Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI- U (Kart) 17/14
Tenor
I.
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 15. Juli 2014 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal – Az. 7 O 202/14 - abgeändert.
Dem Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, seinen gesamten Bedarf an Bieren von einem anderen Getränkefachgroßhändler oder einer anderen Verkaufsstelle als der Verfügungsklägerin, für die Gaststätte „…“, zu beziehen und dort zum Ausschank oder Verkauf zu bringen bzw. bringen zu lassen.
II.
Dem Verfügungsbeklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatz- oder wahlweise eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.
IV.
Wert des Berufungsverfahrens: 20.000 €.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Verfügungsklägerin, eine in S. ansässige Getränke-Großhändlerin, nimmt den Verfügungsbeklagten aus einer zu ihren Gunsten eingetragenen beschränkt persönlichen Grunddienstbarkeit an dem Grundstück X. Straße in I. auf Unterlassung in Anspruch.
4Der Inhalt der am 13. März 2014 beurkundeten und am 21. März 2014 in das Grundbuch (AG Mettmann, Grundbuch …) eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit lautet wie folgt:
5„Ausschank- und Vertreibungsverbot für Getränke jeglicher Art sowie Gast-, Schankwirtschaft, Hotel-, Kantinen-, Flaschenbierverkäufe und Getränkedepotverbot“.
6Der Verfügungsbeklagte hat mit Pachtvertrag vom 7. April 2013 von der Grundstückseigentümerin L. Räumlichkeiten in dem Objekt X. Straße in I. zum Betrieb einer Gastronomie gepachtet. § 12 des Pachtvertrages enthält folgende Vereinbarung:
7„Die Getränkebezugsverpflichtung des Verpächters wird vom Pächter übernommen. …. Der Pächter verpflichtet sich …., gegenüber dem Verpächter diesen von jeder Art von Schadensersatzansprüchen, die aus einer Verletzung der Getränkebezugsverpflichtung dem Getränkelieferanten/der Brauerei gegenüber dem Verpächter entstehen könnten, freizustellen.“
8Wegen weiterer Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K 1 zur Berufungsschrift Bezug genommen.
9Die Verpächterin hatte mit der Verfügungsklägerin am 28. Oktober 2008 einen Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag für die Absatzstätte „…“, X. Straße in I. geschlossen, in dem sie sich für die Dauer von 10 Jahren verpflichtete, den gesamten Bedarf an Fass- und Flaschenbieren ausschließlich bei der Verfügungsklägerin zu beziehen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag vom 28. Oktober 2008 (Bl. 187 ff. GA) Bezug genommen.
10Ab Ende Mai 2014 bezieht der Verfügungsbeklagte seinen Bedarf an Fass- und Flaschenbieren nicht mehr bei der Verfügungsklägerin, sondern bei Drittlieferanten.
11Die Verfügungsklägerin beantragte daher beim Landgericht Wuppertal den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, dass dem Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, den Drittbezug zu unterlassen.
12Mit dem am 15. Juli 2014 verkündeten Urteil hat das Landgericht Wuppertal den Antrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen. Die Geltendmachung der Rechte aus der Grunddienstbarkeit verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, weil die in § 12 des Pachtvertrages vereinbarte Übernahme der Bezugsverpflichtung durch den Verfügungsbeklagten sittenwidrig sei.
13Gegen dieses Urteil wendet sich die Verfügungsklägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie weiterhin den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung begehrt.
14Der Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
15II.
16Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet.
17Die Verfügungsklägerin kann von dem Verfügungsbeklagten beanspruchen, dass er es unterlässt, seinen gesamten Bedarf an Bieren von einem anderen Getränkefachgroßhändler oder einer anderen Verkaufsstelle als von ihr – der Verfügungsklägerin – für die Gaststätte „…“, X. Straße , … I., zu beziehen oder dort zum Ausschank oder Verkauf zu bringen bzw. bringen zu lassen.
18Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung sind erfüllt. Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht (§§ 935, 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO).
191.
20Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin folgt aus §§ 1090 Abs. 2, 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.
21Wird hiernach eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so kann der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigte den Störer aus § 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Verfügungsbeklagte hat als Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen die auf dem Grundstück X. Straße in … I. lastende beschränkt persönliche Dienstbarkeit verstoßen, weil er ab Ende Mai 2014 das Bier für die von ihm betriebene Gaststätte nicht mehr bei der Verfügungsklägerin sondern von Drittlieferanten bezogen hat.
22a.
23Die vorliegende Dienstbarkeit ist wirksam entstanden.
24aa.
25Die am 21. März 2014 in das Grundbuch (AG Mettmann, Grundbuch …) eingetragene Grunddienstbarkeit ist inhaltlich zulässig.
26Sie enthält ein Ausschank- und Vertreibungsverbot für Getränke jeglicher Art sowie ein Gast-, Schankwirtschaft-, Hotel-, Kantinen-, Flaschenbierverkaufs- und Getränkeverbot. Die in dem erstinstanzlichen Urteil dargelegten Bedenken gegen die inhaltliche Zulässigkeit der Grunddienstbarkeit teilt der Senat nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Dienstbarkeiten, nach denen der Berechtigte den Vertrieb von Getränken auf den belasteten Grundstücken untersagen kann, als unbefristete dingliche Rechte inhaltlich zulässig. Das gilt selbst dann, wenn sie nur dem Zweck dienen sollen, eine Getränkebezugsverpflichtung zu erreichen oder abzusichern (BGH NJW-RR 1992, 593, juris Rn. 14 m.w.Nachw.). Aufgrund des Abstraktionsgrundsatzes ist für den Bestand des vollwirksam begründeten dinglichen Rechts die zugrundeliegende schuldrechtliche Vereinbarung grundsätzlich ohne Bedeutung. Es ist daher unerheblich, dass die hier in Rede stehende Dienstbarkeit über die zu sichernde Bezugsverpflichtung hinausgeht, weil sie nicht nur auf Flaschen- und Fassbier beschränkt ist und zudem die von der Verfügungsklägerin gelieferten Getränke nicht ausnimmt (BGH NJW-RR 1992, 593 juris Rn. 14; BGH NJW 1988, 2364, juris Rn. 11 ff.).
27bb.
28Die Dienstbarkeit ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB nichtig.
29Allerdings ist der zwischen der Verfügungsklägerin und der Verpächterin L. gemäß § 873 Abs. 1 BGB geschlossene und notariell beurkundete Vertrag über die Bestellung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit eine Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB. Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen. Sowohl die Verfügungsklägerin als Getränkegroßhändlerin als auch die Verpächterin als gewerbliche Vermieterin der Gaststätte verfügen über die erforderliche Unternehmenseigenschaft. Die Bestellung der in Rede stehenden Grunddienstbarkeit bewirkt zudem eine Beschränkung des Wettbewerbs, denn nicht nur der Verfügungsbeklagte, sondern jeder Pächter der Gaststätte ist an das Vertriebsverbot gebunden und daran gehindert, die Getränke bei Drittlieferanten einzukaufen.
30Bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit handelt es sich auch nicht um eine kartellrechtlich unbedenkliche notwendige Nebenabrede zum Getränkebezugsvertrag der Verpächterin.
31Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind mit § 1 GWB vereinbar, wenn sie als dessen notwendige Nebenabrede erforderlich sind, um den Hauptzweck des als solchen kartellrechtsneutralen Vertrags zu verwirklichen (BGH WuW/E DE-R 2554, 2556 - Subunternehmervertrag II). Es kann hier dahin stehen, ob die Bierbezugsverpflichtung eine notwendige Nebenabrede zu dem zwischen der Verfügungsklägerin und der Verpächterin L. geschlossenen Darlehensvertrag über … € ist, weil sie der Rückzahlung des gewährten Kredits dient. Jedenfalls geht die beschränkt persönliche Dienstbarkeit weit über das notwendige Maß hinaus, weil sie jeden Pächter der Gaststätte unabhängig davon trifft, ob er zur Rückzahlung des Darlehns verpflichtet ist.
32Ein Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB scheitert aber daran, dass eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs nicht festgestellt werden kann. Die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Vereinbarung im Hinblick auf die mit ihr verfolgten Zwecke und die von ihr ausgehenden Wirkungen zu beurteilen. Hierbei sind sowohl qualitative wie auch quantitative Kriterien zu berücksichtigen. Rückschlüsse auf die Marktwirkungen können sich dabei etwa aus der Art und der Menge der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Erzeugnisse oder aus den Marktanteilen der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt ergeben. Nach der sog. Bündeltheorie ist dabei nicht nur der einzelne Vertrag zu betrachten, sondern es müssen auch entsprechende Verträge mit anderen Vertragspartnern in die Beurteilung einbezogen werden. Zu alledem fehlt aber jeglicher Vortrag des insoweit darlegungsbelasteten Verfügungsbeklagten. Darauf ist im Senatstermin hingewiesen worden.
