Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-3 Kart 314/12 (V)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012 (BK6-11/098) aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Bundesnetzagentur. Die weiteren Beteiligten tragen ihre Kosten selbst.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2A.
3Die Betroffene betreibt vier Erzeugungsanlagen, bei denen es sich technisch um zwei Gas- und Dampf-Kombikraftwerke (GuD-Anlagen: GuD I x MW, GuD II x MW, Netto-Nennwertleistung jeweils unter x MW) handelt, bestehend aus jeweils zwei Gasturbinen und zwei Dampfturbinen. Beide Kraftwerke sind als Heizkraftwerke ausgelegt und erzeugen mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Nutzwärme (Fernwärme) und Strom. Als Mittellastkraftwerke dienen sie dazu, kurzzeitige Lasterhöhungen abzufedern und den Energiebedarf abzudecken, der über die Grundlast hinausgeht. Die Anlagen haben eine technische Minimallast. Diese beträgt für GuD I x MW und für GuD II x MW, wenn die Anlagen keine Wärme auskoppeln. Um diese technische Minimallast zu unterschreiten, muss die jeweilige Anlage komplett abgeschaltet werden. Ein erneutes Anfahren der Anlagen ist technisch erst nach Einhaltung einer Mindeststillstandzeit von vier Stunden möglich. Die An- und Abfahrzeit der Anlagen betragen jeweils etwa x Minuten. Die in den Anlagen produzierte Fernwärme wird zur Beheizung und Warmwasserbereitung in G. genutzt. Im Zeitraum vom 01.10. eines Jahres bis zum 31.03. des Folgejahres werden die Erzeugungsanlagen in der Regel wärmegeführt betreiben. Wegen ihrer hohen Laständerungsraten bieten beide GuD-Anlagen derzeit – soweit möglich – jeweils rund x MW ihrer elektrischen Leistung auf dem Regelenergiemarkt (Sekundärregelleistung) an.
4Die vier Erzeugungsanlagen sind an einem Umspannwerk im Verteilernetz der N. GmbH angeschlossen, die Dampfturbinen jeweils auf der 20 kV-Ebene, die Gastrubinen auf der 110 kV-Ebene. Das 110 kV-seitige Verteilernetz der N. GmbH ist über das Umspannwerk E. der F. GmbH mit dem 110 kV-Verteilernetz der F. GmbH verbunden. Vorgelagerter Übertragungsnetzbetreiber der F. GmbH ist die X. GmbH. ….
5Mit dem angegriffenen Beschluss vom 30.10.2012 hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur (BK6-11/098) die Festlegung zur „Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen für Eingriffsmöglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen“ erlassen. Der Beschluss wurde am 07.11.2012 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Die Betroffene war nicht zum Verwaltungsverfahren beigeladen.
6Hintergrund der Festlegung ist die Zunahme sog. Redispatch-Maßnahmen, u. a. weil im März 2011 acht Kernkraftwerke außer Betrieb genommen worden waren und zunehmend Strom aus erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist wird, mit der der Netzausbau nicht Schritt hält. Bei Redispatch-Maßnahmen handelt es sich um physikalische Eingriffe in die Fahrweise von Kraftwerken, die notwendig werden, wenn die strom- oder spannungsbedingte Überlastung eines Netzelements die Netzsicherheit gefährdet. Beim strombedingten Redispatch wird einer Überlastung eines Netzelementes dadurch entgegengewirkt, dass ein Kraftwerk auf der Seite mit dem Erzeugungsüberschuss seine Einspeisung reduziert und ein Kraftwerk hinter dem Engpass seine Einspeisung entsprechend erhöht. Dadurch nimmt der Stromfluss (Stromstärke) auf dem betroffenen Netzelement ab. Beim spannungsbedingten Redispatch wird die Wirkleistungseinspeisung von einem oder mehreren Kraftwerken reduziert oder erhöht, um den Einsatz von Blindleistung aus Kraftwerken zur Spannungsstabilisierung in ausreichender Menge zu gewährleisten. In der Vergangenheit erfolgten Redispatch-Maßnahmen nur aufgrund freiwilliger Vereinbarungen zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern.
7Durch die angegriffene Festlegung vom 20.10.2012 hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur die Vorgaben in § 13 Abs. 1 EnWG näher ausgestaltet.
8Nach Tenorziffer 1 der Festlegung ist eine Anweisung zur Vornahme einer Redispatch-Maßnahme zulässig, wenn aufgrund von Netzbelastungsberechnungen oder aufgrund anderer gesicherter Erkenntnisse andernfalls strombedingte Überlastungen von Betriebsmitteln oder Verletzungen betrieblich zulässiger Spannungsbänder zu erwarten sind. Etablierte, dem anerkannten Stand der Technik entsprechende Methoden zur Berücksichtigung von etwaigen Ausfällen von Netzbetriebsmitteln und von Erzeugungsanlagen, z.B. das (n-1)-Prinzip, sind bei den Netzbelastungsberechnungen zu berücksichtigen. Eine Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie ist ebenfalls bei akuten Überlastungen oder Spannungsgrenzwertverletzungen zulässig. Eine Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zum Ausgleich von Leistungsungleichgewichten ist nicht zulässig.
9Nach Tenorziffer 2 der Festlegung erstreckt sich die Verpflichtung, sich der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung durch die Übertragungsnetzbetreiber zu unterwerfen, auf alle Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer elektrischen Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW. Dazu gehören auch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die zumindest in einem Betriebszustand eine disponible, d.h. keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene elektrische Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW erzeugen können. Maßgeblich ist die Summe der Netto-Nennwirkleistung aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen. Tenorziffer 3 regelt den Umfang der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung. Speicheranlagen können auch zu einem Wirkleistungsbezug angewiesen werden (Tenorziffer 3 Satz 2).
10Die Anweisung zur Anpassung der Wirkleistung erfolgt für die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie eines Betreibers (Tenorziffer 3 Satz 3) und ist frühestens ab 14.30 Uhr für den Folgetag zulässig (Tenorziffer 3 Satz 4). Wirkleistungsanpassungen sind unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten der Anlage anzukündigen und durchzuführen (Tenorziffer 3 Satz 5). Leistungsscheiben von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie, deren Brennstoffverfeuerung oder Primärenergieträgerverbrauch aufgrund von gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben bzw. aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel ist, sind für Wirkleistungsanpassungen nicht heranzuziehen (Tenorziffer 3 Satz 6). Dasselbe gilt nach Tenorziffer 10 für Leistungsscheiben, die für die Erbringung von Regelenergie und zur Besicherung vorgehalten werden; § 13 Abs. 2 EnWG bleibt unberührt.
11Die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung erfolgt nach Ziffer 6 der Festlegung ausschließlich durch denjenigen Übertragungsnetzbetreiber, an dessen Netz die Anlagen mittelbar oder unmittelbar angeschlossen sind.
12Die Einsatzfolge der Kraftwerke (Merit Order) richtet sich gemäß Tenorziffer 4 der Festlegung bei mehreren in Betracht kommenden Anlagen nach dem Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung. Im Fall einer Erhöhung der Einspeisung sind die Anlagen beginnend mit dem höchsten Quotienten hin zum niedrigsten abzurufen, bis ein sicherer Betriebszustand erreicht ist. Bei einer Reduzierung gilt die umgekehrte Reihenfolge. Sobald die netztechnische Notwendigkeit entfällt, ist die Anpassung zu beenden.
13Zur Gewährleistung der bilanziellen Neutralität einer spannungsbedingten Redispatch-Maßnahme – bei einer strombedingten Redispatch-Maßnahme ergibt sich der energetische Ausgleich automatisch durch die Erhöhung und Reduzierung der Einspeisemengen auf beiden Seiten des Engpasses - bestimmt Tenorziffer 5 der Festlegung, dass die Übertragungsnetzbetreiber den energetischen Ausgleich des Eingriffs sicherzustellen haben.
14Die Anpassung der Einspeisung wird nach Tenorziffer 7 der Festlegung durch den Austausch eines Fahrplans im Viertelstundenraster zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Anlagenbetreiber bestätigt, wobei bei Differenzen der Fahrplan des Übertragungsnetzbetreibers vorrangig gilt. Referenzgröße für den Fahrplan ist die aktuellste, vom Anlagenbetreiber an den Übertragungsnetzbetreiber vor Beginn der Maßnahme übermittelte Einspeisezeitreihe der betroffenen Anlage. Nach Tenorziffer 8 der Festlegung sind die Anlagenbetreiber verpflichtet, dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber zum Zeitpunkt der Abgabe der Kraftwerkseinsatzpläne um 14.30 Uhr des Vortags viertelstundenscharf freie Leistungsscheiben ihrer Anlagen zur Erhöhung als auch Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung für den Folgetag zu melden und bei Veränderungen unverzüglich anzupassen. Die freien Leistungsscheiben sind bezogen auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen zu melden. In der Begründung der Festlegung (S. 53) führt die Beschlusskammer 6 aus, dass sie sich der teilweise geforderten Zulässigkeit einer jederzeitigen, insbesondere auch während eines anstehenden Eingriffs zur Wirkleistungsanpassung möglichen Aktualisierung der Einspeisezeitreihen durch die Anlagenbetreiber nicht anschließen könne, auch wenn dies bereits heute von einem Übertragungsnetzbetreiber zugelassen werde. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass die Aktualisierung der Einspeisezeitreihe während einer Maßnahme zu Lasten des Übertragungsnetzbetreibers erfolge und eine Anweisung zur Wirkleistungsanpassung unterlaufen werde.
