Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - III-1 Ws 247+293/14
Tenor
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. April 2013 wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Einzelrichters der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 28. April 2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Düsseldorf vom 14. und 17. Februar 2014 werden aufgehoben.
Der Antrag des Pflichtverteidigers vom 7. Januar 2014 auf vorschussweise Festsetzung einer Dokumentenpauschale in Höhe von 12.645,55 € netto (15.048,20 € brutto) wird zurückgewiesen.
3. Beide Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e
2I.
3In dem derzeit vor der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf anhängigen Strafverfahren 10 KLs 5/13 wird dem Angeklagten M. aufgrund der Ende Februar 2013 angebrachten Anklage (50 Js 509/11 StA Düsseldorf) vorgeworfen, sich als Gesellschafter der „Pensionsbetriebe Rethelstraße Düsseldorf GmbH“ und „Chef“ der zu diesem Unternehmen gehörigen Bordellbetriebe (Rethelstraße 73, 75 und 77 sowie LaViva) in mittelbarer Täterschaft (also durch eine einheitliche Tat im Rechtssinne) an Raub-, Erpressungs- und Betrugsdelikten zum Nachteil zahlreicher Bordellkunden beteiligt zu haben (gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung in siebzehn Fällen sowie in Tateinheit mit schwerem Raub in einem weiteren Fall, gewerbsmäßiger Bandenbetrug in fünf Fällen sowie Erpressung und räuberische Erpressung in jeweils zwei Fällen). Die Hauptverhandlung hat am 1. Juli 2013 begonnen und dauert zurzeit an; Termine sind noch für den Zeitraum bis Juni 2015 anberaumt.
4Durch Kammerbeschluss vom 2. April 2013 ist auf Antrag des dem Angeklagten M. als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalts gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG festgestellt worden, dass zur sachgemäßen Durchführung der Verteidigung „ein Komplettausdruck der übersandten e-Akte erforderlich“ sei. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2014 hat der Antragsteller für insgesamt 84.187 Ausdrucke aus ihm überlassenen elektronischen Datenträgern die vorschussweise Festsetzung entstandener Auslagen (Dokumentenpauschale) in Höhe von 12.645,55 € netto (= 15.048,20 € brutto) beantragt. Hierauf ist durch Beschlussfassung des Kostenbeamten vom 14. und 17. Februar 2014 nur ein Teilbetrag von 7.538,98 € (6.335,28 € nebst 1.203,70 € Umsatzsteuer) festgesetzt worden. Auf die Erinnerung des Antragstellers hat der zuständige Einzelrichter der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf am 28. April 2014 den Vorschuss auf die Dokumentenpauschale unter Abänderung der Kostenfestsetzungsbeschlüsse in ursprünglich beantragter Höhe festgesetzt.
5Mit seinen Beschwerden wendet sich der Bezirksrevisor sowohl gegen die Feststellungsentscheidung der Kammer vom 2. April 2013 als auch gegen den im Vorschussfestsetzungsverfahren ergangenen Einzelrichterbeschluss vom 28. April 2014. Beiden Rechtsmitteln ist nicht abgeholfen worden. Über sie hat der Senat in voller Besetzung zu entscheiden, nachdem der hier zuständige Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom 3. September wegen besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher sowie rechtlicher Art und wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
6II.
7Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der Kammer vom 2. April 2013 ist unzulässig.
81. Bei der im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellung, dass „ein Komplettausdruck der übersandten e-Akte erforderlich“ sei, handelt es sich – entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors – um eine für das Festsetzungsverfahren (§ 55 RVG) bindende Entscheidung des Gerichts im Sinne von § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 RVG.
