nach den Feststellungen der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (vgl. S. 9 BGA) - Anfang des Geschäftsjahres 2005 weitere Personalanpassungen aufgrund des rückläufigen Marktumfeldes möglich. Die Unternehmensplanung berücksichtigte im Personalkostenkostenbereich trotz der geplanten Umsatzsteigerungen leicht rückläufige Zahlen an Werksmitarbeitern, so dass die für 2008 geplante Personalaufwandsquote leicht unter der des Jahres 2004 lag. Weiter wurde von Einsparpotential in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Logistik sowie durch die verbesserte Nutzung der in der T.-Gruppe verfügbaren Ressourcen ausgegangen. Der Sachverständige sah nach alldem gerade von der Kostenseite her aus der Stichtagsperspektive positive Impulse für ein nachhaltiges Ergebniswachstum (S. 27 EGA).
143Letztlich verfängt auch der von der Antragsgegnerin vorgetragene Einwand nicht, signifikante Wachstumsimpulse aufgrund von Innovationen seien nicht zu erwarten. Auch insoweit wird auf die erschöpfenden und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen (S. 48 GA) verwiesen. Dass die technischen Innovationsmöglichkeiten beim Herstellungsverfahren von Keramik, das „im wesentlichen seit Jahrzehnten unverändert“ ablaufe, „sehr begrenzt“ seien, ist nicht nur pauschal, sondern vermag auch in der Sache nicht zu überzeugen. Die in der Vergangenheit unter Beweis gestellte Innovationsfähigkeit des Unternehmens, die sich beispielhaft in der Entwicklung und Fortentwicklung des dauerhaft schmutzabweisenden KeraTect-Verfahrens zeigt, spricht vielmehr für die Plausibilität der Einschätzung des Sachverständigen, der in der Innovationskraft einen erheblichen Wachstumsimpuls für das Unternehmen sieht. Dies wird auch belegt durch die zum Bewertungsstichtag in Planung befindlichen, 2005 bis 2008 auf den Markt gebrachten neuen Serien und weitere Innovationen wie spülrandlose Wand-WCs (vgl. www.L..de).
144Nach alledem hält der Senat den vom Sachverständigen O. ermittelten Wachstumsabschlag von 1 % für ausgewogen und angemessen.
1452.
146Der vom Landgericht festgesetzte Ausgleich in Höhe von 3,12 € ist ebenfalls angemessen und gibt keine Veranlassung zu einer weiteren gerichtlichen Korrektur.
147a)
148Nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ist als Ausgleichszahlung mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer Gewinnrücklagen, voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Das Gericht hat im Spruchverfahren einen angemessenen Ausgleich festzusetzen, wenn der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen ist, § 304 Abs. 3 Satz 3 AktG. Der Ausgleich ersetzt im Gegensatz zur Abfindung nicht den Wert der Beteiligung insgesamt, sondern nur die Dividende (vgl. BGHZ 166, 195). Maßgeblich für seine Berechnung ist der sich nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten je Aktionär zur Verteilung ergebende Gewinn, den die Gesellschaft als unabhängiges, durch einen Beherrschungsvertrag nicht gebundenes Unternehmen hätte (vgl. BGHZ 156, 57 - „Ytong“).
149b)
150Der Unternehmensvertrag vom 15.09.2005 sah in § 6, wie von der F. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt und von der X. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für angemessen erachtet, eine Nettoausgleichszahlung in Höhe von 2,88 € je Stückaktie vor; in dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht diesen Betrag – der Bewertung des Sachverständigen O. folgend – auf 3,12 € je Stückaktie angehoben.
151In seinem Gutachten vom 04.02.2011 beziffert der Sachverständige O. den der Ausgleichszahlung zugrundezulegenden Unternehmenswert der Gesellschaft mit 283,4 Mio. € (S. 123 GA). Die Ausgleichszahlung ermittelte er im Einklang mit der Vorgehensweise im Bewertungsgutachten (dort S. 35 unten f.), die er – wie auch bereits die zur Vertragsprüferin bestellte X. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - für sachgerecht hält, durch Verzinsung des Unternehmenswerts je Aktie zum 05.11.2005 mit dem Mittelwert aus Basiszins nach typisierter persönlicher Ertragssteuer und risikoadjustiertem Kapitalisierungszinssatz (hälftige Marktrisikoprämie von 2,75 %, Beta-Faktor 0,7). Diese Berechnung führt zu dem vom Landgericht festgesetzten jährlichen Ausgleich von 3,12 € netto.