33b.
34Der Verfügungsbeklagte ist Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er hat gegen die zu Gunsten der Verfügungsklägerin eingetragene Dienstbarkeit verstoßen. Er hat ab Mai 2014 vom Grundstück X. Straße in I. Getränke vertrieben, die ihm nicht von der Verfügungsklägerin, sondern von einer Drittfirma geliefert worden sind.
35c.
36Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aus §§ 1090 Abs. 2, 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
37Die Ausübung des Unterlassungsanspruchs aus dem dinglichen Recht stellt sich als eine mit dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbare unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Berechtigte seine dingliche Rechtsstellung zur Durchsetzung inhaltlich unzulässiger Vereinbarungen nutzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 1027 BGB kann unbegründet sein, wenn mit ihm der Abschluss eines inhaltlich unzulässigen Bierlieferungsvertrages erreicht werden soll. Das gilt jedoch nicht nur für diese Fälle, sondern allgemein, wenn eine Verbotsdienstbarkeit zu dem Zweck eingesetzt wird, eine nach anderen Rechtsvorschriften unzulässige Verpflichtung zu erzwingen (BGH NJW 2013, 1963, juris Rn.27).
38Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten besteht eine wirksame Bezugsbindung. Die Verfügungsklägerin hat mit der Verpächterin L. einen wirksamen Getränkebezugsvertrag geschlossen; diese Getränkebezugsverpflichtung hat der Verfügungsbeklagte gemäß § 12 des Pachtvertrages vom 7. April 2013 übernommen.
39aa.
40Die aus § 2 des Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrages vom 28.10.2008 folgende Bierbezugsverpflichtung der Verpächterin L. gegenüber der Verfügungsklägerin ist wirksam begründet worden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden und von dem darlegungsbelasteten Verfügungsbeklagten auch nicht vorgetragen worden, die eine Sittenwidrigkeit der vereinbarten Bierbezugsverpflichtung begründen könnten. Eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren ist unbedenklich (BGH NJW 2001, 2331). Die Tatsache, dass die Verpächterin von der Verfügungsklägerin ein Darlehen in Höhe von … € erhalten hat und die Getränkebezugsverpflichtung ausweislich § 2 Nr. 1 Absatz 2 des Vertrages der Darlehenstilgung dient, sagt über einen Sittenverstoß oder eine etwaige Übersicherung der Verfügungsklägerin nichts aus.
41bb.
42Der Verfügungsbeklagte ist der Getränkebezugsverpflichtung der Verpächterin wirksam gemäß § 12 Satz 1 des Pachtvertrages vom 7. April 2013 beigetreten (§ 415 BGB).
43Beim Schuldbeitritt tritt der Mitübernehmer zusätzlich neben den bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein; beide werden Gesamtschuldner gemäß § 421 ff.BGB. Ob eine befreiende Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt vorliegt, ist Auslegungsfrage. Im Zweifel ist ein Schuldbeitritt anzunehmen, da er den Gläubiger nicht belastet BGH NJW-RR 2012, 741).
44(1)
45Nach § 12 Satz 1 des Pachtvertrages wird die Getränkebezugsverpflichtung des Verpächters vom Pächter übernommen. Entgegen dem Wortlaut der Vertragsklausel ist hier jedoch davon auszugehen, dass die vertragsschließenden Parteien keine befreiende Schuldübernahme, sondern einen Schuldbeitritt vereinbart haben. Eine wirksame Schuldübernahme würde gemäß § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits daran scheitern, dass die Verfügungsklägerin als Gläubigerin der Verpächterin aus der Bezugsbindungsvereinbarung der Übernahme nicht zugestimmt hat. Überdies spricht für einen Schuldbeitritt des Verfügungsbeklagten die in § 12 Satz 2 des Pachtvertrages vorgesehene Freistellungsverpflichtung des Verfügungsbeklagten. Hiernach verpflichtet sich der Pächter, den Verpächter von jeder Art von Schadensersatzansprüchen freizustellen, die aus einer Verletzung der Getränkebezugsverpflichtung dem Getränkelieferanten gegenüber dem Verpächter entstehen könnten. Eine solche Vereinbarung macht allein bei einem Schuldbeitritt und der hierdurch begründeten gesamtschuldnerischen Haftung beider Schuldner Sinn.