9Nach diesen Vorschriften kann der beigeordnete Rechtsanwalt für beabsichtigte Aufwendungen gemäß § 670 BGB eine gerichtliche Feststellung ihrer Erforderlichkeit zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erwirken. Der Feststellung zugänglich sind sämtliche Aufwendungen, die zum Zwecke der Ausführung der Beiordnung getätigt werden, jedoch neben den allgemein anfallenden Geschäftskosten entstehen (vgl. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG). Unter den Begriff der Aufwendungen gemäß § 670 BGB fallen daher insbesondere die in Teil 7 VV RVG ausdrücklich aufgeführten Auslagen (Mayer/Kroiß-Ebert, RVG, 6. Auflage [2013], § 46 Rdnr. 14, 15), für die das Gesetz an Stelle der Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand die Geltendmachung von Pauschalen vorsieht. Der bei Erstellung von Ausdrucken aus einer e-Akte anfallende Kostenaufwand gehört hierbei zum Anwendungsbereich der Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a), die für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten eine Dokumentenpauschale vorsieht. Zwar ist die elektronische Aktenführung im Strafverfahren bislang nicht gesetzlich eingeführt. Mit der Ergänzung der Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a) um den Zusatz „und Ausdrucke“ durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 wollte der Gesetzgeber jedoch nicht nur die Ausdrucke aus elektronisch geführten Akten, sondern auch Ausdrucke aus sonstigen elektronisch gespeicherten Dateien in Bezug auf die Dokumentenpauschale den auf herkömmliche Weise erstellten Ablichtungen aus Papierakten gleichstellen (vgl. BT-Drucks. 15/4067 S. 57: „Ausdrucke aus elektronisch gespeicherten Dateien, insbesondere aus elektronisch geführten Akten“).
102. Gegen die Entscheidungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 und 3 RVG ist eine Beschwerde nicht statthaft.
11Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sieht insoweit kein Rechtsmittel vor. Daher sind nach ganz herrschender Meinung die – für das Festsetzungsverfahren ohnehin nicht bindenden – negativen Feststellungsentscheidungen unanfechtbar (OLG Celle NStZ-RR 2012, 326; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage [2012], § 46 Rdnr. 89; vgl. ferner Senat JurBüro 1986, 891 und MDR 1994, 517, jeweils noch zu § 126 Abs. 2 BRAGO). Gleiches hat nach zutreffender Ansicht aber auch für die mit Bindungswirkung versehenen positiven Vorabentscheidungen der hier zur Rede stehenden Art zu gelten (OLG München 2 Ws 1090/88 vom 25. November 1988 <juris>; Volpert, in: Burhoff [Hrsg.], RVG, 3. Auflage [2012], Vergütungs-ABC Rdnr. 210). Die Zulassung einer – noch dazu unbefristeten – Beschwerde würde nämlich dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, die dem Pflichtverteidiger vor der unter Umständen kurzfristig erforderlichen Tätigung von Auslagen für die Verteidigung eine verlässliche Vertrauensgrundlage für deren spätere Erstattungsfähigkeit verschaffen soll, sofern er hierauf anträgt.
12Ob bei einer Willkürentscheidung des Gerichts ein außerordentliches Beschwerderecht der Staatskasse anzuerkennen wäre (vgl. hierzu OLG München, aaO <juris Rz. 6>), kann dahinstehen, denn ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss bezieht sich auf die einer Feststellungsentscheidung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG zugänglichen Aufwendungen (s. o. II 1) und orientiert sich bei sachgerechter Auslegung (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen zu IV 1) an einem grundsätzlich vertretbaren und damit jedenfalls nicht willkürlichen Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Erforderlichkeit“ zur sachgemäßen Durchführung der Verteidigung.
13III.
14Die im Vorschussfestsetzungsverfahren erhobene Beschwerde des Bezirksrevisors ist begründet. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des Einzelrichterbeschlusses vom 28. April 2014 und zur Aufhebung der zugrunde liegenden Kostenfestsetzungsentscheidungen vom 14. und 17. Februar 2014. Der Antrag auf vorschussweise Festsetzung der Dokumentenpauschale ist zurückzuweisen, da es bislang an einer schlüssigen Darlegung der geltend gemachten Auslagenhöhe fehlt.
151. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Festsetzungsgesuch vom 7. Januar 2014 setzt sich das abgerechnete Druckvolumen von 84.187 Blatt aus „Teilen der bislang angefertigten Kopien … ohne die Verschriftung der Telefonüberwachung und einige Sonderbände“ zusammen. Zur Glaubhaftmachung der Auslagenentstehung hat der Antragsteller eine Besichtigung der gefertigten Ablichtungen durch Vertreter der Staatskasse angeboten, die am 6. Februar 2014 in den Kanzleiräumen des Antragstellers stattgefunden hat und zu der folgender Vermerk der Kostenstelle gefertigt wurde (Bl. 109 Kostenbd.):
16„Am Donnerstag, dem 6. Februar 2014, wurde die ausgedruckten Akten von Frau F. und mir in den Büroräumen des Anwaltsbüros P. in K. in Augenschein genommen.
