Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-20 U 267/13
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.11.2013 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung abgeändert wird.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu 20 % zu tragen, darüber hinaus die Beklagte zu 1) zu 62,5 % und der Beklagte zu 2) zu 17,5 %.
III.
Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 62.500,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagte zu 2) kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.500,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe in gleicher Höhe leistet.
1
Gründe
2I.
3Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
4Durch dieses hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, es bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen, Kraftfahrzeugräder gemäß den nachfolgenden Abbildungen
5(1.) X. „N.”
6(2.) X. „C.“
8in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben, abzubilden oder in die Bundesrepublik Deutschland einzurühren oder sonstwie in den Verkehr zu bringen. Außerdem hat das Landgericht beide Beklagten zur Auskunft verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) festgestellt.
10Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, andere, in Deutschland und Frankreich rechtshängige Verfahren stünden der vorliegenden Klage nicht entgegen, da sie andere Streitgegenstände beträfen. Vor dem Landgericht St. gehe es um andere Radmodelle. Das in S. von der Klägerin geltend gemachte internationale Geschmacksmuster sei nicht für die gesamte Europäischen Union eingetragen, das französische Gericht werde damit nur eine Entscheidung für Frankreich treffen. Die Klage sei begründet, da die Beklagte zu 1) die nationalen Klagegeschmacksmuster der Klägerin benutze und der Beklagte zu 2) als ihr Geschäftsführer hierfür verantwortlich sei. Die Klagegeschmacksmuster seien rechtsbeständig. Art. 110 GGV sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Für letzteres fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Eine Art. 110 GGV entsprechende Regelung habe der deutsche Gesetzgeber bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen. Ein hieraus resultierendes Rechtsschutzgefälle in der Gemeinschaft werde durch die Übergangsbestimmung in Art. 14 Geschmacksmusterrichtlinie derzeit zugelassen. Die Klagegeschmacksmuster verfügten mangels entgegenstehender Darlegungen der Beklagten über einen durchschnittlichen Schutzbereich. Das angegriffene Muster „N.“ übernehme vollständig das Klagegeschmacksmuster 1). Das angegriffene Muster „C.“ stelle eine Verletzung des Klagegeschmacksmusters 2) dar. Es erwecke beim informierten Benutzer aus näher ausgeführten Gründen keinen anderen Gesamteindruck. Die Klägerin sei auch nicht gehindert, sich auf die Verletzung der streitgegenständlichen Schutzrechte zu berufen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liege nicht vor. Ein solches sei nicht darin zu erblicken, dass die Klägerin die Verletzung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster und die ihrer nationalen Geschmacksmuster durch die Beklagte zu 1) in getrennten Verfahren verfolge. Da jeweils verschiedene Vorschriften zu prüfen seien, liege ein sachlicher Grund für dieses Vorgehen vor. Auch liege keine rechtsverbindliche, die Klägerin verpflichtende Erklärung der Automobilhersteller vor, in der die Nichtgeltendmachung von Schutzrechten zugesichert werde. Bei den von den Beklagten in Bezug genommenen Erklärungen handele es sich um Lobbyistenerklärungen ohne Rechtsverbindlichkeit. Ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV sei ebenfalls nicht gegeben. Die Ausübung eines ausschließlichen Rechts, dessen Substanz in der Befugnis besteht, die Herstellung und den Verkauf der geschützten Erzeugnisse durch unbefugte Dritte zu untersagen, könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten des Rechtsinhabers darstellen. Das Vorliegen solcher Umstände im hiesigen Fall sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Einführung neuer Produkte werde nicht verhindert, da die von den Beklagten zitierte Regelung Nr. 24 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa vorsähen, dass ähnlich gebaute Nachrüsträder denkbar sind. Den Beklagten bleibe unbenommen, optisch abweichende Produkte zu fertigen und hiermit in Wettbewerb zur Klägerin zu treten. Dass der Verbraucher bei Beschädigung nur einer Felge gezwungen werde, entweder auf das Originalprodukt der Klägerin zurückzugreifen oder vier neue Felgen von einem Konkurrenten zu erwerben, sei hinzunehmen. Dies sei bei vielen Produkten der Fall. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof komme nach dem Gesagten nicht in Betracht.
11Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung und machen im Wesentlichen geltend, die deutschen Gerichte seien gemäß Art. 82 Abs. 1 GGVO unzuständig, jedenfalls folge die Unzuständigkeit für das vorliegende Verfahren aus dem von der Klägerin in S. angestrengten Rechtsstreit, in dem es auch um den Vertrieb des Rades „C.“ gehe. Für dieses Verfahren habe das Landgericht keine Feststellung dazu getroffen, für welches Gebiet das Gericht in S. eine Entscheidung treffen wird, so dass davon auszugehen sei, dass es auch für Deutschland entscheide. Die Klageschutzrechte seien nach Art. 110 Abs. 1 GGV unwirksam. Diese Norm sei anwendbar, da das deutsche Recht zwingend europarechtskonform auszulegen sei. Jedenfalls müsse sich die Klägerin so behandeln lassen, als ob sie anstelle des Klagegeschmacksmusters 2) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geltend gemacht habe, da sie über ein solches verfüge und das angegriffene Rad X. „N.“ ihm noch ähnlicher sei als dem Klagegeschmacksmuster 2). Die Eintragung des Klagegeschmacksmusters 2) sei nur unter dem Gesichtspunkt der Umgehung europäischen Rechts erfolgt. Es sei nicht auszuschließen, dass die Klägerin auch über ein dem Klagegeschmacksmuster 1) entsprechendes Gemeinschaftsgeschmacksmuster verfüge. Art. 110 Abs. 1 GGV sei auf die streitgegenständlichen Räder, die zu Ersatzteilzwecken von der Beklagten zu 1) angeboten würden, anzuwenden. Entsprechend habe auch ein italienisches Gericht zugunsten der Beklagten zu 1) entschieden. Es sei unzumutbar, wenn die Entscheidung der deutschen Gerichte hiervon abweiche. Mit der Erteilung der Typengenehmigungen für die streitgegenständlichen Kraftfahrzeugfelgen habe der Gesetzgeber im Übrigen zu erkennen gegeben, dass die Produktion gestattet und gewollt sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Klagegeschmacksmuster 2) verletzt sein solle. Die Unterschiede zur angegriffenen Felge habe das Landgericht irrig für unerheblich gehalten und sei auf die Problematik des Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht eingegangen. Das Verhalten der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich, da es zu einer Verfahrenszersplitterung führe, ihm eine willkürliche Gerichtswahl zugrunde liege, die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche und ein Verstoß gegen die Zusicherungen der Automobilwirtschaft vorliege.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage unter Abänderung des am 28.11.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf abzuweisen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und weist insbesondere darauf hin, dass die von den Beklagten gepriesene Typengenehmigung nichts anderes als die notwendige Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile nach § 22 StVZO sei.
17Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, da die Klage aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, begründet ist. Die Berufungsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung. Insoweit ist zu sagen:
20Zutreffend hat das Landgericht eine Unzulässigkeit der Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit der geltend gemachten Ansprüche verneint. Unstreitig wird sowohl in dem Verfahren in St. als auch vor dem Gericht in S. aus anderen Schutzrechten als den vorliegend streitgegenständlichen nationalen Geschmacksmusterrechten geklagt. Jedes Schutzrecht bildet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes einen eigenen Streitgegenstand (vgl. z.B. BGH GRUR 2011, 521 (522) - TÜV). Das gilt für das in S. streitgegenständliche IR-Geschmacksmuster DM/…5 und das Klagegeschmacksmuster 2) auch dann, wenn beide gleichzeitig Schutz für dasselbe Muster in Deutschland gewähren. Das deutsche Recht lässt eine solche Doppelregistrierung zu. Sie führt im Falle der gleichzeitigen Geltendmachung beider Schutzrechte vor unterschiedlichen Gerichten gemäß Art. 106a Abs. 1 GGV in Verbindung mit Art. 95 Abs. 2 und Abs. 3 GGV dazu, dass die Klageabweisung durch das erste entscheidende Gericht zur zwingenden Klageabweisung auch durch das zweite führt. Letzeres machen die Beklagten zwar neben der Unzuständigkeit geltend, tragen aber nicht vor, dass eine entsprechende Entscheidung in S. bereits ergangen ist. Eines Eingehens darauf, ob durch das IR-Geschmacksmuster DM/…5 und das Klagegeschmacksmuster 2) dasselbe Muster geschützt wird, was von den Beklagten nicht konkret vorgetragen wird, bedarf es daher nicht. Eine § 145 PatG entsprechende Regelung, wonach derjenige, der eine Verletzungsklage erhoben hat, gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung aufgrund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben kann, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen, kennt das Geschmacksmusterrecht nicht.
21Zur internationalen Zuständigkeit gilt ebenfalls das vom Landgericht Ausgeführte. Die deutschen Gerichte sind zuständig, da die Klägerin aus nationalen Schutzrechten mit der Begründung vorgeht, diese würden im Inland verletzt, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Art. 82 GGV ist nicht einschlägig, da die Klage nicht auf ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 81 GGV) gestützt wird. Die Klägerin muss sich auch nicht so behandeln lassen, als ob sie aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster vorgehen würde. Wie der soeben schon angesprochene Art. 95 GGV belegt, toleriert der Gesetzgeber ausdrücklich das Wahlrecht des Inhabers eines nationalen und eines territorial weitergehenden Schutzrechts selbst bei Identität des inhaltlichen Schutzes beider Rechte. Den von den Beklagten fingierten Vorrang der Geltendmachung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters gibt es mithin nicht.
22Im Rahmen der Reichweite des Schutzes der Klagegeschmacksmuster ist die immer noch geltende Stillstandsklausel, Art. 14 der RL 98/71/EG, die die Beklagten auch in der Berufung mit keinem Wort würdigen, von entscheidender Bedeutung. Ihre Existenz rechtfertigt sowohl den von Art. 110 Art. 1 GGV abweichenden § 73 DesignG als auch die Tatsache unterschiedlicher Regelungen zur Ersatzteilproblematik in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Schon aus diesem Grund geht auch das Argument der Beklagten, angesichts der ihnen günstigen Entscheidung eines Gerichts aus Neapel sei es im Rahmen des freien Warenverkehrs unzumutbar, wenn deutsche Gerichte anders entschieden, fehl. Italien hat eine Art. 110 GMV entsprechende Regelung in sein nationales Recht übernommen, Deutschland nicht. Mangels Anwendbarkeit des Art. 110 Abs. 1 GGV bedarf es keiner Beurteilung, ob die streitgegenständlichen Räder Ersatzteile im Sinne der Norm darstellen.
23Dass das angegriffene Rad „N.“ das Klagegeschmacksmuster 1) verletzt, ist unstreitig. Richtig ist aber auch die Feststellung des Landgerichts, das angegriffene Rad „C.“ verletze das Klagegeschmacksmuster 2). Dass der vom Landgericht zugrunde gelegte, übereinstimmende Gesamteindruck zutreffend ist, belegt bereits das eigene Vorbringen der Beklagten, erst bei näherem Hinschauen würden die Unterschiede zwischen dem Klagegeschmacksmuster 2) und dem Kraftfahrzeugrad „C.“ auffallen. Zudem vertreibt die Beklagte zu 1) (auch) dieses Kraftfahrzeugrad nach ihrem eigenen Vorbringen gerade als passendes Ersatzteil zu von der Klägerin vertriebenen, offensichtlich das Klagegeschmacksmuster 2 umsetzenden Rädern, was beim Verbraucher nur Erfolg haben kann, wenn der Gesamteindruck des Ersatzes mit dem des Originals übereinstimmt.