46(2)
47Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit der in § 12 Satz 1 des Pachtvertrages enthaltenen Vereinbarung bestehen nicht. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass die übernommene Verpflichtung mit hinreichender Deutlichkeit abgegrenzt werden kann (Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl., Überbl. v. § 414 Rn. 2; OLG Hamm NJW-RR 1993, 113). Dies ist vorliegend der Fall. Es ist dort im Singular von einer einzigen Getränkebezugsverpflichtung der Verpächterin die Rede. Es ist nicht zu erkennen und von dem Verfügungsbeklagten auch nicht dargetan, dass die Verpächterin bei Abschluss des Pachtvertrages am 7. April 2013 aus mehr als einer – nämlich der in Rede stehenden – Bierbezugsverpflichtung mit der Verfügungsklägerin verpflichtet war.
48(3)
49Der Schuldbeitritt des Verfügungsbeklagten ist nicht gemäß § 125 BGB formnichtig.
50(3.1)
51Der Schuldbeitritt des Verfügungsbeklagte bedurfte gemäß § 510 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. (§ 510 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.) der Schriftform.
52Die genannte Vorschrift sieht die Schriftform für den Abschluss von Ratenlieferungsverträgen im Sinne von § 510 Abs. 1 BGB vor, wobei der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossene Bierbezugsvertrag nach ständiger Rechtsprechung ein Vertrag ist, der die Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen zum Gegenstand hat, § 510 Abs. 1 Nr. 3 BGB (Weidenkaff in Palandt, aaO., § 510 Rn. 4). Beteiligt sich ein Dritter – so wie hier - durch einen Schuldbeitritt an einem Ratenlieferungsvertrag, ist auf den Schuldbeitritt § 510 BGB sinngemäß anwendbar, wenn der Beitretende die Verbrauchereigenschaft besitzt (Weidenkaff in Palandt, aaO., § 510 Rn. 5).
53Hiervon ist vorliegend auszugehen. Allerdings ist der Verfügungsbeklagte nicht Verbraucher im Sinne von § 13 BGB. Er hat den Schuldbeitritt in § 12 des Pachtvertrages zu dem Zweck abgeschlossen, in dem gepachteten Objekt X. Str. in I. eine Gastronomie zu betreiben und dort die der Getränkebezugsverpflichtung unterliegenden Getränke auszuschenken, weshalb die objektive Zweckrichtung auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet ist.
54Der Verfügungsbeklagte ist jedoch gemäß § 512 BGB als Existenzgründer dem Verbraucher gleichgestellt. Existenzgründer ist eine natürliche Person, die zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit einen Ratenlieferungsvertrag schließt oder zu diesem Zweck einen Schuldbeitritt zu einem solchen Vertrag vereinbart. Der Verfügungsbeklagte hat mit der Verpächterin L. in § 12 des Pachtvertrages vom 7. April 2013 die Schuldmitübernahme der Getränkebezugsverpflichtung vereinbart, weil er zukünftig als Inhaber der gepachteten Gaststätte im Objekt X. Straße in I. eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausüben und sich damit eine neue Existenz aufbauen wollte. Dass er zuvor fünf Jahre bereits gewerblich, nämlich als Vermögensberater, tätig war, steht der Existenzgründereigenschaft nicht entgegen (vgl. Weidenkaff in Palandt, aaO., § 512 Rn. 3).
55Das Geschäftsvolumen verhindert die Anwendbarkeit von § 510 BGB nicht. Zwar darf nach § 512 BGB das Geschäftsvolumen 75.000 € nicht übersteigen. Jedoch kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt des Schuldbeitritts der nach § 510 Abs. 1 S. 3 BGB a.F. maßgebliche Teilzahlungsgesamtbetrag diese Summe übersteigt. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Verfügungsklägerin hat hierzu vorgetragen, der Nettowarenwert der Getränkebezugsverpflichtung übersteige bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Pachtzeit zum 30.04.2018 den Betrag von 75.000 € (Bl. 182 f. GA). Gemäß § 510 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. ist jedoch die Summe aller Teilzahlungen bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt maßgeblich. Da der Pachtvertrag dem Verfügungsbeklagten gemäß § 2 ein einmaliges Kündigungsrecht nach drei Jahren Pachtzeit einräumt, kommt es auf den Nettowarenwert der Getränkebezugsverpflichtung für drei Jahre Vertragslaufzeit an. Ob innerhalb von drei Jahren das Geschäftsvolumen mehr als 75.000 € ausmacht, hat die Verfügungsklägerin aber weder behauptet noch unter Beweis gestellt.