17Die bisher ausgedruckten Aktenteile umfassten ca. 42 Papierkartons, in denen zuvor 5 x 250 (handschriftliche Abänderung: „500“) Blatt Papier verpackt waren (einige Papierstapel waren ohne Karton gestapelt).
18Die Aktenteile waren mit Plastikheftteilen in Bündel geordnet, gekennzeichnet mit gelben Post-Its an der Seite mit Beschriftung des Inhalts.
19Ordner sind für die ausgedruckten Dokumente nicht angelegt worden; die Kartons waren wohl zeitlich (Verfahrensablauf) geordnet.
20L.
21Justizamtsinspektorin“
222. Auf dieser Tatsachengrundlage lässt sich mangels schlüssiger Darlegung der Auslagenhöhe derzeit nicht prüfen, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf vorschussweise Festsetzung der begehrten Dokumentenpauschale zusteht.
23a) Der Antragsteller hat keine Kopierliste zur Akte gereicht, die das (erkennbar vorläufig) geltend gemachte Druckvolumen von 84.187 Blatt unter Bezeichnung der im Einzelnen ausgedruckten Dateien sowie ihres Umfangs nachvollziehbar aufschlüsselt. Die Vorlage einer derartigen Auflistung ist jedoch nicht nur ohne weiteres möglich (da dem Festsetzungsantrag bereits eine konkrete Zählung des bis dato angefallenen Druckaufwandes zugrundelag), sondern im vorliegenden Einzelfall auch zumutbar und erforderlich. Zum Einen rechtfertigt bereits die außergewöhnliche Höhe der angemeldeten Auslagen entsprechend hohe Anforderungen an deren Darlegung zwecks Vermeidung einer unangemessenen Belastung der Staatskasse (vgl. hierzu OLG Köln, III-2 Ws 686/13 vom 18. Dezember 2013 <juris Rz. 11>). Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass im bisherigen Verlauf des Verfahrens zahlreiche Datenträger – teils mehrfach und sukzessive in jeweils aktualisierter Fassung – an die Rechtsanwälte übersandt und für deren Ausdruck seitens mehrerer Pflichtverteidiger Dokumentenpauschalen in unterschiedlichster Höhe angemeldet wurden. Das nicht näher aufgeschlüsselte Festsetzungsgesuch des Antragstellers lässt weder eine schlichte Richtigkeitskontrolle auf Zählfehler zu noch erlaubt es die im Hinblick auf den nur vorläufigen Charakter der Antragstellung aus Bestimmtheitsgründen erforderliche Abgrenzung des abgerechneten Druckvolumens von den im Antrag (noch) nicht erfassten Teilen des digitalen Aktenmaterials. Schon deshalb ist die Höhe der angemeldeten Auslagen nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen lässt sich auch nur anhand einer konkreten Auflistung der im Einzelnen ausgedruckten Dateien feststellen, inwieweit das angemeldete Druckvolumen vom Anwendungsbereich des landgerichtlichen Feststellungsbeschlusses erfasst ist. Die vom Antragsteller vertretene Rechtsansicht zu dessen inhaltlicher Reichweite (vgl. Schriftsatz vom 17. Februar 2014: „Angemessen ist es, aufs Knöpfchen zu drücken und die Akte auszudrucken“) teilt der Senat nicht, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zu IV ergibt.
24b) Das Ergebnis der zur Glaubhaftmachung der Auslagenentstehung angebotenen und auch erfolgten Sichtung des in Papierform vorhandenen Aktenmaterials in den Kanzleiräumen des Pflichtverteidigers vermag die ihm als Antragsteller obliegende Aufschlüsselung des Druckvolumens nicht zu ersetzen. Die Feststellung, dass der Antragsteller etwa 105.000 Ausdrucke aus offenbar dem Verfahren zuzuordnenden Datenträgern erstellt hat, lässt keine weitergehenden Rückschlüsse auf die konkrete Zusammensetzung des im Antrag abgerechneten Druckvolumens zu. Die Vertreter der Staatskasse waren auch nicht gehalten, bei der naturgemäß überschlägigen Sichtung (zwecks Prüfung der Frage, ob überhaupt Ausdrucke im behaupteten Gesamtvolumen erstellt wurden), eine Einzelauflistung selbst zu fertigen und damit die Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers zu erfüllen. Dies wäre im vorliegenden Fall auch tatsächlich nicht zumutbar gewesen angesichts des Zustandes, in dem sich die beim Antragsteller gefertigte „Papierakte“ am 6. Februar 2014 – zehn Monate nach Erlass des landgerichtlichen Feststellungsbeschlusses und sieben Monate nach Beginn der Hauptverhandlung – bemerkenswerterweise immer noch befand (bündelweise Lagerung in Kartons/Papierstapeln mit „wohl zeitlicher“ Ordnung).