24Aus der Erteilung von Typengenehmigungen für die Kraftfahrzeugräder „N.“ und „C.“ folgt vorliegend ebenfalls nichts für die Beklagten Günstiges. Die Genehmigung für ein Nachrüstrad wird entsprechend Ziffer 4.1 der Regelung Nr. 124 der Wirtschaftskommission der Vereinigten Nationen für Europa (Anlage B 17) erteilt, wenn das zur Genehmigung vorgeführte Rad „den Vorschriften“ entspricht. Diese werden in Ziffer 6 der Regelung genannt, sind technischer Natur und dienen der Sicherheit. Demgegenüber hat die Regelung nicht zum Gegenstand, dass ein Nachrüstrad folgenlos von einem Schutzrecht, insbesondere einem solchen, das sich auf die Erscheinungsform bezieht, Gebrauch machen darf. Ein solches Gebrauchmachen geht auch weder mit der Einhaltung der technischen Normen einher, wie die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten Felgen betreffend zeigen, noch mit der Fertigung eines nachgebauten Nachrüstrades im Sinne von Ziffer 2.4.3 der Regelung Nr. 124. Denn es ist keinesfalls zwingend, dass das Nachrüstrad des Fahrzeugherstellers geschmacksmusterrechtlich geschützt ist, so dass die Gestattung eines Nachbaus nicht automatisch die Gestattung impliziert, von einem fremden Schutzrecht Gebrauch zu machen.
25Eine die Klägerin bindende Verzichtserklärung des Verbandes der Automobilindustrie in Bezug auf die Geltendmachung von Schutzrechten im hier einschlägigen Bereich haben die Beklagten bereits nicht schlüssig dargelegt. Was der Automobilverband in welchem Zusammenhang erklärt hat, ist offen. Die Beklagten ziehen Schlussfolgerungen aus dem Text einer Bundestagsdrucksache, der seinerseits die abgegebene Erklärung nur wertet. Die dortige Wertung lässt aber weder die Annahme einer bindenden Verzichtserklärung zu noch bestätigt sie, dass der Gesetzgeber in der Annahme einer bindenden Verzichtserklärung bestimmte ausdrückliche Regelungen unterlassen hat. Denn in der Gesetzesbegründung heißt es:
26„Sollte sich herausstellen, dass die Automobilhersteller in höherem Maße als bisher Einzelteile der Gesamtkarosserie eines Fahrzeuges schützten lassen und versuchen, vermehrt Rechte dazu durchzusetzen, um auf diese Weise den Ersatzteilmarkt zu beeinflussen, wäre ein Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich.“
27Dass seitens des Automobilverbandes allenfalls eine unverbindliche Absichtsklärung undefinierbaren Inhalts abgegeben worden ist, ergibt sich auch aus dem von den Beklagten als Anlage B 40 vorgelegten Schreiben des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Justiz vom 31.07.2003. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Schutzrechtsinhaber aus dem Kreis der Automobilindustrie nach der Ausübung politischen Drucks offensichtlich auf die Durchsetzung erwirkter Titel verzichtet haben. Eine „Verbindlichkeit aus moralischen Aspekten“, wie sie die Beklagten auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 25.09.2013 (Bl. 100 GA) als gegeben ansehen, kennt das deutsche Recht nicht. Es verfügt zwar über die Beschränkung von Rechten durch den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB. Danach kann eine Rechtsausübung unter anderem unzulässig sein, wenn der Rechtsinhaber ein Vertrauen darauf erweckt hat, dass er seine Rechte nicht ausüben werde. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer der Klägerin zurechenbaren Erklärung. Inwieweit der Automobilverband bei Abgabe seiner wie auch immer gearteten Erklärung gegenüber dem Gesetzgeber berechtigt war, im Namen der Klägerin zu sprechen, ist offen. Die Beklagten ergehen sich hier in Mutmaßungen. Darüber hinaus war die von ihnen in Bezug genommene Erklärung auch keinesfalls geeignet, ein schützenswertes Vertrauen ihrerseits zu begründen, beim Vertrieb nationale Geschmacksmuster verletzender Räder in Deutschland nicht vom Schutzrechtsinhaber in Anspruch genommen zu werden. Sie sind nicht Adressat dieser Erklärung und haben noch nicht einmal vorgetragen, dass sie vor dem Beginn des Vertriebes der Kraftfahrzeugräder „N.“ und „C.“ Kenntnis von der Existenz dieser Erklärung erlangt haben. Damit konnte für die Beklagten bei der Entscheidung, die streitgegenständlichen Felgen in Deutschland zu vertreiben, allein maßgeblich sein, dass Deutschland – übrigens ebenso wie Frankreich – von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die auf Gemeinschaftsebene geltende Ersatzteilklausel nicht in das nationale Recht zu übernehmen. Auf die sich daraus ergebende unterschiedliche Rechtslage auf Gemeinschaftsebene und den verschiedenen Absatzländern hätten sich die Beklagten einstellen müssen.