15Wegen der weiteren Einzelheiten der Festlegung wird auf die Anlage Bf 1 verwiesen.
16In einer weiteren Festlegung vom 30.10.2013 hat die Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung bei Redispatch-Maßnahmen und Anpassungen von Wirkleistungseinspeisung bestimmt (BK8-12/019). Nach Tenorziffer 2 haben Übertragungsnetzbetreiber den Betreibern hochfahrender Erzeugungsanlagen die durch die Redispatch-Maßnahme tatsächlich verursachten, zusätzlich entstehenden Aufwendungen zu vergüten (Aufwendungsersatz). Betreiber von absenkenden Erzeugungsanlagen haben den Übertragungsnetzbetreibern die durch die Redispatch-Maßnahme ersparten Aufwendungen zu vergüten. Maßgebend sind jeweils die Anschaffungswerte aus der Finanzbuchhaltung des letzten Quartals. Marktprämien, Gewinnzuschläge und Opportunitäten sind nicht zu vergüten. Sofern Maßnahmen jährlich nicht mehr als die Bagatellgrenze von 0,9 % der Einspeisemengen des Vorjahres betreffen, führt dies nach Tenorziffer 3 zu einer pauschalen Vergütung: Hochfahrende Anlagen erhalten das Produkt aus der maßnahmenbedingten Veränderung ihrer Einspeisemenge und den aus den stündlichen EPEX-Spot-Preisen (Deutschland) abgeleiteten Grenzkosten. Maßgebend ist insoweit der niedrigste Preis, zu dem die Erzeugungsanlage im Vormonat im Normalbetrieb eingespeist hat. Für das Herunterfahren der Einspeiseleistung ist als Grenzkostenersparnis das Produkt aus redispatchbedingter Veränderung der Einspeisemenge und den aus den EPEX-Spot-Preisen (Deutschland) abgeleiteten Grenzkosten zu vergüten. Liegen keine EPEX-Spot-Daten für den Vormonat vor, weil die Anlage in diesem Zeitraum nicht eingespeist hat, wird die angemessene Vergütung mittels vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten der letzten zwölf Vormonate berechnet. Wird ein zusätzliches An- oder Abfahren erforderlich, werden die zusätzlichen Aufwendungen erstattet. Von der Bagatellregelung darf nach Tenorziffer 4 nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen und ein individueller Aufwendungsersatz gewährt werden. Die Vergütung eines Leistungsanteils kommt nach Tenorziffer 5 erst in Betracht, wenn Maßnahmen jährlich mehr als 10 % der Einspeisemengen des Vorjahres betreffen. Anlagen, die in diesem Zeitraum nicht eingespeist haben, sind davon ausgenommen. Diese Festlegung hat die Betroffene mit gesondert eingelegter Beschwerde angegriffen, die beim Senat unter dem Aktenzeichen VI-3 Kart 315/12 (V) geführt wird.
17Mit form- und fristgerecht eingelegter Beschwerde wendet sich die Betroffene gegen die Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012.
18Die Betroffene ist der Ansicht, die Festlegung sei rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur das ihr zustehende Aufgreifermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Der Erlass der Festlegung sei unverhältnismäßig, weil er nicht erforderlich gewesen sei. Zur Vermeidung einer Diskriminierung bei der Durchführung von Eingriffen in die Wirkleistungseinspeisung verfüge die Bundesnetzagentur mit §§ 30 ff EnWG über geeignetere Maßnahmen, um gegen den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber vorzugehen. Hierfür habe es bereits keiner Festlegung bedurft. Zudem stelle die Festlegung einen erheblichen Eingriff in die Vertragsautonomie der Parteien dar, der nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die bestehenden Unterschiede der bisherigen Redispatch-Verträge zu schwerwiegenden Ungleichbehandlungen führten und die Letztverbraucher mit erheblichen Kosten belasteten. Diesbezüglich fehle es bereits an einer belastbaren Tatsachenermittlung der Bundesnetzagentur.
19Die Bundesnetzagentur habe ihr Aufgreifermessen ferner fehlerhaft auf unrichtige Zahlen gestützt, indem sie das Volumen von Countertrading-Maßnahmen einbezogen habe.
20Die Festlegung verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, weil ihr nicht zu entnehmen sei, ob die Pflichten zwischen den Beteiligten unmittelbar gelten sollten oder ob es des Abschlusses von Verträgen bedürfe, um die Pflichten zu konkretisieren. Regelungsbedürftig sei zumindest gewesen, welche Anlagenbetreiber unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt einen Redispatch-Vertrag mit dem Übertragungsnetzbetreiber schließen müssten. Ferner liege ein Ermessensausfall vor, weil die Bundesnetzagentur keinerlei Ermessenserwägungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Redispatch-Verträge, für die eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten denkbar sei, angestellt habe.
21Tenorziffer 4 sei ebenfalls unbestimmt, weil die für die Abschaltreihenfolge maßgeblichen Eingangsdaten nicht klar definiert seien und sich erst im Nachhinein ermitteln ließen. Die „netzstützende Wirkung“ werde auch unter Berücksichtigung der Begründung (S. 44) nicht ausreichend definiert. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die netzstützende Wirkung einer Anlage maßgeblich davon abhänge, wie das Netz geschaltet sei, um den Lastfluss im Netz zu steuern. Nehme der Übertragungsnetzbetreiber eine andere Netzschaltung vor, ändere sich damit auch die netzstützende Wirkung von Anlagen im Hinblick auf ein überlastetes Netzelement. Je nach Netzschaltung werde sich daher auch eine andere Anlage als die Anlage mit dem günstigsten Verhältnis aus Wirkung und Kosten ergeben.
22Die Abschaltreihenfolge sei überdies durch die Festlegung nicht abschließend bestimmt, da die Vergütung in der Festlegung BK8-12/019 geregelt sei. Die beiden Festlegungen passten inhaltlich nicht zusammen und widersprächen sich sogar, wie beispielsweise hinsichtlich der Notwendigkeit eines Vertragsschlusses. Außerdem habe die Bundesnetzagentur im Rahmen der streitgegenständlichen Festlegung unberücksichtigt gelassen, dass die Festlegung BK8-12-019 auf eine Beschwerde eines Betroffenen gemäß § 83 Abs. 2 Satz 1 EnWG ganz oder teilweise aufgehoben oder von der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur ganz oder teilweise widerrufen oder nachträglich geändert werden könne. Diese Möglichkeiten hätte die Beschlusskammer 6 im Rahmen ihrer Ermessensausübung aber würdigen und sicherstellen müssen, dass eine sinnvolle, anwendbare Regelung verbleibe. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beschlusskammer 6 der Forderung der Betreiber von Erzeugungsanlagen und Speichern im Verwaltungsverfahren, die Frage der Vergütung zusammen mit den inhaltlichen und verfahrenstechnischen Vorgaben zu regeln, nicht gefolgt sei. Die Zuständigkeitsverteilung der Beschlusskammern könne den Inhalt der Entscheidung nicht rechtfertigen. Die Entscheidung sei daher in diesem Punkt ermessensfehlerhaft.
23Die für eine Wirkleistungsanpassung zu entrichtende Vergütung lasse sich nach der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 auch erst im Nachhinein bestimmen. Damit sei die Bildung einer Abschaltreihenfolge ex ante nicht möglich. Für die Ermittlung der zu erstattenden Aufwendungen seien die tatsächlichen Anschaffungsvorgänge maßgebend. Diese fänden unter Umständen erst dann statt, wenn die Anforderung für eine Wirkleistungsanpassung bereits erfolgt sei. Die angegriffene Festlegung verlange also im Ergebnis die Bildung einer Reihenfolge vor dem Abruf anhand von Zahlen, die erst nach dem Abruf feststellbar seien. Hinzu komme, dass nicht sichergestellt sei, dass den Übertragungsnetzbetreibern die für die Bildung der Reihenfolge notwendigen Daten bereits vor dem Abruf zur Verfügung stünden. Soweit die Bundesnetzagentur nunmehr auf die Möglichkeit der Schätzung durch die Übertragungsnetzbetreiber hinweise, sei eine solche in der Vergütungsfestlegung mit keinem Wort erwähnt. Die Bundesnetzagentur hätte daher im Rahmen ihrer Ermessensausübung zumindest erwägen müssen, den Übertragungsnetzbetreibern die Maßstäbe für die Schätzung vorzugeben.
24Die korrekte Ermittlung der Reihenfolge nach Ziffer 4 der Festlegung wäre darüber hinaus mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Die Übertragungsnetzbetreiber müssten jeden Tag die für die Anpassung der Wirkleistungsanpassung zu entrichtende Vergütung für jede einzelne Anlage, die vom Adressatenkreis der Festlegung erfasst werde, ermitteln und dazu von den Anlagenbetreibern die für die Prüfung der Angemessenheit der betriebsnotwendigen Aufwendungen erforderlichen Unterlagen und Nachweise anfordern sowie die übersandten Unterlagen und Nachweise prüfen, weil sich die Preise laufend änderten. Dieser Vorgang müsste ggf. mehrmals täglich wiederholt werden, weil sich die Aufwendungen auch im Laufe eines Tages ändern können. Eine solche Vorgehensweise wäre in hohem Maße fehleranfällig mit der Folge, dass die Übertragungsnetzbetreiber Kraftwerke für eine Wirkleistungsanpassung heranziehen würden, die nach der tatsächlich richtigen Reihung nicht herangezogen werden dürften.