25c) Dem Antragsteller bleibt unbenommen, die behauptete Höhe seiner Auslagen durch Vorlage einer Einzelaufstellung zum geltend gemachten Druckvolumen nachträglich schlüssig darzulegen und hierdurch eine erneute Entscheidung über sein diesbezügliches Festsetzungsgesuch auf veränderter Tatsachenbasis zu bewirken.
263. Der Senat war nicht daran gehindert, die der Einzelrichterentscheidung vom 28. April 2014 zugrunde liegenden Kostenfestsetzungsbeschlüsse zum Nachteil des Antragstellers abzuändern, obwohl nur er Erinnerung eingelegt hatte. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach dem RVG gilt beim Strafprozess kein Verschlechterungsverbot (OLG Hamburg 2 Ws 34/10 vom 5. Mai 2010 <juris>; vgl. ferner Senatsbeschluss 1 Ws 300/90 vom 23. Mai 1990 <juris> sowie Meyer, JurBüro 1982, 1451, 1454 f., jeweils zum Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO).
27IV.
28Zum Umfang der hier geltend gemachten Dokumentenpauschale weist der Senat bereits jetzt vorsorglich auf Folgendes hin:
291. Angesichts der Bindungswirkung des Feststellungsbeschlusses unterliegt im Festsetzungsverfahren nur noch die Höhe der Dokumentenpauschale einer Überprüfung. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die landgerichtliche Vorabentscheidung nicht etwa einen „Anspruch“ begründet hat, jeden im Verfahrensablauf überreichten Datenträger wahllos auf Kosten der Staatskasse auszudrucken. Ein Feststellungsbeschluss mit derartigem Regelungsgehalt wäre willkürlich, da er in nicht mehr vertretbarer Verkennung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG nur noch darauf hinausliefe, dem Pflichtverteidiger über die Dokumentenpauschale ein in den gesetzlichen Gebühren- und Auslagenregelungen nicht vorgesehenes „Zusatzentgelt“ zu verschaffen. Für ein dahingehendes Verständnis der landgerichtlichen Feststellungsentscheidung bestand indes bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung von vornherein kein Anlass. Vielmehr ist dem zum Verfahren 10 KLs 5/13 (= 50 Js 509/11 StA Düsseldorf) ergangenen Beschluss schon aufgrund seines Wortlauts („Komplettausdruck der übersandten e-Akte“) lediglich die Genehmigung eines kostenpflichtigen Ausdrucks der e-Akte dieses Verfahrens zu entnehmen. Ferner verfolgt die Entscheidung nach ihrem Sinn und Zweck erkennbar das Ziel, dem Pflichtverteidiger in gleicher Weise die Arbeit mit einer Papierakte zu ermöglichen wie der Kammer (Prinzip der Waffengleichheit).
302. Hieraus folgt zum Einen, dass sich der Antragsteller beim Ausdruck der e-Akte nicht auf eine Formatverkleinerung (zwei Seiten auf einem Ausdruck) einlassen musste. Die mit der Feststellungsentscheidung verbundene Intention, insbesondere der in ihr zum Ausdruck gekommene Gedanke der Waffengleichheit, beschränkt allerdings zum Anderen auch den abrechenbaren Druckaufwand in mehrfacher Hinsicht:
31a) Da die im Ermittlungsverfahren erstellten TKÜ-Mitschriften selbst der Kammer zu keinem Zeitpunkt in Papierform zur Verfügung gestanden haben, war ihr Ausdruck von dem am Grundsatz der Waffengleichheit orientierten Sinn und Zweck des landgerichtlichen Feststellungsbeschlusses nicht erfasst. Er war auch nicht „zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten“ im Sinne der Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a). Die seitens der Ermittlungsbehörden als verfahrensrelevant angesehenen TKÜ-Mitschriften sind Bestandteil diverser Sonderbände der eigentlichen Verfahrensakte (e-Akte) geworden, deren Ausdruck vom Feststellungsbeschluss der Kammer erfasst ist. Die unter Verteidigungsgesichtspunkten unter Umständen relevante Suche nach entlastenden Gesprächsmitschnitten kann angesichts der Fülle des hier zur Rede stehenden Materials ohnehin nur mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung sinnvoll erfolgen und erfordert unter keinen Umständen den unbesehenen Ausdruck aller im Ermittlungsverfahren angefallenen TKÜ-Mitschriften.