152c)
153Gegen den so ermittelten Verrentungszinssatzes bestehen keine Bedenken, wie der Senat schon entschieden hat (Senat, Beschluss vom 25.07.2013, I-26 W 16/12(AktE), - bislang n. v.-).
154Die Verwendung eines Mischzinssatzes aus risikofreiem Basiszins und risikoadjustiertem Kapitalisierungszinssatz ist in der Wirtschaftswissenschaft gebräuchlich (vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn. 84; WP-Handbuch 2008, 175), wenn auch nicht unumstritten, und in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.11.2013, 20 W 4/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Juli 2010, 5 W 53/09, jeweils zitiert aus JURIS m. w. N.; OLG München AG 2008, 28, 32). Hiermit wird der für den garantierten Ausgleichsbetrag abweichenden Risikostruktur Rechnung getragen: Das Risiko des garantierten Ausgleichs liegt unter dem normalen Risiko einer unternehmerischen Beteiligung, das aber im Falle der Beendigung des Gewinnabführungsvertrags wieder auflebt. Möglicherweise besteht danach auch eine andere Risikostruktur als zum Bewertungsstichtag. Von daher ist es gerechtfertigt, einen über dem quasi risikolosen Basiszins, aber unter dem risikobehafteten vollen Kapitalisierungszinssatz liegenden Verrentungszinssatz anzuwenden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.06.2013, 20 W 6/10; Beschluss vom 18.12.2009, 20 W 2/08; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2007, 9 W 53/06; vgl. zur Berücksichtigung des geringeren Risikos bei der Verzinsung durch einen adäquaten Abschlag auch Senat, Beschluss vom 20.09.2006, 26 W 8/06 (AktE), alle zitiert aus JURIS). Der Ansatz des mittleren Wertes zwischen Basiszins und vollem Kapitalisierungszinssatz ist insoweit naheliegend (vgl. Senat aaO; OLG Celle aaO; OLG Stuttgart aaO; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn. 84).
155Der Anwendung eines Mischzinssatzes steht entgegen der Auffassung einiger Antragsteller auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der „Ytong-Entscheidung“ (BGHZ 156, 57) entgegen. Der Bundesgerichtshof hat sich in dieser Entscheidung nicht mit der Frage der Höhe des Verrentungszinssatzes auseinandergesetzt, sondern den von dem dortigen Sachverständigen bei der Unternehmensbewertung verwendeten Verrentungszinssatz in Höhe des vollen Kapitalisierungszinssatzes lediglich übernommen (so auch OLG StuttgartZIP 2012, 133; OLG München AG 2008, 28). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet deshalb weder den Ansatz des vollen risikoadjustierten Kapitalisierungszinssatzes als Verrentungszinssatz noch bedarf es einer Vorlage wegen dieser Frage.
156C.
157I.
158Eine mündliche Verhandlung war nicht veranlasst.
159Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SpruchG ist zwar im Regelfall, jedoch nicht zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - bereits vor dem Landgericht eine mündliche Verhandlung stattfand (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.06.2013, 20 W 6/10; Beschluss vom 04.05.2011, 20 W 11/08, jeweils zitiert aus JURIS) und allein über schriftsätzlich ausführlich erörterte Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. Wilske in: Kölner Kommentar, SpruchG, 3. Aufl., § 12 Rn. 45 m. w. N.). Hinzu kommt, dass die Beteiligten einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung ganz überwiegend zugestimmt haben.
160II.
161Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 15 SpruchG a. F.. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG a. F. zu tragen. Billigkeitsgründe, die es gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a. F. rechtfertigen, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor (vgl. die Beispiele bei Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 17).
162Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1), 12), 16), 17), 18), 29), 30), 10) und 11) gemäß § 15 Abs. 4 SpruchG a. F. der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da die Beschwerden erfolglos sind.
163Den Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz setzt der Senat gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG a. F. auf den Mindestwert von 200.000 € fest. Kommt es nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung oder werden die Anträge als unzulässig oder – wie hier – als unbegründet zurückgewiesen, ist der Mindestgeschäftswert von 200.000 € maßgeblich (Rosskopf in: Kölner Kommentar, SpruchG, 3. Aufl., § 15 Rn. 18).
164Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre kann gemäß § 6 Abs. 2 SpruchG von der Antragsgegnerin in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Der Geschäftswert gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Bemessung seiner Vergütung.
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