25Auch im Anwendungsfall der Bagatellregelung nach Ziffer 3 der Festlegung BK8 stünden den Übertragungsnetzbetreibern die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Vergütung nicht bereits vor dem Abruf zur Verfügung. Die nach Ziffer 7b der Festlegung BK8 bestehenden Informationspflichten erfassten nicht die nach Ziffer 3c zu vergütenden zusätzlichen Aufwendungen für An- oder Abfahrvorgänge. Die fehlenden Informationen seien auch erst im Nachhinein vollständig bestimmbar. Da in der Festlegung der BK 8 nicht näher festgelegt sei, ob und unter welchen Bedingungen ein begründeter Ausnahmefall vorliege, die einen individuellen Aufwandsersatz nach Ziffer 2 der Festlegung zulasse, sei nicht sichergestellt, dass bereits bei der Bildung der Reihenfolge nach Ziffer 4 der streitgegenständlichen Festlegung feststehe, ob ein begründeter Ausnahmefall vorliege oder nicht. Soweit ein Ausnahmefall vorliege, sei die zu entrichtende Vergütung ohnehin erst im Nachhinein bestimmbar.
26Hinzu komme, dass die Festlegung BK 8 den Abschluss eines Vertrages über die Vergütung voraussetze. Wenn ein Anlagenbetreiber einen solchen Vertrag nicht abgeschlossen habe, könne auch die zu zahlende Vergütung nicht ermittelt und das betreffende Kraftwerk nicht in die zu bildende Reihenfolge eingeordnet werden.
27Folge der mangelhaften Festlegung der Abschaltreihenfolge sei zum einen, dass die Anlagenbetreiber von den Übertragungsnetzbetreibern zu Redispatch-Maßnahmen herangezogen werden müssten, für die die Heranziehung eine besondere Härte darstelle. Dadurch werde in die Rechte dieser Anlagenbetreiber eingegriffen, ohne dass eine Rechtfertigung dafür bestehe. Zum anderen würden die Rechte der Anlagenbetreiber dadurch berührt, dass die Abschaltreihenfolge so unbestimmt sei, dass eine Überprüfung der Anforderungen der Übertragungsnetzbetreiber faktisch unmöglich gemacht werde und damit ein Rechtsschutz für die Anlagenbetreiber erschwert werde. Schließlich müssten die Übertragungsnetzbetreiber Anlagen zu Redispatch-Maßnahmen heranziehen, die für den notwendigen Beitrag zur Netzstützung höhere Kosten aufwenden müssten als andere verfügbare Anlagen. Dadurch entstünden volkswirtschaftlich betrachtet unnötige Kosten, die – je nach Erfolg der gegen die Festlegung der BK 8 gerichteten Beschwerde – von den Anlagenbetreibern entschädigungslos getragen werden müssten oder über die Netzentgelte auf die Stromkunden abgewälzt würden.
28Ziffer 5 Satz 3 der Festlegung lasse ausnahmsweise bilaterale Handelsgeschäfte für den energetischen Ausgleich zu, die Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Ausnahme seien aber nicht hinreichend bestimmt. Dadurch bestehe die Gefahr, dass die Ausnahme von den Übertragungsnetzbetreibern weit ausgelegt und dadurch zur Regel werde. Dadurch bestehe auch die Gefahr einer Bevorzugung einzelner Marktteilnehmer durch die Übertragungsnetzbetreiber. Die Festlegung sei deshalb ermessensfehlerhaft.
29Die Festlegung der Bundesnetzagentur sei ferner rechtswidrig, weil sie in Tenorziffer 2 den Adressatenkreis über die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage hinaus erweitere. Die Einbeziehung von Anlagen an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung unter 110 kV sei rechtswidrig, da sie zum Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesnetzagentur keine Rechtsgrundlage gehabt habe. In der ab dem 04.08.2011 bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG habe sich die Verpflichtung auf Betreiber von Anlagen zur Speicherung und Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 50 MW an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 kV erstreckt. Die Festlegung enthalte jedoch keine Beschränkung des Adressatenkreises anhand des Kriteriums der Spannungsebene und erfasse damit auch Anlagen, die an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von weniger als 110 kV angeschlossen seien. Dass die Beschränkung auf eine bestimmte Spannungsebene mittlerweile durch die Änderung des § 23 Abs. 1a EnWG mit Wirkung vom 28.12.2012 aufgehoben worden sei, lasse die Rechtswidrigkeit der Festlegung nicht entfallen. Unabhängig davon leide die Festlegung diesbezüglich aber auch an einem Ermessensfehler in Form des vollständigen Ermessensausfalls.
30Tenorziffer 2 Satz 1 und 2 erweitere den gesetzlichen Adressatenkreis, da durch die netzknotenbezogene Betrachtung entgegen § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung auch Anlagen mit einer Nennleistung unter 50 MW verpflichtet würden. Die Erweiterung des Adressatenkreises sei von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm. Wenn der Gesetzgeber die Zusammenrechnung mehrerer Anlagen gewollt hätte, hätte er eine dem § 19 Abs. 1 EEG entsprechende Regelung aufgenommen, die die Zusammenrechnung ausdrücklich anordnet. Da die Festlegung auch keine Begrenzung für kleinere Anlagen als 10 MW enthalte, sei die Erweiterung des Adressatenkreises auch nicht nach § 13 Abs. 1a EnWG n.F. gerechtfertigt, der Redispatch-Maßnahmen gegenüber Anlagen ab 10 MW zulasse.
31Die Erstreckung der Festlegung auf Anlagen mit einer Nennleistung zwischen 10 MW und 50 MW sei ermessensfehlerhaft (Ermessensfehlgebrauch). Für die Einräumung eines Wahlrechts des Anlagenbetreibers, mit welchem Kraftwerksblock eine Anforderung erfüllt werde, sei es nicht notwendig, auch kleinere Anlagen eines Betreibers der Verpflichtung zur Wirkleistungseinspeisung zu unterwerfen. Die Bundesnetzagentur habe in ihr Ermessen letztlich nur einbezogen, dass durch den Zugriff auf kleinere Anlagen netztechnischen Anforderungen besser Rechnung getragen werden könne, nicht jedoch, dass die Verpflichtung dieser kleinen Anlagen einen erheblichen Eingriff darstellen könne. Die Zusammenfassung mehrerer Anlagen eines Betreibers für die Bestimmung des Adressatenkreises sei auch anfällig für Missbrauch oder strategisches Verhalten. Die Erweiterung des Adressatenkreises verletze damit auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie bereits nicht geeignet sei, den angestrebten Zweck zu erreichen.
32Im Übrigen habe es die Bundesnetzagentur versäumt, den Begriff „Netzknoten“ zu definieren. Entgegen der nunmehr im Beschwerdeverfahren geäußerten Ansicht der Bundesnetzagentur könne unter einem Netznoten nicht ein Netzanschlusspunkt verstanden werden, weil beides nicht gleichgesetzt werden könnten, wie sich aus zahlreichen Rechtsquellen ergebe (§§ 4 Abs. 5, 6 Abs. 1 KraftNAV, Pooling-Festlegung vom 26.09.2011, BK8-11/015; § 2 Nr. 11 StromNEV n.F).
33Die Erweiterung des Adressatenkreises in Tenorziffer 2 sei auch deswegen rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur es unterlassen habe, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und daher keine ausreichende Tatsachengrundlage gehabt habe, um über die Einbeziehung von Anlagen unter 100 MW zu entscheiden. Es sei nicht ersichtlich, dass sie für ihre Einschätzung, ein Verzicht auf kleinere Leistungsgrößen sei angesichts des erheblichen Anstiegs von Eingriffen in die Wirkleistungseinspeisung nicht vertretbar (S.35), eine tatsächliche Grundlage habe. Die Bundesnetzagentur hätte mindestens die bei ihr bereits vorhandenen Daten anhand ihrer Kraftwerksliste im Hinblick auf diese Fragestellungen auswerten, gegebenenfalls ein Gutachten einholen müssen. Eine grobe Auswertung der Kraftwerksliste habe ergeben, dass sämtliche darin enthaltenen Kraftwerke mit einer Nennleistung ab 50 MW insgesamt eine Leistung von 93.155 MW erreichten. Die in der Kraftwerksliste enthaltenen Kraftwerke mit einer Nennleistung ab 100 MW erreichten insgesamt eine Leistung von 85.171 MW und damit nur 9 %, also nur geringfügig weniger als die kumulierte Leistung der Kraftwerke ab 50 MW. Dieser Befund hätte der Bundesnetzagentur Anlass zu weiteren Ermittlungen geben müssen.
34Insbesondere kleinere KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von bis zu 100 MW seien vollständig, d.h. auch hinsichtlich des Kondensationsstrom, aus dem Anwendungsbereich der streitgegenständlichen Festlegung herauszunehmen, da diese Anlagen für den mit der streitgegenständlichen Festlegung verfolgten Zweck nicht erforderlich seien. Im Zeitraum April 2013 bis Oktober 2014 seien diese bundesweit nahezu nicht zu Redispatch-Maßnahmen herangezogen worden, wie sich aus der als Anlage Bf. 8 zu den Akten gereichten Übersicht ergebe. Ihre Einbeziehung sei daher unverhältnismäßig.
35Die Festlegung sei auch ferner rechtswidrig, weil sie dem Privilegierungstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 1 KWKG keine Rechnung trage. Die Festlegung erstrecke die Verpflichtung zur Wirkleistungsanpassung in Ziffer 2 Satz 2 auch auf Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die eine Leistung von 50 MW alleine durch Kondensationsstrom erbringen könnten. Unerheblich sei nach dem Tenor jedoch, ob die Anlage tatsächlich eine entsprechende nicht Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene Leistung erbringe. Erfasst seien daher auch Anlagen, die im Zeitpunkt der Redispatch-Maßnahme weniger als 50 MW Kondensationsstrom oder sogar ausschließlich KWK-Strom erzeugten. Insoweit liege auch ein Ermessensfehlgebrauch vor. Nachdem die Bundesnetzagentur in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt habe, dass auch aus ihrer Sicht KWK-Strom vom Anwendungsbereich der Festlegung ausgenommen sei, bestehe nunmehr Einigkeit darüber, dass der Anwendungsbereich der Festlegung lediglich auf den konventionellen, nicht durch § 4 Abs. 1 KWKG und § 13 Abs. 2a EnWG privilegierten Kondensationsstrom von KWK-Anlagen begrenzt sei. Klarzustellen wäre jedoch noch, dass die Privilegierung nicht stets nur auf den erzeugten KWK-Strom begrenzt sein dürfe, sondern dass sie auch eine für die Wärmerzeugung einzuhaltende technische Mindestlast der jeweiligen KWK-Anlage erfassen müsse.
36Die Festlegung berücksichtige auch nicht den Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Energien gemäß § 8 Abs. 1 EEG.
37Für Redispatch-Maßnahmen, die die Verschiebung einer Kraftwerksrevision erforderlich machen würden, seien ermessensfehlerhaft keine höheren Anforderungen festgelegt worden als für „einfache“ Redispatch-Maßnahmen. Die Anordnung einer Wirkleistungsanpassung während einer geplanten Kraftwerksrevision werde praktisch relevant durch die in Ziffer 4 vorgegebene Abschaltreihenfolge, die für den Übertragungsnetzbetreiber bindend sei. Im Rahmen dieser gebundenen Auswahlentscheidung dürften die Übertragungsnetzbetreiber im Zusammenspiel mit der Festlegung BK8-12/019 nicht berücksichtigen, ob eine Kraftwerksrevision geplant sei, da es maßgebend nur auf die netzstützende Wirkung und die angemessene Vergütung ankomme. Letztere enthalte aber nach der Vergütungsfestlegung gerade nicht die Kosten, die durch die Verschiebung einer Revision entstünden (Festlegung BK8-12/019 vom 30.10.2012, Seite 14). Angesichts der langfristigen Anberaumung einer Kraftwerksrevision, der Mitwirkung von i.d.R. mehreren externen Spezialunternehmen und dem damit verbundenen Koordinierungsaufwand sowie dem mit der Verschiebung der Revision einhergehenden Kostenaufwand, hätte sich der bestehende Regelungsbedarf der Bundesnetzagentur aufdrängen müssen. Dies wäre auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen notwendig gewesen, da die Anordnung der Verschiebung einer Revision einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit nach Art. 12 GG darstelle, der einer besonderen Rechtfertigung bedürfe.
38Tenorziffer 3 Satz 6, der Leistungsscheiben von Anlagen, deren Stromproduktion an industrielle Produktionsprozesse gekoppelt seien, von der Heranziehung zu Redispatch-Maßnahmen ausnehme, sei ermessensfehlerhaft. Industriekraftwerke würden dadurch ohne sachlichen Grund gegenüber sonstigen Kraftwerken privilegiert. Die Privilegierung der Industriekraftwerke verstoße damit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Soweit Industriekraftwerke als Eigenerzeugungsanlagen Strom für die industrielle Produktion lieferten, gäbe es keinen Grund, sie anders zu behandeln als andere Kraftwerke. Die von der Bundesnetzagentur befürchtete Gefahr von erheblichen Schäden durch eine Störung der Produktionsprozesse (vgl. S. 42 der Festlegung) bestehe in aller Regel nicht. Die Anforderung zur Wirkleistungsanpassung führe lediglich dazu, dass der Betrieb im Falle der Reduzierung der Wirkleistung die geringere Eigenerzeugung aus seinem Kraftwerk durch einen höheren Strombezug aus dem öffentlichen Netz substituieren müsse. Im Falle der Erhöhung der Wirkleistung werde der Strombezug aus dem öffentlichen Netz verringert bzw. müsse in das öffentliche Netz rückgespeist werden. Könne der Betreiber einer Industrieanlage mangels ausreichender Netzanschlusskapazität die Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung nicht durch Strombezug aus dem Netz ersetzen, bestehe zwar die Gefahr einer Störung des Produktionsprozesses. Allerdings weise eine solche Anlage aufgrund der geringen Netzanschlusskapazität auch keine netzstützende Wirkung auf und würde ohnehin nicht herangezogen werden können, so dass eine Sonderregelung unnötig sei.
39Die Festlegung leide auch deswegen an Ermessensfehlern, weil den Übertragungsnetzbetreibern nicht aufgegeben worden sei, vorrangig in einem marktwirtschaftlichen Verfahren beschaffte vertragliche Rechte zur Wirkleistungsanpassung einzusetzen und erst nachrangig die übrigen Anlagenbetreiber in Anspruch zu nehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gingen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG denjenigen nach § 13 Abs. 1a EnWG vor. Der lokale Charakter von Maßnahmen zur Wirkleistungsanpassung und die fehlende Konkurrenzsituation stünden der Beschaffung über einen Markt nicht entgegen. Eine wettbewerbliche Ausgestaltung könne nicht nur durch anonyme, bundesweite Commodity-Auktionen realisiert werden. Es sei denkbar, Leistungen marktgetrieben zu beschaffen, wenn nur wenige Anbieter in Frage kämen und diese Anbieter nicht exakt identische Leistungen anböten. Die Bundesnetzagentur wäre gehalten gewesen, Modelle zur marktgetriebenen Beschaffung der notwendigen Flexibilitäten zur Wirkleistungsanpassung in Erwägung zu ziehen und die fest vorgegebene Einsatzreihenfolge in Tenorziffer 4 auf diejenigen Fälle zu beschränken, in der eine marktgetriebene Beschaffung im Einzelfall nicht möglich sei. Tatsächlich kämen jedenfalls bei strombedingten Anpassungen der Wirkleistungseinspeisung prinzipiell alle mit dem überlasteten Netzelement verbundenen Anlagen und damit alle an das Höchstspannungsnetz direkt oder indirekt über ein nachgelagertes Netz angeschlossenen Anlagen für eine Wirkleistungsanpassung in Frage. Zwar nehme die netzstützende Wirkung einer Anlage durch die zwischen dem Netzverknüpfungspunkt der Anlage und dem überlasteten Netzelement auftretenden Netzverluste ab, so dass Anlagen umso besser für eine Anforderung zur Wirkleistungsanpassung geeignet seien, je näher sie netztopologisch an dem überlasteten Netzelement lägen. Bei strombedingter Überlastung nehme die netzstützende Wirkung einer Anlage jedoch wesentlich weniger stark mit der netztopologischen Entfernung ab als bei spannungsbedingten Grenzwertüberschreitungen. Daher dürfte in vielen Fällen noch eine Mehrzahl von Anlagen verbleiben, die eine hohe oder sehr hohe netzstützende Wirkung hätten und damit grundsätzlich für die Durchführung der notwendigen Wirkleistungsanpassung in Frage kämen. So sei ausweislich des Monitoringberichts 2012 (dort S. 40) wegen einer Überlastung der Nord-Süd-Trasse österreichische Kraftwerke zum Redispatch herangezogen worden.
40Eine marktgetriebene Beschaffung könnte dadurch erfolgen, dass die Übertragungsnetzbetreiber alle in Frage kommenden Betreiber aufforderten, Angebote zu standardisierten Bedingungen für Leistungsscheiben zum Herauffahren oder Herunterfahren abzugeben. Die abgegebenen Angebote könnten dann in der Reihenfolge nach Ziffer 4 der Festlegung berücksichtigt werden. Nur dann, wenn bei einem Rückgriff auf die abgegebenen Angebote die notwendigen Maßnahmen Kosten verursachen würden, die eine angemessene Vergütung i.S.d. § 13 Abs. 1a EnWG erheblich überstiegen, müsste auf eine zwangsweise Anordnung zur Wirkleistungsanpassung nach § 13 Abs. 1a EnWG zurückgegriffen werden.
41Ermessensfehlerhaft sei unterblieben, den Übertragungsnetzbetreibern aufzugeben, vorrangig vor der Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung einer Anlage bis auf 0 MW bzw. vor der Erhöhung der Wirkleistungseinspeisung aus einem Zustand, in dem die Anlage nicht einspeise, Reduzierungen bzw. Erhöhungen der Wirkleistungseinspeisung anderer Anlagen aufzufordern, die dafür nicht abgeschaltet bzw. angefahren werden müssten. Die Merit Order in Ziffer 4 sehe lediglich eine Reihung der Anlagen, nicht der einzelnen Leistungsscheiben vor. Die höheren Kosten für das Anfahren gegenüber dem Hochfahren bereits auf Mindestwirkleistungseinspeisung laufender Anlagen ließen sich im Rahmen der in der Merit Order zu berücksichtigenden Vergütung nur teilweise abbilden. Gleiches gelte für die Reduzierung auf 0 MW gegenüber dem Herunterfahren auf Mindestwirkleistungseinspeisung. Die Bundesnetzagentur müsse daher die Leistungsscheibe von 0 MW bis zur Mindestwirkleistungseinspeisung und die Leistungsscheibe von der Mindestwirkleistungseinspeisung bis zur maximalen, technisch möglichen Einspeisung separat bewerten und separat in die Reihenfolge einstellen lassen.