32b) Abzusetzen wäre ferner das auf den Ausdruck der e-Akten anderer Verfahren gegen Mitangeklagte entfallende Druckvolumen. In Bezug auf diese Datenträger ist ein Ausdruck vom Regelungsgehalt der im hiesigen Verfahren ergangenen landgerichtlichen Feststellungsentscheidung schon aufgrund ihres Wortlauts nicht erfasst (s. o. zu IV 1) und im Übrigen auch zur sachgemäßen Verteidigung nicht geboten. Dies gilt auch und insbesondere für die elektronischen Akten der zum hiesigen Aktenzeichen hinzuverbundenen Verfahren gegen den Mitangeklagten M. B. T.: Die für den Gesamtkomplex der hier zur Rede stehenden Tatvorwürfe mitrelevanten Ermittlungserkenntnisse des Verfahrens 50 Js 492/11 StA Düsseldorf („EK Lobo“) sind bereits Bestandteil der hiesigen e-Akte geworden. Der Gegenstand des aus hiesigem Ermittlungskomplex zunächst abgetrennten und im weiteren Verlauf beim Landgericht wieder hinzuverbundenen Verfahrens 50 Js 14/13 ist sogar mit dem hier zur Rede stehenden Verfahrensstoff identisch.
33c) Darüber hinaus wären bei der Berechnung der Dokumentenpauschale erkennbar erfolgte „Doppelausdrucke“ abzusetzen. Die im Feststellungsbeschluss der Kammer enthaltene „Genehmigung“ eines „Komplettausdrucks der e-Akte“ hat den beigeordneten Anwalt als Organ der Rechtspflege nämlich nicht der nach allgemeinen Kostengrundsätzen bestehenden Verpflichtung sparsamer Mandatsausübung enthoben (vgl. hierzu Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage [2014], § 46 RVG Rdnr. 14; Mayer/Kroiß-Ebert, aaO, § 46 Rdnr. 119), die es im hier zur Rede stehenden Fall – schon angesichts des Umfangs der zu erwartenden Kostenbelastung für die Staatskasse – erforderlich und zumutbar erscheinen ließ, vor dem Ausdruck eine zumindest grobe Sichtung der e-Akte auf mehrfach eingestellte Inhalte vorzunehmen und deren mehrfachen Ausdruck zu vermeiden.
34V.
35Der vorliegende Sachverhalt gibt ferner Anlass zu folgenden Hinweisen grundsätzlicher Art:
361. Mit den im hier anhängigen Verfahren ergangenen Feststellungsbeschlüssen hat die Kammer zu erkennen gegeben, dass sie den vollständigen Ausdruck der dem Verteidiger überlassenen e-Akte schon aus Gründen der Waffengleichheit als eine zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache grundsätzlich erforderliche Aufwendung ansieht. Diese Ansicht vertritt der Senat nicht, denn das in § 147 Abs. 1 StPO vorgesehene Akteneinsichtsrecht lässt sich nicht in jedem Fall mit einem Anspruch auf Erhalt eines vollständigen Exemplars der Papierakte gleichsetzen. Zwar mag die (nahezu) vollständige Ablichtung der Verfahrensakte im Rahmen sachgemäßer Mandatsausübung erforderlich sein für einen Verteidiger, der die ausschließlich in Papierform existente Verfahrensakte nur vorübergehend erhält und der demzufolge darauf angewiesen ist, sich mittels Erstellung von Kopien binnen kurzer Frist erstmals eine alleinige Arbeitsgrundlage für die weitere Verteidigung zu verschaffen (vgl. hierzu Senat JurBüro 2000, 359 und III-1 Ws 12/07 vom 5. März 2007 <juris>; OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, JurBüro 1984, 713 und 4. Strafsenat, JurBüro 2002, 307). Eine derartige Fallkonstellation liegt jedoch gerade nicht vor, wenn dem Verteidiger die kompletten Akten dauerhaft in digitalisierter Form als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stehen. Angesichts der Tatsache, dass die elektronische Aktenbearbeitung mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung – auch der Gerichte – zum Alltag gehört und den gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen – gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff – erheblich erleichtert, ist es auch dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche (zentralen) Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung auch in Papierform benötigt werden. Ein grundsätzlicher „Anspruch“ auf Ausdruck der kompletten e-Akte zum Zwecke der sachgerechten Verteidigung ist daher nicht anzuerkennen (OLG Rostock 20 Ws 193/14 vom 4. August 2014 <juris Rz. 16 ff.>; ebenso im Grundsatz auch OLG Köln 2 Ws 496/09 vom 11. Dezember 2009 <juris Rz. 5>; vgl. ferner OLG Düsseldorf – 2. Strafsenat – III-2 Ws 343/14 vom 15. August 2014; a. A. OLG Celle NJW 2012, 1671).
372. Die in Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a) vorgesehene Dokumentenpauschale entspricht bei Ausdrucken des hier zur Rede stehenden Volumens mehr als dem Dreifachen des Durchschnittspreises, der an kommerzielle Anbieter für Massenkopien ab 1.000 Blatt einschließlich Gewinnanteil gezahlt werden muss (0,05 € brutto/Blatt nach eigener Recherche des Senats). Dieses Missverhältnis ist angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung jedoch im Grundsatz hinzunehmen: Der Gesetzgeber war sich bereits 1986 – bei Einführung der Dokumentenpauschale in ihrer noch heute geltenden Abstufung und Höhe – der schon damals deutlich niedrigeren Preise für gewerblich erstellte Kopien ausdrücklich bewusst (BT-Drucks. 10/5113 S. 48-49); er hat die auf einer „Mischkalkulation“ beruhenden Pauschalsätze für Kopien in der Folgezeit – trotz der mit steigender Anzahl von Umfangsverfahren häufiger werdenden Fälle einer „Massenproduktion“ von Ablichtungen aus Gerichtsakten – unverändert gelassen und durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 (vgl. hierzu bereits die obigen Ausführungen zu II 1) sogar noch die Ausdrucke aus elektronisch gespeicherten Dateien in den Anwendungsbereich der Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a) einbezogen, obwohl der tatsächliche Kostenaufwand für Ausdrucke die Dokumentenpauschale schon im Hinblick auf den geringeren Personaleinsatz noch deutlicher unterschreitet, als es bei Ablichtungen aus Papierakten der Fall ist.
38Das OLG Stuttgart hat bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass die Diskrepanz zwischen dem geltenden Vergütungssatz und den tatsächlichen Sachkosten – insbesondere bei „massenhafter“ Produktion von Ablichtungen – eine zusätzliche „Verdienstmöglichkeit“ eröffne, die vom ursprünglichen Gesichtspunkt der Aufwandsentschädigung nicht mehr gedeckt werde (8 W 236/00 vom 23. Mai 2000 <juris Rz. 14>). In welchem Ausmaß diese Überlegungen mittlerweile Geltung beanspruchen, zeigt der Umstand, dass im vorliegenden Verfahrenskomplex nach Kenntnis des Senats bislang fünf der insgesamt siebzehn Verteidiger aufgrund der landgerichtlichen Feststellungsbeschlüsse Dokumentenpauschalen in Höhe von bis zu 67.000 € brutto (für den in Bezug auf Lager- und Bearbeitungskapazitäten nicht mehr sinnvollen Ausdruck eines Papiervolumens von knapp 380.000 Seiten aus der e-Akte und den TKÜ-Mitschnitten) geltend gemacht haben (wobei die auf geringere Beträge lautenden Festsetzungsanträge ausdrücklich als vorläufig bezeichnet sind). Ob „Aufwandsentschädigungen“ in dieser Höhe vom gesetzgeberischen Willen bei der Einführung und weiteren Ausgestaltung der Dokumentenpauschale – insbesondere für Ausdrucke – erfasst waren und in welcher Weise eine diesbezüglich unter Umständen bestehende Gesetzeslücke seitens der Gerichte zu behandeln wäre, hat der Senat im hier vorliegenden Einzelfall (noch) nicht zu entscheiden.
39VI.
40Die Kosten- und Auslagenentscheidungen folgen aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG. Dies gilt auch in Bezug auf die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den landgerichtlichen Feststellungsbeschluss, der ebenfalls die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts betrifft (vgl. hierzu OLG München 2 Ws 1090/88 vom 25. November 1988 <juris Rz. 7>).
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