56(3.2.)
57Die in § 12 des Pachtvertrages vereinbarte Schuldmitübernahme genügt dem Schriftformerfordernis des § 126 BGB.
58§ 12 Satz 1 des schriftlich abgefassten und von beiden Vertragsparteien am 7. April 2013 unterzeichneten Pachtvertrages enthält den übereinstimmenden Willen der Parteien, dass der Verfügungsbeklagte die Getränkebezugsverpflichtung der Verpächterin L. (mit-)übernimmt. Dass die Getränkebezugsverpflichtung nicht näher bezeichnete ist und die schriftliche Vereinbarung insbesondere keine ausdrücklichen Angaben dazu enthält, mit wem die Verpächterin den Getränkebezugsvertrag geschlossen hat und auf welche Getränke sich die Bezugsverpflichtung bezieht, stellt kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis dar.
59Grundsätzlich müssen sich alle (als essentialia) regelungsbedürftigen oder sonst rechtsgeschäftlich geregelten Punkte in der Urkunde selbst finden. Unklarheiten können durch Auslegung behoben werden. Dabei können auch Umstände berücksichtigt werden, die außerhalb der Urkunde liegen, sofern wenigstens ein Anhalt in der Urkunde selbst zu finden ist (sog. Andeutungstheorie). Eine bloße Andeutung genügt nur dann nicht, wenn im Einzelfall der Gesetzeswortlaut oder Schutzzweck des Schriftformerfordernisses eine ausdrückliche Regelung in der Urkunde erfordert (Hertel in Staudinger, BGB, 2011, § 126 Rn. 87). Einen bestimmten Mindestinhalt der formbedürftigen Ratenlieferungsverträge und infolgedessen auch der Schuldbeitrittsvereinbarung sieht das Gesetz in § 510 BGB nicht vor. Auch der Schutzzweck der in § 510 BGB vorgesehenen Schriftform erfordert es nicht, dass der Beitretende bei Abgabe der Mithaftungserklärung über den Inhalt und Umfang der Schuld durch ausdrückliche Nennung in der Beitrittsvereinbarung selbst informiert wird. Das in Rede stehende Schriftformerfordernis hat eine Informations- und Warnfunktion für den Verbraucher. Er soll bei Abschluss des Ratenlieferungsvertrages wegen der Risiken des Geschäfts vor unüberlegten oder übereilten Bindungen geschützt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, höhere Anforderungen an den Inhalt einer schriftlichen Schuldbeitrittsvereinbarung zu stellen als an eine schriftliche Bürgschaftserklärung. Nach ständiger Rechtsprechung muss außer dem Willen, für eine fremde Schuld einzustehen, die Urkunde die Bezeichnung des Gläubiger, des Hauptschuldners und der verbürgten Hauptschuld enthalten (BGH NJW 1995, 1886). Ergeben sich diese Bestandteile nicht bereits aus dem Wortlaut der Bürgschaftserklärung, so können zur Auslegung auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, sofern ein zureichender Anhaltspunkt in der Urkunde besteht, der Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung also dort irgendwie seinen Ausdruck gefunden hat (BGH NJW 1993, 1261; BGH NJW 1995, 1886).
60Vorliegend kann der Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag zwischen der Verfügungsklägerin und der Verpächterin L. vom 28.Oktober 2008 herangezogen werden, um den Gläubiger der Getränkebezugsverpflichtung und den Inhalt und Umfang der Bezugspflicht zu bestimmen. Es bestehen zureichende Anhaltspunkte in der schriftlichen Schuldbeitrittsvereinbarung, die auf diesen Vertrag verweisen, so dass er zur Auslegung des Schuldbeitrittsvertrages herangezogen werden kann. Wie bereits ausgeführt, ist in § 12 des Pachtvertrages von der „Getränkebezugsverpflichtung des Verpächters“ die Rede, die „vom Pächter übernommen“ wird. Fest steht damit, dass die Verpächterin für die verpachtete Gaststätte einen Getränkelieferungsvertrag geschlossen hat und der Verfügungsbeklagte die sich daraus ergebende Getränkebezugsverpflichtung (mit-)übernimmt. Für die verpachtete Gaststätte „…“, X. Straße in I., bestand bei Abschluss der Schuldbeitrittsvereinbarung aber nur ein Getränkelieferungsvertrag, und zwar derjenige mit der Verfügungsklägerin.