42Schließlich habe die Bundesnetzagentur ermessensfehlerhaft keine Haftungsbeschränkung für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie in der Festlegung vorgegeben. Die Haftung von Netzbetreibern gegenüber Netzkunden sei, soweit nicht ohnehin gesetzlich vorgeschrieben, marktüblich vertraglich entsprechend § 18 NAV beschränkt. Bei der Durchführung von Maßnahmen zur Wirkleistungsanpassung seien Anlagenbetreiber einem ähnlichen Haftungsrisiko wie Netzbetreiber ausgesetzt. Dementsprechend müsse auch seine Haftung beschränkt werden. Diesen Punkt habe die Bundesnetzagentur allerdings nicht geregelt. Es liege ein vollständiger Ermessensausfall vor. § 13b Abs. 1 Nr. 1 lit. d) EnWG i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 EnWG ermächtige die Bundesnetzagentur, durch Festlegung Bestimmungen zu treffen zu den Verpflichtungen der Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie i.S.v. § 13 Abs. 1a EnWG. Dies beinhalte die Haftungsverpflichtungen der Betreiber bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen. Dass die Bundesnetzagentur die Reichweite der Ermächtigungsgrundlage verkannt habe, stelle einen weiteren Ermessensfehler dar, der zur Rechtswidrigkeit der Festlegung führe.
43Die Betroffene beantragt,
44- 45
1. die Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012 (Az.: BK6-11/098) aufzuheben
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2. hilfsweise, die Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012 (Az.: BK6-11/098) aufzuheben und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
Die Bundesnetzagentur beantragt,
49die Beschwerde zurückzuweisen.
50Sie verteidigt die angegriffene Festlegung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Gründe. Ergänzend trägt sie vor:
51Sie habe ihr Aufgreifermessen sachgerecht ausgeübt. Grund für das Aufgreifen der Festlegungsermächtigung aus § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG sei insbesondere der Umstand gewesen, dass die zu diesem Zeitpunkt gelebte Praxis der freiwilligen Vereinbarungen zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung eine diskriminierungsfreie Durchführung von Redispatch-Maßnahmen nach transparenten und eindeutigen Kriterien nicht mehr gewährleistet habe. Trotz der gestiegenen Erforderlichkeit von Markteingriffen zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität hätten einige Kraftwerksbetreiber ihre Teilnahme an Redispatch-Maßnahmen verweigert. Die zwischen Übertragungsnetzbetreibern und an Maßnahmen teilnehmenden Kraftwerksbetreibern geschlossenen Verträge seien extrem uneinheitlich ausgestaltet. Das praktizierte, rein privatwirtschaftliche Modell sei vor diesem Hintergrund nicht länger geeignet, die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit angesichts der zunehmenden Anzahl von Engpässen hinreichend sicher zu stellen.
52Hinsichtlich der Analyse des Redispatch-Volumens habe sie richtigerweise Countertrading-Maßnahmen mit in die Betrachtung einbezogen, da diese ebenfalls der Engpassbeseitigung dienten. Während in der Vergangenheit das Verhältnis von Countertrading und Redispatch relativ ausgeglichen gewesen sei, würden seit einigen Jahren verstärkt Redispatch-Maßnahmen durchgeführt und würde Countertrading wegen der schlechteren Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf den Engpass vernachlässigt. Diesen Trend habe sie in ihrer Prognose zur Entwicklung der Redispatch-Mengen und ihren Abwägungen zum Aufgreifermessen berücksichtigt.
53Schließlich habe sie das Gefahrenpotential drohender Überlastungssituationen und Spannungsgrenzwertverletzungen in ihre Entscheidung mit einbezogen.
54§ 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ermächtige sie zu sämtlichen im Rahmen der Festlegung getroffenen Regelungen. Der Gesetzgeber habe ihr für die praxisgerechte Ausgestaltung von Redispatch einen weiten Spielraum und eine umfassende Regelungskompetenz eingeräumt.
55Tenorziffer 2 konkretisiere den Adressatenkreis zulässigerweise im Rahmen des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG a.F.. Hinsichtlich der Spannungsebene werde keine von § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG a.F. abweichende Regelung getroffen. Zwar stelle Tenorziffer 2 nicht gesetzeswiederholend klar, dass selbstverständlich nur die 110 kV-Ebene von der Festlegung umfasst sei. Dieser Umstand ergebe sich aber eindeutig durch die Auslegung des Bescheides gemäß §§ 133, 157 BGB.
56In der Regelung in Tenorziffer 2 liege keine rechtswidrige Überschreitung der Ermächtigung im Hinblick auf die 50 MW Untergrenze. Der Wortlaut der Norm des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG a.F. sei so zu verstehen, dass die angegebene Nennleistung von 50 MW auf alle Erzeugungs- oder Speicheranlagen eines Betreibers an einem Netzknoten bezogen sei. Die Angabe „Betreiber von Anlagen […] mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt […]“ sei keine eindeutige Bezugnahme auf Einzelanlagen, sondern beziehe sich auf alle in der Verantwortung eines Betreibers stehenden Anlagen. Dies zeige die Verwendung des Wortes „Anlagen“ im Plural. Auch die nunmehr auf 10 MW abgesenkte Nennleistungsgrenze beziehe sich auf die Gesamtheit aller Anlagen eines Betreibers an einem Netzknoten.
57Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG nicht ausdrücklich auf den Netzknoten Bezug nehme. Das Netzknotenkriterium ergebe sich eindeutig aus dem Sinn und Zweck der Nennleistungsgrenze. Die Regelung solle übermäßige Belastungen kleiner Anlagenbetreiber vermeiden. Insoweit mache es aber keinen Unterschied, ob ein Anlagenbetreiber an einem Netzknotenpunkt fünf Anlagen zu je 10 MW oder eine Anlage zu 50 MW angeschlossen habe. Entscheidend sei, dass die Anlagen insgesamt nicht mehr so klein seien, dass sie der Privilegierung durch die Begrenzung bedürften. Dieses Verständnis werde im Übrigen vom Verordnungsgeber der Reservekraftwerksverordnung vom 27.06.2013 geteilt, wie sich aus der netzknotenbezogenen Betrachtung in § 10 Abs. 1 sowie aus der Verordnungsbegründung (S. 23), wonach ausdrücklich auf die Definition der Bundesnetzagentur in der streitgegenständlichen Festlegung Bezug genommen worden sei, ergebe.
58Die Regelung müsse darüber hinaus im Zusammenhang mit den weiteren Vorgaben zur Konkretisierung des Adressatenkreises von Redispatch-Anweisungen betrachtet werden. Nach Ziffer 3 Satz 3 der Festlegung erfolge eine entsprechende Anweisung nicht anlagenscharf, sondern auch bezogen auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen eines Betreibers. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, dem angewiesenen Anlagenbetreiber eine größtmögliche Flexibilität bezüglich der konkreten Umsetzung der Maßnahme zu ermöglichen. Gleichzeitig verhindere die netzknotenbezogene Betrachtung eine Umgehung des Anwendungsbereichs der Festlegung durch einzelne Anlagenbetreiber. Eine anlagenscharfe Untergrenze der Nennwirkleistung könnte dazu führen, dass verschiedene Betreiber kleinerer Anlagen diese bis kurz unterhalb der Leistungsschwelle dimensionierten, um sich so dem Adressatenkreis von Redispatch-Anweisungen zu entziehen.
59Die Festlegung verstoße nicht gegen die innere Systematik des § 13 EnWG. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG lasse sich keine Rangfolge der geeigneten marktbezogenen Maßnahmen entnehmen, insbesondere bestehe keine Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber, zunächst auf freiwillige Vereinbarungen zur Anpassung der Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung zurückzugreifen, bevor sie Verpflichtungen nach § 13 Abs. 1a EnWG zur Anwendung bringe.
60Die Einbeziehung von KWK-Anlagen durch Tenorziffer 2 Satz 2 in den Anwendungsbereich der Festlegung stelle keinen Verstoß gegen den Einspeisevorrang von KWK-Anlagen dar. Der Einspeisevorrang des § 4 Abs. 1 KWKG erfasse ausschließlich KWK-Strom i.S.d. § 3 Abs. 4 KWKG, also die Strommenge, die an die Nutzwärmeerzeugung gekoppelt sei. Auch § 13 Abs. 2a EnWG beziehe sich ausschließlich auf diese Strommenge. Nur insoweit stellten die KWK-Anlagen im Verhältnis zu konventionellen Kraftwerken eine besonders effiziente und umweltfreundliche Art der Energieerzeugung dar. Der konventionell erzeugte Kondensationsstromanteil falle nicht unter den Einspeisevorrang. Der Anwendungsbereich der Festlegung sei entsprechend auf den konventionellen, nicht durch § 4 Abs. 1 KWK und § 13 Abs.2a EnWG privilegierten Kondensationsstromanteil beschränkt.
61Die Festlegung verstoße auch nicht gegen den Einspeisevorrang für Strom aus Erneuerbaren Energien gemäß § 8 Abs. 1 EEG, da EEG-Anlagen aufgrund ihres Einspeisevorrangs gerade nicht vom Anwendungsbereich der angegriffenen Festlegung erfasst seien.
62Eine Haftungsbefreiung für Erzeuger bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen könne schon deshalb nicht in die Festlegung aufgenommen werden, weil für eine solche Regelung keine Ermächtigungsgrundlage der Bundesnetzagentur bestehe. Die Regelung des § 13b EnWG, auf die sich die Betroffene berufe, sei erst nach Erlass der streitgegenständlichen Festlegung mit Wirkung vom 28.12.2012 in das EnWG eingefügt worden.
63Die Festlegung sei hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG. Sie richte sich ausschließlich an Marktteilnehmer, die den Regelungsgegenstand der Festlegung aufgrund ihrer Sachkenntnis und Erfahrung selbstverständlich genau kennen.
64Auch wenn verschiedene situationsspezifische Netzknotenbegriffe existierten, sei die im Rahmen der streitgegenständlichen Festlegung maßgebliche Definition des „Netzknotens“ zweifelsfrei bestimmbar. Die angegriffene Festlegung erfasse Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen, die an das Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossen seien. Im Kontext der Festlegung könne es sich bei einem Netzknoten folglich allein um den Anschlusspunkt dieser Anlagen an das Elektrizitätsversorgungsnetz handeln. Innerhalb der Begründung der Festlegung würden auch die Begriffe „Netzanschlusspunkt“ und „Anschlusspunkt“ verwendet.
65Die Bildung der Merit Order gemäß Tenorziffer 4 sei hinreichend bestimmt und eindeutig. Entscheidend sei der Quotient aus netzstützender Wirkung und der für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zu entrichtenden Vergütung. Die Merit Order gewährleiste die notwendige netzphysikalische Wirkung der Maßnahme zur Wirkleistungsanpassung sowie deren volks- und betriebswirtschaftliche Effizienz. Damit würden zugleich die in § 1 Abs. 1 EnWG formulierten Ziele des EnWG verwirklicht. Beide Komponenten zur Berechnung des Quotienten seien bestimmbar. Die abstrakte Vorgehensweise zur Ermittlung der Merit Order sei vollständig in der streitgegenständlichen Festlegung geregelt. Es handele sich dabei um eine von der Frage der konkreten Höhe der Vergütung unabhängige Methodik. Die Frage der konkreten Ermittlung des zu entrichtenden Entgelts sei im Parallelverfahren zu klären, da die Kriterien für die Bestimmung der Vergütung im Rahmen der Festlegung der BK 8 festgelegt worden seien.
66Die Höhe der Kosten könne der Übertragungsnetzbetreiber, soweit sie ihm nicht ohnehin konkret bekannt seien, für die einzelnen Kraftwerkstypen jedenfalls realistisch abschätzen. Dies sei für die Erstellung der Merit Order sachgerecht und auch ausreichend. Zur Bildung der Merit Order komme es schließlich alleine auf eine sachgerechte Reihung der Anlagen an. Die Kosten der einzelnen Anlagen unterschieden sich tatsächlich nicht derart, als dass eventuelle, mit einer Schätzung verbundene Unsicherheiten oder Abweichungen regelmäßig einen entscheidenden Einfluss auf die Platzierung der Anlagen hätten.
67Die Regeln zur Merit Order führten zu einer volkswirtschaftlichen Optimierung, die sich in einer Kostenminimierung der Redispatch-Maßnahme niederschlage, da so den für die Wirkleistungserhöhung zu zahlenden Vergütungen möglichst hohe Erlöse als Gegenposition gegenüberstünden. Dadurch würden „beide Seiten“ des Netzengpasses, also hochfahrende und einsenkende Kraftwerke, sowohl hinsichtlich ihrer physikalischen Wirkung als auch hinsichtlich ihrer Kosten berücksichtigt.
68In diesem Zusammenhang dürfe nicht vernachlässigt werden, dass beim strombedingten Redispatch die auszuwählenden Anlagen auf beiden Seiten des Engpasses einander bedingten. Zur Aufrechterhaltung des Leistungsgleichgewichts im Netz müsse die Änderung der Wirkleistungseinspeisung auf beiden Seiten des Engpasses in Summe energetisch ausgeglichen sein. Daher erfolge in der Praxis keine voneinander losgelöste Auswahl der zur Beseitigung des Engpasses heranzuziehenden Anlagen. Vielmehr werde unter Berücksichtigung der Kriterien der netzstützenden Wirkung und der Kosten der Anlagen, die sich in der Merit Order widerspiegelten, eine ganzheitliche Optimierung für den betreffenden Engpass vorgenommen, um diesen volkswirtschaftlich effizient beheben zu können. Bei der Optimierung komme dem Kriterium der netzstützenden Wirkung eine besondere Bedeutung zu, da diese die zur Engpassbeseitigung erforderliche Wirkleistungsänderung und damit das notwendige Redispatch-Volumen determiniere.
69Die Aufteilung der Regelungsgegenstände in zwei Festlegungen basiere auf der Zuständigkeitsverteilung der Beschlusskammern der Bundesnetzagentur, die verfahrensunabhängig und abstrakt in der Geschäftsordnung der Bundesnetzagentur geregelt sei. Eine Rechtsverletzung der Betroffenen sei damit nicht verbunden.
70Die Anweisung zu Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG i.V.m. der streitgegenständlichen Festlegung setze keine vorherige vertragliche Vereinbarung voraus. Es sei gerade der Sinn der Regelung, dass sich kein Marktbeteiligter durch die Verweigerung eines Vertragsschlusses den Verpflichtungen zu Redispatch entziehen könne. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Tenor und der ausführlichen Begründung der Festlegung. Etwas anderes lasse sich auch der Überschrift der Festlegung nicht entnehmen. Zwar sei dort von der „Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen“ die Rede. Dies sei aber lediglich dem Verfahrensverlauf geschuldet, da das Festlegungsverfahren bereits vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1a EnWG eingeleitet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien Redispatch-Maßnahmen ausschließlich auf Grundlage bilateraler, uneinheitlich ausgestalteter Verträge erfolgt. Nachdem der Gesetzgeber mit dem § 13 Abs. 1a EnWG die Anweisungsbefugnis der Übertragungsnetzbetreiber geschaffen habe, habe sie das Festlegungsverfahren nicht wieder neu begonnen, sondern zweckmäßigerweise fortgesetzt.
71Auch für die Vergütung sei kein Vertragsschluss erforderlich. In Tenorziffer 1 der Festlegung der Beschlusskammer 8 werde insoweit eindeutig auf Maßnahmen nach Maßgabe der Festlegung der Beschlusskammer 6 Bezug genommen.
72Die Regelung zur Zulässigkeit bilateraler Handelsgeschäfte für den energetischen Ausgleich in Tenorziffer 5 Satz 3 der Festlegung sei ausreichend bestimmt. Die Regelung werde noch weiter auf den Seiten 47 bis 49 der Festlegung erläutert. Der Gebrauch von unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Gefahr“ mache eine Festlegung nicht unbestimmt.
73Sie habe das ihr hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Festlegung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere habe sie ein marktmäßiges Verfahren zu Recht abgelehnt. Anders als bei den übrigen marktbezogenen Maßnahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bestehe für die erforderlichen Redispatch-Kapazitäten kein Markt. Dem stehe schon der netztopologisch lokale Charakter auftretender Engpässe oder Gefährdungen der Spannungshaltung entgegen. Eine geeignete Anpassung der Wirkleistungseinspeisung sei im Hinblick auf die netzstützende Wirkung durch netztopologisch möglichst nahe gelegen Erzeugungsanlagen oder Speicher durchzuführen, insofern kämen bei einem Engpass nur wenige Anlagen in Betracht. Folglich könne auch kein wirksamer Markt bestehen.
74Es sei auch unschädlich, dass für die Bildung der Merit Order ggf. anstehende Kraftwerksrevisionen ohne Bedeutung seien. § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG sehe ausdrücklich vor, dass aufgrund der Anweisung Revisionen zu verschieben seien. Sie habe die Berücksichtigung von Kraftwerksrevisionen im Verfahren erwogen und nach ausführlicher Abwägung im Rahmen ihrer Ermessensausübung von der Regelung entsprechender Ausnahmetatbestände abgesehen. Im Normalfall seien Kraftwerksrevisionen unproblematisch, da die Übertragungsnetzbetreiber auf den Zeitpunkt der Revisionen über die gemeinsame Jahresplanung zwischen den Betreibern von Erzeugungsanlagen und Speichern Einfluss nehmen könnten. Etwaige dennoch kurzfristig erforderlich werdende Revisionsverschiebungen seien Einzelfälle, die nach Ansicht der Beschlusskammer gegenwärtig keiner Grundsatzregelung bedürften. Durch die netzknotenbezogene Anweisung von Redispatch-Maßnahmen seien dem Anlagenbetreiber ausreichend Möglichkeiten an die Hand gegeben, um problematische Einzelfälle zu vermeiden und auf innerbetriebliche Planungen Rücksicht zu nehmen. In extremen Ausnahmefällen lasse die Festlegung im Übrigen Raum für eine Einzelfallregelung (vgl. S. 34f.).
75Schließlich treffe es nicht zu, dass innerbetriebliche Planungen der Erzeuger keine Relevanz für die Merit Order hätten. Wenn etwa durch solche innerbetrieblichen Planungen, wie Revisionen, Abschaltungen etc. das Heranziehen des Kraftwerks eine höhere Vergütung zur Folge habe, was regelmäßig der Fall sein werde, finde sie über den Quotienten Niederschlag in der Merit Order. Soweit die Betroffenen der Ansicht seien, die Vergütungsregelung der Parallelfestlegung würden besonderen innerbetrieblichen Umständen nicht ausreichend Rechnung tragen, möge sie dies im Parallelverfahren vortragen.
76Ein Ermessensfehler liege auch nicht im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Minimallast und Abschaltung vor. § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG sehe ausdrücklich „auch die Anforderung einer Einspeisung aus Erzeugungsanlagen, die derzeit nicht einspeisen und erforderlichenfalls erst betriebsbereit gemacht werden müssen oder die zur Erfüllung der Anforderung eine geplante Revision verschieben müssen“ vor. Über den Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung sei gewährleistet, dass eine Anlage, die erst angefahren werden müsse, erst zur Wirkleistungsanpassung angewiesen werde, wenn andere Erzeugungsanlagen den gleichen netzstützenden Effekt nicht kostengünstiger erreichen könnten (vgl. Bescheid S. 45).
77Dass sie die Auswirkungen einer hypothetischen Beschränkung der Festlegung auf Anlagen mit einer Nettonennwirkleistung von mehr als 100 MW nicht umfassender geprüft habe, stelle weder einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz noch einen Ermessensfehler dar. Der Gesetzgeber habe durch die Aufnahme der 50 MW Grenze ermessenslenkende Vorgaben gemacht. Die Betroffene überspanne den Umfang der Amtsermittlung, wenn sie davon ausgehe, es müsse jeder Anregung, sei sie auch noch so fernliegend in allen Einzelheiten nachgegangen werden, selbst wenn es keinerlei Anhaltspunkte dafür im Gesetz gebe. Die 50 MW Grenze im Bescheid sei aus der Ermächtigungsgrundlage übernommen. Die von der Betroffenen vorgeschlagene 100 MW Grenze sei hingegen völlig aus der Luft gegriffen. Eine solch willkürliche Grenzziehung sei vor dem Hintergrund von Art. 3 GG schwer zu rechtfertigen und im Übrigen aufgrund des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers völlig unnötig.
78Die Festlegung sei geeignet und erforderlich, Gefahren oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit von Elektrizitätsversorgungssystemen effizient zu beseitigen. Die Festlegung sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Sicherheit der Energieversorgung sei ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges. Zögerliche oder ineffiziente Maßnahmen könnten in einer Engpasssituation zur Verletzung des n-1- Prinzips oder in der Folge letztlich sogar zum Schwarzfall des Übertragungsnetzes und damit zu unabsehbaren europaweiten Schäden führen.
79Die Festlegung verstoße darüber hinaus nicht gegen Grundrechte. Eine Verletzung von Art. 12 GG sei fernliegend. Da die Sicherheit der Energieversorgung ein absolutes Gemeinschaftsgut darstelle, könne an einer Rechtfertigung des Eingriffs kein Zweifel bestehen. Dies gelte umso mehr, als die Betroffenen auch ohne die Festlegung durch die Übertragungsnetzbetreiber unmittelbar aus § 13 Abs. 1a EnWG zur Redispatch-Maßnahmen herangezogen werden könnten. Der durch § 13 Abs.1a EnWG bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zur Gewährleistung der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungsnetzes diene zugleich auch dem Zweck, den Anlagenbetreibern die Berufsausübung weiterhin zu ermöglichen. Die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Art. 12 GG könne jedenfalls durch eine Kostenerstattungsregel gewährleistet werden. Eine solche sei Gegenstand des Parallelverfahrens zur Festlegung der BK 8. Die Frage, ob die Vergütung unzureichend sei, sei für das vorliegende Verfahren jedoch irrelevant.
80Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor.
81Die partielle Privilegierung von Industriekraftwerken stelle keine rechtswidrige Diskriminierung dar. § 13 Abs. 1a EnWG ermächtige sie ausdrücklich dazu, den Adressatenkreis für Redispatch-Maßnahmen zu konkretisieren. Leistungsscheiben von Industriekraftwerken, die aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel seien und Leistungsscheiben von Kraftwerken, die den erzeugten Strom primär in das allgemeine Stromnetz einspeisten, stellten schon keinen im wesentlichen gleichen Sachverhalt dar. Bei Veränderungen der Stromproduktion bei Industriekraftwerken drohe nämlich eine Störung der Produktionsprozesse mit möglicherweise erheblichen Schäden (vgl. S. 42 des Beschlusses). Die Privilegierung beziehe sich nach dem klaren Wortlaut der Tenorziffer 3 der streitgegenständlichen Festlegung auch nur auf diese, an die industriellen Produktionsprozesse gebundenen und daher nicht disponiblen Leistungsscheiben. Jedenfalls sei eine Ungleichbehandlung aber durch diesen Sachgrund gerechtfertigt und nicht willkürlich. Die Betroffene könne aus der Privilegierung von Industriekraftwerken aber keinesfalls eine eigene Rechtsverletzung geltend machen. Eine bloß theoretisch geringere Wahrscheinlichkeit der Heranziehung zu Redispatch, wenn durch die grundsätzliche Einbeziehung von Industriekraftwerken mehr Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung stünden, genüge insoweit nicht.
82Sie habe keinen Anlass gehabt, innerhalb der streitgegenständlichen Festlegung weitere Differenzierungen für verschiedene Kraftwerkstypen zu regeln. Auf die unterschiedliche Kostenstruktur der verschiedenen Kraftwerkstypen sei allenfalls bei der Vergütungsfestlegung einzugehen.
83Eine ungerechtfertigte Diskriminierung durch den Auswahlmechanismus (Tenorziffer 4) sei nicht erkennbar. Dass bestimmte Erzeugungsanlagen häufiger zu Redispatch herangezogen würden als andere, stelle eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit keinen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Die unterschiedliche Häufigkeit der Heranziehung sei dadurch bedingt, dass aufgrund des netztopologisch lokalen Charakters der netztechnischen Probleme für die effektive Störungsbeseitigung tatsächlich meist nur wenige Netzknoten in Betracht kämen. Erzeugungsanlagen an räumlich weiter vom Netzengpass entfernt liegenden Netzknoten könnten aus technischen Gründen nicht in annähernd gleich effektiver Weise zur Beseitigung der Netzstörung beitragen. Die netzstützende Wirkung sei somit maßgeblicher Faktor. Die Regelung sei folglich diskriminierungsfrei, weil sie allein auf die technische Notwendigkeit zur Durchführung einer Wirkleistungsanpassung wegen einer Störung des Übertragungsnetzes und damit auf einen aus den tatsächlichen Gegebenheiten folgenden Sachgrund abstelle.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze mit Anlagen, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 24.09.2014 Bezug genommen.
85B.
86Die zulässige Beschwerde hat in der Sache aus den mit den Verfahrensbeteiligten in der Senatssitzung erörterten Gründen Erfolg. Die Festlegung ist rechtswidrig und die Betroffene dadurch in ihren Rechten verletzt.
87I.
88Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie als Anfechtungsbeschwerde statthaft, §§ 83 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 1, 78 Abs. 1 EnWG.
89Die Betroffene ist gemäß §§ 75 Abs. 2, 66 Abs. 2 Nr. 2 EnWG als Adressatin der Festlegung auch beschwerdebefugt.
90II.
91Die Beschwerde ist begründet. Die Festlegung ist hinsichtlich der Tenorziffern 2 Satz 3 (netzknotenbezogene Nennwertgrenze) und 3 Satz 2 (Wirkleistungsbezug durch Speicheranlagen) materiell rechtswidrig. Im Übrigen sind die Regelungen der Festlegung nicht zu beanstanden. Da die Festlegung inhaltlich nicht teilbar ist, ist sie jedoch insgesamt aufzuheben.
921. Ermächtigungsgrundlage
93Die Bundesnetzagentur war gemäß § 13 Abs. 1a EnWG grundsätzlich zum Erlass der streitgegenständlichen Festlegung ermächtigt. Die Tenorziffern 2 Satz 3 und 3 Satz 2 sind jedoch von dieser Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt. Die weitere im Hinblick auf die Spannungsgrenze von 110 kV gegen Tenorziffer 2 erhobene Rüge der Betroffene ist allerdings unbegründet.
941.1. Voraussetzungen
95Aufgrund des mit Wirkung zum 04.08.2011 neu in das Energiewirtschaftsgesetz eingefügten § 13 Abs. 1a EnWG sind Betreiber von Anlagen zur Speicherung und zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer näher bestimmten Nennleistung im Falle der Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems kraft Gesetzes verpflichtet, auf Anforderung durch den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber gegen angemessene Vergütung die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung anzupassen. Nach der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung bezog sich diese Verpflichtung ursprünglich auf Betreiber von Erzeugungsanlagen und Speichern mit einer Nennleistung ab 50 MW und einer Spannung von mindestens 110 kV. Durch das dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 20.12.2012 ist der Anwendungsbereich von Absatz 1a dahingehend ausgeweitet worden, dass mit Wirkung ab dem 28.12.2012 Anlagen zur Speicherung und zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 10 MW zur Anpassung verpflichtet sind. Die Ausweitung ist bis zum 31.12.2017 befristet (vgl. Art. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2012, BGBl. I. S. 2743).