28Der von den Beklagten gerügte Rechtsmissbrauch der Klägerin kann auch nicht unter anderen Gesichtspunkten festgestellt werden.
29Die Anrufung verschiedener Gericht in einer Konstellation wie der vorliegenden ist nach dem eingangs Gesagten vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen. Von einer willkürlichen Verfahrenssplittung kann daher keine Rede sein. Auch stellt es keinen Rechtsmissbrauch, sondern einen Rechtsgebrauch dar, wenn die Klägerin Gerichte in Staaten anruft, die den vom europäischen Gesetzgeber eingeräumten Spielraum im Sinne der Klägerin ausgeschöpft haben.
30Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs in Ausübung eines Ausschließlichkeitsrechts, das an ein Recht des geistigen Eigentums gebunden ist, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung (siehe zuletzt Schlussantrag des Generalanwalts im Verfahren C-170/13, BeckRS 2014, 82403 Rdnr. 61). Gründe, die das Vorgehen der Klägerin in diesem Zusammenhang ausnahmsweise missbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nach dem Gesagten nicht ersichtlich, so dass der Senat, obwohl nicht mit der Spezialzuständigkeit für Kartellsachen ausgestattet, den Einwand der Beklagten nach Art. 102 AEUV selber bescheiden konnte. Denn ein Nicht-Kartellsenat hat trotz des § 87 S. 2 GWB seine Zuständigkeit zu bejahen, wenn er die kartellrechtlichen Fragen ohne weiteres beantworten kann, was der Fall ist, wenn die kartellrechtlichen Einwendungen eindeutig unbegründet sind oder die Fragen aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung hinreichend geklärt sind (vgl. Bornkamm in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl., § 87 GWB Rdnr. 19). Beides ist nach dem Gesagten hier der Fall.
31Dass geschmacksmusterrechtlich geschützter Produkte durch einen Dritten, der keinerlei Recht an dem Geschmacksmuster hat, nicht benutzt werden dürfen, ist das Charakteristikum des Geschmacksmusterrechts. Die Klägerin missbraucht die ihr von Gesetzes wegen eingeräumte Monopolstellung daher nicht, wenn sie dem Verbraucher zumutet, ein von ihr stammendes Kraftfahrzeugradset durch ein bei ihr nachgekauftes Rad zu ergänzen oder ein komplett neues Radset von wem auch immer anzuschaffen.
32III.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO.
34Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
35Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
36Streitwert für die Berufungsinstanz: 100.000,- €
371. Unterlassungsanspruch:
38a) bezüglich der Beklagten zu 1): 60.000,- €
39b) bezüglich des Beklagten zu 2): 15.000,- €
402. Schadensersatzfeststellungsanspruch: 20.000,- €
413. Auskunftsanspruch:
42a) bezüglich der Beklagten zu 1): 2.500,- €
43b) bezüglich des Beklagten zu 2): 2.500,- €
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