Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-2 U 39/14

Tenor

A.

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten – das am 08.05.2014 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.Der Beklagten wird untersagt,

1.

im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen oder anrufen zu lassen, um diesen Spar- und Reservierungspläne zum Erwerb von Aktien anzubieten oder anbieten zu lassen, sofern der Beklagten vorab eine Einwilligung des angerufenen Verbrauchers zu einem derartigen Telefonanruf nicht vorliegt;

2.

Verbrauchern Unterlagen zum Abschluss eines Spar- und Reservierungsplanes zum Erwerb von Aktien im Postidentverfahren zuzuleiten, wenn die Unterzeichnung im Postidentverfahren zum Vertragsabschluss führen soll, dem die Aushändigung der Unterlagen nachfolgt, und in den dort beigefügten Unterlagen eine „Widerrufsbelehrung“ enthalten ist, in der es heißt:

„Ich bin vor Vertragsschluss darüber belehrt worden, dass ich an meine mit der Unterzeichnung abgegebenen Vertragserklärungen zum Reservierungsplan von Aktien nicht mehr gebunden bin, wenn ich meine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen in Textform ... widerrufe. ...";

3.im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern, denen sie im Postidentverfahren Unterlagen zum Abschluss eines Spar- und Reservierungsplanes zum Erwerb von Aktien zuleitet und denen nach Unterzeichnung im Postidentverfahren eine „Widerrufsbelehrung“ mit dem Wortlaut

„Ich bin vor Vertragsschluss darüber belehrt worden, dass ich an meine mit der Unterzeichnung abgegebenen Vertragserklärungen zum Reservierungsplan von Aktien nicht mehr gebunden bin, wenn ich meine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen in Textform ... widerrufe."

ausgehändigt wurde, nach einem nachfolgend in Textform vor der vollständig durch die Beklagte erbrachten Dienstleistung erklärten Widerruf zu behaupten, die Widerrufsfrist sei abgelaufen und der Verbraucher an den Vertrag gebunden.

II.Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter I. ausgesprochenen gerichtlichen Verbote ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

B.Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

C.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

D.

Die Revision wird nicht zugelassen.

E.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 90.000,00 Euro festgesetzt, wovon auf die Berufung des Klägers 30.000,00 Euro und auf die Berufung der Beklagten 60.000,00 Euro entfallen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35n> 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64

bsatzLinks">Die Regelung des § 8 Abs. 4 UWG gilt nicht nur für die gerichtliche, sondern auch für die außergerichtliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs und damit insbesondere für die Abmahnung (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung; GRUR 2002, 357, 358 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; GRUR 2012, 730 - Bauheizgerät; GRUR 2013, 176 Rn. 16 – Ferienluxuswohnung; OLG Düsseldorf [20. ZS], GRUR-RR 2014, 164). Dies wird schon vom gesetzlichen Wortlaut nahegelegt, der nicht auf ein Gerichtsverfahren, sondern generell auf die Geltendmachung des Anspruchs abstellt. Das Gesetz nennt im Übrigen als Regelbeispiel einer missbräuchlichen Geltendmachung den Fall, dass das Interesse des Gläubigers in erster Linie darauf gerichtet ist, gegen den Schuldner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen entstehen zu lassen. Damit spricht das Gesetz gerade die vorgerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs an (BGH, GRUR 2002, 357, 358 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Ist die erfolgte außergerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Kläger als missbräuchlich anzusehen, führt dies dazu, dass der fragliche Anspruch klageweise überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die erhobene Klage ist unzulässig. Es ist dem Gläubiger verwehrt, für die Durchsetzung seiner Ansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob ein Rechtsmissbrauch nur in der außergerichtlichen Geltendmachung zu sehen ist oder ob auch die Klageerhebung für sich genommen die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs erfüllt (BGH, GRUR 2002, 357, 359 f. – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; OLG Düsseldorf [20. ZS], GRUR-RR 2014, 164).

65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87</span>

s="absatzLinks">Die Beklagte handelt mit dem Angebot der Reservierung zum Erwerb von Aktien im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems, wie es weitere Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften über Fernabsatzverträge ist (§ 312b Abs. 1 Halbs. 2 BGB a.F.). Hierfür ist erforderlich, dass der Unternehmer durch die personelle und sachliche Ausstattung innerhalb seines Betriebes die organisatorischen Bedingungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen (BGH, NJW 2004, 3699, 3701 m. w. Nachw.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da sich die Beklagte durch die von ihr praktizierten Telefonanrufe systematisch die Technik der Fernkommunikation zu Nutze macht und für ihren Betriebsablauf ersichtlich in personeller und sächlicher Hinsicht ein eingespieltes Verfahren entwickelt hat, um den Abschluss und die Ausführung des Vertrages regelmäßig im Postwege zu vollziehen.

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen