Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-3 Kart 306/12 (V)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012 (BK6-11/098) aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Bundesnetzagentur. Die weiteren Beteiligten tragen ihre Kosten selbst.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2A.
3Die Betroffene betreibt mehrere Kraftwerke in Deutschland, darunter vier große Braunkohlekraftwerke (x) und zwei Pumpspeicherkraftwerke (x).
4Durch Redispatch-Anweisungen sind vor allem ihre Braunkohle-Kraftwerke sowie in geringerem Umfang auch die Pumpspeicherkraftwerke betroffen. Im Jahr 2011 musste die Betroffene ihre Erzeugung aufgrund von Redispatch-Maßnahmen um ca. x MWh, im Jahr 2012 um ca. x MWh anpassen. Die Betroffene optimiert etwa x % bis x % ihrer Erzeugungsmenge über den Intraday-Markt (2012: ca. x MWh).
5Mit dem angegriffenen Beschluss vom 30.10.2012 hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur (BK6-11/098) die Festlegung zur „Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen für Eingriffsmöglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen“ erlassen. Der Beschluss wurde am 07.11.2012 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Die Betroffene war zum Verwaltungsverfahren förmlich beigeladen.
6Hintergrund der Festlegung ist die Zunahme sog. Redispatch-Maßnahmen, u. a. weil im März 2011 acht Kernkraftwerke außer Betrieb genommen worden waren und zunehmend Strom aus erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist wird, mit der der Netzausbau nicht Schritt hält. Bei Redispatch-Maßnahmen handelt es sich um physikalische Eingriffe in die Fahrweise von Kraftwerken, die notwendig werden, wenn die strom- oder spannungsbedingte Überlastung eines Netzelements die Netzsicherheit gefährdet. Beim strombedingten Redispatch wird einer Überlastung eines Netzelementes dadurch entgegengewirkt, dass ein Kraftwerk auf der Seite mit dem Erzeugungsüberschuss seine Einspeisung reduziert und ein Kraftwerk hinter dem Engpass seine Einspeisung entsprechend erhöht. Dadurch nimmt der Stromfluss (Stromstärke) auf dem betroffenen Netzelement ab. Beim spannungsbedingten Redispatch wird die Wirkleistungseinspeisung von einem oder mehreren Kraftwerken reduziert oder erhöht, um den Einsatz von Blindleistung aus Kraftwerken zur Spannungsstabilisierung in ausreichender Menge zu gewährleisten. In der Vergangenheit erfolgten Redispatch-Maßnahmen nur aufgrund freiwilliger Vereinbarungen zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern.
7Durch die angegriffene Festlegung vom 20.10.2012 hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur die Vorgaben in § 13 Abs. 1 EnWG näher ausgestaltet.
8Nach Tenorziffer 1 der Festlegung ist eine Anweisung zur Vornahme einer Redispatch-Maßnahme zulässig, wenn aufgrund von Netzbelastungsberechnungen oder aufgrund anderer gesicherter Erkenntnisse andernfalls strombedingte Überlastungen von Betriebsmitteln oder Verletzungen betrieblich zulässiger Spannungsbänder zu erwarten sind. Etablierte, dem anerkannten Stand der Technik entsprechende Methoden zur Berücksichtigung von etwaigen Ausfällen von Netzbetriebsmitteln und von Erzeugungsanlagen, z.B. das (n-1)-Prinzip, sind bei den Netzbelastungsberechnungen zu berücksichtigen. Eine Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie ist ebenfalls bei akuten Überlastungen oder Spannungsgrenzwertverletzungen zulässig. Eine Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zum Ausgleich von Leistungsungleichgewichten ist nicht zulässig.
9Nach Tenorziffer 2 der Festlegung erstreckt sich die Verpflichtung, sich der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung durch die Übertragungsnetzbetreiber zu unterwerfen, auf alle Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer elektrischen Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW. Dazu gehören auch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die zumindest in einem Betriebszustand eine disponible, d.h. keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene elektrische Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW erzeugen können. Maßgeblich ist die Summe der Netto-Nennwirkleistung aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen. Tenorziffer 3 regelt den Umfang der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung. Speicheranlagen können auch zu einem Wirkleistungsbezug angewiesen werden (Tenorziffer 3 Satz 2).
10Die Anweisung zur Anpassung der Wirkleistung erfolgt für die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie eines Betreibers (Tenorziffer 3 Satz 3) und ist frühestens ab 14.30 Uhr für den Folgetag zulässig (Tenorziffer 3 Satz 4). Wirkleistungsanpassungen sind unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten der Anlage anzukündigen und durchzuführen (Tenorziffer 3 Satz 5). Leistungsscheiben von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie, deren Brennstoffverfeuerung oder Primärenergieträgerverbrauch aufgrund von gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben bzw. aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel ist, sind für Wirkleistungsanpassungen nicht heranzuziehen (Tenorziffer 3 Satz 6). Dasselbe gilt nach Tenorziffer 10 für Leistungsscheiben, die für die Erbringung von Regelenergie und zur Besicherung vorgehalten werden; § 13 Abs. 2 EnWG bleibt unberührt.
11Die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung erfolgt nach Ziffer 6 der Festlegung ausschließlich durch denjenigen Übertragungsnetzbetreiber, an dessen Netz die Anlagen mittelbar oder unmittelbar angeschlossen sind.
12Die Einsatzfolge der Kraftwerke (Merit Order) richtet sich gemäß Tenorziffer 4 der Festlegung bei mehreren in Betracht kommenden Anlagen nach dem Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung. Im Fall einer Erhöhung der Einspeisung sind die Anlagen beginnend mit dem höchsten Quotienten hin zum niedrigsten abzurufen, bis ein sicherer Betriebszustand erreicht ist. Bei einer Reduzierung gilt die umgekehrte Reihenfolge. Sobald die netztechnische Notwendigkeit entfällt, ist die Anpassung zu beenden.
13Zur Gewährleistung der bilanziellen Neutralität einer spannungsbedingten Redispatch-Maßnahme – bei einer strombedingten Redispatch-Maßnahme ergibt sich der energetische Ausgleich automatisch durch die Erhöhung und Reduzierung der Einspeisemengen auf beiden Seiten des Engpasses - bestimmt Tenorziffer 5 der Festlegung, dass die Übertragungsnetzbetreiber den energetischen Ausgleich des Eingriffs sicherzustellen haben.
14Die Anpassung der Einspeisung wird nach Tenorziffer 7 der Festlegung durch den Austausch eines Fahrplans im Viertelstundenraster zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Anlagenbetreiber bestätigt, wobei bei Differenzen der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers vorrangig gilt. Referenzgröße für den Fahrplan ist die aktuellste, vom Anlagenbetreiber an den Übertragungsnetzbetreiber vor Beginn der Maßnahme übermittelte Einspeisezeitreihe der betroffenen Anlage. Nach Tenorziffer 8 der Festlegung sind die Anlagenbetreiber verpflichtet, dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber zum Zeitpunkt der Abgabe der Kraftwerkseinsatzpläne um 14.30 Uhr des Vortags viertelstundenscharf freie Leistungsscheiben ihrer Anlagen zur Erhöhung als auch Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung für den Folgetag zu melden und bei Veränderungen unverzüglich anzupassen. Die freien Leistungsscheiben sind bezogen auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen zu melden. In der Begründung der Festlegung (S. 53) führt die Beschlusskammer 6 aus, dass sie sich der teilweise geforderten Zulässigkeit einer jederzeitigen, insbesondere auch während eines anstehenden Eingriffs zur Wirkleistungsanpassung möglichen Aktualisierung der Einspeisezeitreihen durch die Anlagenbetreiber nicht anschließen könne, auch wenn dies bereits heute von einem Übertragungsnetzbetreiber zugelassen werde. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass die Aktualisierung der Einspeisezeitreihe während einer Maßnahme zu Lasten des Übertragungsnetzbetreibers erfolge und eine Anweisung zur Wirkleistungsanpassung unterlaufen werde.
15Wegen der weiteren Einzelheiten der Festlegung wird auf die Anlage zur Beschwerdeschrift verwiesen.
16In einer weiteren Festlegung vom 30.10.2013 hat die Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung bei Redispatch-Maßnahmen und Anpassungen von Wirkleistungseinspeisung bestimmt (BK8-12/019). Nach Tenorziffer 2 haben Übertragungsnetzbetreiber den Betreibern hochfahrender Erzeugungsanlagen die durch die Redispatch-Maßnahme tatsächlich verursachten, zusätzlich entstehenden Aufwendungen zu vergüten (Aufwendungsersatz). Betreiber von absenkenden Erzeugungsanlagen haben den Übertragungsnetzbetreibern die durch die Redispatch-Maßnahme ersparten Aufwendungen zu vergüten. Maßgebend sind jeweils die Anschaffungswerte aus der Finanzbuchhaltung des letzten Quartals. Marktprämien, Gewinnzuschläge und Opportunitäten sind nicht zu vergüten. Sofern Maßnahmen jährlich nicht mehr als die Bagatellgrenze von 0,9 % der Einspeisemengen des Vorjahres betreffen, führt dies nach Tenorziffer 3 zu einer pauschalen Vergütung: Hochfahrende Anlagen erhalten das Produkt aus der maßnahmenbedingten Veränderung ihrer Einspeisemenge und den aus den stündlichen EPEX-Spot-Preisen (Deutschland) abgeleiteten Grenzkosten. Maßgebend ist insoweit der niedrigste Preis, zu dem die Erzeugungsanlage im Vormonat im Normalbetrieb eingespeist hat. Für das Herunterfahren der Einspeiseleistung ist als Grenzkostenersparnis das Produkt aus redispatchbedingter Veränderung der Einspeisemenge und den aus den EPEX-Spot-Preisen (Deutschland) abgeleiteten Grenzkosten zu vergüten. Liegen keine EPEX-Spot-Daten für den Vormonat vor, weil die Anlage in diesem Zeitraum nicht eingespeist hat, wird die angemessene Vergütung mittels vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten der letzten zwölf Vormonate berechnet. Wird ein zusätzliches An- oder Abfahren erforderlich, werden die zusätzlichen Aufwendungen erstattet. Von der Bagatellregelung darf nach Tenorziffer 4 nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen und ein individueller Aufwendungsersatz gewährt werden. Die Vergütung eines Leistungsanteils kommt nach Tenorziffer 5 erst in Betracht, wenn Maßnahmen jährlich mehr als 10 % der Einspeisemengen des Vorjahres betreffen. Anlagen, die in diesem Zeitraum nicht eingespeist haben, sind davon ausgenommen. Diese Festlegung hat die Betroffene mit gesondert eingelegter Beschwerde angegriffen, die beim Senat unter dem Aktenzeichen VI-3 Kart 307/12 (V) geführt wird.
17Mit form- und fristgerecht eingelegter Beschwerde wendet sich die Betroffene gegen die Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012.
18Die Betroffene ist der Ansicht, die streitgegenständliche Festlegung sei bereits formell rechtswidrig. Die Bundesnetzagentur habe sie im Konsultationsverfahren nicht ausreichend gemäß § 67 EnWG angehört. Insbesondere die Formel zur Ermittlung der Merit Order habe die Bundesnetzagentur nicht zur Konsultation gestellt.
19Die Festlegung stelle aufgrund ihres umfassenden Regelungsgehaltes keine Allgemeinverfügung mehr dar. Sie beschränke sich nicht auf die Konkretisierung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben auf der Ebene einzelner typischer und regelmäßig wiederkehrender Sachverhalte, sondern gestalte ein umfassendes System, welches allenfalls als Rechtsverordnung hätte ergehen können.
20Die Festlegung sei auch materiell rechtswidrig, da einzelne Regelungen nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1a EnWG gedeckt seien:
21Tenorziffer 2 Satz 1 und 2 erweitere den gesetzlichen Adressatenkreis, da durch die netzknotenbezogene Betrachtung entgegen § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung auch Anlagen mit einer Nennleistung unter 50 MW verpflichtet würden. § 13 Abs. 1a EnWG stelle auf die einzelne Anlage, nicht auf die Summe der an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen ab. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Wortlaut der Norm. Ein anlagenbezogenes Verständnis werde insbesondere durch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 13 Abs. 1a EnWG deutlich. Da die Festlegung auch keine Begrenzung für kleinere Anlagen als 10 MW enthalte, sei die Erweiterung des Adressatenkreises auch nicht nach § 13 Abs. 1a EnWG n.F. gerechtfertigt, der Redispatch-Maßnahmen gegenüber Anlagen ab 10 MW zulasse. Die netzknotenbezogene Betrachtung entlaste Betreiber kleiner Anlagen nicht, sondern vermehre deren Steuerungs- und Verwaltungsaufwand. Die Sperrung aller Anlagen (Kraftwerksblöcke bzw. Pumpspeicher-sätze oder Halbwerke) eines Anlagenbetreibers, die an einem Netzknoten angeschlossen seien, führe darüber hinaus dazu, dass die restlichen Anlagen, welche für die Redispatch-Maßnahme nicht erforderlich seien, gleichwohl in ihrer Flexibilität eingeschränkt seien.
22Die in der Tenorziffer 4 enthaltene Merit Order betreffe keinen der in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG genannten Regelungsgegenstände, insbesondere stelle sie keine Konkretisierung des Adressatenkreises dar.
23Bei dem Ausschluss von zu Redispatch-Maßnahmen angewiesenen Anlagen vom Intraday-Markt in der Begründung der Festlegung auf Seite 53 sei schon unklar, inwieweit den Ausführungen Regelungswirkung zukomme. Sofern dem Ausschluss Regelungswirkung zukomme, erweise sich die Regelung als rechtswidrig. Bei dem Ausschluss gehe es um die Ausgestaltung, also das „wie“ der Redispatch-Maßnahme. Eine solche Regelung sei nicht von § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG umfasst. Darüber hinaus erweise sich eine derartige Einschränkung der Fahrweise aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen einschließlich der angewiesenen Anlage auch nicht als notwendig und zweckmäßig. Grundsätzlich bestehe immer die Gefahr, dass die Wirkung von Redispatch-Anweisungen durch das Agieren anderer Anlagenbetreiber bzw. Netznutzer konterkariert werde, zumal nur die Anlagen ein und desselben Betreibers an dem Netzknoten „eingefroren“ seien, nicht jedoch die eines anderen Betreibers am selben Netzknoten. Daher sei der Übertragungsnetzbetreiber ohnehin zur genauen Kontrolle etwaiger Fahrplanänderungen nach § 5 Abs. 2 StromNZV angehalten. Die Prüfung von gegebenenfalls geänderten Fahrplänen der angewiesenen Anlagen sei dem Übertragungsnetzbetreiber durchaus zumutbar, weil dies faktisch kaum Mehraufwand bedeute. Bislang hätten Kraftwerksbetreiber in Abstimmung mit dem jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber Netzengpässe auch durch entsprechende Geschäfte am Intraday-Markt auflösen können. Dies sei ihnen nunmehr jedoch verwehrt, wodurch ihnen, vor allem mangels einer angemessenen Vergütung nach der Festlegung der Beschlusskammer 8, massive Einbußen entstünden.
24Der Festlegung lasse sich auch nicht das von der Bundesnetzagentur erstmals in der Duplik vorgetragene Verständnis über die Zulässigkeit untertägiger Fahrplanänderungen im Einzelfall, wenn die Situation dies erlaube, entnehmen. Eine solche Regelung sei auch nicht mit § 13 Abs. 1a EnWG vereinbar. Weder aus dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Norm lasse sich eine Ermächtigung entnehmen, die Teilnahme der Anlagenbetreiber am Intraday-Handel über § 5 Abs. 2 StromNZV hinaus zu begrenzen. Unabhängig davon könne die Übertragung der Entscheidungskompetenzen auf die Übertragungsnetzbetreiber als private Dritte ohne Ermächtigung und ohne entsprechende Entscheidungsleitlinien aus dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips keinen Bestand haben.
25Die Festlegung verstoße ferner gegen das in § 13 Abs. 1 und 2 EnWG vorgegebene Stufenverhältnis von Maßnahmen aufgrund freiwilliger Vereinbarungen einerseits und einseitigen Zwangsmaßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber gegenüber Kraftwerksbetreibern andererseits. § 13 Abs. 1a EnWG füge sich in dieses Stufenverhältnis der Absätze 1 und 2 des § 13 EnWG ein und erweitere dieses um eine weitere Stufe, die gedanklich zwischen Absatz 1 und Absatz 2 einzuordnen sei. Dies ergebe sich durch Auslegung des § 13 EnWG nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, Systematik und Sinn und Zweck. Der Übertragungsnetzbetreiber müsse daher zunächst die Möglichkeiten freiwilliger Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ausschöpfen, bevor er Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1a, 2 EnWG anweise.
26Die Festlegung sei zudem nicht hinreichend bestimmt:
27Der in Ziffer 2 verwendete Begriff des „Netzknotens“ sei weder durch Gesetz oder Verordnung noch durch die Festlegung selbst definiert.
28Die Merit Order in Tenorziffer 4 sei aus mehrfachen Gründen unbestimmt. Sie stelle auf die netzstützende Wirkung ab, ohne zwischen einem spannungs- und strombedingten Redispatch zu unterscheiden. Richtigerweise seien zwei unterschiedliche Merit Order zu bilden.
29Die Vorgaben zur Einsatzreihenfolge und Anweisung seien inkonsistent bzw. widersprüchlich, da die Merit Order nach Tenorziffer 4 anlagenscharf, die Anweisung der Anlagen nach Tenorziffer 3 hingegen netzknotenbezogen erfolge. Der Anlagenbetreiber könne aufgrund der netzknotenbezogenen Anweisung anstelle der sich nach der Merit Order ergebenden Anlage eine teurere Anlage, die in der Reihenfolge weiter hinten stehe, auswählen, wodurch die festgelegte Einsatzreihenfolge konterkariert werde.
30Die Bildung der Merit Order nach Ziffer 4 sei auch deswegen unklar, weil sie auf die zu entrichtende Vergütung Bezug nehme. Es fänden sich in der Festlegung keine Regelungen dazu, wie genau und in welchen zeitlichen Abständen der Übertragungsnetzbetreiber von der Vergütung der jeweiligen Anlagen Kenntnis erhalten solle. Selbst wenn die Daten nach Tenorziffer 7.a) und b) der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 jeweils zum Quartals- bzw. Monatsbeginn zu übermitteln wären, gewährleisteten die Regelungen nicht, dass der Übertragungsnetzbetreiber die benötigten Daten zur Bildung der Merit Order durchgängig zur Verfügung habe. Datenlücken entstünden insbesondere am Anfang der Betrachtungsperiode. Völlig unklar sei, wie die Merit Order in diesen Zeiträumen gebildet werden solle. Für eine Schätzung lasse die Festlegung keinen Raum. Eine solche führe zu einer nicht nachvollziehbaren und willkürlichen Einsatzreihenfolge und sei unverhältnismäßig.
31Hinzu komme, dass in Tenorziffer 4 ebenfalls nicht geregelt sei, wann oder wie oft der Übertragungsnetzbetreiber die Merit Order bilden oder neu bilden müsse, insbesondere wann der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Vergütungsregelungen erstmals bei der Bildung der Merit Order zu berücksichtigen sei.
32Aus Tenorziffer 6 ergebe sich nicht, in welcher Form bzw. mit welchem Datenformat der Übertragungsnetzbetreiber die Anweisung gegenüber dem entsprechenden Anlagenbetreiber vorzunehmen habe. Für die Praktikabilität der Umsetzung der Festlegung wäre es aber erforderlich gewesen, das Datenformat festzulegen. Gleiches gelte für den Austausch der Fahrpläne nach Tenorziffer 7 und für die Meldung viertelstundenscharfer freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8.
33Tenorziffer 7 der Festlegung, wonach der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers bei Differenzen vorrangig gelte, sei nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, da diese Regelung aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könne. Zunächst widerspreche es dem Sinn des Austauschs von Bestätigungsfahrplänen, wenn bei Differenzen der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers gelten solle. Darüber hinaus könne eine vorrangige Geltung jedenfalls dann keinen Bestand haben, wenn der Anlagenbetreiber diesen Fahrplan tatsächlich nicht erfüllen könne.
34Unklar sei, ob sich die Regelung auf den Fahrplan für die Wirkleistungseinspeisung oder auf einen Fahrplan als Änderungsfahrplan beziehe. In diesem Zusammenhang bleibe auch ungeklärt, wie genau die Änderungsanweisung zu ergehen habe.
35Fälschlicherweise habe die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Aufgreifermessens bei der Bewertung des Anstiegs der durch Redispatch-Maßnahmen verursachten Kosten, mit dem sie die Notwendigkeit der Festlegung begründet habe, auch das Volumen von Countertrading-Maßnahmen einbezogen, obwohl Redispatch und Countertrading zwei wesentlich verschiedene Maßnahmen darstellten. Damit sei sie von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen.
36Die Festlegung sei auch unverhältnismäßig. Das Merit-Order-Modell in Tenorziffer 4 erweise sich nicht als eine praxisgerechte Ausgestaltung des § 13 Abs. 1a EnWG, da die in der Festlegung der Beschlusskammer 8 normierten Verfahren zur Bestimmung der Vergütung ungeeignet seien, die tatsächlichen Kosten einer Anlage zutreffend zu bestimmen. Sowohl bei der Bestimmung der zusätzlichen Aufwendungen als auch bei der Bestimmung der Grenzkosten nach der Bagatellregelung würden die Kosten nicht zutreffend ermittelt, so dass die Merit Order verzerrt werde.
37Ferner führe das Merit Order-Modell zu einem übergroßen Redispatch-Volumen und damit zu einem unnötigen Anstieg der Redispatch-Kosten. Durch die Vorgabe, dass bei einer Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung zunächst solche Anlagen anzuweisen seien, die den geringsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung hätten, würden die „teuersten“ Anlagen bei gleichzeitig geringer netzstützender Wirkung herangezogen. Dies führe dazu, dass bei gleicher Vergütung im Hinblick auf den Netzengpass ineffiziente Anlagen herangezogen würden, die aufgrund ihrer geringen netzstützenden Wirkung mehr als effektivere Anlagen eingesenkt werden müssten, und dadurch das Redispatch-Volumen künstlich ansteige. Dass dies auch zu einer Erhöhung der an die Übertragungsnetzbetreiber zu entrichtenden eingesparten Aufwendungen führe, nehme die Bundesnetzagentur bewusst in Kauf. Das Modell werde umso fraglicher, wenn man weiter berücksichtige, dass die Erzeugung beiderseits des Engpasses nicht unabhängig voneinander verändert werden dürfe, sondern sich die Anpassungen auf beiden Seiten des Engpasses zur Aufrechterhaltung der ausgeglichenen Leistungsbilanz im Netz aufheben müssten. Die vorgegebene Reihung habe damit auch im Hinblick auf die hochzufahrenden Anlagen eine multiplizierende Wirkung für die Wirkleistungseinspeisung.
38Überdies sei der Quotient aus netzstützender Wirkung und Vergütungshöhe für die Wirkleistungseinspeisung für die Einsatzreihenfolge beim spannungsbedingten Redispatch völlig ungeeignet, da sich die Spannung am betreffenden Netzknoten nicht linear mit der Wirkleistungseinspeisung ändere. Vielmehr hänge die Spannung von der Blindleistungseinspeisung ab, sei also von der Wirkleistungseinspeisung und dem Brennstoffverbrauch in der Regel unabhängig. Für den spannungsbedingten Redispatch müsste daher eine gesonderte Merit Order gelten.
39Ebenso erweise sich die Festlegung als nicht erforderlich. Zunächst sei sie für die Fälle, in denen Übertragungsnetzbetreiber und Anlagenbetreiber bislang auf vertraglicher Basis Redispatch-Maßnahmen durchgeführt hätten, vollständig entbehrlich. Die Bundesnetzagentur sei bislang einen Beleg für ihre These der Missbrauchsgefahr durch die Marktteilnehmer schuldig geblieben. Darüber hinaus hätte es einer solchen detaillierten Regelung, welche eine Merit Order auf der Grundlage eines komplizierten und unflexiblen Vergütungssystems festlege, nicht bedurft. Als milderes Mittel komme eine Einsatzreihenfolge in Betracht, die sicherstelle, dass nur so wenige Anlagen wie möglich in Anspruch genommen würden und die daher bei gleicher engpassbeseitigender Wirkung zu geringeren Kosten für alle Beteiligten führe.
40Auch der Ausschluss der angewiesenen Anlagen vom Intraday-Markt sei nicht erforderlich.
41Unter zeitlichen Gesichtspunkten wäre eine (zunächst) befristete Regelung mit eventueller Verlängerungsoption das im Vergleich mildere, aber gleich geeignete Mittel gewesen.
42Jedenfalls erweise sich die Festlegung als unzumutbar und damit als nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies gelte insbesondere für den generellen Ausschluss der Anlagen vom Intraday-Markt, weil sie den betroffenen Anlagen die Möglichkeit nehme, gegebenenfalls eintretende Rentabilitätsminderungen aufzufangen. Die kurzfristige Vermarktung und Optimierung ihrer Erzeugungskapazitäten stelle für die Kraftwerksbetreiber eine wichtige Säule des Kraftwerkseinsatzes dar. Letztendlich stehe der Zumutbarkeit der Regelung auch entgegen, dass den angewiesenen Kraftwerksbetreibern keine angemessene Vergütung, sondern lediglich ein Aufwandsersatz zugesprochen werde. Insofern verstoße die Festlegung der Beschlusskammer 6 in Verbindung mit der Festlegung der Beschlusskammer 8 auch gegen Art. 12 GG.
43Der hilfsweise von ihr gestellte Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Aus der Festlegung ergebe sich nicht eindeutig, ob diese ein Verbot gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern enthalte, während einer Redispatch-Anweisung eine untertägige Fahrplanänderung und eine entsprechende Teilnahme am Intraday-Handel zuzulassen.
44Der höchst hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag sei ebenfalls zulässig und begründet. Sie habe einen Anspruch auf eine Regelung, die den Übertragungsnetzbetreibern im Einzelnen vorgebe, wann sie untertägige Fahrplanänderungen akzeptieren und wann sie diese ablehnen müssten.
45Die Betroffene beantragt,
46- 47
1. die Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012 (Az.: BK6-11/098) aufzuheben;
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2. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Redispatch-Festlegung I (Festlegung vom 30.10.2012, Az. BK6-11/098) für rechtmäßig erachtet, festzustellen, dass die Redispatch-Festlegung I kein Verbot gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern enthält, auch im Falle einer Redispatch-Anweisung untertägige Fahrplanänderungen und damit eine entsprechende Teilnahme am Intraday-Handel zuzulassen;
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3. höchst hilfsweise, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts die Redispatch-Festlegung I um eine Regelung zu ergänzen, unter welchen Voraussetzungen die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet sind, eine untertägige Fahrplanänderung und eine entsprechende Teilnahme am Intraday-Handel zuzulassen.
Die Bundesnetzagentur beantragt,
51die Beschwerde zurückzuweisen.
52Sie verteidigt die angegriffene Festlegung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Gründe. Ergänzend trägt sie vor:
53Die Anhörungsrüge der Betroffenen gehe fehl. Die Berücksichtigung der Vergütung in der Merit Order-Formel beruhe gerade auf den Erkenntnissen der Bundesnetzagentur aus Anhörung, Workshop und Konsultation. Dies begründe aber nicht das Erfordernis einer weiteren Anhörung.
54Ein etwaiges Überschreiten des gesetzlich zulässigen Rahmens für die Allgemeinverfügung führe nicht zu einer Änderung der Rechtsform der Festlegung, sondern sei allein eine Frage der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung.
55Sie habe ihr Aufgreifermessen sachgerecht ausgeübt. Grund für das Aufgreifen der Festlegungsermächtigung aus § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG sei insbesondere der Umstand gewesen, dass die zu diesem Zeitpunkt gelebte Praxis der freiwilligen Vereinbarungen zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung eine diskriminierungsfreie Durchführung von Redispatch-Maßnahmen nach transparenten und eindeutigen Kriterien nicht mehr gewährleistet habe. Trotz der gestiegenen Erforderlichkeit von Markteingriffen zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität hätten einige Kraftwerksbetreiber ihre Teilnahme an Redispatch-Maßnahmen verweigert. Die zwischen Übertragungsnetzbetreibern und an Maßnahmen teilnehmenden Kraftwerksbetreibern geschlossenen Verträge seien extrem uneinheitlich ausgestaltet. Das praktizierte, rein privatwirtschaftliche Modell sei vor diesem Hintergrund nicht länger geeignet, die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit angesichts der zunehmenden Anzahl von Engpässen hinreichend sicher zu stellen.
56Hinsichtlich der Analyse des Redispatch-Volumens habe sie richtigerweise Countertrading-Maßnahmen mit in die Betrachtung einbezogen, da diese ebenfalls der Engpassbeseitigung dienten. Während in der Vergangenheit das Verhältnis von Countertrading und Redispatch relativ ausgeglichen gewesen sei, würden seit einigen Jahren verstärkt Redispatch-Maßnahmen durchgeführt und würde Countertrading wegen der schlechteren Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf den Engpass vernachlässigt. Diesen Trend habe sie in ihrer Prognose zur Entwicklung der Redispatch-Mengen und ihren Abwägungen zum Aufgreifermessen berücksichtigt.
57Schließlich habe sie das Gefahrenpotential drohender Überlastungssituationen und Spannungsgrenzwertverletzungen in ihre Entscheidung mit einbezogen.
58§ 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ermächtige sie zu sämtlichen im Rahmen der Festlegung getroffenen Regelungen. Der Gesetzgeber habe ihr für die praxisgerechte Ausgestaltung von Redispatch einen weiten Spielraum und eine umfassende Regelungskompetenz eingeräumt.
59In der Regelung in Tenorziffer 2 liege keine rechtswidrige Überschreitung der Ermächtigung im Hinblick auf die 50 MW Untergrenze. Der Wortlaut der Norm des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG a.F. sei so zu verstehen, dass die angegebene Nennleistung von 50 MW auf alle Erzeugungs- oder Speicheranlagen eines Betreibers an einem Netzknoten bezogen sei. Die Angabe „Betreiber von Anlagen […] mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt […]“ sei keine eindeutige Bezugnahme auf Einzelanlagen, sondern beziehe sich auf alle in der Verantwortung eines Betreibers stehenden Anlagen. Dies zeige die Verwendung des Wortes „Anlagen“ im Plural. Auch die nunmehr auf 10 MW abgesenkte Nennleistungsgrenze beziehe sich auf die Gesamtheit aller Anlagen eines Betreibers an einem Netzknoten.
60Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG nicht ausdrücklich auf den Netzknoten Bezug nehme. Das Netzknotenkriterium ergebe sich eindeutig aus dem Sinn und Zweck der Nennleistungsgrenze. Die Regelung solle übermäßige Belastungen kleiner Anlagenbetreiber vermeiden. Insoweit mache es aber keinen Unterschied, ob ein Anlagenbetreiber an einem Netzknotenpunkt fünf Anlagen zu je 10 MW oder eine Anlage zu 50 MW angeschlossen habe. Entscheidend sei, dass die Anlagen insgesamt nicht mehr so klein seien, dass sie der Privilegierung durch die Begrenzung bedürften. Dieses Verständnis werde im Übrigen vom Verordnungsgeber der Reservekraftwerksverordnung vom 27.06.2013 geteilt, wie sich aus der netzknotenbezogenen Betrachtung in § 10 Abs. 1 sowie aus der Verordnungsbegründung (S. 23), wonach ausdrücklich auf die Definition der Bundesnetzagentur in der streitgegenständlichen Festlegung Bezug genommen worden sei, ergebe.
61Die Regelung müsse darüber hinaus im Zusammenhang mit den weiteren Vorgaben zur Konkretisierung des Adressatenkreises von Redispatch-Anweisungen betrachtet werden. Nach Ziffer 3 Satz 3 der Festlegung erfolge eine entsprechende Anweisung nicht anlagenscharf, sondern auch bezogen auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen eines Betreibers. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, dem angewiesenen Anlagenbetreiber eine größtmögliche Flexibilität bezüglich der konkreten Umsetzung der Maßnahme zu ermöglichen. Gleichzeitig verhindere die netzknotenbezogene Betrachtung eine Umgehung des Anwendungsbereichs der Festlegung durch einzelne Anlagenbetreiber. Eine anlagenscharfe Untergrenze der Nennwirkleistung könnte dazu führen, dass verschiedene Betreiber kleinerer Anlagen diese bis kurz unterhalb der Leistungsschwelle dimensionierten, um sich so dem Adressatenkreis von Redispatch-Anweisungen zu entziehen.
62Die Einsatzreihenfolge in Tenorziffer 4 diene der Bestimmung des Adressaten einer Anweisung im Falle einer konkreten Engpasssituation und konkretisiere damit den Adressatenkreis i.S.v. § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG.
63Auch der Ausschluss der angewiesenen Anlagen vom Intraday-Markt sei von den Begriffen „technische Anforderungen“ als auch „Methodik“ in § 13 Abs. 1a EnWG gedeckt. Außerdem sei eine praxisgerechte Regelung von Redispatch, die die Freiheit von Anlagenbetreibern, am Intraday-Markt zu handeln, nicht beschränke, nicht denkbar. Die Anlagenbetreiber könnten sonst die angewiesene Maßnahme durch Handelsgeschäfte am Intraday-Markt konterkarieren und würden die erforderliche Störungsbeseitigung durch die Übertragungsnetzbetreiber erheblich verkomplizieren. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass beim strombedingten Redispatch immer mindestens zwei – häufig sogar mehr – Kraftwerke beteiligt seien. Eine kurzfristige Änderung der Fahrweise eines Kraftwerks erfordere regelmäßig Folgeänderungen bei den anderen beteiligten Kraftwerken, so dass die Komplexität der Engpassbeseitigung für den jeweiligen Systemführer des betroffenen Übertragungsnetzbetreibers durch die Zulassung des Intraday-Handels während der Redispatch-Maßnahme erheblich stiege. Die durch Engpässe bedingten Gefahren seien erheblich und die Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber, die Netzstabilität wiederherzustellen, zeitkritisch und hochkomplex. Teilweise seien sogar mehrere Maßnahmen pro Tag, unter Umständen sogar gleichzeitig erforderlich. Durch die Regelung werde demnach die technische Wirksamkeit der Redispatch-Maßnahme gesichert und falle mithin jedenfalls unter den Kompetenzgegenstand „technische Anforderungen“.
64Dem Verbot untertägiger Fahrplananpassungen während einer Anweisung zu Redispatch komme Regelungswirkung zu. Die Ausführungen zum grundsätzlichen Ausschluss der Anlagen vom Intraday-Markt auf S. 52ff des Beschlusses konkretisierten und erläuterten Tenorziffer 7., wonach Übertragungsnetzbetreiber und Betreiber von Erzeugungsanlagen einen Kraftwerksfahrplan im Viertelstundenraster austauschten, der Beginn, Ende und zeitlichen Verlauf der Wirkleistungsanpassung beschreibe. Diese Verpflichtung aus dem Tenor der Festlegung würde konterkariert, wenn von diesem Fahrplan, der die Grundlage des Redispatch-Managements der Übertragungsnetzbetreiber bilde, untertägig beliebig abgewichen werden könnte. Allerdings sei die Einschränkung der untertägigen Fahrplananpassung nicht als absolutes Verbot gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern zu verstehen. Untertägige Fahrplanänderungen könnten im Einzelfall akzeptiert werden, wenn die Situation dies erlaube. Sie habe es lediglich abgelehnt, den Anlagenbetreibern in einer kritischen Situation der Netzstabilität einen Anspruch untertägiger Fahrplanänderungen einzuräumen und damit die Übertragungsnetzbetreiber zu zwingen, jederzeit Aktualisierungen der Einspeisezeitreihen anzunehmen.
65Die angegriffene Festlegung sei auch materiell rechtmäßig.
66Ein Verstoß gegen die innere Systematik des § 13 EnWG (Stufenverhältnis) liege nicht vor. § 13 Abs. 1a EnWG beziehe sich nach seinem klaren Wortlaut auf marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG. Er nehme damit gerade keine Zwischenstufe zwischen anderen (u.U. freiwilligen) marktbezogenen Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und Zwangsmaßnahmen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG ein.
67Die Festlegung sei hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG. Sie richte sich ausschließlich an Marktteilnehmer, die den Regelungsgegenstand der Festlegung aufgrund ihrer Sachkenntnis und Erfahrung selbstverständlich genau kennen.
68Die Bildung der Merit Order gemäß Tenorziffer 4 sei hinreichend bestimmt und eindeutig. Entscheidend sei der Quotient aus netzstützender Wirkung und der für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zu entrichtenden Vergütung. Die Merit Order gewährleiste die notwendige netzphysikalische Wirkung der Maßnahme zur Wirkleistungsanpassung sowie deren volks- und betriebswirtschaftliche Effizienz. Damit würden zugleich die in § 1 Abs. 1 EnWG formulierten Ziele des EnWG verwirklicht. Beide Komponenten zur Berechnung des Quotienten seien bestimmbar. Die abstrakte Vorgehensweise zur Ermittlung der Merit Order sei vollständig in der streitgegenständlichen Festlegung geregelt. Es handele sich dabei um eine von der Frage der konkreten Höhe der Vergütung unabhängige Methodik. Die Frage der konkreten Ermittlung des zu entrichtenden Entgelts sei im Parallelverfahren zu klären, da die Kriterien für die Bestimmung der Vergütung im Rahmen der Festlegung der BK 8 festgelegt worden seien.
69Die Höhe der Kosten könne der Übertragungsnetzbetreiber, soweit sie ihm nicht ohnehin konkret bekannt seien, für die einzelnen Kraftwerkstypen jedenfalls realistisch abschätzen. Dies sei für die Erstellung der Merit Order sachgerecht und auch ausreichend. Zur Bildung der Merit Order komme es schließlich alleine auf eine sachgerechte Reihung der Anlagen an. Die Kosten der einzelnen Anlagen unterschieden sich tatsächlich nicht derart, als dass eventuelle, mit einer Schätzung verbundene Unsicherheiten oder Abweichungen regelmäßig einen entscheidenden Einfluss auf die Platzierung der Anlagen hätten. Dementsprechend sei es dem Übertragungsnetzbetreiber auch am Monats- bzw. Quartalsbeginn ohne weiteres möglich, die Merit Order für den jeweiligen Engpass zutreffend zu bestimmen.
70Die Aufteilung der Regelungsgegenstände in zwei Festlegungen basiere auf der Zuständigkeitsverteilung der Beschlusskammern der Bundesnetzagentur, die verfahrensunabhängig und abstrakt in der Geschäftsordnung der Bundesnetzagentur geregelt sei. Eine Rechtsverletzung der Betroffenen sei damit nicht verbunden.
71Da die netzstützende Wirkung je nachdem, ob ein strom- oder spannungsbedingter Engpass bestehe, unterschiedlich sei, ergäben sich für strom- und spannungsbedingte Redispatch-Maßnahmen jeweils eine gesonderte Merit Order. Die Merit Order sei für jeden Netzengpass individuell und jeweils neu aufzustellen, so dass auch keine Unklarheiten zur Häufigkeit der Bildung der Merit Order bestünden.
72Darüber hinaus stehe die Vorgabe zur Bestimmung der Merit Order nicht im Widerspruch zu den weiteren Regelungen bezüglich der Bestimmung des Adressaten einer Anweisung zur Wirkleistungsanpassung in Tenorziffer 3.
73Die anlagenscharfe Aufstellung der Merit Order folge daraus, dass der Übertragungsnetzbetreiber den Quotienten aus netzstützender Wirkung und – der sich aus der Festlegung der Beschlusskammer 8 ergebenden - Vergütung für jede einzelne Anlage bilde. Die konkrete Anweisung zur Wirkleistungsanpassung sei sodann an den Betreiber der „Platz-1-Anlage“ zu richten, jedoch nicht auf Umsetzung der Maßnahme durch diese konkrete Anlage, sondern hinsichtlich sämtlicher, von ihm an dem fraglichen Netzknoten angeschlossenen Anlagen, um dem Anlagenbetreiber ein gewisses Maß an Flexibilität einzuräumen. Die Unkenntnis darüber, welche Anlage der Betreiber letztlich zur Umsetzung der Anweisung einsetze, stehe der Aufstellung der Merit Order erkennbar nicht entgegen. Die Ermittlung der durch eine Anlage an einem bestimmten Netzknoten bewirkten Lastflussänderung bzw. Spannungsänderung bezogen auf deren Änderung der Einspeiseleistung erfolge unabhängig von deren freien Leistungsscheiben (i.d.R. relativ, d.h. in Prozent). Die Übertragungsnetzbetreiber führten dazu sog. Sensitivitätsuntersuchungen durch. Im modulierten Netz würden verschiedene Szenarien simuliert, um so den netzstützenden Einfluss der verschiedenen Netzknoten bzw. der daran angeschlossenen Anlagen festzustellen. Tatsächlich sei also die Kenntnis der freien Kapazität einer einzelnen Anlage für die Ermittlung der netzstützenden Wirkung und damit auch für die Aufstellung der Merit Order nicht erforderlich.
74Dass bei Divergenzen der jeweiligen Daten diejenigen des Übertragungsnetzbetreibers nach Tenorziffer 7 Vorrang haben, mache den Datenabgleich nicht tatsächlich unmöglich. Der Abgleich ermögliche dem Übertragungsnetzbetreiber, den eigenen Fahrplan auf Plausibilität und Fehler zu überprüfen. Gleichzeitig ermögliche die Vorrangregelung eine praxisgerechte Ausgestaltung von Wirkleistungsanpassungen im Falle von Störungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit von Elektrizitätsversorgungssystemen. Die Regelung sei auch hinreichend bestimmt.
75Sie habe das ihr hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Festlegung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die streitgegenständliche Festlegung sei zudem verhältnismäßig. Sie sei geeignet und erforderlich, Gefahren oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit von Elektrizitätsversorgungssystemen effizient zu beseitigen.
76Die Wirkungsweise der Merit Order (Tenorziffer 4) führe nicht zu einem unnötig hohen Redispatch-Volumen. Die Vorgaben der Festlegung für das Erstellen der Merit Order für hochfahrende und für einzusenkende Kraftwerke seien nicht voneinander isoliert zu betrachten. Sie dürften vor allem nicht losgelöst von dem Ziel der Wirkleistungsanpassung als Selbstzweck begriffen werden. Die Regeln zur Merit Order führten zu einer volkswirtschaftlichen Optimierung, die sich in einer Kostenminimierung der Redispatch-Maßnahme niederschlage, da so den für die Wirkleistungserhöhung zu zahlenden Vergütungen möglichst hohe Erlöse als Gegenposition gegenüberstünden. Dadurch würden „beide Seiten“ des Netzengpasses, also hochfahrende und einsenkende Kraftwerke, sowohl hinsichtlich ihrer physikalischen Wirkung als auch hinsichtlich ihrer Kosten berücksichtigt.
77In diesem Zusammenhang dürfe nicht vernachlässigt werden, dass beim strombedingten Redispatch die auszuwählenden Anlagen auf beiden Seiten des Engpasses einander bedingten. Zur Aufrechterhaltung des Leistungsgleichgewichts im Netz müsse die Änderung der Wirkleistungseinspeisung auf beiden Seiten des Engpasses in Summe energetisch ausgeglichen sein. Daher erfolge in der Praxis keine voneinander losgelöste Auswahl der zur Beseitigung des Engpasses heranzuziehenden Anlagen. Vielmehr werde unter Berücksichtigung der Kriterien der netzstützenden Wirkung und der Kosten der Anlagen, die sich in der Merit Order widerspiegelten, eine ganzheitliche Optimierung für den betreffenden Engpass vorgenommen, um diesen volkswirtschaftlich effizient beheben zu können. Bei der Optimierung komme dem Kriterium der netzstützenden Wirkung eine besondere Bedeutung zu, da diese die zur Engpassbeseitigung erforderliche Wirkleistungsänderung und damit das notwendige Redispatch-Volumen determiniere.
78Insbesondere seien auch der Ausschluss der angewiesenen Anlagen vom Intraday-Markt und das Einfrieren der Kraftwerksfahrpläne erforderlich, um das Ziel der Festlegung, die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungsnetzes, bestmöglich zu gewährleisten. Eine Regelung, durch die die Teilnahme am Intraday-Markt grundsätzlich eröffnet bliebe, ggf. aber den Übertragungsnetzbetreibern ein Vorbehaltsrecht gegen dort getätigte Geschäfte eingeräumt würde, sei jedenfalls nicht gleich geeignet. Die Übertragungsnetzbetreiber müssten sich dann in einer Phase der Netzunsicherheit, in der zeitkritisch Entscheidungen getroffen werden müssten, mit virtuellen Kraftwerksfahrplänen bzw. mit Fahrplanänderungen der angewiesenen Erzeuger auseinandersetzen, anstatt sich auf die erforderliche Wiederherstellung der Netzsicherheit konzentrieren zu können. Eine solche Regelung wäre nicht praktikabel. Das Einfrieren der Kraftwerkspläne sei insoweit für alle Anlagen des angewiesenen Betreibers am betreffenden Netzknoten erforderlich, da ansonsten die Möglichkeit bestünde, dass es zu einer Verschärfung des Engpasses bzw. einem Unterlaufen der Redispatch-Maßnahme komme. Flexibilitätseinbußen seien seitens der Erzeuger insoweit im Interesse der Aufrechterhaltung der Systemsicherheit hinzunehmen.
79Die Festlegung sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Sicherheit der Energieversorgung sei ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges. Zögerliche oder ineffiziente Maßnahmen könnten in einer Engpasssituation zur Verletzung des n-1- Prinzips oder in der Folge letztlich sogar zum Schwarzfall des Übertragungsnetzes und damit zu unabsehbaren europaweiten Schäden führen.
80Die Festlegung verstoße darüber hinaus nicht gegen Grundrechte. Eine Verletzung von Art. 12 GG sei fernliegend. Da die Sicherheit der Energieversorgung ein absolutes Gemeinschaftsgut darstelle, könne an einer Rechtfertigung des Eingriffs kein Zweifel bestehen. Dies gelte umso mehr, als die Betroffenen auch ohne die Festlegung durch die Übertragungsnetzbetreiber unmittelbar aus § 13 Abs. 1a EnWG zur Redispatch-Maßnahmen herangezogen werden könnten. Der durch § 13 Abs.1a EnWG bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zur Gewährleistung der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungsnetzes diene zugleich auch dem Zweck, den Anlagenbetreibern die Berufsausübung weiterhin zu ermöglichen. Die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Art. 12 GG könne jedenfalls durch eine Kostenerstattungsregel gewährleistet werden. Eine solche sei Gegenstand des Parallelverfahrens zur Festlegung der BK 8. Die Frage, ob die Vergütung unzureichend sei, sei für das vorliegende Verfahren jedoch irrelevant.
81Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Bundesnetzagentur sowie das Protokoll zur Senatssitzung verwiesen.
82B.
83Die zulässige Beschwerde hat in der Sache aus den mit den Verfahrensbeteiligten in der Senatssitzung erörterten Gründen hinsichtlich des als Hauptantrags gestellten Anfechtungsantrags Erfolg. Die Festlegung ist rechtswidrig und die Betroffene dadurch in ihren Rechten verletzt. Auf den hilfsweise zum Anfechtungsantrag gestellten Feststellungsantrag sowie den hilfsweise dazu gestellten Verpflichtungsantrag kommt es daher nicht an.
84I.
85Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie als Anfechtungsbeschwerde statthaft, §§ 83 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 1, 78 Abs. 1 EnWG.
86Die Betroffene ist gemäß §§ 75 Abs. 2, 66 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 EnWG als Adressatin der Festlegung sowie als förmlich zum regulierungsbehördlichen Verfahren Beigeladene auch beschwerdebefugt. Sie hat vorgetragen, dass sie infolge der Regelungen der Festlegung voraussichtlich regelmäßig zu Redispatch-Maßnahmen herangezogen und in ihrer wirtschaftlichen Disposition über ihren Kraftwerkspark beschränkt werde, ohne dass die entgangenen Erlöse ausreichend kompensiert würden und damit dargelegt, dass die Möglichkeit einer Beeinträchtigung ihrer Rechte bestehen kann.
87II.
88Die Festlegung ist nicht bereits formell rechtswidrig.
891. Allgemeinverfügung
90Die Rüge der Betroffenen, die streitgegenständliche Festlegung stelle wegen ihres umfassenden Regelungsgehaltes keine Allgemeinverfügung mehr dar, geht fehl.
91Die Festlegung nach § 29 EnWG hat die Funktion, eine Regelung mit Verbindlichkeit gegenüber einem durch allgemeine Merkmale bestimmten Personenkreis zu treffen (BGH, Beschluss vom 16.12.2014, EnVR 54/13 RN 20; BGH, KVR 28/07, Beschluss vom 29.04.2008, RN 9ff – EDIFACT). Sie unterscheidet sich von der Rechtsnorm dadurch, dass sie keinen abstrakten, sondern einen konkreten Sachverhalt regelt, wobei die Regelung gleichwohl genereller Natur ist. Die Allgemeinverfügung ist damit nicht absolut trennscharf von der abstrakten Regelung zu unterscheiden (vgl. BGH, KVR 28/07, Beschluss vom 29.04.2008, RN 9ff – EDIFACT). Die von der Bundesnetzagentur getroffene Festlegung hat die Funktion, die allgemeinen Vorgaben des Gesetzesrechts in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG auf der Ebene einzelner typischer und regelmäßig wiederkehrender Situationen der Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems für die genannten Bereiche zu konkretisieren. Dieser Funktion kommt die Festlegung jedoch grundsätzlich nach. Sie enthält generelle Handlungsanweisungen, um das Verhalten der Anlagen- und Übertragungsnetzbetreiber in typischerweise regelmäßig auftretenden Netzengpässen so zu steuern, dass die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgungsnetze gewährleistet wird. Dass einzelne Regelungen der Festlegung möglicherweise nicht mehr von den ersten drei Alternativen des § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG gedeckt sind, führt nicht zu einer Veränderung der Rechtsform der Festlegung als Allgemeinverfügung, vielmehr bleibt es bei einer konkret generellen Regelung für Netzengpasssituationen. Ein etwaiges Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG betrifft allein die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung.
922. Anhörungsmangel
93Die Bundesnetzagentur hat auch nicht gegen die in § 67 Abs. 1 EnWG normierte Anhörungspflicht verstoßen.
94Nach § 67 Abs. 1 EnWG hat die Regulierungsbehörde den Beteiligten vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies setzt voraus, dass die Beteiligten sich vor einer Entscheidung zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen äußern und so Verfahren und Ergebnis beeinflussen können (BVerfG NJW 2000, 1709f., BGH, EnVR 12/12, Beschluss vom 21.01.2014, RN 107). Dazu muss die Regulierungsbehörde dem Betroffenen die entscheidungserheblichen Tatsachen, die rechtlichen Grundlagen der beabsichtigten Entscheidung sowie die dieser zugrunde liegenden wesentlichen rechtlichen Wertungen mitteilen.
95Diesen Anforderungen wird das von der Bundesnetzagentur gewählte Verfahren gerecht. Diese hat den betroffenen Marktakteuren im Rahmen einer ersten Konsultation Gelegenheit zur Stellungnahme zum Regelungsumfang und –inhalt gegeben. Sodann hat sie auf der Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen am 07.11.2011 einen Workshop mit den Unternehmen und Institutionen durchgeführt, die sich an der Konsultation beteiligt haben. Aufgrund der weiteren im Workshop gewonnen Erkenntnisse hat sie am 06.01.2012 ein Eckpunktepapier mit den beabsichtigten Vorgaben veröffentlicht und eine zweite Konsultationsrunde bis zum 25.01.2012 durchgeführt. Die Muttergesellschaft der Betroffenen, die W. AG, hat sich an beiden Konsultationen sowie dem Workshop (Teilnahmeliste Bl. 403 VV) beteiligt und unter dem 20.05.2011 sowie dem 25.01.2012 entsprechende Stellungnahmen (Bl. 156ff VV, Bl. 798ff VV) abgegeben. Dabei hat sie in der Stellungnahme vom 25.01.2012 zu dem Eckpunktepapier der Beschlusskammer 6 vom 06.01.2012 insbesondere gerügt, dass die Merit Order allein auf die netzstützende Wirkung abstelle und die zusätzliche Berücksichtigung der mit dem Redispatch verbundenen Kosten/Vergütung gefordert (vgl. Stellungnahme vom 25.01.2012, Bl. 798ff, hier Bl. 799, 805f. VV sowie S. 21 der Festlegung). Die Betroffene hat diese Stellungnahme im Rahmen ihres Antrags auf Beiladung vom 24.09.2012 erneut zu den Verwaltungsakten gereicht und auf deren Inhalt Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund bestand für die Betroffene ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine erneute Anhörung zur Merit Order vor Erlass des endgültigen Beschlusses war entbehrlich, da die insoweit von der Bundesnetzagentur vorgenommenen Änderungen bei der Merit Order gerade auf den Einwendungen der Betroffenen und der weiteren Beteiligten beruhte (vgl. BGH, EnVR 12/12, Beschluss vom 21.01.2014, RN 108).
96III.
97Die Festlegung ist jedoch hinsichtlich der Tenorziffern 2 Satz 3 (netzknotenbezogene Nennwertgrenze) und 3 Satz 2 (Wirkleistungsbezug durch Speicheranlagen) materiell rechtswidrig. Im Übrigen sind die Regelungen der Festlegung nicht zu beanstanden. Da die Festlegung inhaltlich nicht teilbar ist, ist sie jedoch insgesamt aufzuheben.
981. Ermächtigungsgrundlage
99Die Bundesnetzagentur war gemäß § 13 Abs. 1a EnWG grundsätzlich zum Erlass der streitgegenständlichen Festlegung ermächtigt. Die Tenorziffern 2 Satz 3 und 3 Satz 2 sind jedoch von dieser Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt. Die gegen weitere Tenorziffern unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Ermächtigungsgrundlage erhobenen Rügen der Betroffenen sind allerdings unbegründet.
1001.1. Voraussetzungen
101Aufgrund des mit Wirkung zum 04.08.2011 neu in das Energiewirtschaftsgesetz eingefügten § 13 Abs. 1a EnWG sind Betreiber von Anlagen zur Speicherung und zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer näher bestimmten Nennleistung im Falle der Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems kraft Gesetzes verpflichtet, auf Anforderung durch den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber gegen angemessene Vergütung die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung anzupassen. Nach der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung bezog sich diese Verpflichtung ursprünglich auf Betreiber von Erzeugungsanlagen und Speichern mit einer Nennleistung ab 50 MW und einer Spannung von mindestens 110 kV. Durch das dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 20.12.2012 ist der Anwendungsbereich von Absatz 1a dahingehend ausgeweitet worden, dass mit Wirkung ab dem 28.12.2012 Anlagen zur Speicherung und zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 10 MW zur Anpassung verpflichtet sind. Die Ausweitung ist bis zum 31.12.2017 befristet (vgl. Art. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2012, BGBl. I. S. 2743).
102Schon vor der Einfügung des Abs. 1a in § 13 EnWG standen den Übertragungsnetzbetreibern gemäß § 13 EnWG ein Stufensystem von Maßnahmen im Netz und gegenüber Netznutzern auf Erzeuger- und Verbraucherseite zu (BT-Drs. 15/3917 vom 14.10.2004, S. 57), um die ihnen nach §§ 12, 13 EnWG übertragene Systemverantwortung ausüben zu können. Ist die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in ihrer Regelzone gefährdet oder gestört, sind sie gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 EnWG auf einer ersten Stufe berechtigt und verpflichtet, netzbezogene (Nr. 1) oder marktbezogene (Nr. 2) Maßnahmen zu ergreifen. Netzbezogene Maßnahmen iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG betreffen lediglich den technischen Netzbetrieb ohne Kosten und Beeinträchtigungen von Netznutzern zu verursachen (Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 13 RN 12; König in: BerlKommEnR, 3. Aufl., § 13 RN 15 m.w.N.), wie beispielsweise die Beeinflussung der Lastflüsse im Netz durch Schaltungen sowie die Ausnutzung betrieblich zulässiger Toleranzbänder (vgl. TransmissionCode 2007, Anhang A 1. S.1). Marktbezogene Maßnahmen iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG sind solche, die die Netznutzer mit einbeziehen und regelmäßig auf der Grundlage entsprechender vertraglicher Vereinbarungen gegen Vergütung getroffen werden (Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, a.a.O., § 13 RN 13, König in: BerlKommEnR, a.a.O., § 13 RN 21 m.w.N). Dazu gehört auch der Redispatch von Erzeugungsanlagen. In der Vergangenheit erfolgten Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG aufgrund freiwilliger Vereinbarungen zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern.
103Reichen netz- und marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnWG nicht aus, um eine Gefährdungs- oder Störungssituation rechtzeitig und vollständig abzuwenden, sind die Übertragungsnetzbetreiber auf einer zweiten Stufe berechtigt und verpflichtet, auf gesetzlicher Grundlage sogenannte Notfallmaßnahmen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG zu ergreifen (vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 57), indem sie sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anpassen oder diese Anpassung verlangen. Gemäß § 13 Abs. 2a Satz 1 EnWG müssen die Übertragungsnetzbetreiber bei Maßnahmen gemäß Abs. 1, Abs. 1a und Absatz 2 die Verpflichtungen nach § 8 Abs. 1 EEG und § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 KWKG einhalten (sog. EE-/KWK-Vorrangprinzip).
104Zur Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG sah sich der Gesetzgeber deshalb veranlasst, weil entsprechende Befugnisse der Übertragungsnetzbetreiber zur Wirkleistungsanpassung in der Vergangenheit teilweise von Kraftwerksbetreibern entweder in Frage gestellt oder die Wirk- und Blindleistungserzeugung von der Kostenerstattung abhängig gemacht wurde oder einzelne Kraftwerksbetreiber an Maßnahmen wie dem Redispatch gar nicht mitwirkten. Der neu eingefügte Absatz 1a sollte daher nach den Ausführungen des Gesetzgebers einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen schaffen, indem Anpassungsbefugnisse gegenüber größeren Kraftwerken gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben werden (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71).
105§ 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ermächtigt die Regulierungsbehörde, Festlegungen zu treffen zur Konkretisierung des Adressatenkreises der Regelung in § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG, zu erforderlichen technischen Anforderungen, die gegenüber den Betreibern betroffener Erzeugungsanlagen aufzustellen sind, zu Methodik und Datenformat der Anforderung durch den Betreiber von Übertragungsnetzen sowie zu Kriterien für die Bestimmung der angemessenen Vergütung.
106Von dieser Ermächtigung hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur durch die angegriffene Festlegung vom 30.10.2012 (BK6-11/098) Gebrauch gemacht.
1071.2. Tenorziffer 2 Satz 3:
108Die Regelung in Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung ist jedoch nicht von der Ermächtigung gemäß § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG gedeckt und daher rechtswidrig. Zwar ist die Bundesnetzagentur gemäß § 13 Abs. 1a Satz 3, 1. Alt. EnWG grundsätzlich zur Konkretisierung des Adressatenkreises berechtigt. Die Tenorziffer 2 regelt auch den Adressatenkreis. Die Betroffene rügt aber zu Recht, dass die Regelung den Adressatenkreis durch die netzknotenbezogene Betrachtungsweise entgegen der Vorgaben in § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG unzulässig erweitert.
109Nach Tenorziffer 2 Satz 1 der Festlegung erstreckt sich die Verpflichtung, sich der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung durch die Übertragungsnetzbetreiber zu unterwerfen, auf alle Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer elektrischen Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW. Maßgeblich ist nach Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einem Netzknoten, also demselben Netzanschlusspunkt (siehe nachfolgende Ausführungen unter Ziffer 2.1.1.) angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie eines Betreibers. Dadurch werden aber auch Anlagen verpflichtet, die für sich gesehen unter der Nennwertgrenze von 50 MW liegen. Wie sich in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2015 ergeben hat, rechnen mehrere Kraftwerksbetreiber, die kleinere Anlagen als 50 MW an einem Netzknoten betreiben, mit der Heranziehung ihrer Anlagen oder sind sogar schon konkret vom Übertragungsnetzbetreiber angesprochen worden. § 13 Abs. 1a EnWG unterwirft dem Redispatch jedoch nur Anlagen zur Speicherung von elektrischer Energie und Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie - zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegung - mit einer Nennleistung von ursprünglich 50 MW. Zwar ist seit dem Inkrafttreten des dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2012, I, S. 2743f.) am 28.12.2012 die Nennleistungsgrenze auf 10 MW herabgesetzt worden, so dass zumindest ab diesem Zeitpunkt die Einbeziehung von Anlagen ab 10 MW nach § 13 Abs.1a EnWG zulässig wäre. Allerdings werden durch die netzknotenbezogene Regelung auch Anlagen mit einer Nennleistung unter 10 MW erfasst. Die netzknotenbezogene Betrachtungsweise der Bundesnetzagentur ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Mindestnennleistungsgrenze von ursprünglich 50 MW (jetzt 10 MW) des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG bezieht sich nicht auf die addierte Nennwirkleistung aller an einem Netzknoten angeschlossener Anlagen eines Betreibers, sondern auf die jeweiligen Einzelanlagen (Erzeugungseinheit). Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, Systematik und Sinn und Zweck.
110Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass sich die Mindestnennleistungsgrenze auf alle in der Verantwortung eines Betreibers stehenden Anlagen an einem Netzknoten bezieht. Der Begriff des Netzknotens wird ebenso wenig genannt wie die Formulierung „Anlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 50 MW“. Auch aus der Verwendung des Wortes „Anlagen“ im Plural folgt nicht, dass der Gesetzgeber auf eine netzknotenbezogene Betrachtung der Mindestnennleistungsgrenze abstellen wollte. Die Verwendung des Plurals macht lediglich deutlich, dass alle Anlagenbetreiber, unabhängig von der Zahl ihrer Anlagen, verpflichtet sind. Die Verwendung des Singulars, wonach „Betreiber einer Anlage zur Speicherung von elektrischer Energie und einer Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie“ zum Redispatch verpflichtet sind, hätte demgegenüber zu Unklarheiten über den Umfang der Verpflichtung geführt (nur Betreiber mit einer einzigen Anlage). Dass der Verwendung des Plurals nicht die von der Bundesnetzagentur beigemessene Bedeutung zukommt, zeigt sich auch daran, dass im weiteren Verlauf des Satzes 1 auf „die Erzeugungsanlage“ im Singular abgestellt wird („in Abstimmung mit dem Betreiber desjenigen Netzes, in das die Erzeugungsanlage eingebunden ist“). Ansonsten hätte es heißen müssen „in das die Erzeugungsanlagen eines Betreibers eingebunden sind“. Damit spricht schon der Wortlaut dafür, dass bei der Mindestnennwertgrenze auf die einzelne Anlage (Erzeugungseinheit) abzustellen ist. Auch die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur ist im Verwaltungsverfahren zunächst nicht von einem netzknotenbezogenen Verständnis des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG ausgegangen, sondern hat in ihrem Eckpunktepapier vom 06.01.2012 (Bl. 496ff, 498 VV) „alle Blöcke von Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer elektrischen Nennleistung ab 50 MW“ als verpflichtet angesehen. Erst auf Anregung einzelner Netzbetreiber (W. AG, Bl. 803f. VV, Y. Bl. 857f. VV) hat die Bundesnetzagentur eine netzknotenbezogene Betrachtungsweise favorisiert.
111Die Gesetzesmaterialien sprechen ebenfalls dafür, dass sich die Nennleistungsgrenze auf die jeweilige Anlage und nicht auf sämtliche Anlagen eines Betreibers an einem Netzknoten bezieht. Nach der Gesetzesbegründung schafft der neu eingeführte Absatz 1a einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen, indem Anpassungsbefugnisse „gegenüber größeren Kraftwerken“ gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben werden (BT-Drs. 17/6072, S. 71). Verpflichtet werden sollen danach nur „größere Kraftwerke“. Diese Vorgabe steht jedoch einer netzknotenbezogenen Betrachtung entgegen, da diese auch die Verpflichtung kleinerer Kraftwerke zur Folge hätte. Dass kleinere Anlagen zunächst nicht einbezogen werden sollten, zeigt aber auch die Absenkung der Leistungsgrenze von 50 MW auf 10 MW durch das dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2012, I, S. 2743f.). Wäre der Gesetzgeber von einem netzknotenbezogenen Verständnis ausgegangen, wären Anlagen unterhalb der 50 MW-Grenze, soweit sie an einem Netzknoten liegen, von der ursprünglichen Regelung bereits erfasst gewesen. Die Begründung der Gesetzesänderung enthält jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit der Absenkung nun zusätzlich diejenigen Anlagen erfassen wollte, die nicht schon ohnehin über den Netzknoten verpflichtet waren. Er führt lediglich aus, dass die Leistungsgrenze zur Bestimmung der betroffenen Kraftwerke von 50 auf 10 Megawatt gesenkt würde, weil die Erfahrungen im Umgang mit Versorgungsengpässen im Winter 2011/12 gezeigt hätten, dass auch diese Kraftwerke mit geringerer Leistung entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der Systemstabilität haben könnten. Vor diesem Hintergrund erschien ihm eine Absenkung des Schwellenwertes und damit eine Ausweitung des Kreises der potentiell Verpflichteten zielführend (BT-Drs. 17/11705, S. 50). Dass der Gesetzgeber wie schon in der Begründung zur vorherigen Fassung erneut von „Kraftwerken“ („betroffenen Kraftwerke“, “diese Kraftwerke mit geringerer Leistung“) spricht, belegt vielmehr, dass hinsichtlich der Nennwertleistungsgrenze auf das einzelne Kraftwerk und nicht auf die Gesamtheit der an einem Netzknoten befindlichen Kraftwerke eines Betreibers abzustellen ist.
112Die Gesetzesänderung und ihre Begründung ist im Rahmen der Auslegung des § 13 Abs. 1a EnWG auch nicht irrelevant. Etwas anderes lässt sich insbesondere nicht den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 18.12.2013, VI-3 Kart 92/09 (V), entnehmen, wonach die Erwägungen in der Begründung einer Gesetzesänderung als nachgeschobene Rechtsauffassung im Rahmen der genetischen Auslegung zur Ermittlung des vom Gesetzgeber zuvor Gewollten nicht maßgebend sind. Anders als bei der Verordnungsänderung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV (BR-Drs. 447/13 vom 05.07.2013, S. 28), auf die sich der Senatsbeschluss vom 18.12.2013 bezieht, enthält die Begründung der Herabsetzung der Leistungsgrenze in der Bundestags-Drucksache 17/11705 keinerlei ausdrückliche Erwägungen zum Verständnis der bisherigen Regelung. Von einer nachgeschobenen Rechtsauffassung kann daher keine Rede sein.
113Auch systematische Erwägungen sprechen dafür, dass der Adressatenkreis i.S.v. § 13 Abs. 1a EnWG nur Betreiber von Anlagen erfasst, die je für sich genommen eine Leistung von 50 MW erreichen und nicht im Wege der Zusammenrechnung sämtlicher an einem Netzknoten angeschlossener Anlagen. Denn an anderen Stellen im Gesetz hat der Gesetzgeber die Zusammenrechnung mehrerer Anlagen ausdrücklich angeordnet. So enthält § 117 a Satz 2 EnWG die Vorgabe, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zum Zweck der Ermittlung der elektrischen Leistung im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 (bis zu 500 Kilowatt) unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten. Auch § 117a Satz 5 EnWG enthält eine Zusammenrechnungsklausel bezüglich der elektrischen Leistung mehrerer Anlagen im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG bzw. § 3 Abs. 2 KWKG. Ferner ist auch in § 19 Abs. 1 EEG ausdrücklich angeordnet, dass mehrere Anlagen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen zum Zwecke der Ermittlung der Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten. Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine Zusammenrechnung der Nennleistungen mehrerer Anlagen an einem Netzknoten ebenfalls ausdrücklich angeordnet hätte. Dafür spricht auch § 10 Abs. 1 der Reservekraftwerksverordnung vom 27.06.2013 (ResKVO, BGBl. I S. 1947), in der der Verordnungsgeber im Hinblick auf die Pflichten der Betreiber von Anlagen zur Anzeige einer Stilllegung nach § 13a Abs. 1 EnWG, zur Unterlassung der Stilllegung nach § 13a Absatz 1 Satz 2 und nach § 13a Absatz 3 EnWG, zur Bereithaltung der Anlage nach § 13a Abs. 3 EnWG sowie zur Anpassung der Einspeisung nach § 13 Abs. 1a EnWG ausdrücklich angeordnet hat, dass Anlagen oder Teilkapazitäten von Anlagen eines Betreibers, bei denen die Summe der Nettonennwirkleistungen aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen den jeweiligen Schwellenwert überschreitet, als eine Anlage gelten.
114Dass der Verordnungsgeber in der Begründung auf Seite 23 darauf verweist, dass Anlagen oder Teilkapazitäten von Anlagen unterhalb der Nennleistungsschwelle gleichwohl in Summe zu einer Gefährdung der Systemsicherheit führen können und deshalb § 10 Abs. 1 ResKVO festlegt, dass auf die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen abzustellen ist, lässt entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur keine Rückschlüsse auf das vom Gesetzgeber bei § 13 Abs. 1a EnWG zuvor Gewollte zu. Zum einen handelt es sich nicht um die Erklärung des Gesetzgebers, sondern um die der Bundesregierung, für die sich im Rahmen der Normauslegung des § 13 Abs. 1a EnWG jedoch keinerlei Anhaltspunkte ergeben und die schon von daher unbeachtlich ist. Zum anderen nimmt der Verordnungsgeber nicht etwa auf das sich unmittelbar aus der Norm des § 13 Abs. 1a EnWG ergebende Verständnis Bezug, sondern auf die Definition der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur in der hier streitgegenständlichen Festlegung, die er für die Auslegung der Norm im Rahmen der ResKVO entsprechend anwendbar erklärt. Ergäbe sich die netzknotenbezogene Betrachtung unmittelbar aus § 13 Abs. 1a EnWG, wäre dieser Hinweis – ebenso wie die Anordnung der Fiktion in § 10 Abs. 1 ResKVO - nicht erforderlich gewesen.
115Auch nach dem Sinn und Zweck des Schwellenwerts ist hinsichtlich des Nennlei- stungswerts auf das jeweilige Kraftwerk (Erzeugungseinheit) und nicht auf die Summe der an einem Netzknoten angeschlossenen Kraftwerke eines Betreibers abzustellen. Der Gesetzgeber wollte lediglich „größere Kraftwerke“ verpflichten. Die Mindestnennleistungsgrenze hat dabei den Zweck, die betroffenen – größeren - Kraftwerke näher zu bestimmen. Kraftwerke unterhalb der Nennleistungsgrenze von 50 MW hat der Gesetzgeber hingegen zunächst nicht für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems als systemrelevant angesehen. Dies hat sich erst aufgrund der Erfahrungen im Umgang mit den Versorgungsengpässen im Winter 2011/12 geändert, die gezeigt hatten, dass auch Kraftwerke mit einer Nennwertleistung von mindestens 10 MW entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der Systemstabilität haben können (BT-Drs. 17/11705 vom 28.11.2012, S. 50). Bezugspunkt für die Nennleistungsgrenze ist damit das Kraftwerk, also die Anlage, nicht der dahinter stehende Kraftwerksbetreiber. Anlagen, die unterhalb der Nennleistungsgrenze liegen, sollen mangels Systemrelevanz nicht verpflichtet sein. Bei netzknotenbezogener Betrachtungsweise würden aber auch Kraftwerke, die unterhalb dieser Bagatellgrenze liegen, in die Verpflichtung zur Wirkleistungsanpassung einbezogen, sofern sie an einem Netzknoten liegen. Soweit eine netzbezogene Betrachtung hätte erfolgen sollen, hätte der Gesetzgeber entweder eine ausdrücklich Regelung vorgenommen oder zumindest in der Gesetzesbegründung – wie der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 1 ResKVO – zwischen Anlagen und Teilkapazitäten von Anlagen oder - wie die Bundesnetzagentur in dem Eckpunktepapier vom 06.01.2012 – Blöcken von Erzeugungs- und Speicheranlagen unterschieden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Regelungslücke sind nicht vorhanden. Der Gesetzgeber wollte mit der 50 MW-Grenze auf Anlagen und nicht auf den Betreiber oder den Netzknoten abstellen. Insoweit verbietet sich eine Ausfüllung durch eine netzknotenbezogene Betrachtungsweise, unabhängig davon, dass eine solche für die Aufrechterhaltung der Systemstabilität grundsätzlich nützlich und geeignet wäre.
116Die Ausweitung des Adressatenkreises durch die Bundesnetzagentur kann auch nicht damit begründet werden, dass die Redispatch-Anweisung zu Gunsten der Anlagenbetreiber netzknotenbezogen erfolgen soll. Die Möglichkeit, die Anlage für die Redispatch-Maßnahme selbst auswählen zu können, ist nicht davon abhängig, dass für alle an einem Netzknoten gelegenen Anlagen eine Verpflichtung zum Redispatch besteht. Ebenso wenig kann die netzknotenbezogene Betrachtungsweise die Gefahr einer Gesetzesumgehung verhindern. Eine Umgehungsmöglichkeit besteht - theoretisch - nicht nur im Falle der anlagenbezogenen Betrachtungsweise der Bagatellgrenze durch eine bewusst geringere Dimensionierung der Einzelanlage, sondern auch im Falle der netzknotenbezogenen Betrachtung durch die vertragliche Übertragung der Betreibereigenschaft.
1171.3. Tenorziffer 3 Satz 2
118Auch die Regelung in Tenorziffer 3 Satz 2 der Festlegung, wonach die Wirklei-stungseinspeisung für Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie auch negativ, d.h. ein Wirkleistungsbezug sein kann, ist rechtswidrig. Die den Übertragungsnetzbetreibern eingeräumte Befugnis zur Anweisung eines Wirkleistungsbezugs ist von § 13 Abs. 1a EnWG nicht gedeckt.
119Schon nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1a EnWG bezieht sich die Verpflichtung der Betreiber von Anlagen zur Speicherung von elektrischer Energie und von Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie nur auf die Wirkleistungseinspeisung. Dies korrespondiert mit dem Verständnis von Redispatch als Maßnahme des Erzeugungsmanagements, die auf die Anpassung der Stromeinspeisungen an die Bedürfnisse der Netzsicherheit abzielt. Davon zu unterscheiden ist das Lastmanagement, das auf eine Anpassung des Stromverbrauchs gerichtet ist. Das Lastmanagement ist zwar eine marktbezogene Maßnahme, die jedoch nicht in § 13 Abs. 1a EnWG, sondern in § 13 Abs. 4a EnWG (große Verbrauchsanlagen), § 14a EnWG (unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung) und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG (sonstige Verbrauchsanlagen) geregelt ist. Schon vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Gleichsetzung der Wirkleistungseinspeisung mit dem Wirkleistungsbezug. Daran ändert auch die Formulierung „negative Wirkleistungseinspeisung“ nichts. Auch die ausdrückliche Nennung von Speicheranlagen neben Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie lässt nicht zwingend den Schluss auf die Zulässigkeit der Anforderung eines Wirkleistungsbezugs zu. Die explizite Nennung von Speicheranlagen ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass das Energiewirtschaftsgesetz in § 3 Nr. 15 EnWG zwischen Anlagen zur Erzeugung und solchen zur Speicherung von elektrischer Energie unterscheidet. Speicher wären daher entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur nicht schon automatisch von dem Begriff „Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie“ umfasst, zumindest ergäben sich berechtigte Zweifel an ihrer Adressatenstellung, da Speicher sowohl Strom einspeisen als auch verbrauchen können. Dass Speicheranlagen nur unter dem Aspekt der Erzeugungsanlage erfasst sind, ergibt sich jedoch aus der ausdrücklichen Beschränkung auf die Wirkleistungseinspeisung. In den Sätzen 2 und 3 des § 13 Abs. 1a EnWG werden Speicher- und Kraftwerke darüber hinaus nur noch unter dem Begriff der „Erzeugungsanlagen“ zusammengefasst. Auch dies belegt, dass Speicher lediglich wegen ihrer Erzeugungsfunktion in § 13 Abs. 1a EnWG einbezogen worden sind.
120Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Gesetzgeber wollte mit der Einbeziehung von Speicheranlagen den potentiellen Adressatenkreis erweitern, „um nach Ausschöpfung von Maßnahmen nach Absatz 1 bei konventionellen Kraftwerken den Umfang von Einspeisemanagementmaßnahmen nach § 11 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu minimieren“. Dass es ihm dabei nicht nur um die Anpassung der Einspeisungen durch Speicher, sondern auch um die Anpassung des Bezugs von elektrischer Energie ging, ist nicht ersichtlich.
121Dass der Wirkleistungsbezug bei Speichern nicht identisch ist mit der Wirkleistungseinspeisung, ergibt sich auch aus § 118 Abs. 6 EnWG. Danach ist der Bezug der zu speichernden elektrischen Energie unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgeltpflichtig. Diese Regelung wäre jedoch nicht erforderlich, wenn es sich bei dem Wirkleistungsbezug von Speichern nicht um eine - grundsätzlich entgeltpflichtige - Netznutzung, sondern um eine (negative) Einspeisung handelte, da diese nach § 15 Abs. 1 Satz 3 StromNEV unentgeltlich ist.
122Schließlich steht auch der Sinn und Zweck der Norm der Einbeziehung des Wirkleistungsbezugs von Speicheranlagen in die gesetzlich begründete Redispatch-Verpflichtung nach § 13 Abs. 1a EnWG entgegen. § 13 Abs. 1a EnWG bezweckt die Anpassung von Einspeisungen zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität. Wie bereits ausgeführt, ist der Wirkleistungsbezug jedoch keine Einspeisung. Dass der Wirkleistungsbezug von Speicheranlagen grundsätzlich ebenfalls geeignet wäre, die Systemstabilität zu gewährleisten, rechtfertigt keine andere Bewertung. Einen solchen hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 13 Abs. 1a EnWG nicht angeordnet. Dass sich in der Vergangenheit Speicheranlagen auch im Pumpbetrieb an Maßnahmen des Übertragungsnetzbetreibers nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG beteiligt haben, lässt keine Rückschlüsse auf das Verständnis von § 13 Abs. 1a EnWG zu. Denn auf freiwilliger vertraglicher Grundlage ist der Gestaltungsrahmen in das Belieben der Parteien gestellt. Vorliegend geht es aber um das gesetzliche Eingriffsrecht der Übertragungsnetzbetreiber. Dessen Umfang muss der Gesetzgeber nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz wegen des damit verbundenen Eingriffs in Grundrechte der Kraftwerks- und Speicheranlagenbetreiber selbst bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978, 2 BvL 8/77, juris RN 75; BVerfGE 116, 24, 58; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 RN 54, 58ff).
1231.4. Weitere Tenorziffern
124Die gegen weitere Tenorziffern erhobenen Rügen zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage sind jedoch nicht begründet.
1251.4.1. Tenorziffer 4:
126Die Regelung der Merit Order in Tenorziffer 4 ist von der Ermächtigungsbefugnis in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG umfasst. Mit der Merit Order hat die Bundesnetzagentur die Reihenfolge der Anforderung festgelegt und damit bestimmt, welche konkrete Anlage jeweils zur Wirkleistungsanpassung herangezogen werden soll. Gegenstand der Regelung ist damit nicht das „ob“ der Inanspruchnahme, sondern das „wer“. Denn ob ein Eingriff zulässig ist, ergibt sich aus § 13 Abs. 1a EnWG und der mit dessen Regelungsinhalt korrespondierenden Tenorziffer 1 der Festlegung. Demgegenüber wird mit der Merit Order der bereits durch Tenorziffer 2 grundsätzlich bestimmte Adressatenkreis weiter eingegrenzt, indem anhand der vorgegebenen Kriterien der Adressat einer Anweisung im Falle einer konkreten Engpasssituation bestimmt wird. Dies ist von der Festlegungsermächtigung zur „Konkretisierung des Adressatenkreises“ in § 13 Abs. 1a Satz 1 1. Alt. EnWG umfasst. Bei diesem Regelungsgegenstand geht es um die Frage, welche Betreiber von Kraftwerken oder Speichern verpflichtet sind, Redispatch-Maßnahmen durchzuführen. Wer überhaupt als Adressat in Betracht kommen kann, ergibt sich schon aus § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG. Insofern hat der Gesetzgeber im Sinne des Wesentlichkeitsgrundsatzes eine eigene Entscheidung getroffen und der Bundesnetzagentur nur die nähere Konkretisierung überlassen. Mit der Merit Order wird aber genau dies vollzogen, ohne dabei über den gesetzlichen Rahmen hinauszugehen.
127Adressat der Anweisung ist der Betreiber der Anlage, die nach der Merit Order entweder in absteigender Reihenfolge (Wirkleistungserhöhung) oder in aufsteigender Reihenfolge (Wirkleistungsreduzierung) als nächste heranzuziehen ist. Da die im Rahmen des Quotienten zu berücksichtigende netzstützende Wirkung jeweils auf das von einer Überlast bedrohte Betriebsmittel bzw. auf das von einer Spannungsgrenzwertverletzung bedrohte Netzelement bezogen ist, ergibt sich wegen des Einflusses der räumlichen Nähe der Anlage auf die netzstützende Wirkung für jeden Bezugspunkt jeweils eine andere Reihenfolge der in Betracht kommenden Adressaten. Die Merit Order ist damit eine Methodik, den – vom Gesetzgeber vorgegebenen und von der Bundesnetzagentur in Tenorziffer 2 näher bestimmten - Adressatenkreis für den Fall einer konkreten Engpasssituation weiter einzugrenzen. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Systematik, aus der sich ergibt, in welcher Reihenfolge die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung auszusprechen ist. Insofern ist die Regelung der Tenorziffer 4 auch von der Ermächtigungsbefugnis nach § 13 Abs. 1a Satz 3 3. Alt. EnWG zur Festlegung der „Methodik der Anforderung“ umfasst. Unter Methodik ist nach allgemeinem Wortverständnis die „festgelegte Art des Vorgehens“ zu verstehen (Duden online, Suchbegriff „Methodik“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/ 655656/revisions/1216350/view). Tenorziffer 4 legt mit der Merit Order – neben dem „wer“ - auch das „wie“ der Anweisung im Rahmen einer systematischen Vorgehensweise fest. Insofern erklärt sich auch, wieso die Regelung der Merit Order nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung des Adressatenkreises in Tenorziffer 2 geregelt ist, wie teilweise, u.a. auch von der Betroffenen, moniert wird. Systematisch ist der Inhalt der Festlegung nachvollziehbar dahingehend gegliedert, dass in Tenorziffer 1 die Eingriffsvoraussetzungen wiedergegeben und gleichzeitig der Anwendungsbereich der Festlegung bestimmt werden und sodann in Tenorziffer 2 der Adressatenkreis, in Tenorziffer 3 der Umfang der Anweisung und schließlich in Tenorziffer 4 die Methodik der Anweisung festgelegt werden. Die Bestimmung einer Reihenfolge ist durchaus auch sinnvoll und steht im Übrigen in der Entscheidungsbefugnis der Bundesnetzagentur. Ob die Regelung inhaltlich zutreffend und praktikabel ist, ist keine Frage der fehlenden Rechtsgrundlage, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit.
1281.4.2. Ausschluss Intraday-Handel (S.53 der Begründung)
129Ohne Erfolg rügt die Betroffene ferner, dass sich das von der Bundesnetzagentur auf Seite 53 der Begründung ergebende Verbot einer jederzeit möglichen Aktualisierung der Einspeisezeitreihen durch die Anlagenbetreiber während einer Redispatch-Maßnahme wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig ist. Die Betroffene wendet zwar zu Recht ein, dass ein solches Verbot nicht von der Festlegungsbefugnis des § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG umfasst ist. Dies führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit, da die Regelung von § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG gedeckt ist.
1301.4.2.1. Regelung
131Den Ausführungen auf Seite 53 der Festlegung kommt Regelungscharakter zu. Be-zogen auf den Streitfall ist zwischen einem Verwaltungsakt in Form einer Sachentscheidung nach § 29 EnWG oder in Form eines feststellenden Verwaltungsakt, der eine bestehende Rechtslage rechtsverbindlich feststellt, und einem schlichten Hinweis auf die Rechtslage, der bloßen Mitteilung oder Auskunft ohne Regelungscharakter, zu unterscheiden (vgl. Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. Ergänzungslieferung, § 42 Abs. 1 RN 26). Dabei kann es sich auch um einen schlichten Hinweis handeln, wenn dieser in die Begründung eines Verwaltungsakts aufgenommen worden ist (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage, § 35 RN 86). Ob und wie weit eine verbindliche Regelung getroffen werden soll, entscheidet allein die Behörde. Maßgeblich ist jedoch der objektive Erklärungswert, d.h. der am objektiven Inhalt zu messende Bindungswille. Entsprechend § 133 BGB ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie ihn der durch die Erklärung Betroffene einschließlich eines Drittbetroffenen bei verständiger Würdigung verstehen durfte (BVerwGE 60, 223, 228f.; 41, 305, 306; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.2014, VI-3 Kart 93/13 (V), S. 10 BA; Beschluss vom 23.09.2009, VI-3 Kart 25/08 (V) m.w.N.).
132Vorliegend handelt es sich nicht lediglich um einen schlichten Hinweis auf die Rechtslage ohne Regelungscharakter. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei den Ausführungen auf Seite 53 der Begründung um eine Sachentscheidung nach § 29 EnWG – nach Ansicht der Bundesnetzagentur im Beschwerdeverfahren i.V.m. § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG - bezüglich der Rechte und Pflichten von Kraftwerksbetreibern oder um einen feststellenden Verwaltungsakt in Bezug auf die bestehende Rechtslage nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG handelt, da es sich in beiden Fällen um einen Verwaltungsakt handelt. Die Beschlusskammer hat die Zulässigkeit einer jederzeitigen, insbesondere auch während eines anstehenden Eingriffs zur Wirkleistungsanpassung möglichen Aktualisierung der Einspeisezeitreihen durch die Anlagenbetreiber ausdrücklich verneint und ihre Entscheidung auch näher begründet. Angesichts der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren von I., F. und YZ. geforderten jederzeitigen Zulässigkeit einer Anpassung und dem sich daraus ergebenden Klärungsbedarf bestand hinreichender Anlass für die Bundesnetzagentur, verbindlich anzuordnen, dass eine jederzeitige Anpassung nicht zulässig ist. Insoweit hat sie in der Begründung des Verbots ausdrücklich auf die Stellungnahmen der Betroffenen I., F. und YZ. Bezug genommen. Die streitgegenständliche Passage ging damit aus der Sicht eines objektiven Empfängers über einen schlichten Hinweis auf die bestehende Rechtslage hinaus, da sich die Bundesnetzagentur mit dem Begehren der Marktteilnehmer und Verbände auseinandergesetzt, dieses abgewogen und entschieden hatte. Ein solcher Abwägungs- und Begründungsprozess spricht aber maßgeblich für den Entscheidungs- und damit Regelungscharakter der Ausführungen.
133Es ist hierbei unerheblich, dass sich die Konkretisierung aus der Begründung der Festlegung ergibt. Der Inhalt eines Verwaltungsakts muss sich nicht allein aus dem Anordnungssatz ergeben, vielmehr sind neben den bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen vor allem die dem Verwaltungsakt beigefügte Begründung zur Auslegung des Regelungsinhalts heranzuziehen (vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 37 RN 6; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage, § 37, RN 3, § 43, RN. 58). Die Ausführungen auf Seite 53 der Festlegung beziehen sich auf Tenorziffer 7 Satz 4 und konkretisieren diese näher. So sind sie dem Gliederungspunkt „3.7. Bilanzielle Abwicklung“ zugeordnet, der sich ausschließlich mit Tenorziffer 7 befasst und stehen konkret im Zusammenhang mit den Ausführungen zu Tenorziffer 7 Satz 4. Nach Tenorziffer 7 Satz 1 haben Übertragungsnetzbetreiber und Betreiber von Erzeugungsanlagen einen Kraftwerksfahrplan im Viertelstundenraster auszutauschen, der Beginn, Ende und zeitlichen Verlauf der Wirkleistungsanpassung beschreibt. Bei Differenzen zwischen dem Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers und dem Bestätigungsfahrplan des Bilanzkreises der Anlage gilt der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers vorrangig. Nach Tenorziffer 7 Satz 4 ist Referenzgröße, auf die dieser Fahrplan aufsetzt, die aktuellste, vom Anlagenbetreiber an den Übertragungsnetzbetreiber vor Beginn der Maßnahme übermittelte Einspeisezeitreihe der betroffenen Anlage. Damit beschränkt sich die Regelung nicht nur auf die bilanzielle Abwicklung der Redispatch-Maßnahme, sondern nimmt auch den vor Beginn der Redispatch-Maßnahme gemeldeten Fahrplan zur Gesamteinspeiseleistung in Bezug. Hintergrund dafür ist nach den Ausführungen der Bundesnetzagentur auf Seite 52, einen eindeutigen Bezugspunkt zur Bestimmung der Höhe der Wirkleistungsanpassung zu definieren. Damit ist auch eindeutig, dass sich der Ausschluss zur Fahrplananpassung nicht nur auf die physikalische Anpassung, sondern auch auf die virtuelle Anpassung erstreckt, denn ansonsten könnte die letzte vor Beginn der Redispatch-Maßnahme übermittelte Einspeisezeitreihe nicht Bezugspunkt zur Bestimmung der Höhe der Wirkleistungsanpassung sein.
1341.4.2.2. umfassender Ausschluss
135Die Festlegung geht demnach von einem umfassenden Ausschluss der untertägigen Fahrplananpassung durch Anlagenbetreiber und damit der Teilnahme am Intraday-Handel aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Bundesnetzagentur im Beschwerdeverfahren, wonach Einschränkungen der untertägigen Fahrplananpassung gegenüber den Anlagenbetreibern nicht als absolutes Verbot gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern zu verstehen sei, diese vielmehr im Einzelfall untertägige Fahrplanänderungen akzeptieren könnten, wenn die Situation dies erlaube. In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesnetzagentur ergänzend vorgetragen, es habe lediglich der Rechtsanspruch des Kraftwerksbetreibers auf Intraday-Geschäfte während einer Redispatch-Maßnahme ausgeschlossen werden sollen. Intraday-Handel solle dann weiter möglich sein, wenn der zuständige Übertragungsnetzbetreiber keine Einwände erhebe. Für ein solches Verständnis finden sich in der Begründung allerdings keine Anhaltspunkte. Die Bundesnetzagentur hat die Zulässigkeit einer jederzeitigen Wirkleistungsanpassung mit der Gefahr des Unterlaufens der Redispatch-Maßnahme begründet. Dabei hat sie nicht etwa auf eine konkrete Gefahr im Einzelfall, sondern allgemein und damit auf die abstrakt bestehende Gefahr hingewiesen.
1361.4.2.3. Festlegungsbefugnis nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG
137Der Ausschluss von zum Redispatch verpflichteten Anlagen vom Intraday-Markt ist jedoch nicht von der Festlegungsbefugnis nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG umfasst. Dies gilt unabhängig davon, ob man der Regelung ein umfassendes oder nur ein eingeschränktes Verbot der Fahrplananpassung entnimmt. Es handelt sich weder um „technische Anforderungen, die gegenüber den Betreibern betroffener Erzeugungsanlagen aufzustellen sind“ noch um die „Methodik“ der Anforderung durch den Übertragungsnetzbetreiber. Technische Anforderungen beziehen sich auf die Kriterien, die die Anlagenbetreiber bzw. die von ihnen betriebenen Erzeugungsanlagen in technischer Hinsicht erfüllen müssen. Die Anpassung der Fahrpläne und Teilnahme am Intraday-Handel betrifft ersichtlich keine technische Anforderung an die Erzeugungsanlage, sondern lediglich die Optimierung der Fahrweise eines Kraftwerks aus wirtschaftlichen Gründen. Auch der Umfang der Wirkleistungsanpassung, dessen verbindliche Einhaltung die Bundesnetzagentur durch das Verbot des Intraday-Handels während der Redispatch-Maßnahme bezweckt, stellt keine technische Anforderung an die Anlage, sondern eine Frage der physikalischen Umsetzung der Maßnahme dar. Die „Methodik der Anforderung“ bezieht sich, wie bereits ausgeführt, auf das „wie“ der Anforderung und nicht auf die mit der Redispatch-Maßnahme verbundene Eingriffstiefe, also den Umfang der Anforderung.
1381.4.2.4. Rechtslage nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG
139Mit dem Verbot untertägiger Fahrplananpassungen auf Seite 53 der Begründung der streitgegenständlichen Festlegung stellt die Bundesnetzagentur jedoch die Rechtslage nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG verbindlich fest.
140Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Kraftwerks- und Speicheranlagenbetreiber nach § 13 Abs. 1a EnWG, auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber die Wirkleistungsanpassung vorzunehmen, folgt, dass die Anforderung verbindlich ist. Dementsprechend muss die Wirkleistungsanpassung in einer Weise erfolgen, die in ihrer netztechnisch-physikalischen Wirkrichtung der Anweisung des Übertragungsnetzbetreibers entspricht. Denn eine Redispatch-Maßnahme bezieht sich auf den physikalischen Lastfluss und damit auf eine Einschränkung der Einspeisung der Anlage. Die Redispatch-Anforderung darf daher nicht durch gegenläufige Intraday-Geschäfte physikalisch unterlaufen werden. Dies wäre aber der Fall, wenn bei einer Wirkleistungsreduzierung die frei gewordenen Energiemengen oder die bis dahin noch freien Mengen vermarktet würden. Dasselbe gilt, wenn bei einer Wirkleistungserhöhung der Kraftwerks- oder Speicheranlagenbetreiber die angewiesene Anlage nicht hochführe, sondern die Redispatch-Menge anderweitig über den Intraday-Handel beschaffte, was mit Blick auf seine Grenzkosten aus wirtschaftlichen Gründen durchaus sinnvoll sein könnte, jedoch wegen der geringeren netzstützenden Wirkung einer anderen Anlage kontraproduktiv wirkte.
141Auch in dem in der Begründung der Festlegung beispielhaft genannten Fall, wonach der Kraftwerksbetreiber bei einer Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungserzeugung von Minimal- auf Maximalleistung die Redispatch-Menge als marktgetriebene Stromproduktion umdeklariert und zur Erhaltung des energetischen Gleichgewichts seines Bilanzkreises die Leistung eines anderen, auf der gleichen Seite des Engpasses liegenden Kraftwerks in gleicher Höhe reduziert, wird die Wirkleistungsanpassung in ihrer Wirkung reduziert oder sogar aufgehoben. Insofern birgt auch die physikalische Anpassung in gleicher Richtung sowie die bloß virtuelle Anpassung grundsätzlich die Gefahr des Unterlaufens der Redispatch-Maßnahme. Zwar entspricht die physikalische Anpassung der Redispatch-Anweisung und konterkariert für sich gesehen nicht die Anweisung des Übertragungsnetzbetreibers. In jedem Fall ist jedoch ein energetischer Ausgleich der Maßnahme erforderlich, der bei den Auswirkungen der marktgetriebenen Anpassung durch den Kraftwerksbetreiber nicht außer Acht gelassen werden kann. Da der Übertragungsnetzbetreiber nach der Festlegung nur für den energetischen und bilanziellen Ausgleich der angewiesenen Redispatch-Mengen verantwortlich ist, muss der Anlagenbetreiber bzw. dessen Bilanzkreisverantwortlicher den energetischen Ausgleich der vom Anlagenbetreiber selbst vermarkteten Energiemengen – je nach Anweisungsrichtung durch eine Wirkleistungsreduzierung oder – erhöhung eines anderen Kraftwerks – sicherstellen. Wenn sich dieses Kraftwerk in räumlicher Nähe zum angewiesenen Kraftwerk befindet, führt dies allerdings, wie die Bundesnetzagentur in der Festlegung zu Recht ausgeführt hat, zu kontraproduktiven Effekten mit der Folge, dass die Wirksamkeit der Redispatch-Maßnahme reduziert oder aufgehoben wird. Diese Gefahr besteht zwar grundsätzlich auch beim energetischen Ausgleich einer spannungsbedingten Redispatch-Maßnahme über den Intraday-Handel durch den Übertragungsnetzbetreiber. Allerdings kann dieser in diesem Fall auf bilaterale Geschäfte zurückgreifen (vgl. S. 48 der Festlegung).
142Beim strombedingten Redispatch verschärft sich die Situation noch, da zur Auflösung des Engpasses zwingend (mindestens) zwei Anlagen – eine vor, eine hinter dem Engpass – zu gegenläufigen Wirkleistungsanpassungen angewiesen werden müssen. Ein energetischer Ausgleich erübrigt sich damit. Bei einer marktgetriebenen Anpassung entsprechend der Redispatch-Anweisung bestünde wiederum grundsätzlich die Gefahr, dass bei einem durch den Anlagenbetreiber oder dessen Bilanzkreisverantwortlichen veranlassten Ausgleich durch ein Kraftwerk auf derselben Seite des Engpasses die Wirksamkeit der Redispatch-Maßnahme reduziert oder aufgehoben würde. Eine physikalische Erhöhung der Wirkleistung durch den Anlagenbetreiber in Richtung der Anweisung hätte zudem zur Folge, dass auch das Kraftwerk auf der anderen Seite des Engpasses seine Einspeisung in derselben Höhe weiter reduzieren müsste, um den Engpass zu beseitigen. Wie die Übertragungsnetzbetreiberin X. im Senatstermin erläutert hat, muss daher immer eine Paarungsbetrachtung stattfinden, d.h. fährt vor dem Engpass ein Kraftwerk z.B. 200 MW herunter, muss hinter dem Engpass ein Kraftwerk gefunden werden, was ebenfalls eine Wirkleistungsanpassung von genau 200 MW in gegenläufiger Richtung durchführt. Dies wird durch die Anweisung des Übertragungsnetzbetreibers nach der Merit Order jeweils sichergestellt. Dass dies bei marktgetriebenem Handeln der Anlagenbetreiber in entsprechender Weise gesichert ist, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
143Aber selbst wenn man davon ausginge, dass der Übertragungsnetzbetreiber auch im Falle eines die Redispatch-Anweisung ersetzenden Intraday-Geschäfts für die Anweisung der gegenläufig zur marktgetriebenen Anpassung auf der anderen Engpassseite durchzuführenden Wirkleistungsanpassung zuständig bleibt, birgt dies Gefahren für die Effektivität der Redispatch-Maßnahme. Denn der Übertragungsnetzbetreiber müsste bei einer kurzfristigen Änderung der Fahrweise eines Kraftwerks ebenfalls kurzfristig die entsprechende Gegenmaßnahme anweisen und – sofern die Fahrplanänderung des Anlagenbetreibers in ihrer physikalischen Wirkung noch über die Redispatch-Anforderung hinausgeht – weitere Folgemaßnahmen ergreifen. Er liefe damit quasi den Intraday-Geschäften der angewiesenen Anlagenbetreiber ständig hinterher. Damit würde die Komplexität der Engpassbeseitigung für den Übertragungsnetzbetreiber zunehmen und die Beseitigung der Störung oder Gefährdung der Netzsicherheit erschwert werden. Insoweit kann der Umfang der Redispatch-Maßnahmen nicht negiert werden. Die Übertragungsnetzbetreiber X. und B. haben in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass angesichts der Vielzahl der zu treffenden Maßnahmen die unbeschränkte Zulässigkeit von Intraday-Geschäften die Durchführbarkeit ihres operativen Geschäfts erheblich erschweren und daher die Netzsicherheit gefährden würde. Der Übertragungsnetzbetreiber X. hat unwidersprochen dargelegt, dass von ihm große Redispatch-Mengen zu bewältigen sind, deren Umfang in den letzten Wochen vor dem Senatstermin x bis x GW betragen habe. Es geht daher nicht um das „übliche Tagesgeschäft“, bei dem Fahrpläne mit einem zeitlichen Vorlauf von mindestens einer Viertelstunde zu jeder Viertelstunde eines Tages geändert werden können und dem Übertragungsnetzbetreiber im Engpassfall bei regelzonenübergreifenden Fahrplananpassungen ein Ablehnungsrecht zusteht (§ 5 Abs. 2 StromNZV). Vielmehr liegt mit dem Redispatch-Fall eine Sondersituation vor, da das Eintreten einer Engpasssituation oder Spannungsgrenzwertbeeinträchtigung nicht erst geprüft wird, sondern die Gefährdung oder Störung von den Übertragungsnetzbetreibern bereits konkret bejaht wurde. Vor diesem Hintergrund kann auch die Tatsache, dass Intraday-Geschäfte mit einem längeren Vorlauf, nämlich 45 Minuten vor Beginn der Stunde, getätigt werden können, die Situation im Engpassfall nicht nachhaltig entschärfen.
1442. Bestimmtheit
145Die Festlegung ist auch nicht im Hinblick auf die Anforderungen an die inhaltliche
146Bestimmtheit von Verwaltungsakten rechtswidrig.
147Grundsätzlich wird dem Bestimmtheitsgebot dann Genüge getan, wenn der Adressat aus dem verfügenden Teil in Zusammenhang mit den Gründen vollständig, klar und unzweideutig erkennen kann, was von ihm gefordert wird (BGH, Beschluss vom 19.06.2007, KVR 17/06, RN 37). Dabei ist nicht notwendig, dass der Inhalt der Regelung im Tenor der Verfügung so zusammengefasst ist, dass alle Aspekte aus sich heraus verständlich sind. Vielmehr genügt es, dass sich der Regelungsinhalt aus dem Bescheid einschließlich seiner Begründung ergibt (BGH, WuW DE-R 195, 196 m. w. N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 37 RN 5, 12).
148Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Festlegung.
1492.1. Tenorziffer 2:
150Tenorziffer 2 ist hinreichend bestimmt.
1512.1.1. Netzknoten
152Die Verwendung des Begriffs „Netzknoten“ in Tenorziffer 2 Satz 3 führt nicht zur Unbestimmtheit der Festlegung. Dasselbe gilt für die Tenorziffern 3 Satz 3 und 8 Satz 4.
153Auch wenn verschiedene situationsspezifische Netzknotenbegriffe existieren, wie beispielsweise nach § 2 Nr. 11 StromNEV für das Pooling, ist die im Rahmen der streitgegenständlichen Festlegung maßgebliche Definition zweifelsfrei bestimmbar. In der Begründung zu Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung führt die Bundesnetzagentur aus, dass auf „die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einen Netzanschlusspunkt angeschlossenen Einzel-Erzeugungsanlagen und – Speicher eines Betreibers“ abzustellen ist (S. 37). Auch die weitere Begründung stellt auf „die Gesamtheit aller an einen Anschlusspunkt angeschlossenen Anlagen“ ab (S. 37). Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Bundesnetzagentur den Begriff „Netzknoten“ als Synonym für den Begriff „Netzanschlusspunkt“ verwendet. Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zu Tenorziffer 3 Satz 3, die bezüglich der Anweisung zur Anpassung der Wirkleistung ebenfalls auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Erzeugungsanlagen und Speicher eines Betreibers abstellt. In der Begründung wird Netzknoten ausdrücklich als „Anschlusspunkt bzw. Netzknoten“ und „Anschlusspunkt“ bezeichnet (S. 39). Der Netzanschlusspunkt beschreibt die Anlagenteile, an denen die Anlagen des Netzbetreibers und des Netzkunden miteinander verbunden sind. Vor dem Hintergrund, dass sowohl § 13 Abs. 1a EnWG als auch die angegriffene Festlegung Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen erfasst, die an das Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossen sind, ergibt sich, dass es sich bei einem Netzknoten allein um den Anschlusspunkt dieser Anlagen an das Elektrizitätsversorgungsnetz handeln kann. Dementsprechend stellt bei dem von Anlagenbetreibern beschriebenen Fall des sogenannten getrennten Zwei-Sammelschienen-Betriebs, bei dem zwei Sammelschienen in einer Umspannanlage zweitweise ungekoppelt betrieben werden, jede Sammelschiene einen Netzknoten i.S.d. Festlegung dar.
154Der Hinweis einzelner Anlagenbetreiber, aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich ein übertragungsnetzbezogener Netzknotenbegriff, wonach auf die Verbindung zwischen dem fraglichen Übertragungsnetz und dem Elektrizitätsverteilernetz abzustellen sei, überzeugt hingegen nicht. Die Redispatch-Festlegung dient im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zwar der Konkretisierung der Anforderungen an Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone. Eine Beschränkung des Netzknotens auf Verbindungen zwischen Übertragungsnetz und Elektrizitätsverteilernetz, an das die fraglichen Anlagen angeschlossen sind, lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. § 13 Abs. 1a EnWG bezieht sich klar auf Anlagen zur Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie. Wie bereits ausgeführt bezeichnet ein Anschlusspunkt jedoch deren Verbindung zum Elektrizitätsversorgungsnetz. Für eine andere Auslegung besteht angesichts dessen kein Raum, insbesondere stellt die Verbindung zwischen Verteilernetz und Übertragungsnetz keinen Anschlusspunkt dar. Üblicherweise wird bei der Verbindung zwischen Verteiler- und Übertragungsnetz von einem Verbindungspunkt oder von einem Umspannwerk bzw. einer Umspannstation gesprochen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass auf der Informationsplattform der vier Übertragungsnetzbetreiber auf der Internetseite „netztransparenz.de“ bei Redispatch-Maßnahmen in der Rubrik „Betroffene Kraftwerke“ Kraftwerkpools genannt werden („R.KW-Pool“, „I. KW-Pool“). Dies lässt keine Rückschlüsse auf eine missverständliche Bedeutung des Begriffs „Netzknoten“ zu. Denn die Rubrik nennt entgegen seiner Bezeichnung nicht immer nur das betroffene Kraftwerk. Teilweise wird nur der Ort der Redispatch-Maßnahme, teilweise das konkrete Kraftwerk, teilweise aber auch nur die Betreiberin des Kraftwerks, nicht jedoch der Ort oder der Namen des konkret herangezogenen Kraftwerks aufgeführt. So wird beispielsweise auch die Z. AG genannt, die ebenfalls mehrere Kraftwerke betreibt. Dass lediglich die Betreiberin der Kraftwerke genannt wird, lässt damit nicht den Schluss auf einen „übertragungsnetzbezogenen“ Netzknotenbegriff zu.
1552.1.2. ausländische Anlagenbetreiber
156Die teilweise geltend gemachten Unklarheiten über die Adressatenstellung von ausländischen Stromerzeugern und Speicheranlagenbetreibern mit Anschluss an ein deutsches Übertragungsnetz bestehen ebenfalls nicht. Dass Tenorziffer 2 dazu keine Regelung enthält, ist unerheblich. Vielmehr bestimmt sich der Anwendungsbereich der nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG erlassenen Festlegung nach dem Anwendungsbereich des EnWG. Als Bundesgesetz findet dieses räumlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Ergänzend gilt § 109 Abs. 2 EnWG, wonach das EnWG Anwendung findet auf alle Verhaltensweisen, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst würden. Liegt der Anschluss der Anlage in Deutschland, gilt damit das EnWG und folglich auch die Festlegung.
1572.1.3. Einbeziehung KWK-Anlagen
158Dass Tenorziffer 2 KWK-Anlagen unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet, sich Redispatch-Maßnahmen zu unterwerfen, Tenorziffer 3 Satz S. 6 jedoch die durch Wärmeauskopplung nicht disponiblen Leistungsscheiben von KWK-Anlagen nicht ausdrücklich erwähnt, führt ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Regelungen in Bezug auf den Umfang der Einbeziehung von KWK-Anlagen. Nach Tenorziffer 2 Satz 2 der Festlegung sind nur solche Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die zumindest in einem Betriebszustand eine disponible, d.h. keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene elektrische Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW erzeugen können, zum Redispatch verpflichtet. In der Begründung stellt die Bundesnetzagentur ausdrücklich klar, dass sich die Verpflichtung nur auf diejenigen Leistungsscheiben bezieht, die keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfen sind, während die Leistungsscheiben, die aufgrund der Wärmeproduktion Einschränkungen bei der Anpassung der Wirkleistungserzeugung unterworfen sind, bereits nach § 13 Abs. 2a EnWG von der Verpflichtung zur Teilnahme am Redispatch grundsätzlich ausgeschlossen sind. Einer zusätzlichen Erwähnung dieser Leistungsscheiben in Tenorziffer 3 bedurfte es daher nicht.
1592.2. Tenorziffer 4
160Die Regelung in Tenorziffer 4 Satz 1 ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Rügen der Betroffenen sowie weiterer Kraftwerksbetreiber haben keinen Erfolg.
1612.2.1. netzstützende Wirkung
162Die Bundesnetzagentur hat in der Festlegung auf Seite 44 ausreichend deutlich gemacht, was unter dem Begriff „netzstützende Wirkung“ zu verstehen ist. Danach beschreibt die netzstützende Wirkung im Falle eines strombedingten Redispatch, um welche Leistung der Lastfluss auf dem von Überlast bedrohten Netzelement durch Anpassen der Wirkleistungseinspeisung der betroffenen Erzeugungsanlagen und Speicher reduziert wird. Im Falle einer spannungsbedingten Wirkleistungsanpassung beschreibt die netzstützende Wirkung die bewirkte Spannungsänderung an dem von einer Spannungsgrenzwertverletzung bedrohten oder betroffenen Netzknoten. Die Ermittlung der durch eine Anlage an einem bestimmten Netzknoten bewirkten Lastflussänderung bzw. Spannungsänderung bezogen auf deren Änderung der Einspeiseleistung erfolgt nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Bundesnetzagentur unabhängig von deren freien Leistungsscheiben, und zwar in der Regel relativ, d.h. in Prozent. Dafür führen die Übertragungsnetzbetreiber sog. Sensitivitätsuntersuchungen durch, indem im modulierten Netz verschiedene Szenarien simuliert werden. Diese Vorgehensweise entspricht den Handlungsempfehlungen bei der Vornahme von Anpassungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG im Leitfaden des BDEW und VKU („Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern“ vom 12.12.2012, S. 16, 27). Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften (BR-Drs. 10/08 vom 04.01.2008) ging im Rahmen des Eispeisemanagements nach § 11 EEG bereits von der Durchführung einer Sensitivitätsanalyse aus. Dabei darf der Netzbetreiber die Wechselwirkung zwischen einer Einspeisungsänderung an einem Netzknoten und dem Leistungsfluss über ein Netzbetriebsmittel vereinfacht als einen linearen Zusammenhang, den so genannten Sensitivitätsfaktor, beschreiben. Für das gesamte Netz ergibt sich somit eine Sensitivitätsmatrix, die den Zusammenhang abbildet, wie stark die an einem bestimmten Netzknoten eingespeiste Leistung die Leistungsflüsse über die verschiedenen Netzleitungen beeinflusst. Damit kann der Netzbetreiber ermitteln, welche Anlage in ihrer Einspeiseleistung beschränkt werden muss, um einen bestehendenNetzengpass zu beheben (vgl. BR-Drs. 10/08, Seite 107). Es handelt sich um eine anerkannte Methode, die netzstützende Wirkung zu berechnen. Der sich danach ergebende Wert kann sodann in den Quotienten eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass die Übertragungsnetzbetreiber mangels Vorgaben zur Bemessung der netzstützenden Wirkung die Kriterien aufstellen, anhand derer die Einsatzreihenfolge zu bestimmen ist. Die Übertragungsnetzbetreiber berechnen lediglich die netzstützende Wirkung nach einer anerkannten Methode. Die Reihenfolge der anzuweisenden Anlagen ergibt sich jedoch zwingend aus der Vorgabe in Tenorziffer 4, nämlich aus dem Quotienten von netzstützender Wirkung und Vergütung.
163Dass die netzstützende Wirkung von der jeweiligen Netzschaltung abhängig ist, wie teilweise geltend gemacht wird, steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen. Die Merit Order wird bei einem drohenden oder bestehenden Engpass erstellt. Dieser wird aber auf der Grundlage der aktuellen Netzschaltung prognostiziert, so dass auch die netzstützende Wirkung entsprechend der aktuellen Netzschaltung berechnet wird. Vor diesem Hintergrund kann es auch im Falle des sogenannten getrennten Zwei-Sammelschienen-Betriebs nicht dazu kommen, dass der Redispatch in einem Teil der Netzgruppe wirkt, in dem gerade kein Engpass besteht.
164Die netzstützende Wirkung der Erzeugungsanlage ist nach der Festlegung abstrakt, d.h. unabhängig von der freien Leistungsscheibe einer Anlage zu bestimmen. Eine konkrete Betrachtungsweise scheidet schon deshalb aus, weil die Meldepflichten bezüglich der freien Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8 Satz 4 der Festlegung lediglich netzknotenbezogen erfolgen, die Merit Order jedoch anlagenscharf aufgestellt wird.
165Dass der Übertragungsnetzbetreiber wegen der nur netzknotenbezogenen Meldung freier Leistungsscheiben nicht weiß, ob er eine bestimmte Anlage überhaupt in die Merit Order aufnehmen kann, steht der Berechnung der netzstützenden Wirkung einer Anlage sowie der Merit Order auch nicht entgegen. Die Festlegung enthält keine Vorgabe dahingehend, dass die netzstützende Wirkung anhand der freien Leistungspotentiale zu berechnen ist. Vielmehr wird diese – wie ausgeführt - unabhängig von den freien Leistungsscheiben anhand von Sensitivitätsuntersuchungen ermittelt. Die freien Leistungsscheiben – nach Tenorziffer 8 Satz 4 der Festlegung bezogen auf den Netzknoten - sind erst im Rahmen der Anweisung zu berücksichtigen. Für die Aufstellung der Merit Order spielen sie keine Rolle.
1662.2.2. Merit Order für spannungsbedingten Redispatch
167Entgegen der Ansicht der Betroffenen ist auch nicht zu beanstanden, dass Tenorziffer 4 für strombedingte und spannungsbedingte Redispatch-Maßnahmen nicht die Bildung unterschiedlicher Merit Order vorsieht. Die Bundesnetzagentur hat den Unterschied zwischen einem spannungsbedingten und einem strombedingten Redispatch gesehen und dementsprechend die netzstützende Wirkung für beide gesondert definiert (vgl. S. 44 der Begründung). Sie hat ferner ausdrücklich die Bildung einer Merit Order im Falle von Spannungsproblemen angeordnet und der Forderung der Übertragungsnetzbetreiber und einiger Anlagenbetreiber, die Merit Order auf strombedingte Überlastungen zu beschränken, eine Absage erteilt (S. 46f. der Begründung). Dementsprechend werden für strombedingte und spannungsbedingte Redispatch-Maßnahmen jeweils unterschiedliche Merit Order gebildet. Dies folgt daraus, dass die netzstützende Wirkung je nachdem, ob ein strom- oder spannungsbedingter Engpass besteht, unterschiedlich ist. Die Merit Order wird nicht abstrakt, sondern immer bezogen auf das konkret zu behebende Netzproblem (Strom- oder Spannungsgrenzwertverletzung) sowie unter Berücksichtigung von dessen Lokalität im Übertragungsnetz vorgenommen.
168Die Wirkleistungseinspeisung ist für eine Änderung der Spannung auch nicht irrelevant. Richtig ist zwar, dass die Spannung letztlich durch die Blindleistungseinspeisung beeinflusst wird. Insoweit ist jedoch zu unterscheiden zwischen der Einspeisung von Blindleistung ohne Änderung der Wirkleistung und mit Änderung der Wirkleistung. Die Festlegung umfasst nur die Wirkleistungsanpassung zur Ermöglichung der Blindleistungseinspeisung (vgl. S. 11 der Festlegung). Um Blindleistung in der benötigten Menge einspeisen zu können, kann es erforderlich sein, dass ein Kraftwerk, seine Wirkleistungseinspeisung reduziert oder umgekehrt wenigstens auf Mindestlast hochfährt. Die Übertragungsnetzbetreiber haben daher zu prognostizieren, welche Wirkleistungsanpassung einzelner Kraftwerke für die zur Beseitigung oder Verhinderung einer Spannungsgrenzwertverletzung erforderliche Blindleistungsmenge im Netz erforderlich ist.
169Es bestehen auch keine Unklarheiten über Zeitpunkt und Häufigkeit der Bildung der Merit Order. Diese ist für jeden Netzengpass individuell und jeweils neu aufzustellen. Dies folgt schon daraus, dass die für die Aufstellung der Merit Order maßgebliche netzstützende Wirkung wegen ihrer Abhängigkeit von der Entfernung der Anlage zum Engpass immer nur für das konkret bedrohte Netzelement ermittelt wird. Insoweit bestehen auch keine Probleme, einen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Vergütungsregelungen bei der Bildung der Merit Order zu berücksichtigen.
1702.2.3. unbestimmte Rechtsbegriffe
171Die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „sicherer Betriebszustand“ in Tenorziffer 4 Satz 4 und „netztechnische Notwendigkeit“ in Tenorziffer 4 Satz 5 der Festlegung sind hinreichend bestimmbar. Die Rügen einiger Kraftwerksbetreiber gehen fehl. Aufgrund der Tatsache, dass Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG sowie Tenorziffer 1 der Festlegung nur im Falle von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone aufgrund strombedingter Überlastungen oder Spannungsgrenzwertverletzungen zulässig sind, sichern Tenorziffer 4 Satz 4 und 5 der Festlegung – zugunsten der Anlagenbetreiber -, dass der Umfang und die Dauer der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung nur zur Erreichung des mit der Redispatch-Maßnahme verfolgten Zwecks – Beseitigung des Engpasses bzw. der Spannungsgrenzwertverletzung – erfolgen darf. Ein sicherer Betriebszustand ist demnach erreicht, sobald die strombedingte oder spannungsbedingte Gefährdung oder Störung beseitigt ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus den in Tenorziffer 1 erwähnten Netzbelastungsberechnungen oder aufgrund anderer gesicherter Erkenntnisse der Übertragungsnetzbetreiber. Im Falle der strombedingten Überlastung wird – nach einhelliger Meinung sämtlicher Akteure - auf das n-1-Kriterium abgestellt. Liegt keine strombedingte Überlastung von Betriebsmitteln oder die Verletzung betrieblich zulässiger Spannungsbänder mehr vor, entfällt dementsprechend auch die „netztechnische Notwendigkeit“ für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung.
1722.2.4. Widerspruch zwischen Tenorziffern 3 und 4
173Dass die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung nach Tenorziffer 3 bezogen auf
174den Netzknoten, an dem eine Gesamtheit von Anlagen eines Betreibers angeschlossen ist, erfolgt, während die Reihenfolge der Heranziehung der Anlagen nach Tenorziffer 4 anlagenscharf bestimmt wird, führt nicht zur Widersprüchlichkeit der Regelungen. Die netzbezogene Anweisung nach Tenorziffer 3 soll nur das Wahlrecht der Anlagenbetreiber sichern, verpflichtet ist aber letztlich nur die sich aus der Merit Order ergebende Anlage. Dass die Merit Order anlagenscharf zu bilden ist, ergibt sich schon daraus, dass im Rahmen des zu bildenden Quotienten auf die Vergütung abgestellt wird. Es würde wenig Sinn machen, die Vergütung netzknotenbezogen zu ermitteln, da diese anlagenspezifisch sehr unterschiedlich sein kann und die Merit Order mit der Einbeziehung der Vergütung gerade den Zweck verfolgt, die Maßnahmen zur Wirkleistungsanpassung möglichst kosteneffizient durchzuführen. Auch die Regelung in Tenorziffer 3 Satz 3 wäre überflüssig, wenn die Merit Order nicht anlagenscharf, sondern netzknotenbezogen ermittelt würde. Unklarheiten bezüglich der verpflichteten Anlage ergeben sich demnach grundsätzlich nicht.
175Dasselbe gilt für die Frage, auf welche Anlage für die Vergütung abzustellen ist. Entgegen der Auffassung einiger Kraftwerksbetreiber ist der Übertragungsnetzbetreiber trotz seiner Unkenntnis darüber, welche der an demselben Netzknoten angeschlossenen Anlagen der Betreiber für die Wirkleistungsanpassung heranzieht, in der Lage, den Quotienten aus netzstützender Wirkung einerseits und der für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zu entrichtenden Vergütung andererseits nach Tenorziffer 4 S. 2 der Festlegung zu bestimmen. Denn die Merit Order wird unabhängig davon, welche Anlage eines Betreibers später die Wirkleistungsanpassung vornimmt, anlagenscharf bestimmt, d.h. für jede einzelne Anlage wird deren netzstützende Wirkung und die für deren Heranziehung zu zahlende Vergütung ermittelt und anschließend eine Reihung vorgenommen. Auch insoweit bestehen keine Unklarheiten. Selbst wenn tatsächlich eine andere Anlage die Wirkleistungsanpassung durchführt, wird die Anlage bzw. der Netzknoten angewiesen, an dem sich die aus der Merit Order ergebende günstigste Anlage liegt. Wie im Senatstermin bestätigt worden ist, erhält der Anlagenbetreiber aber die Vergütung für die Anlage, die die Redispatch-Maßnahme tatsächlich ausführt. Soweit einige Kraftwerksbetreiber darin einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 1 Abs. 1 EnWG sehen, ist schon nicht ersichtlich, inwieweit sie dadurch beschwert sein sollen. Dasselbe gilt für die Rüge der Betroffenen sowie weiterer Kraftwerksbetreiber, wonach durch die netzknotenbezogene Anweisung und das damit verbundene Wahlrecht des Anlagenbetreibers die festgelegte Einsatzreihenfolge konterkariert werde.
176Soweit Kraftwerksbetreiber geltend gemacht haben, die Festlegung sei unbestimmt, weil sie nicht sicherstelle, dass die Inanspruchnahme nur im Rahmen der freien Leistungsscheiben der verpflichteten Anlage erfolge, kann dem nicht gefolgt werden. Dass die Wirkleistungsanpassung auch über die freien Leistungspotentiale der „Platz 1-Anlage“ hinaus erfolgen kann, solange an demselben Netzknoten noch freie Leistungsscheiben anderer Anlagen des Betreibers zur Verfügung stehen, beruht nicht auf der – nur das Wahlrecht des Anlagenbetreibers sichernden – netzknotenbezogenen Anweisung, sondern ist – von der Festlegung ganz bewusst beabsichtigte – Folge der nur netzknotenbezogenen Meldung freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8, die die Anlagenbetreiber in geringerem Maße belastet als die anlagenscharfe Meldung. Ein Verstoß der Merit Order gegen den Bestimmheitsgrundsatz folgt daraus nicht.
1772.2.5. Vergütung
178Die Bildung der Merit Order nach Ziffer 4 ist auch nicht wegen der Einbeziehung der zu entrichtenden Vergütung unklar.
1792.2.5.1. gesonderte Vergütungsfestlegung
180Dass die Vergütung nicht in der Festlegung der Beschlusskammer 6, sondern in der der Beschlusskammer 8 geregelt ist, führt für sich gesehen weder zur Rechtswidrigkeit der Festlegung im Allgemeinen noch der Merit Order im Besonderen. Die Methodik zur Bestimmung der Einsatzreihenfolge ist in der hier streitgegenständlichen Festlegung geregelt. Die im Rahmen des Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung zu berücksichtigende Vergütung ist nach den Vorgaben der Festlegung der Beschlusskammer 8 zu bestimmen.
1812.2.5.2. fehlende Datengrundlage
182Der Einwand der Betroffenen und weiterer Kraftwerksbetreiber, die Vergütung sei nicht schon im Voraus bei Erstellung der Merit Order bestimmbar, da dem Übertragungsnetzbetreiber die dazu erforderliche Datengrundlage fehle, greift ebenfalls nicht durch.
183Sowohl für den individuellen Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 der Vergütungsfestlegung als auch für die Bagatellvergütung nach Tenorziffer 3 der Vergütungsfestlegung sind historische Werte heranzuziehen, die dem Übertragungsnetzbetreiber zu melden sind. Die von manchen Anlagenbetreibern aufgeworfene Problematik der täglichen Aktualisierung der Preise stellt sich daher nicht. Da es nicht auf die mit der Redispatch-Maßnahme verbundenen aktuellen Kosten ankommt, steht die für die Bestimmung der Vergütung im Rahmen der Merit Order erforderliche Datengrundlage grundsätzlich im Voraus zur Verfügung. Für den individuellen Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 der Vergütungsfestlegung sind die Anschaffungswerte des letzten Quartals maßgeblich. Diese sind nach Tenorziffer 7a der Vergütungsfestlegung vom Anlagenbetreiber auf Verlangen des Übertragungsnetzbetreibers zu belegen und nachzuweisen. Um die Merit Order erstellen zu können, wird der Übertragungsnetzbetreiber die Daten daher jeweils rechtzeitig zum Abschluss eines Quartals anfordern. Für die Bagatellvergütung sind die Börsenpreise des vorherigen Kalendermonats maßgeblich. Diese Daten sind nach Tenorziffer 7b der Vergütungsfestlegung laufend monatlich zu übermitteln und zu aktualisieren. Ausweislich der Begründung der Festlegung sind diese Werte jeweils einmal monatlich zu melden (vgl. S. 16, 18 der Festlegung). Der genaue Zeitpunkt für die Meldung ist in der Festlegung zwar nicht genannt, aus der Verpflichtung diese „laufend“ zu übermitteln und zu aktualisieren, ergibt sich jedoch, dass diese unverzüglich nach Ablauf des Betrachtungszeitraums zu erfolgen hat. Die darüber hinaus zu vergütenden zusätzlichen Aufwendungen für An- oder Abfahrvorgänge bestimmen sich – entsprechend der Erläuterungen in Ziffer 5.1.3.1. der Vergütungsfestlegung - ebenfalls nach den in der Finanzbuchhaltung des Vorquartals ausgewiesenen Werten, die auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers nach Tenorziffer 7 a) der Festlegung mitzuteilen sind. Angesichts der klaren Regelungen in Tenorziffer 7 der Vergütungsfestlegung kann eine (vorherige) Mitteilungsverpflichtung der Anlagenbetreiber nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
184Allerdings ist davon auszugehen, dass die Daten des Vorquartals sowie die des Vormonats in der Regel nicht schon am ersten Tag der Folgeperiode vorliegen werden. Weshalb die Quartalswerte aber erst Wochen nach Beginn des aktuellen Quartals vorliegen können, hat die Betroffene nicht nachvollziehbar dargelegt. Das Problem der Datenlücken stellt sich nur für einen kurzen Zeitraum, der darüber hinaus nicht zwingend relevant sein muss, da die Merit Order nur im konkreten Engpassfall aufgestellt wird. Für die Bagatellvergütung sieht Tenorziffer 4 im Übrigen ausdrücklich eine Ausnahmeregelung vor, wenn die Bagatellregelung nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen kann. Beispielhaft ist in der Begründung (S. 20) aufgeführt, dass dem Übertragungsnetzbetreiber keine belastbaren Daten des letzten Kalendermonats vorliegen und er nicht in der Lage ist, die Grenzkosten zu schätzen. In einem solchen Fall ist ein individueller Aufwandsersatz gemäß Ziffer 2 vorzunehmen, bei dem es auf die Anschaffungswerte des Vorquartals ankommt. Damit reduziert sich das Problem des Vorliegens einer kurzfristigen Datenlücke auf Zeiten des Quartalsbeginns. Solche Datenlücken zu Beginn des Betrachtungszeitraums sind jedoch nicht zu vermeiden, wenn man nicht – den Interessen der Anlagenbetreiber zuwider - generell auf zeitlich noch weiter zurückliegende Daten abstellen möchte.
185Soweit noch keine belastbare Datenbasis vorliegt, muss der Übertragungsnetzbetreiber zur Erstellung der Merit Order die Vergütung daher schätzen. Davon geht auch die Vergütungsfestlegung auf Seite 20 aus. Die Übertragungsnetzbetreiberin X. hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Kosten jeder Anlage kennt. Damit erscheint eine Schätzung jedenfalls grundsätzlich möglich. Notfalls muss der Übertragungsnetzbetreiber kurzfristig auf ältere Daten zurückgreifen. Ein willkürliches Vorgehen ist dadurch nicht zu besorgen. Insofern ist zu beachten, dass die Schätzung nur auf die Erstellung der Merit Order beschränkt ist, die Vergütung wird jedoch nach den tatsächlichen Kosten der Anlage gezahlt, so dass eine Beschwer der Anlagenbetreiber nicht gegeben ist. Nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG steht dem Anlagenbetreiber für die Wirkleistungsanpassung eine angemessene Vergütung zu. Soweit die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 demgegenüber nur einen Aufwandsersatz vorsieht, ist diese rechtswidrig und ist – mit Beschlüssen vom heutigen Tag in den Beschwerdeverfahren gegen die Festlegung der Beschlusskammer 8, auf die verwiesen wird - aufzuheben.
1862.2.5.3. Vergütungsvarianten
187Auch die weiteren von den Anlagenbetreibern geäußerten Bedenken gegen die Bestimmbarkeit der konkret zu zahlenden Vergütung führen nicht zur Unbestimmtheit der Regelung in Tenorziffer 4. Mit der Einbeziehung der Vergütung, die auf den ausdrücklichen Wunsch der Anlagenbetreiber zurückzuführen ist, soll nicht nur die für die Beseitigung des Engpasses oder der Spannungsgrenzwertverletzung erforderliche netzphysikalische Wirkung der Wirkleistungsanpassung berücksichtigt werden, sondern auch die Kosteneffizienz der Maßnahme. Dabei geht es aber nicht darum, die Wirklichkeit 1:1 wiederzugeben, vielmehr stellt die Merit Order lediglich eine Methodik zur bestmöglichen Reihung der einzelnen im Engpassfall in Betracht kommenden Anlagen dar. Verzerrungen lassen sich dabei jedoch nicht gänzlich ausschließen. Auch die Anlagenbetreiber haben auf ausdrückliche Nachfrage des Senats im Termin nichts dazu vorgetragen, wie man die Reihenfolge sinnvoller oder einfacher gestalten könnte. Ausreichend ist daher, dass die Vergütung – notfalls im Wege der Schätzung – jedenfalls ungefähr im Voraus bestimmbar ist. Dies ist jedoch der Fall.
188So ist nicht unklar, welche der drei Vergütungsvarianten der Festlegung der Beschlusskammer 8 der Übertragungsnetzbetreiber wählen wird. Die Vergütungsfestlegung sieht zwar verschiedene Abrechnungsalternativen vor, nämlich den individuellen Aufwendungsersatz nach Ziffer 2, die pauschale Vergütung nach der Bagatellregelung in Ziffer 3 oder die zusätzliche Vergütung eines Leistungsanteils nach Ziffer 5. Diese Varianten knüpfen jeweils an den Umfang der aktuellen Redispatch-Menge im Verhältnis zur Vorjahresmenge an. Dass die Vergütung damit jeweils von dem Ausmaß der Heranziehung eines Kraftwerksbetreibers zu Redispatch-Maßnahmen abhängig ist, steht der Bildung der Merit Order ebenfalls nicht entgegen.
189Grundsätzlich ist bis zur Bagatellgrenze von 0,9 % der Einspeisemengen des Vorjahres einer Erzeugungsanlage eine pauschale Vergütung nach Tenorziffer 3 der Vergütungsfestlegung zu zahlen. Bei Überschreiten dieser Grenze ist für die weiteren Redispatch-Mengen ein individueller Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 zu leisten. Die Daten liegen dem Übertragungsnetzbetreiber vor. Er ist daher in der Lage, bei Aufstellung der Merit Order zu erkennen oder zumindest abschätzen zu können, ob und wann mit einer aktuellen Wirkleistungsanpassung die Grenzwerte überschritten werden. Die zur Bestimmung der Höhe der Vergütung erforderlichen historischen Daten liegen ihm aufgrund der Meldungen der Anlagenbetreiber ebenfalls vor oder können zumindest von ihm geschätzt werden. Nur in Ausnahmefällen ist anstelle der pauschalen Vergütung nach Tenorziffer 3 auch für Mengen unterhalb der 0,9 % Grenze ein individueller Aufwandsersatz zu zahlen, Tenorziffer 4 der Vergütungsfestlegung. In der Begründung wird auf S. 19 beispielhaft aufgeführt, welche Situationen ein Abweichen ausnahmsweise zulassen. Die dort genannten Ausnahmesituationen lassen sich für den Übertragungsnetzbetreiber schon bei Aufstellung der für jeden Engpassfall erstellten Merit Order absehen. Das gilt auch für den Fall, dass die Erzeugungsanlage im Kalendermonat vor der Redispatch-Maßnahme nicht im Normalbetrieb eingespeist hat und der Übertragungsnetzbetreiber die angemessene Vergütung nach Tenorziffer 3d) anhand vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten der letzten 12 Vormonate abzuleiten hat. Ob die Regelung ihrerseits unbestimmt ist, wie teilweise geltend gemacht worden ist, kann dahinstehen, da dies keinen Einfluss auf die Bestimmbarkeit der Merit Order hat. Unzureichende Vorgaben zur Bestimmung vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten stellen allenfalls die Belastbarkeit der herangezogenen Daten in Frage. Der Erstellung der Merit Order als solcher steht die Berücksichtigung solcher Daten im Quotienten netzstützende Wirkung/Vergütung hingegen nicht entgegen. Selbst wenn dem Übertragungsnetzbetreiber ein Vergleich gänzlich unmöglich sein sollte, führt dies lediglich dazu, dass er die Bagatellvergütung für im Kalendervormonat nicht im Normalbetrieb einspeisende Anlagen nicht ermitteln und statt dessen in Anwendung von Tenorziffer 4 der Vergütungsfestlegung den individuellen Aufwandsersatz gemäß Tenorziffer 2 zu leisten und der Merit Order zugrunde zu legen hat.
190Bei Redispatch-Mengen, die mehr als 10 % der Einspeisemengen des Vorjahres ausmachen, kann der Übertragungsnetzbetreiber nach Tenorziffer 5 zusätzlich in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur einen Leistungsanteil vergüten. Auch dieser ist damit grundsätzlich bestimmbar. Nur soweit ein solcher Abstimmungsprozess nicht rechtzeitig bis zur Erreichung der 10 %-Grenze stattgefunden hat, kann das Leistungsentgelt bei Aufstellung der Merit Order möglicherweise vorübergehend nicht berücksichtigt werden. Da es sich nur um einen zusätzlichen Vergütungsanteil handelt, bleibt die grundsätzlich zu zahlende Basisvergütung aber weiterhin bestimmbar und kann in die Merit Order eingestellt werden. Dass die Merit Order die Vergütung in diesem Fall nicht vollständig abbildet, mag zwar im Einzelfall zu einer unrichtigen Reihung führen. Da die Anlagenbetreiber jedoch für die Wirkleistungsanpassung die tatsächlich angefallene Vergütung vom Übertragungsnetzbetreiber erhalten, sind sie dadurch nicht beschwert.
1912.2.5.4. Übergangsfrist in Tenorziffer 9 der Vergütungsfestlegung
192Soweit Kraftwerksbetreiber teilweise gerügt haben, Tenorziffer 4 der hier streitgegenständlichen Festlegung und Tenorziffer 9 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 seien widersprüchlich, bedarf es nach Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2013 dazu keiner Entscheidung mehr.
1932.2.5.5. Vertrag
194Der ex-ante-Bestimmung der Vergütung und damit der Merit Order steht auch nicht das Erfordernis eines vorherigen Vertragsschlusses nach Tenorziffer 1 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 entgegen. Zwar gibt die Vergütungsfestlegung in Tenorziffer 1 vor, dass bei Verträgen über strombedingte Anpassungen der Wirkleistungseinspeisungen i.S.d. § 13 Abs. 1a EnWG nach Maßgabe der Festlegung BK6-11-098 eine Vergütungsregelung zu vereinbaren ist, die den festgelegten Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung entspricht. § 13 Abs. 1a EnWG verpflichtet Anlagenbetreiber jedoch kraft Gesetzes zur Mitwirkung an einer Redispatch-Maßnahme. Dementsprechend setzt auch die Festlegung der Beschlusskammer 6 keinen Vertragsschluss voraus. Auch für die Vergütung ist ein Vertragsschluss nicht erforderlich. Die Festlegung der Beschlusskammer 8 gilt sowohl für freiwillige auf vertraglicher Basis erbrachte als auch nach § 13 Abs. 1a EnWG kraft gesetzlicher Verpflichtung erbrachte Redispatch-Leistungen. Dies ergibt sich schon aus der Bezugnahme in Tenorziffer 1 der Vergütungsfestlegung auf § 13 Abs. 1a EnWG. Ferner wird in der Begründung des Aufgreifermessens in der Festlegung der Beschlusskammer 8 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Verpflichtung nach § 13a Abs. 1 EnWG einer konkretisierenden Ausgestaltung im Hinblick auf die Vergütungshöhe bedarf, um eine diskriminierungsfreie, sich an sachlichen Kriterien orientierende Vergütung von Redispatch-Maßnahmen und spannungsbedingten Eingriffen zu ermöglichen.
1952.2.5.6. Unmöglichkeit
196Da die Vergütung bestimmbar ist, liegt im Hinblick auf die Aufstellung der Einsatzreihenfolge auch kein Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit vor. Die streitgegenständliche Festlegung ist daher nicht gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, wie teilweise geltend gemacht worden ist.
197Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die gegen die Vergütungsfestlegung eingelegten Beschwerden Erfolg haben und der Senat die Festlegung mit Beschlüssen vom heutigen Tag aufhebt. Damit entfallen zwar die Vorgaben zur Bestimmung der Vergütung vorübergehend bis zur Festlegung einer etwaigen neuen Vergütungsfestlegung. Der Vergütungsanspruch der Anlagenbetreiber ergibt sich allerdings schon unmittelbar aus dem Gesetz aus § 13 Abs. 1a EnWG, wonach Redispatch-Maßnahmen nur gegen angemessene Vergütung durchzuführen sind. Da die Bestimmung der angemessenen Vergütung – unabhängig vom Schicksal der Festlegung der Beschlusskammer 8 – aber grundsätzlich möglich ist, liegt keine tatsächliche Unmöglichkeit vor, die gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zur Nichtigkeit der hier streitgegenständlichen Festlegung führen würde.
1982.3. Tenorziffer 6
199Ohne Erfolg wendet die Betroffene ein, Tenorziffer 6 sei wegen fehlender Vorgaben zu der Form bzw. dem Datenformat der Anweisung des Übertragungsnetzbetreibers an den Anlagenbetreiber unbestimmt.
200Tenorziffer 6 bestimmt den anweisungsberechtigten Übertragungsnetzbetreiber. Regelungen zu dem einzuhaltenden Datenformat enthält die Regelung zwar nicht. Auch Tenorziffer 3, die ebenfalls die Anweisung zum Gegenstand hat, enthält dazu keine Aussage. Eine solche Regelung ist zur Durchführung der Festlegung aber auch nicht zwingend erforderlich. Redispatch-Anweisungen erfolgten in der Vergangenheit in telefonischer Abstimmung mit dem Anlagenbetreiber. Eine Festschreibung dieser oder einer anderen Handhabung war für die Umsetzung der Festlegung oder das Verständnis des Übertragungsnetzbetreibers, was von ihm verlangt wird, nicht erforderlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 13 Abs. 1a Satz 3, 3. Alt. EnWG der Bundesnetzagentur ausdrücklich die Befugnis einräumt, das Datenformat der Anforderung festzulegen. Insoweit steht der Bundesnetzagentur ein Aufgreifermessen zu. Dass dieses vorliegend auf Null reduziert war, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die praktizierte Handhabung der Anweisung problematisch oder nicht praktikabel ist.
201Dass die Festlegung auch für den Austausch der Fahrpläne nach Tenorziffer 7 und für die Meldung viertelstundenscharfer freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8 keine Datenformate vorgibt, führt ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Regelungen. Bereits seit dem Jahr 2010 wurde zwischen den Übertragungsnetzbetreibern, den Verteilernetzbetreibern, Kraftwerksbetreibern und Bilanzkreisverantwortlichen erörtert, wie ein Energieinformationsnetz und der in diesem Rahmen abzulaufende Informationsaustausch sinnvoll strukturiert werden können, ohne dass jedoch eine Einigung erzielt werden konnte. Nachdem sich die Übertragungsnetzbetreiber im Jahr 2012 direkt an die Bundesnetzagentur wandten, veranstaltete diese mehrere Gesprächsrunden mit den davon Betroffenen, u.a. auch den Kraftwerksbetreibern. Dabei zeigte sich, dass die Vorstellungen der verschiedenen Marktrollen über die Realisierung eines „Energieinformationsnetzes“ derart weit auseinandergingen, dass kurzfristig mit einer branchenautark verhandelten Lösung nicht zu rechnen war (vgl. i.e. die Darstellung in dem Beschluss der Bundesnetzagentur zur Festlegung von Datenaustauschprozessen im Rahmen eines Energieinformationsnetzes (Strom) vom 16.04.2014, Az. BK6-13-200, S. 5f.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur von einer Festlegung von Datenprozessen in der hier streitgegenständlichen Festlegung zunächst absah und stattdessen – nach weiterem Klärungsprozess – unter dem 14.04.2014 eine einheitliche und umfassende Festlegung erließ.
2022.4. Tenorziffer 7
203Die Rüge der Betroffenen, Tenorziffer 7 der Festlegung sei nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, da der bei Differenzen vorrangig geltende Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könne, geht fehl. Dasselbe gilt für die Rüge, es sei unklar, auf der Grundlage welchen Fahrplans die Redispatch-Maßnahme erfolgen solle.
204Tenorziffer 7 regelt die bilanzielle Abwicklung der Redispatch-Maßnahme. Nach Tenorziffer 7 Satz 1 haben Übertragungsnetzbetreiber und Betreiber von Erzeugungsanlagen einen Kraftwerksfahrplan im Viertelstundenraster auszutauschen, der Beginn, Ende und zeitlichen Verlauf der Wirkleistungsanpassung beschreibt. Bei Differenzen zwischen dem Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers und dem Bestätigungsfahrplan des Bilanzkreises der Anlage gilt der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers vorrangig. Nach Tenorziffer 7 Satz 4 ist Referenzgröße, auf die dieser Fahrplan aufsetzt, die aktuellste, vom Anlagenbetreiber an den Übertragungsnetzbetreiber vor Beginn der Maßnahme übermittelte Einspeisezeitreihe der betroffenen Anlage. In der Begründung der Festlegung erläutert die Bundesnetzagentur die Regelungen auf den Seiten 50ff näher. Inwieweit danach noch Unklarheiten für die Marktteilnehmer verbleiben sollen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus der Vorgabe in Satz 4 zur Referenzgröße eines Redispatch-Fahrplans, dass der aktuellste, vom Anlagenbetreiber an den Übertragungsnetzbetreiber vor Beginn der Maßnahme angemeldete Fahrplan Ausgangspunkt der Wirkleistungsanpassung sein soll. Hintergrund ist, dass damit die Redispatch-Mengen zuverlässig ermittelt werden können (S. 52). Soweit Anlagenbetreiber in diesem Zusammenhang beanstanden, dass ungeklärt sei, wie genau die Änderungsanweisung zu ergehen hat, zielt dies auf die fehlende Vorgabe zum Datenformat ab. Wie bereits vorstehend ausgeführt, führt dies jedoch nicht zur Unbestimmtheit der Regelung. Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass bei Differenzen der ausgetauschten Fahrpläne der des Übertragungsnetzbetreibers vorrangig gilt. Dies steht dem Sinn des Austauschs von Fahrplänen nicht entgegen. Denn nur so können Differenzen überhaupt festgestellt und - wie die Bundesnetzagentur auf Seite 52 der Festlegung ausführt – vom Übertragungsnetzbetreiber umgehend geklärt werden. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht zu der von der Betroffenen befürchteten Situation kommen, dass der Anlagenbetreiber den Fahrplan tatsächlich nicht erfüllen kann. Dagegen spricht auch, dass er etwaige Restriktionen nach Tenorziffer 8 Satz 5 unverzüglich melden muss. Der Vorrang des Fahrplans des Übertragungsnetzbetreibers soll demgegenüber vorrangig dem – auf Seite 51f. der Begründung eingehend beschriebenen – Missbrauchspotential entgegenwirken, durch abweichende Angaben in dem Bestätigungsfahrplan die Heranziehung der letzten gültigen Fahrplanversion gemäß Ziffer 1.5b der Anlage 3 der Festlegung zur Vereinheitlichung der Bilanzkreisverträge, BK6-06-013, zu provozieren.
2053. Verstoß gegen § 13 EnWG
206Die Festlegung verstößt nicht gegen die Systematik des § 13 EnWG.
207Die Rüge der Betroffenen, die Festlegung berücksichtige das Stufenverhältnis des § 13 EnWG nicht ausreichend, wonach Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1a EnWG erst nach Ausschöpfung der Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG in Betracht komme, geht fehl. Ein derartiges absolutes Vorrangverhältnis von freiwilligen Maßnahmen lässt sich § 13 EnWG nicht entnehmen.
208Richtig ist zwar, dass § 13 EnWG - wie bereits unter B.III.1.1. ausgeführt - ein Stufensystem von Maßnahmen im Netz und gegenüber Netznutzern auf Erzeuger- und Verbraucherseite vorsieht. Danach muss der Übertragungsnetzbetreiber im Falle der Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems auf einer ersten Stufe zunächst netz- und sodann marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG ergreifen. Nur wenn Maßnahmen nach Absatz 1 zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung nicht ausreichen, sind die Übertragungsnetzbetreiber auf einer zweiten Stufe berechtigt und verpflichtet, auf gesetzlicher Grundlage einseitig Zwangsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG gegenüber Erzeugungsanlagen anzuordnen, um deren Einspeisung – ohne Vergütung – an das für die Systemsicherheit notwendige Niveau anzupassen (BT-Drs. 15/3917 vom 14.10.2004, S. 57; BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Dieses Stufensystem ist durch die Einfügung des § 13 Abs. 1a EnWG jedoch nicht erweitert worden. Absatz 1a begründet zwar nach dem Willen des Gesetzgebers ein gesetzliches Eingriffsrecht des systemverantwortlichen Netzbetreibers, so dass die Maßnahmen auch gegen den Willen der Anlagenbetreiber durchgesetzt werden können. Trotz der fehlenden Freiwilligkeit handelt es sich jedoch um eine marktbezogene Maßnahme. Dies ergibt eine Auslegung der Norm nach Wortlaut, Verordnungsbegründung, Systematik sowie Sinn und Zweck.
209Bereits nach dem Wortlaut bezieht sich § 13 Abs. 1a EnWG auf marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG („Für die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2…“). Dies belegt auch die systematische Stellung des § 13 Abs. 1a EnWG unmittelbar in Anschluss an die marktbezogenen Maßnahmen (König, Engpassmanagement in der deutschen und internationalen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 437). Zwischen den einzelnen marktbezogenen Maßnahmen ordnet das Gesetz jedoch kein Vorrangverhältnis einzelner Maßnahmen an. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort wird lediglich auf das Stufenverhältnis zwischen Absatz 1 und 2 hingewiesen. Für § 13 Abs. 1a EnWG bestätigt der Gesetzgeber jedoch dessen Zugehörigkeit zu § 13 Abs. 1 EnWG. Insofern führt er aus, dass die Übertragungsnetzbetreiber, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört ist, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a EnWG zurückgreifen können. Eine Rangfolge gegenüber anderen marktbezogenen (freiwilligen) Maßnahmen lässt sich daraus nicht herleiten.
210Schließlich ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1a EnWG, dass zwischen freiwilligen Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und solchen nach § 13 Abs. 1a EnWG kein Rangverhältnis besteht. Mit § 13 Abs. 1a EnWG wollte der Gesetzgeber den Kreis der zum Redispatch potentiell Verpflichteten zugunsten der Systemsicherheit erweitern. Maßnahmen zur Verhinderung von Netzengpässen sollten nicht mehr nur mit einigen Freiwilligen durchgeführt werden können, sondern mit allen am Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossenen Anlagenbetreibern mit einer Nennleistung ab 50 MW, um eine effektive Beseitigung der Gefahr für die Systemsicherheit zu gewährleisten. Dies setzt aber voraus, dass jeweils derjenige der potentiell Verpflichteten die Maßnahme durchführt, der dies am effektivsten kann. Ein absolutes Vorrangverhältnis zugunsten freiwillig abgeschlossener Redispatch-Verträge stünde dem jedoch entgegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Festlegung in Tenorziffer 1 kein Vorrangverhältnis für freiwillig erbrachte Maßnahmen vorschreibt.
211Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert keine entsprechende Vorgabe in der Festlegung, denn der Übertragungsnetzbetreiber darf bei jeder Störung/Gefährdung des Netzbetriebs – wie auch sonst bei § 13 Abs. 1 Nr.1 und 2 EnWG – ohnehin nur verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen. Kommen daher im Einzelfall verschiedene gleich effektive Maßnahmen in Frage, müssen die Übertragungsnetzbetreiber diejenige auswählen, die mit den geringsten Auswirkungen auf die Versorgung und die Netznutzer verbunden ist (vgl. Salje, EnWG, § 13 RN 19; Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 13 RN 11).
212Es war auch nicht erforderlich, dass die Festlegung die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung von der vorherigen Ausschöpfung netzbezogener Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG abhängig macht. Das Verhältnis der Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 13 EnWG bereits selbst vorgegeben. Danach stehen beide Maßnahmen zwar auf erster Stufe, vorrangig sind jedoch netzbezogene und sodann marktbezogene Maßnahmen einzusetzen (BT-Drs. 15/3917 vom 14.10.2004, S. 57). Daran hat die Einführung von § 13 Abs. 1a EnWG nichts geändert, da diese vom Gesetzgeber den Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zugeordnet wird. Eine entsprechende Regelung in der Festlegung erübrigt sich daher. Ihr Fehlen kann damit auch nicht die Unverhältnismäßigkeit der Festlegung begründen. Dies gilt unabhängig davon, ob man die vom Gesetzgeber vorgegebene Rangfolge nicht als absolutes, sondern – mangels ausdrücklicher Anordnung im Gesetz selbst - nur als grundsätzliches Rangverhältnis ansieht (vgl. Ebring/Kuring/Ruge in: Säcker, Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, 2010, S. 107ff, RN 178; Ruge in: Rosin u.a., a.a.O., § 13 EnWG, RN 73; Hellermann/Hermes in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, a.a.O., § 13 RN 11). Denn auch in diesem Fall verbliebe es bei dem Grundsatz, dass der Übertragungsnetzbetreiber, wie bereits ausgeführt, ohnehin nur verhältnismäßige Maßnahmen und damit die mit den geringsten Auswirkungen ergreifen darf.
2134. Aufgreifermessen
214Die Bundesnetzagentur hat ihr Aufgreifermessen sachgerecht ausgeübt.
215Nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ist die Bundesnetzagentur ermächtigt, Festlegungen zu den vier genannten Themenkomplexen zu erlassen. Die Ermächtigung soll ihr ausweislich der Gesetzesbegründung ermöglichen, in einem Feld von erheblicher Bedeutung für die Netzstabilität konkrete bundeseinheitliche Regelungen festzulegen, um die Pflichten zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und den Betreibern der betroffenen Erzeugungsanlagen praxisgerecht auszugestalten (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Damit hat ihr der Gesetzgeber ein weites Ermessen eingeräumt. Dies betrifft sowohl die Frage, ob sie überhaupt eine Festlegung erlässt (Aufgreifermessen), als auch die Frage des Inhalts der Festlegung (Gestaltungs-/Auswahlermessen). Die Ermessensentscheidung ist nach den auch im Energiewirtschaftsrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensüberschreitung), ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch).
216Nach diesen Maßgaben liegt eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Entschließungsermessens der Bundesnetzagentur nicht vor. Mit der Festlegung wollte sie eine gesicherte und einheitliche Rechtsgrundlage für Redispatch-Einsätze schaffen. Dabei hat sie zutreffend darauf abgestellt, dass die gesetzliche Verpflichtung nach § 13 Abs. 1a EnWG für eine eindeutige, transparente und Unklarheiten vermeidende Durchführung von Redispatch-Maßnahmen in der Praxis nicht ausreicht. Die gesetzliche Regelung bestimmt nur die Grundzüge, nicht jedoch die konkrete Umsetzung, weswegen es zur Vermeidung von Diskriminierungspotential einer konkretisierenden Ausgestaltung bedarf. Beispielhaft hat die Bundesnetzagentur die Konkretisierungsbedürftigkeit im Hinblick auf den nach § 13 Abs. 1a EnWG weit aufgespannten Adressatenkreis bezüglich der Behandlung von KWK-Anlagen, die über eine nur beschränkte Disponibilität bei der Stromerzeugung verfügen, sowie im Hinblick auf die Einbindung der Verteilernetzbetreiber aufgeführt, um der Gefahr unklarer Zweifelsfälle und organisatorischer Defizite entgegenzuwirken.
217Ferner hat die Bundesnetzagentur die Notwendigkeit konkretisierender Vorgaben wegen der Uneinheitlichkeit bestehender Verträge über in der Regel strombedingte Wirkleistungsanpassungen aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit als erforderlich angesehen. Sie hat dies damit begründet, dass die Verträge teilweise noch auf Zeiten zurückgingen, in denen Übertragungsnetzbetreiber und Kraftwerksbetreiber gemeinsam zu einem integrierten Unternehmen gehörten und Einzel- und Sonderregelungen beinhalteten, die eine gegenüber den anderen Marktteilnehmern diskriminierungsfreie Durchführung von Eingriffen in die Wirkleistungseinspeisung fraglich erscheinen ließen. Auch dies lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Uneinheitliche Verträge führen zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung einzelner Anlagenbetreiber und bergen damit jedenfalls eine Diskriminierungsgefahr. Dies gilt insbesondere auch für Verträge zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern, die aus einer Zeit stammen, als die Vertragspartner einem integrierten Unternehmen angehörten, und daher Sonderregelungen enthalten. Auch der Gesetzgeber hat bei Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG auf die uneinheitlich ausgestalteten Verträge hingewiesen (BT-Drs. 17/072 vom 06.06.2011, S. 71).
218Auch vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Eingriffe in die Fahrweise der Kraftwerke und Speicher wegen der Abschaltung der Atomkraftwerke und der zunehmenden Einspeisung von EEG-Anlagen zugenommen hat, ist die von der Bundesnetzagentur gezogene Schlussfolgerung, dass das bisherige rein privatwirtschaftliche Modell nicht mehr geeignet gewesen ist, eine diskriminierungsfreie Durchführung von Redispatch-Maßnahmen zu gewährleisten, nicht ermessensfehlerhaft und ein Bedürfnis für eine bundesweite Vereinheitlichung der Vorgaben durch den Erlass der Festlegung nachvollziehbar.
219Dass die Bundesnetzagentur gegen Diskriminierungen grundsätzlich auch im Wege von Missbrauchsverfügungen nach §§ 30, 31 EnWG vorgehen könnte, macht die Ermessensausübung entgegen der Ansicht einzelner Anlagenbetreiber nicht fehlerhaft. Zum einen ist die Vereinheitlichung der Vorgaben für Redispatch-Maßnahmen das effektivere Mittel zur Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit als die Anordnung von Einzelmaßnahmen, zum anderen sind Missbrauchsverfügungen auch nicht geeignet, die mit der Festlegung weiter bezweckte Klarheit und Transparenz für alle Marktteilnehmer bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen zu schaffen. Denn die Bundesnetzagentur hat die Regelungsbedürftigkeit im Beschluss auch damit begründet, dass infolge der mit der Abschaltung der acht Kernkraftwerke einhergegangenen sprunghaften Zunahme der Häufigkeit und des Umfangs von Maßnahmen zum strombedingten Redispatch und der seitdem bestehenden Notwendigkeit zur Durchführung von spannungsbedingten Redispatch klare Vorgaben für die Durchführung von Wirkleistungsanpassungen geboten sind, um ein ausreichendes Maß an Transparenz zu schaffen. Auch dabei handelt es sich um nicht zu beanstandende Erwägungen. Im Beschwerdeverfahren hat die Bundesnetzagentur ergänzend vorgetragen, dass die zuvor praktizierte privatwirtschaftliche Ausgestaltung von Redispatch-Vereinbarungen nicht mehr geeignet gewesen sei, die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit angesichts der zunehmenden Anzahl von Engpässen hinreichend sicher zu stellen, weil einige Kraftwerksbetreiber ihre Teilnahme an Redispatch-Maßnahmen verweigert hätten. Dieser Umstand hatte die Bundesnetzagentur veranlasst, bereits vor Erlass des § 13 Abs. 1a EnWG ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen, um Redispatch-Maßnahmen einheitlich und verpflichtend vertraglich zu regeln (Bl. 1, 2 VV). Die teilweise fehlende Bereitschaft von Kraftwerksbetreibern, an Redispatch-Maßnahmen überhaupt oder zu angemessenen Konditionen teilzunehmen, waren auch der Anlass für den Gesetzgeber, das gesetzliche Anweisungsrecht des Übertragungsnetzbetreibers in § 13 Abs. 1a EnWG einzuführen (BT-Drs. 17/072 vom 06.06.2011, S. 71). Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten der fehlenden Bereitschaft einiger Kraftwerksbetreiber durch einzelne Anlagenbetreiber nicht nachvollziehbar. Angesichts der je nach Lage des Engpasses nur geringen Anzahl der für Redispatch-Maßnahmen in Betracht kommenden Anlagenbetreiber kann die fehlende Bereitschaft auch nur einzelner Kraftwerksbetreiber bereits zu einer Gefährdung der Netzsituation und damit der Systemsicherheit führen. Es ist daher gut nachvollziehbar, dass die Bundesnetzagentur einheitliche Vorgaben für Redispatch-Maßnahmen regeln wollte. Es ist nicht fernliegend, dass das System freiwilliger Vereinbarungen in Zukunft nicht oder jedenfalls nicht so wie in der Vergangenheit weiter funktioniert hätte.
220Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Countertrading-Mengen mit in die Abwägung einzubeziehen waren. Jedenfalls auch ohne Berücksichtigung des Countertradings hat die Bundesnetzagentur ihr Aufgreifermessen anhand nachvollziehbarer Gründe sachgerecht ausgeübt. Dabei hat sie durch die gewählten Formulierungen, die Notwendigkeit konkretisierender Vorgaben „ergibt sich bereits“, „folgt auch aus“ und „ergibt sich nicht zuletzt aus“ deutlich gemacht, dass jeder Ermessensgrund für sich gesehen den Erlass der Festlegung rechtfertigt. Der Ermessensgrund „Countertrading-Mengen“ war daher für den Erlass der Festlegung nicht kausal (Kopp/Schenke, VwGO, 20.Aufl., § 114 RN 6a). Eine Einbeziehung der auf Countertrading-Maßnahmen entfallenden Kosten in den Abwägungsprozess des Aufgreifermessens hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur hingegen nicht vorgenommen.
2215. Ermessen/Verhältnismäßigkeit
222Die Bundesnetzagentur hat auch im Übrigen ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.
2235.1. Befristung
224Der Einwand der Betroffenen, die Festlegung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil eine (zunächst) befristete Regelung mit eventueller Verlängerungsoption das im Vergleich mildere, aber im Hinblick auf den Regelungszweck gleich geeignete Mittel gewesen wäre, hat keinen Erfolg.
225Eine Befristung der Festlegung war vorliegend weder veranlasst noch das geeignete Mittel, um auf tatsächliche oder rechtliche Veränderungen zu reagieren. Befristungen belastender Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gelten zwar als geeignetes Mittel, die Eingriffsadäquanz im Lichte des verfassungsrechtlichen Gebotes der Verhältnismäßigkeit zu sichern (vgl. BVerfGE 51, 386, 398 ff.). Sie sind deshalb dann sachgerecht, wenn schon im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes feststeht oder doch wenigstens anhand bestimmter Gesichtspunkte in etwa abgesehen werden kann, ab wann der Eingriff nicht mehr erforderlich ist (BVerwGE 84, 292ff, juris RN 26). Vorliegend bestand schon deswegen kein Anlass, die Festlegung zu befristen, weil diese die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 1a EnWG näher konkretisiert, welche ihrerseits nicht befristet ist, mithin andauernder Regelungsbedarf besteht. Auf der Grundlage veränderter tatsächlicher Verhältnisse in der Zukunft zu treffende Ermessensentscheidungen können grundsätzlich ohnehin nicht im Wege einer Befristung vorweggenommen werden (BVerwGE 60, 269, 276f). Um auf sich ändernde tatsächliche Verhältnisse, Fehlentwicklungen oder neue Erkenntnisse reagieren zu können, sieht das Gesetz in § 29 Abs. 2 EnWG vielmehr die nachträgliche Änderungsbefugnis der Regulierungsbehörde vor.
2265.2. Tenorziffer 4
227Tenorziffer 4 lässt keine Ermessensfehler erkennen.
2285.2.1. Überprüfbarkeit
229Die Merit Order stellt ein geeignetes Mittel zur objektiven Reihung der Anlagen im Engpassfall dar. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit steht dem nicht entgegen und führt insbesondere nicht zur Unverhältnismäßigkeit und damit Rechtswidrigkeit der Tenorziffer 4.
230Die Vorgabe der Merit Order dient der Schaffung eines objektiven und eindeutigen Maßstabs zur Reihung der Erzeugungsanlagen und Speicher für die Durchführung von Redispatch-Maßnahmen (vgl. S. 43 der Festlegung) und damit dem mit der Festlegung verfolgten Zweck, eine diskriminierungsfreie, sich an sachlichen Kriterien orientierende Durchführung von Anpassungsmaßnahmen zu ermöglichen (vgl. S. 30 der Festlegung). Die Methodik der Merit Order ist grundsätzlich geeignet, diesen Zweck zu erfüllen. Denn die Auswahl der für die Redispatch-Maßnahme heranzuziehenden Anlage ist nicht in das Belieben der Übertragungsnetzbetreiber gestellt, sondern orientiert sich an sachlichen Kriterien, nämlich der netzstützenden Wirkung sowie der Vergütung. Die netzstützende Wirkung ermittelt der Übertragungsnetzbetreiber – wie erläutert – anhand von sog. Sensitivitätsuntersuchungen, die eine anerkannte Methode zur Berechnung der netzstützenden Wirkung darstellen. Die Vergütung bestimmt sich nach den Kriterien der Festlegung der Beschlusskammer 8, BK8-12-019. Zur Wahrung der Transparenz (vgl. BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 72f.) bestimmt § 13 Abs. 5 EnWG, dass der Übertragungsnetzbetreiber die Regulierungsbehörde und die Betroffenen unverzüglich über die Gründe von durchgeführten Anpassungen und Maßnahmen unmittelbar unterrichtet. Auf Verlangen sind die vorgetragenen Gründe zu belegen. Mit den in Tenorziffer 11 der Festlegung geregelten Veröffentlichungspflichten hat die Bundesnetzagentur die Übertragungsnetzbetreiber ferner dazu verpflichtet, die Maßnahmen zu veröffentlichen, um auch andere Kraftwerks- und Speicherbetreiber in die Lage zu versetzen, den Eingriff in die Wirkleistungseinspeisung ihrer Kraftwerke und Speicher in den Kontext zu den Eingriffen in die Fahrweise anderer Kraftwerke und Speicher zu stellen. Aus der Angabe der betroffenen Netzregion, dem Grund der nach Datum und Uhrzeit konkretisierten Maßnahme und der Nennung des Anlagenbetreibers kann der Anlagenbetreiber zumindest ersehen, welche Anlagenbetreiber in welcher Häufigkeit und welchem Umfang in der betroffenen Netzregion zum Redispatch herangezogen werden und anhand dieser Angaben die eigene Inanspruchnahme in Relation setzen.
231Dass eine volle Überprüfung der Entscheidung des Übertragungsnetzbetreibers für die Anlagenbetreiber nicht möglich ist, steht der Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit dabei nicht entgegen. Eine volle Überprüfung würde voraussetzen, dass der Übertragungsnetzbetreiber die Merit Order einschließlich der bei der Anweisung auf Basis der Mitteilungen der Anlagenbetreiber zu beachtenden weiteren Parameter (Restriktionen und freie Leistungsscheiben nach Tenorziffer 3, 8, 10) sowie die für die konkrete Redispatch-Maßnahme jeweils anfallende Vergütung der einzelnen Anlagen veröffentlicht. Die in Rede stehenden Informationen stellen jedoch Geschäftsgeheimnisse der Anlagenbetreiber dar. An ihrer Nichtverbreitung besteht ein berechtigtes Interesse (vgl. auch BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 73: „unter Wahrung datenschutzrechtlicher Belange“). Dies kommt auch in § 12 Abs. 4 Satz 2 EnWG zum Ausdruck, wonach Betreiber von Übertragungsnetzen jeweils sicherzustellen haben, dass ihnen aufgrund nach Absatz 1 bestehender Mitteilungspflichten zur Kenntnis gelangte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausschließlich so zu den dort genannten Zwecken zu nutzen, dass deren unbefugte Offenbarung ausgeschlossen ist. Eine umfassende Überprüfung der Angaben der Anlagenbetreiber sowie der der Übertragungsnetzbetreiber durch die Bundesnetzagentur oder die betroffenen Anlagenbetreiber sehen damit weder § 13 EnWG noch § 12 EnWG vor. Vielmehr hat ein Anlagenbetreiber diese Einschränkung im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Interesse des einzelnen Anlagenbetreibers an möglichst weitgehender Transparenz der Merit Order und dem berechtigten Interesse aller in die Merit Order einbezogenen Anlagenbetreiber, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren, hinzunehmen (vgl. zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch BGH, Beschlüsse vom 22.07.2014, EnVR 59/12, RN 34ff – Stromnetz Berlin GmbH; EnVR 58/12, RN 34ff jeweils zum Qualitätselement nach §§ 19, 20 ARegV). Sofern sich aus den veröffentlichten Daten ein begründeter Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Merit Order ergeben, kann die Bundesnetzagentur nach § 13 Abs. 5 Satz 2 entsprechende Nachweise fordern und gegebenenfalls nach §§ 65ff EnWG vorgehen. Die Anlagenbetreiber sind damit nicht rechtsschutzlos gestellt.
2325.2.2. Kosteneffizienz
233Dass die mit der Redispatch-Maßnahme verbundenen Kosten in dem Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung aufgrund der Regelungen der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 nicht hinreichend abgebildet werden, führt weder zur Ungeeignetheit des Merit Order-Modells noch zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Preis- oder Kostengünstigkeit nach § 1 EnWG.
234Zwar gewährleistet die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 keine angemessene Vergütung, da sie u.a. Opportunitätskosten nicht berücksichtigt sowie im Rahmen der Bagatellvergütung die Grenzkosten nicht angemessen abbildet (vgl. Beschlüsse des Senats vom heutigen Tage in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung). Dies führt jedoch nicht zur Ungeeignetheit der Merit Order. Insoweit ist zwischen der Merit Order als solcher, also der in der streitgegenständlichen Festlegung vorgeschriebenen Methodik der Reihung, und den Auswirkungen einzelner Kostenpositionen auf die Merit Order zu unterscheiden. Sind Kostenpositionen nicht sachgerecht erfasst, wirkt sich dies naturgemäß auf die Merit Order aus, weil diese allgemein auf die Vergütung Bezug nimmt. Die Frage der Angemessenheit der Vergütung und der sachgerechten Erfassung einzelner Kostenbestandteile ist jedoch im Rahmen der Vergütungsfestlegung zu klären. Im Rahmen der hier streitgegenständlichen Festlegung kann es hingegen nur darum gehen, ob die Methodik als solche zu sachgerechten Ergebnissen führt. Dies ist jedoch zu bejahen. Mit der Berücksichtigung der netzstützenden Wirkung sowie der Vergütung wird einerseits die netzphysikalische Effektivität der Wirkleistungsanpassung, andererseits aber auch die Kosteneffizienz der Maßnahme berücksichtigt. Ob die Maßnahme kosteneffizient ist, richtet sich im Rahmen der Merit Order jedoch nach dem jeweils vorgegebenen Vergütungssystem und damit nach der relativen Kostengünstigkeit und nicht nach der materiellen Kostengerechtigkeit. Diese kann nur durch die jeweilige Vergütungsordnung selbst gewährleistet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütung in einer gesonderten Festlegung geregelt ist oder in einer einheitlichen Redispatch-Festlegung. Das Merit Order-Modell der streitgegenständlichen Festlegung ist jedoch geeignet, eine objektive Reihung nach der relativen Kostengünstigkeit zu gewährleisten und das sich aus der Vergütungsordnung ergebende kosteneffizienteste Kraftwerk/Kraftwerkspaar auszusuchen. So erfolgt die Reihung der Anlagen - bislang - entsprechend der sich aus der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 ergebenden Vergütung nach ihrer relativen Kosteneffizienz. Auch für den Fall, dass die Bundesnetzagentur nach der Aufhebung der Vergütungsfestlegung eine neue, rechtmäßige Vergütungsfestlegung erlässt, ist das Merit-Order Modell grundsätzlich geeignet, eine objektive Reihung nach den Kriterien physikalische Wirkung und Vergütung zu gewährleisten.
2355.2.3. Anstieg Redispatch-Volumen und -Kosten
236Das Merit Order-Modell führt auch nicht zu einem übergroßen Redispatch-Volumen und damit zu einem Anstieg der Redispatch-Kosten. Die Merit Order verstößt somit weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG.
237Nach Tenorziffer 4 erfolgt die Wirkleistungsanpassung bei einer Wirkleistungserhöhung beginnend mit der Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem höchsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung in abfallender Reihenfolge. Bei einer Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung ist die Reihung beginnend mit der Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem geringsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung in aufsteigender Reihenfolge vorzunehmen. Dieser Mechanismus führt jedoch nicht zu einem Anstieg des Redispatch-Volumens und damit der Redispatch-Kosten. Die Annahme einiger Anlagenbetreiber, die Heranziehung der „teuersten“ Anlagen bei gleichzeitig geringer netzstützender Wirkung im Falle der Wirkleistungsreduzierung führe wegen der zur Erreichung der zur Engpassbeseitigung erforderlichen physikalischen Wirkung zu einer Erhöhung des Umfangs der Wirkleistungsreduzierung und damit auch zu einer höheren Vergütung, wobei der Effekt durch den erforderlichen energetischen Ausgleich auf der anderen Seite des Engpasses noch verstärkt werde, geht fehl.
238Die Methodik der Merit Order schließt eine Erhöhung des Redispatch-Volumens und der Kosten aus. Denn bei der Reihung ist zunächst auf die netzstützende Wirkung und erst bei annähernd gleicher netzstützender Wirkung auf die Vergütung abzustellen. Dies ergibt die Auslegung der Regelung, für die nicht nur auf den verfügenden Teil, sondern ergänzend auf die Begründung (S.44f.) zu Tenorziffer 4 abzustellen ist. In der Begründung stellt die Bundesnetzagentur aber vorrangig auf die netzphysikalische Wirkung ab. Auf Seite 44 unten legt sie dar, dass das vorrangige Aktivieren von Anlagen mit einer hohen netzphysikalischen Wirkung nicht nur deswegen geboten sei, um den Umfang der Wirkleistungsanpassung und damit den Eingriff in die Fahrweise der Kraftwerke und Speicher möglichst gering zu halten. Sie weist auch ausdrücklich auf die von den Anlagenbetreibern beschriebene multiplizierende Wirkung auf der anderen Seite des Engpasses hin. So führt sie aus, das vorrangige Aktivieren von Anlagen mit einer hohen netzphysikalischen Wirkung sei auch deswegen geboten, da im Falle eines strombedingten Redispatch eine wechselseitige Beeinflussung der Anlagen auf beiden Seiten des Engpasses existiere und die Nutzung von Anlagen mit einer nur geringen netzphysikalischen Wirkung auf der einen Seite des Engpasses nicht nur einseitig das Eingriffsvolumen erhöhe. Durch die Einbeziehung der Vergütung könne die nach der Merit Order nach ihrer netzstützenden Wirkung als nächste kommende Anlage übersprungen werden, wenn – bei ähnlicher netzstützender Wirkung – die zu entrichtende Vergütung für das Hochfahren deutlich höher als die Vergütung der übernächsten Anlage sei. Auch der Übertragungsnetzbetreiber X. hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass bei der Merit Order primär auf die netzstützende Wirkung und sekundär auf die Vergütung abgestellt wird. Dadurch könne es nicht zu dem Fall kommen, dass Kraftwerke mit geringer netzstützender Wirkung große Wirkleistungsmengen „verschieben“ müssten. Vielmehr findet nach den Ausführungen von X. eine Paarungsbetrachtung nach der netzstützenden Wirkung statt. Danach muss die netzstützende Wirkung des herunterfahrenden Kraftwerks, der des herauffahrenden Kraftwerks entsprechen. Bei dieser Vorgehensweise wird gewährleistet, dass das Redispatch-Volumen und die –Kosten möglichst gering gehalten werden.
239Gleichzeitig gewährleistet die Merit Order, dass die Kosten volkswirtschaftlich effizient sind. Beim strombedingten Redispatch werden zur Behebung des Engpasses gerade nicht nur ein, sondern mindestens zwei Kraftwerke angewiesen, und zwar jeweils mindestens eines vor und hinter dem Engpass. Dadurch wird gleichzeitig der energetische Ausgleich hergestellt und - durch die jeweils für das anzuweisende herunter- und herauffahrende Kraftwerk zu erstellende Merit Order - die mit der jeweiligen Wirkleistungsanpassung verbundenen Kosten mit einbezogen. Bei der Wirkleistungsreduzierung werden die – bei annähernd identischer netzstützender Wirkung - „teureren“ Anlagen, die eine höhere Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber als Kompensation für die ersparten Brennstoffkosten zu entrichten haben, herangezogen. Bei der Wirkleistungserhöhung werden die „preiswertesten“ Anlagen herangezogen, mit der Folge, dass der Übertragungsnetzbetreiber an diese auch nur eine geringere Vergütung zahlen muss. Diese Vergütung soll durch die Vereinnahmung möglichst hoher zu zahlender ersparter Aufwendungen der herunterfahrenden Kraftwerksbetreiber kompensiert werden. Dadurch wird erreicht, dass der Saldo der von den herunterfahrenden Kraftwerksbetreibern sowie den Übertragungsnetzbetreibern geleisteten Zahlungen – wie von den Anlagenbetreibern gefordert – möglichst niedrig bleibt. Demzufolge werden die Kosten, die an die Verbraucher weitergewälzt werden, i.S.d. Ziels der Preisgünstigkeit der Versorgung, möglichst geringfügig gehalten. Etwaige Erlöse kommen ihnen nach § 9 StromNEV zugute. Allerdings ist das System der Merit Order nicht darauf ausgelegt, möglichst Überschüsse zugunsten der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der Netznutzer zu generieren. Dies gilt insbesondere auch, soweit sich die zu zahlende oder zu erstattende Vergütung nach der Bagatellregelung der Tenorziffer 3 der Vergütungsregelung richtet. Denn die von den herunterfahrenden Kraftwerken nach Tenorziffer 3b der Vergütungsfestlegung an den Übertragungsnetzbetreiber zu erstattenden Aufwendungen nach Grenzkostenersparnis liegen regelmäßig nicht über der vom Übertragungsnetzbetreiber an die hochfahrenden Kraftwerksbetreiber zu zahlenden Vergütung nach Tenorziffer 3a der Vergütungsfestlegung.
240Der Hinweis eines Kraftwerksbetreibers, die von den vor dem Engpass liegenden Kraftwerksbetreibern zu zahlenden ersparten Aufwendungen richteten sich nach den höchsten Grenzkosten am Markt, die von dem Übertragungsnetzbetreiber an das hinter dem Engpass liegende Kraftwerk zu zahlende Vergütung entspreche den geringsten am Markt verfügbaren Grenzkosten, geht schon im Ansatz fehl. Die für jede Engpassseite gesondert zu bildende Merit Order betrachtet jeweils nur die Kosten der einen Engpassseite. Das zur Wirkleistungsreduzierung anzuweisende Kraftwerk hat daher nur im Vergleich zu den anderen Anlagen auf derselben Engpassseite die höchsten Grenzkosten. Entsprechendes gilt für das herauffahrende Kraftwerk. Dieses hat nur die geringsten Grenzkosten im Vergleich zu den übrigen in Betracht kommenden Anlagen. Im Vergleich zu dem herunterfahrenden Kraftwerk vor der Engpassseite wird es jedoch regelmäßig höhere Grenzkosten aufweisen. Insofern geht die Bundesnetzagentur im Grundsatz zutreffend davon aus, dass ein Unternehmen erst dann am Markt aktiv werden wird, wenn es zumindest seine Grenzkosten decken kann (vgl. S. 16 der Vergütungsfestlegung). Wird daher eine einspeisende Anlage zur Wirkleistungsreduzierung angewiesen, wird diese – regelmäßig – „im Geld gelegen“ haben. Eine Anlage, die zur Wirkleistungserhöhung angewiesen wird, hat offensichtlich nicht alle Kapazitäten vermarktet. Dies lässt regelmäßig darauf schließen, dass ihre Grenzkosten über dem Marktpreis liegen, sie also nicht oder nur knapp „im Geld liegt“. Vor diesem Hintergrund ist die Vergütung einer hochfahrenden Anlage regelmäßig höher als die ersparten Aufwendungen einer herunterfahrenden Anlage. Dass es auch Situationen gibt, in denen ein Kraftwerk einspeist, obwohl es seine Grenzkosten nicht deckt, ist unbestritten, stellt aber das Merit-Order-Modell nicht in Frage, insbesondere führt es nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der einzelnen Kraftwerksbetreiber. Denn dem zur Wirkleistungsreduzierung angewiesene Kraftwerksbetreiber bleibt die Vergütung des von ihm vor der Redispatch-Anweisung abgeschlossenen Handelsgeschäfts erhalten, da die von ihm nicht eingespeiste Menge durch das hinter dem Engpass liegende Kraftwerk eingespeist wird. Er hat lediglich die ersparten Aufwendungen herauszugeben, die dadurch anfallen, dass er das Kraftwerk nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, fährt. Es handelt sich daher gerade nicht um Gewinne, die eigentlich dem Kraftwerksbetreiber zustehen. Soweit die ersparten Aufwendungen im Rahmen der Bagatellvergütung der Vergütungsfestlegung zu hoch ermittelt werden, betrifft dies – wie ausgeführt - nicht die Merit Order als solche, sondern die Rechtmäßigkeit der Vergütungsfestlegung. Dies gilt auch für den Ausgleich der mit Redispatch-Maßnahmen verbundenen Auswirkungen auf Min-Take und Max-Take Verpflichtungen im Rahmen von Gasbezugsverträgen von Gaskraftwerksbetreibern.
241Beim spannungsbedingten Redispatch wird nur die angewiesene Anlage betrachtet, da der energetische Ausgleich durch den Übertragungsnetzbetreiber im Wege des Intraday-Handels oder aufgrund eines bilateralen Handelsgeschäfts erfolgt. Andernfalls hätte auch beim spannungsbedingten Redispatch der energetische Ausgleich über die gegenläufige Redispatchanweisung des Übertragungsnetzbetreibers erfolgen müssen. Dies hätte aber das Redispatch-Volumen vergrößert, weshalb sich die Kraftwerks- und Speicheranlagenbetreiber im Verwaltungsverfahren ausdrücklich gegen eine solche Vorgehensweise ausgesprochen haben.
2425.2.4. Leistungsanteil nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung
243Tenorziffer 4 ist auch nicht im Hinblick auf Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung rechtswidrig. Soweit Kraftwerksbetreiber darauf hingewiesen haben, die Vergütung eines Leistungsanteils nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung führe sowohl im Falle der Berücksichtigung als auch im Falle der Nichtberücksichtigung im Rahmen der Merit Order zu einem volkswirtschaftlich ineffizienten Kraftwerkseinsatz, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 Abs. 1 EnWG liegt nicht vor.
244Da die Merit Order allgemein auf die Vergütung abstellt, kommt hier allein der Fall der Berücksichtigung des Leistungsanteils in Betracht. Davon geht auch die Bundesnetzagentur aus (vgl. S. 2 der Anlage 2 zur Stellungnahme des Bundeskartellamts vom 31.07.2014 in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8, BK8-12-19). Der zusätzlich zum Aufwandsersatz gewährte Leistungsanteils führt aber zu einer Verteuerung des Kraftwerkseinsatzes. Das Bundeskartellamt hat es daher in seiner Stellungnahme vom 31.07.2014 in den Verfahren zur Vergütungsfestlegung auf Seite 20 für denkbar gehalten, dass die Übertragungsnetzbetreiber aufgrund der Merit Order nur Kraftwerke für Redispatch-Maßnahmen heranziehen (dürfen), wenn durch deren Einsatz nicht die 10 % Schwelle überschritten wird und keine zusätzlichen Entgelte nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 entrichtet werden müssen. Folge dessen wäre ein ineffizienter Kraftwerkseinsatz, da nicht mehr notwendigerweise das Kraftwerk mit den geringsten variablen Kosten zum Einsatz käme, was einen Anstieg der Redispatch-Kosten zur Folge habe. Nach der Systematik der Merit Order, wonach zunächst auf die netzstützende Wirkung und erst dann auf die Vergütung abzustellen ist, würde sich an der Reihung der Anlagen trotz Verteuerung des Kraftwerkseinsatzes durch die zusätzliche Gewährung eines Leistungsanteils nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung allerdings nur dann etwas ändern, wenn die weiteren Kraftwerke eine annähernd identische netzstützende Wirkung haben. Das die Leistungsvergütung erhaltende Kraftwerk rückt also nicht zwangsläufig in der Merit Order weiter nach hinten. Sind jedoch weitere Kraftwerke vorhanden, die eine ähnliche netzstützende Wirkung haben, insgesamt aber „preisgünstiger“ sind, würde das Kraftwerk, das nach Ansicht der Bundesnetzagentur mit Überschreiten der 10 %- Grenze regelmäßig Redispatch-Maßnahmen erbringt und daher offensichtlich als besonders geeignet für Redispatch-Maßnahmen erscheint, in der Merit Order aufgrund der insgesamt höheren Vergütung nach hinten rücken. Das zum Einsatz kommende „preisgünstigere“ Kraftwerk hätte zwar vergleichsweise höhere variable Kosten, wegen der annähernd identischen netzstützenden Wirkung käme es aber nicht zu einem Anstieg des Redispatch-Volumens. Damit dürfte die Steigerung der Redispatch-Kosten unterhalb derjenigen liegen, die für das nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung zu vergütende Kraftwerk anfallen. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob durch die Tenorziffer 5 ein volkswirtschaftlich ineffizienter Kraftwerksansatz hervorgerufen wird. Denn die Auswirkungen der Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung beruhen nicht auf Unzulänglichkeiten des Merit-Order-Models, sondern allein auf der Fehlerhaftigkeit der Tenorziffer 5 der Vergütungsregelung (vgl. Beschlüsse vom heutigen Tage in den Verfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8). Wie bereits ausgeführt, ist insoweit zwischen der Merit Order als solcher und den Auswirkungen einzelner Kostenpositionen auf die Merit Order zu unterscheiden. Die sachgerechte Erfassung einzelner Kostenbestandteile ist durch die Vergütungsfestlegung zu gewährleisten und daher Gegenstand der Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8.
2455.2.5. Spannungsbedingter Redispatch
246Das Merit Order-Modell führt auch nicht zu einer fehlerhaften Einsatzreihenfolge beim spannungsbedingten Redispatch. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Quotient aus netzstützender Wirkung und Vergütungshöhe sei für die Einsatzreihenfolge beim spannungsbedingten Redispatch völlig ungeeignet. Wie bereits vorstehend unter Ziffer 2.2.2. ausgeführt, ist die Merit Order für den spannungsbedingten Redispatch nach anderen Kriterien aufzustellen als bei dem strombedingten Redispatch. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Definition der netzstützenden Wirkung bei einem strom- oder spannungsbedingten Engpass. Bei einer spannungsbedingten Wirkleistungsanpassung beschreibt die netzstützende Wirkung die durch die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung bewirkte Spannungsänderung an dem von einer Spannungsgrenzwertverletzung bedrohten oder betroffenen Netzknoten (vgl. S. 44 der Festlegung). Richtig ist zwar, dass die Spannung letztlich durch die Blindleistungseinspeisung beeinflusst wird. Maßgebend ist vorliegend jedoch nicht die Blindleistungseinspeisung als solche, sondern ausweislich Tenorziffer 1 sowie den erläuternden Ausführungen auf Seite 11 der Festlegung die Wirkleistungsanpassung, da erst durch diese die für die Spannungshaltung maßgebliche Blindleistungseinspeisung ermöglicht werden soll. Vor diesem Hintergrund ist – wie beim strombedingten Redispatch – auf die Vergütung für die Wirkleistungsanpassung (nach der Vergütungsfestlegung der Aufwandsersatz für den Brennstoffverbrauch) und nicht für die mit einer Blindleistungseinspeisung verbundenen Kosten abzustellen. Der Einholung des von der Betroffenen beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht.
2475.2.6. Kraftwerksrevisionen
248Kraftwerke, die zum Zeitpunkt der Redispatch-Maßnahme eine Kraftwerksrevision geplant haben, werden nicht ermessensfehlerhaft in die Merit Order einbezogen und zum Redispatch angewiesen. Denn aufgrund der geplanten Revision sind sie nicht für den konkreten Redispatch-Einsatz verfügbar und können daher nach Tenorziffer 8 Satz 2 der Festlegung schon keine freien Leistungsscheiben melden. Grundsätzlich bleiben Anlagen zwar auch in diesem Fall zum Redispatch verpflichtet, da nach § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG die Wirkleistungsanpassung auch die Anforderung einer Einspeisung aus Erzeugungsanlagen, die zur Erfüllung der Anforderung eine geplante Revision verschieben müssen, umfasst. Nach der Gesetzesbegründung soll dies jedoch nur im Einzelfall nach Ausschöpfung milderer Mittel zulässig sein (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen der Festlegung und bedarf daher keiner ausdrücklichen Anordnung. Eine Anlage, die eine Revision geplant hat, kann daher nur im Notfall herangezogen werden.
2495.2.7. Differenzierung zwischen Minimallast und Abschaltung
250Die Bundesnetzagentur musste auch nicht Leistungsscheiben von 0 MW bis zur Mindestwirkleistungseinspeisung und Leistungsscheiben von der Mindestwirkleistungseinspeisung bis zur maximalen, technisch möglichen Einspeisung separat in die Merit Order einbeziehen. Die teilweise erhobene Rüge, die Festlegung sei ermessensfehlerhaft, weil den Übertragungsnetzbetreibern nicht aufgegeben werde, vorrangig vor der Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung einer Anlage bis auf 0 MW bzw. vor der Erhöhung der Wirkleistungseinspeisung aus einem Zustand, in dem die Anlage nicht einspeise, Reduzierungen bzw. Erhöhungen der Wirkleistungseinspeisung anderer Anlagen aufzufordern, die dafür nicht abgeschaltet bzw. angefahren werden müssten, geht fehl.
251Tenorziffer 3 der Festlegung regelt die Eingriffstiefe einer Redispatch-Maßnahme bis auf 0 MW sowie bis zur maximalen, technisch möglichen Einspeisung, auch aus einem Zustand, in dem die Anlagen nicht einspeist. Die Regelung steht in Einklang mit der Vorgabe in § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG, die die Anforderung einer Einspeisung aus Erzeugungsanlagen, die derzeit nicht einspeisen und erst betriebsbereit gemacht werden müssen, ausdrücklich vorsieht. Mit Blick auf die möglicherweise zeitlich und finanziell aufwändigen Vorbereitungsmaßnahmen, um die Erzeugungsanlagen in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soll eine Anforderung ihrer Einspeisung allerdings nur erforderlichenfalls, nach Ausschöpfung der milderen Mittel erfolgen (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Diesen Anforderungen wird die Festlegung dadurch gerecht, dass sie im Rahmen der Merit Order auf die Vergütung abstellt. Nach Ziffer 5.1.3.1. der Vergütungsfestlegung (S. 13) werden plausibel nachgewiesene zusätzlich entstandene Aufwendungen, die aus zusätzlichen An- und Abfahrvorgängen resultieren, vergütet. Damit ist eine Anlage, die erst betriebsbereit gemacht werden muss, regelmäßig teurer als eine Anlage, die schon einspeist. Dies führt im Rahmen der Merit Order dazu, dass diese in der Reihenfolge weiter nach hinten rückt. Dies sieht die Festlegung auf Seite 45 auch ausdrücklich vor. Eine Differenzierung nach Leistungsscheiben ist angesichts dessen entbehrlich. Sowohl die streitgegenständliche Festlegung als auch die Vergütungsfestlegung als auch das Gesetz gehen jeweils davon aus, dass sich derartige Kosten beziffern lassen. Bei einer Anlage, die ihre Wirkleistung auf 0 MW herunterfahren soll, gilt entsprechendes. Die Kosten für den Abfahrvorgang sind nach Ziffer 5.1.3.2. der Vergütungsfestlegung (S.15) von den ersparten Aufwendungen abzuziehen, so dass sich die an den Übertragungsnetzbetreiber zu zahlende Vergütung reduziert und die Anlage in der Reihenfolge nach hinten rückt. Durch den Verweis auf die zusätzlichen Aufwendungen nach Ziffer 5.1.3.1., die ausdrücklich zusätzliche An- und Abfahrvorgänge nennt, sind auch die Kosten des nach beendeter Redispatch-Maßnahme erforderlich werdenden Anfahrvorgangs berücksichtigungsfähig.
2525.2.8. Abhängigkeit vom Bestand der Vergütungsfestlegung
253Dass die Bundesnetzagentur nicht erwogen hat, wie zu verfahren ist, wenn die Vergütungsfestlegung aufgehoben oder widerrufen wird, stellt keinen Ermessensfehler in Form eines Ermessensausfalls dar. Denn der Vergütungsanspruch der Anlagenbetreiber ergibt sich bereits aus § 13 Abs. 1a EnWG selbst. Die Festlegung bzw. die Merit Order wird daher durch die Aufhebung der Vergütungsfestlegung nicht rechtswidrig, mag es auch bis zum Erlass einer neuen Vergütungsfestlegung Vollzugsprobleme im Hinblick auf die Bestimmung der Vergütung geben.
2545.2.9. netzknotenbezogene Anweisung konterkariert Merit Order
255Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die nach Tenorziffer 4 festgelegte Einsatzreihenfolge durch die netzknotenbezogene Anweisung konterkariert werden kann. Allerdings führt dies nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Festlegung.
256Wie bereits ausgeführt, bezieht sich die Verpflichtung, sich einer Redispatch-Anweisung zu unterwerfen auch an einem Netzknoten mit mehreren Anlagen eines Betreibers – entgegen der Regelung in Tenorziffer 2 der Festlegung - nur auf diejenigen Anlagen, die eine Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW aufweisen. Durch die Festlegung einer Merit Order in Tenorziffer 4 konkretisiert sich die Verpflichtung im Falle eines Netzengpasses oder einer Spannungsgrenzwertverletzung auf eine bestimmte Anlage. Die angewiesene Anlage ist grundsätzlich nur im Rahmen ihrer freien Leistungsscheiben zur Wirkleistungsanpassungen verpflichtet, danach ist die nach der Merit Order nächste Anlage anzuweisen. Dies wird allerdings im Rahmen der Festlegung nicht gewährleistet. Weder die Regelung über die Merit Order noch die über die Anweisung stellen sicher, dass die Inanspruchnahme nur im Rahmen der freien Leistungsscheiben der konkret verpflichteten Anlage erfolgt. Die netzstützende Wirkung wird im Rahmen der Merit Order unabhängig von den freien Leistungsscheiben berechnet. Die Anweisung erfolgt nach Tenorziffer 3 Satz 3 netzknotenbezogen, ebenso die Meldung freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8. Dies führt dazu, dass die Wirkleistungsanpassung auch über die freien Leistungspotentiale der „Platz 1-Anlage“ hinaus erfolgen kann, solange an demselben Netzknoten noch freie Leistungsscheiben anderer Anlagen des Betreibers zur Verfügung stehen. Dadurch werden Anlagen herangezogen ohne Rücksicht darauf, ob diese nach der Reihenfolge der Merit Order als nächstes oder erst später verpflichtet sind. Allerdings belastet dies die Anlagenbetreiber nicht. Denn, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, erhalten sie die Vergütung für die tatsächlich eingesetzte Anlage. Die Beteiligten haben ferner dargelegt, dass sie selbst bei vorhandenen freien Leistungsscheiben der sich nach der Merit Order ergebenden Anlage immer die teuerste Anlage einsetzen und dafür die Vergütung erhalten. Ein etwaig damit verbundener Verstoß gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG beschwert sie daher schon nicht. Dasselbe gilt, soweit darauf hingewiesen wird, dass der Netzknoten unter Umständen wegen der freien Leistungsscheiben der anderen Anlagen öfter angewiesen wird als dies beim Abstellen der freien Leistungsscheiben der Fall wäre. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Vergütung nach der Vergütungsfestlegung nicht angemessen ist, denn dies hat lediglich die Aufhebung der Festlegung zur Konsequenz (vgl. Beschlüsse vorm heutigen Tag in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8). Für den Einsatz der die Redispatch-Maßnahme ausführenden Anlage steht dem Anlagenbetreiber schon kraft Gesetzes ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu.
2575.3. Ausschluss Intraday
258Das Verbot der Fahrplananpassungen und der damit verbundene Ausschluss der verpflichteten Anlagen vom Intraday-Markt ist zur Erreichung des mit der Redispatch-Maßnahme erstrebten Zwecks, die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Systemsicherheit und -zuverlässigkeit, grundsätzlich erforderlich. Fahrplananpassungen aufgrund von Intraday-Geschäften unter Vorbehalt des Übertragungsnetzbetreibers zu stellen, ist demgegenüber kein gleich geeignetes Mittel. Denn auch in diesem Fall müsste der Übertragungsnetzbetreiber zunächst sämtliche Fahrplanänderungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Netzsicherheit prüfen, dies jedoch in einer Situation, in der er eine Gefährdung oder Störung der Netzsicherheit bereits bejaht und aufgrund dessen die Redispatch-Maßnahme angewiesen hat. Angesichts der Vielzahl der zu treffenden Maßnahmen und der nicht unerheblichen Redispatch-Mengen würde das operative Geschäft des Übertragungsnetzbetreibers erheblich erschwert, wodurch sich negative Auswirkungen auf die ohnehin schon gefährdete Netzsicherheit nicht ausschließen ließen. Hinzu kommt, dass für den Anlagenbetreiber im Voraus auch gar nicht ersichtlich wäre, ob das von ihm getätigte Intraday-Geschäft vom Übertragungsnetzbetreiber genehmigt würde, mit der Folge, dass er sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig macht. Der Vertreter der Betroffenen hat insoweit im Senatstermin nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass eine Rücksprache mit dem Übertragungsnetzbetreiber nicht praktikabel sei. Soweit dies in der Praxis von Übertragungsnetzbetreibern in Einzelfällen anders gehandhabt wird, ist dies nicht zu beanstanden, vermag aber die grundsätzlich bestehende Gefahr des Unterlaufens von Redispatchmaßnahmen und damit die Erforderlichkeit eines Verbots von Fahrplan-anpassungen nicht in Frage zu stellen.
259Das Verbot der Fahrplananpassungen und damit des Intraday-Handels ist jedoch nur dann verhältnismäßig, wenn den Anlagenbetreibern Opportunitätseinbußen vergütet werden. Andernfalls sind Anlagen, die sich in räumlicher Nähe zu dem Engpass befinden und daher regelmäßig zum Redispatch herangezogen werden, gegenüber den übrigen Anlagenbetreibern benachteiligt. Denn Opportunitäten stellen entgangene Gewinnmöglichkeiten dar, die nur deswegen nicht wahrgenommen werden können, weil ein Kraftwerksbetreiber Redispatch-Maßnahmen erbringen muss. Soweit die Bundesnetzagentur darauf verweist, dass Intraday-Handel lediglich ermögliche, kurzfristige Abweichungen von Verbrauchsprognosen auszugleichen, greift dies zu kurz. Der Intraday-Handel ist inzwischen ein relevanter und erheblicher Markt, um Renditen und Deckungsbeiträge zu erwirtschaften.
260Auch der Hinweis der Bundesnetzagentur, dass der Intraday-Handel in einer Netz-engpasssituation ohnehin eingeschränkt sei, Intraday-Chancen nicht nutzbar seien, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Grundsätzlich können Fahrpläne auch im Redispatch-Fall kurzfristig geändert werden (§ 5 Abs. 2 S. 1 StromNZV). Durch die bloße Möglichkeit des Übertragungsnetzbetreibers, eine Fahrplanänderung abzulehnen (§ 5 Abs. 2 S. 2 StromNZV), wird der Markt nicht von vornherein und regelmäßig beschränkt. So können auch die nicht zum Redispatch angewiesenen Netzbetreiber während eines Netzengpasses weiterhin uneingeschränkt am Intraday-Handel teilnehmen. Damit wird im Redispatch-Fall nicht jeder Intraday-Handel ausgeschlossen, sondern nur dem zum Redispatch konkret verpflichteten Kraftwerksbetreiber der Intraday-Handel verwehrt, der daher gegenüber den übrigen Anlagenbetreibern wirtschaftlich benachteiligt ist. Soweit die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 die Vergütung von Opportunitätskosten nicht vorsieht, ist diese rechtswidrig (vgl. Beschlüsse vom heutigen Tag in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8). Dies führt jedoch nicht gleichzeitig zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Festlegung, denn der entsprechende Vergütungsanspruch ergibt sich bereits unmittelbar aus § 13 Abs. 1a EnWG (angemessene Vergütung).
2615.4. Art. 12, Art. 3 GG
262Die hier streitgegenständliche Redispatch-Festlegung verstößt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unzureichenden Vergütung gegen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG.
263Redispatch-Anweisungen nach § 13 Abs. 1a EnWG greifen in die unternehmerische
264Freiheit der Kraftwerksbetreiber und damit in das nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf freie Berufsausübung ein. Sie sind jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, die ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges darstellt (BVerfG, Beschluss vom 16.03.1971, 1 BVR 52/66 juris RN 82; BVerfGE 13,97 (107)), gerechtfertigt und aufgrund des gesetzlich eingeräumten Anspruchs auf angemessene Vergütung verhältnismäßig (vgl. nur zur Statthaftigkeit von Regelungen der Berufsausübung BVerfG, Beschluss vom 17.10.1984, 1 BvL 18/82 u. a., NJW 1985, 963f.). Allerdings setzt die Vergütungsfestlegung den Anspruch auf angemessene Vergütung nicht ausreichend um, da sie die mit dem Eingriff in den Betrieb der Erzeugungsanlage durch den Übertragungsnetzbetreiber verbundenen Kosten nur unzureichend kompensiert. Dies führt zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der in Anspruch genommenen Kraftwerksbetreiber gegenüber den nicht in Anspruch genommenen Kraftwerksbetreibern, die ihre Kapazitäten weiterhin voll flexibel am Markt anbieten und damit die Chancen aus alternativen Vermarktungsmöglichkeiten realisieren können. Die angewiesenen Anlagenbetreiber werden daher innerhalb der betroffenen Berufsgruppe ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker als andere belastet, so dass Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Die Rechtsverletzung ergibt sich aber nicht aus der Inanspruchnahme zum Redispatch, zu dem der Anlagenbetreiber ohnehin schon kraft Gesetzes verpflichtet ist, sondern allein aus der unzureichenden Vergütung der Maßnahme. Die unzureichenden Vergütungsregelungen führen daher zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Festlegung der Beschlusskammer 8, nicht jedoch gleichzeitig zur Rechtswidrigkeit der hier streitgegenständlichen Festlegung unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit. Mit dem Wegfall der Vergütungsfestlegung entfällt auch nicht gleichzeitig der Anspruch auf angemessene Vergütung. Dieser ergibt sich vielmehr bereits unmittelbar aus dem Gesetz.
2656. Gesamtaufhebung
266Auch wenn nur die Reglungen in Tenorziffer 2 Satz 3 und Tenorziffer 3 Satz 2 der streitgegenständlichen Festlegung rechtswidrig sind, handelt es sich dabei um zentrale Regelungen, die zur Gesamtaufhebung der Festlegung führen. Schon die Rechtswidrigkeit der Tenorziffer 2, die den Adressatenkreis der Festlegung näher definiert, führt dazu, dass die übrigen Regelungen keinen Bestand haben können. Denn diese setzen die Bestimmung des Adressatenkreises voraus. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Bundesnetzagentur die Festlegung auch ohne die netzknotenbezogene Bestimmung der Nennwertgrenze der verpflichteten Anlagen bestimmt hätte. Vielmehr hat sie der Festlegung insgesamt ein netzknotenbezogenes Verständnis zugrunde gelegt. So geht sie auch in den Tenorziffern 3 und 8 von einer netzknotenbezogenen Betrachtungsweise aus.
267C.
268I.
269Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
270II.
271Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat bereits im Termin vom 21.01.2015 im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten auf 50.000 Euro für jedes Verfahren festgesetzt (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO).
272D.
273Die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ist zuzulassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG haben.
274Rechtsmittelbelehrung:
275Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
276einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).
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