61(4)
62Die vereinbarte (Mit-)Übernahme der Getränkebezugsverpflichtung der Verpächterin durch den Verfügungsbeklagten ist auch nicht gemäß § 138 BGB sittenwidrig.
63Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, ist vorliegend nach allgemeinen Grundsätzen auf den Pachtvertrag zwischen der Verpächterin und dem Verfügungsbeklagten abzustellen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn – wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen – die Verfügungsklägerin in erheblicher Weise am Abschluss oder an der Ausgestaltung des Pachtvertrages mitgewirkt hätte (BGH NJW 1970, 2157, juris Rn. 30, 32).
64Das zwischen der Verpächterin und dem Verfügungsbeklagten bestehende Rechtsverhältnis ist nicht sittenwidrig.
65(4.1)
66Die Auferlegung der Bierbezugsverpflichtung stellt keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar.
67Dem Verpächter steht es grundsätzlich frei, dem Pächter des Pachtgegenstandes nur in bestimmtem Umfang oder mit bestimmten Beschränkungen und Verpflichtungen zu gewähren. Es ist deshalb unter dem Gesichtspunkt des § 138 BGB ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zu beanstanden, wenn der Verpächter dem Pächter eine ausschließliche Bierbezugsverpflichtung auferlegt (BGH NJW 1970, 2157, juris Rn. 34).
68(4.2)
69Weder der objektive Inhalt des Pachtvertrages im Übrigen, noch die Umstände, die zum Vertragsschluss geführt haben, lassen hier den Schluss zu, dass der Pachtvertrag in seiner Gesamtheit gegen die guten Sitten verstößt.
70(4.2.1)
71Von einer sittenwidrigen Einschränkung der finanziellen Bewegungsfreiheit des Verfügungsbeklagten durch die Bierbezugsverpflichtung kann nicht ausgegangen werden.
72Eine Sittenwidrigkeit i.S. des § 138 Abs. 1 BGB liegt erst dann vor, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise eingeengt und er dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät (BGH NJW 1972, 1459).
73Die Dauer der Bezugsbindung ist mit den guten Sitten vereinbar.
74Nach § 2 des mit der Verpächterin geschlossenen Pachtvertrages beträgt die Vertragslaufzeit fünf Jahre, so dass der Verfügungsbeklagte für die Dauer von mindestens fünf Jahren seinen gesamten Bedarf an Bieren ausschließlich und unmittelbar bei der Verfügungsklägerin zu decken hat. Zwar ist dem Verfügungsbeklagten die fünfjährige Bezugsbindung ohne jede Gegenleistung der Verpächterin auferlegt worden. Der Verfügungsbeklagte hat aber nicht dargetan, dass er hierdurch in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit in unvertretbarer Weise eingeengt wird. Der Verfügungsbeklagte hat behauptet, er habe das Pachtobjekt nicht wirtschaftlich betreiben können, weil die Verfügungsklägerin ihm für den Hektoliter Bier Preise in Rechnung gestellt habe, die im Vergleich zu den Bezugspreisen eines Gastwirts ohne Bezugsbindung bis zu 60 € pro Hektoliter höher gewesen seien und nicht nur – so der Vortrag der Verfügungsklägerin – zwischen 10 € bis 25 € pro Hektoliter (Bl. 146). Der Verfügungsbeklagte hat für seinen Vortrag keinen Beweis angetreten. Dies geht zu seinen Lasten, da er sich auf § 138 BGB beruft und daher für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist (BGHZ 95, 85; BGH NJW 1995, 1429).
75Der von der Verfügungsklägerin eingeräumte Preisaufschlag zwischen 10 € bis 25 € pro Hektoliter Bier rechtfertigt ohne weitere, von dem Verfügungsbeklagte darzulegende Umstände den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht. An der Darlegung solcher Umstände fehlt es indes.
76(4.2.2)
77Der Pachtvertrag ist auch nicht insgesamt wegen Wucher gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Es fehlt bereits an den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Voraussetzung hierfür ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Ermittlung und Gegenüberstellung des objektiven Wertes der beiderseitigen Hauptleistungen. Bei der Vermietung von Gewerbefläche ist ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen, wenn die vereinbarte Miete die angemessene Miete um 100 % übersteigt (KG NJW-RR 2001, 1092).
78Die Verpächterin L. überlässt dem Verfügungsbeklagten das in § 1 genannte Pachtobjekt zum Betrieb einer Gastronomie. Die Gegenleistung des Verfügungsbeklagten besteht zunächst in Zahlung eines monatlichen Pachtzinses in Höhe von … € ohne Nebenkosten. Dass dieser Pachtzins insbesondere im Hinblick auf den unrenovierten Zustand des Pachtobjekts überhöht und daher nicht angemessen war, ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht. Der darlegungsbelastete Verfügungsbeklagte trägt hierzu nichts Belastbares vor. Bei der Gegenüberstellung der Leistung und Gegenleistung ist ferner zu berücksichtigen, dass die an den Verfügungsbeklagten im wegen des Schuldbeitritts weitergegebene Getränkebezugsverpflichtung dazu führt, dass das der Verpächterin von der Verfügungsklägerin gewährte Darlehen für jeden bei der Verfügungsklägerin bezogenen und bezahlten Hektoliter Fassbier in Höhe eines Betrags von 35,00 € zzgl. MwSt. abgeschrieben wird (§ 2 Abs. 2 des Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrages). Auf diese Weise trägt der Verfügungsbeklagte durch seinen Bierbezug bei der Verfügungsklägerin zur Tilgung des Darlehens der Verpächterin bei. Allerdings ist dem Vortrag des Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen, wie viel Hektoliter Fassbier er durchschnittlich im Monat bei der Verfügungsklägerin bestellt und bezahlt. Wenn aber schon nicht dargetan ist, in welcher Höhe die Verpächterin für die Überlassung der Gaststättenräumlichkeiten neben dem monatlichen Pachtzins durch den Bierbezug des Verfügungsbeklagten einen weiteren wirtschaftlichen Vorteil in Form der Darlehenstilgung erhält, kann nicht festgestellt werden, ob zwischen den gegenseitigen Leistungen des Pachtvertrages ein auffälliges Missverhältnis im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB besteht.
79Auf die Frage, ob die Verpächterin bei Abschluss des Vertrages die Unerfahrenheit des Verfügungsbeklagten im Bereich des Gaststättengewerbes ausgenutzt hat, so wie der Verfügungsbeklagte vorträgt, kommt es demzufolge nicht mehr an.
80(4.2.3)
81Schließlich bedarf es keiner Entscheidung, ob die in § 7 des Pachtvertrages vorgesehene Regelung über die Vergütung von Investitionen des Pächters bei vorzeitiger Beendigung des Pachtverhältnisses wirksam ist. Jedenfalls würde die Unwirksamkeit dieser Regelung nicht zur Gesamtnichtigkeit des Pachtvertrages führen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Erhaltungs- und Ersetzungsklausel (§ 13 Abs. 1 des Pachtvertrages) und zum anderen auch deshalb, weil nicht anzunehmen ist, dass der Pachtvertrag ohne die in Rede stehende Regelung nicht geschlossen worden wäre.
822 .
83Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht (§§ 935, 940 ZPO.
84Voraussetzung hierfür ist, dass die Regelung des einstweiligen Zustandes zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hiervon ist vorliegend auszugehen. Die Verfügungsklägerin hat dargetan, dass ihr ein nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht, wenn der Verfügungsbeklagte weiterhin gegen die zu ihren Gunsten eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit verstößt, indem er Fass- und Flaschenbiere nicht bei ihr (Verfügungsklägerin), sondern von anderen Lieferanten zum Vertrieb in der gepachteten Gaststätte bezieht. In Anbetracht der angespannten finanziellen Lage des Verfügungsbeklagten kann der Schaden durch die nachträgliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die damit verbundenen erheblichen Beweisschwierigkeiten aller Voraussicht nach nicht ausgeglichen werden.
85III.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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