96Schon vor der Einfügung des Abs. 1a in § 13 EnWG standen den Übertragungsnetzbetreibern gemäß § 13 EnWG ein Stufensystem von Maßnahmen im Netz und gegenüber Netznutzern auf Erzeuger- und Verbraucherseite zu (BT-Drs. 15/3917 vom 14.10.2004, S. 57), um die ihnen nach §§ 12, 13 EnWG übertragene Systemverantwortung ausüben zu können. Ist die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in ihrer Regelzone gefährdet oder gestört, sind sie gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 EnWG auf einer ersten Stufe berechtigt und verpflichtet, netzbezogene (Nr. 1) oder marktbezogene (Nr. 2) Maßnahmen zu ergreifen. Netzbezogene Maßnahmen iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG betreffen lediglich den technischen Netzbetrieb ohne Kosten und Beeinträchtigungen von Netznutzern zu verursachen (Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 13 RN 12; König in: BerlKommEnR, 3. Aufl., § 13 RN 15 m.w.N.), wie beispielsweise die Beeinflussung der Lastflüsse im Netz durch Schaltungen sowie die Ausnutzung betrieblich zulässiger Toleranzbänder (vgl. TransmissionCode 2007, Anhang A 1. S.1). Marktbezogene Maßnahmen iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG sind solche, die die Netznutzer mit einbeziehen und regelmäßig auf der Grundlage entsprechender vertraglicher Vereinbarungen gegen Vergütung getroffen werden (Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, a.a.O., § 13 RN 13, König in: BerlKommEnR, a.a.O., § 13 RN 21 m.w.N). Dazu gehört auch der Redispatch von Erzeugungsanlagen. In der Vergangenheit erfolgten Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG aufgrund freiwilliger Vereinbarungen zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern.
97Reichen netz- und marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnWG nicht aus, um eine Gefährdungs- oder Störungssituation rechtzeitig und vollständig abzuwenden, sind die Übertragungsnetzbetreiber auf einer zweiten Stufe berechtigt und verpflichtet, auf gesetzlicher Grundlage sogenannte Notfallmaßnahmen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG zu ergreifen (vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 57), indem sie sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anpassen oder diese Anpassung verlangen. Gemäß § 13 Abs. 2a Satz 1 EnWG müssen die Übertragungsnetzbetreiber bei Maßnahmen gemäß Abs. 1, Abs. 1a und Absatz 2 die Verpflichtungen nach § 8 Abs. 1 EEG und § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 KWKG einhalten (sog. EE-/KWK-Vorrangprinzip).
98Zur Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG sah sich der Gesetzgeber deshalb veranlasst, weil entsprechende Befugnisse der Übertragungsnetzbetreiber zur Wirkleistungsanpassung in der Vergangenheit teilweise von Kraftwerksbetreibern entweder in Frage gestellt oder die Wirk- und Blindleistungserzeugung von der Kostenerstattung abhängig gemacht wurde oder einzelne Kraftwerksbetreiber an Maßnahmen wie dem Redispatch gar nicht mitwirkten. Der neu eingefügte Absatz 1a sollte daher nach den Ausführungen des Gesetzgebers einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen schaffen, indem Anpassungsbefugnisse gegenüber größeren Kraftwerken gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben werden (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71).
99§ 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ermächtigt die Regulierungsbehörde, Festlegungen zu treffen zur Konkretisierung des Adressatenkreises der Regelung in § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG, zu erforderlichen technischen Anforderungen, die gegenüber den Betreibern betroffener Erzeugungsanlagen aufzustellen sind, zu Methodik und Datenformat der Anforderung durch den Betreiber von Übertragungsnetzen sowie zu Kriterien für die Bestimmung der angemessenen Vergütung.
100Von dieser Ermächtigung hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur durch die angegriffene Festlegung vom 30.10.2012 (BK6-11/098) Gebrauch gemacht.
1011.2. Tenorziffer 2 Satz 3: Netto-Nennwirkleistung
102Die Regelung in Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung ist jedoch nicht von der Ermächtigung gemäß § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG gedeckt und daher rechtswidrig. Zwar ist die Bundesnetzagentur gemäß § 13 Abs. 1a Satz 3, 1. Alt. EnWG grundsätzlich zur Konkretisierung des Adressatenkreises berechtigt. Die Tenorziffer 2 regelt auch den Adressatenkreis. Die Betroffene rügt aber zu Recht, dass die Regelung den Adressatenkreis durch die netzknotenbezogene Betrachtungsweise entgegen der Vorgaben in § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG unzulässig erweitert.
103Nach Tenorziffer 2 Satz 1 der Festlegung erstreckt sich die Verpflichtung, sich der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung durch die Übertragungsnetzbetreiber zu unterwerfen, auf alle Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer elektrischen Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW. Maßgeblich ist nach Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einem Netzknoten, also demselben Netzanschlusspunkt (siehe nachfolgende Ausführungen unter Ziffer 2.1.1.) angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie eines Betreibers. Dadurch werden aber auch Anlagen verpflichtet, die für sich gesehen unter der Nennwertgrenze von 50 MW liegen. Wie sich in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2015 ergeben hat, rechnen mehrere Kraftwerksbetreiber, die kleinere Anlagen als 50 MW an einem Netzknoten betreiben, mit der Heranziehung ihrer Anlagen oder sind sogar schon konkret vom Übertragungsnetzbetreiber angesprochen worden. § 13 Abs. 1a EnWG unterwirft dem Redispatch jedoch nur Anlagen zur Speicherung von elektrischer Energie und Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie - zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegung - mit einer Nennleistung von ursprünglich 50 MW. Zwar ist seit dem Inkrafttreten des dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2012, I, S. 2743f.) am 28.12.2012 die Nennleistungsgrenze auf 10 MW herabgesetzt worden, so dass zumindest ab diesem Zeitpunkt die Einbeziehung von Anlagen ab 10 MW nach § 13 Abs.1a EnWG zulässig wäre. Allerdings werden durch die netzknotenbezogene Regelung auch Anlagen mit einer Nennleistung unter 10 MW erfasst. Die netzknotenbezogene Betrachtungsweise der Bundesnetzagentur ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Mindestnennleistungsgrenze von ursprünglich 50 MW (jetzt 10 MW) des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG bezieht sich nicht auf die addierte Nennwirkleistung aller an einem Netzknoten angeschlossener Anlagen eines Betreibers, sondern auf die jeweiligen Einzelanlagen (Erzeugungseinheit). Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, Systematik und Sinn und Zweck.
104Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass sich die Mindestnennleistungsgrenze auf alle in der Verantwortung eines Betreibers stehenden Anlagen an einem Netzknoten bezieht. Der Begriff des Netzknotens wird ebenso wenig genannt wie die Formulierung „Anlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 50 MW“. Auch aus der Verwendung des Wortes „Anlagen“ im Plural folgt nicht, dass der Gesetzgeber auf eine netzknotenbezogene Betrachtung der Mindestnennleistungsgrenze abstellen wollte. Die Verwendung des Plurals macht lediglich deutlich, dass alle Anlagenbetreiber, unabhängig von der Zahl ihrer Anlagen, verpflichtet sind. Die Verwendung des Singulars, wonach „Betreiber einer Anlage zur Speicherung von elektrischer Energie und einer Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie“ zum Redispatch verpflichtet sind, hätte demgegenüber zu Unklarheiten über den Umfang der Verpflichtung geführt (nur Betreiber mit einer einzigen Anlage). Dass der Verwendung des Plurals nicht die von der Bundesnetzagentur beigemessene Bedeutung zukommt, zeigt sich auch daran, dass im weiteren Verlauf des Satzes 1 auf „die Erzeugungsanlage“ im Singular abgestellt wird („in Abstimmung mit dem Betreiber desjenigen Netzes, in das die Erzeugungsanlage eingebunden ist“). Ansonsten hätte es heißen müssen „in das die Erzeugungsanlagen eines Betreibers eingebunden sind“. Damit spricht schon der Wortlaut dafür, dass bei der Mindestnennwertgrenze auf die einzelne Anlage (Erzeugungseinheit) abzustellen ist. Auch die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur ist im Verwaltungsverfahren zunächst nicht von einem netzknotenbezogenen Verständnis des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG ausgegangen, sondern hat in ihrem Eckpunktepapier vom 06.01.2012 (Bl. 496ff, 498 VV) „alle Blöcke von Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer elektrischen Nennleistung ab 50 MW“ als verpflichtet angesehen. Erst auf Anregung einzelner Netzbetreiber (W. AG, Bl. 803f. VV, Y., Bl. 857f. VV) hat die Bundesnetzagentur eine netzknotenbezogene Betrachtungsweise favorisiert.
105Die Gesetzesmaterialien sprechen ebenfalls dafür, dass sich die Nennleistungsgrenze auf die jeweilige Anlage und nicht auf sämtliche Anlagen eines Betreibers an einem Netzknoten bezieht. Nach der Gesetzesbegründung schafft der neu eingeführte Absatz 1a einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen, indem Anpassungsbefugnisse „gegenüber größeren Kraftwerken“ gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben werden (BT-Drs. 17/6072, S. 71). Verpflichtet werden sollen danach nur „größere Kraftwerke“. Diese Vorgabe steht jedoch einer netzknotenbezogenen Betrachtung entgegen, da diese auch die Verpflichtung kleinerer Kraftwerke zur Folge hätte. Dass kleinere Anlagen zunächst nicht einbezogen werden sollten, zeigt aber auch die Absenkung der Leistungsgrenze von 50 MW auf 10 MW durch das dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2012, I, S. 2743f.). Wäre der Gesetzgeber von einem netzknotenbezogenen Verständnis ausgegangen, wären Anlagen unterhalb der 50 MW-Grenze, soweit sie an einem Netzknoten liegen, von der ursprünglichen Regelung bereits erfasst gewesen. Die Begründung der Gesetzesänderung enthält jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit der Absenkung nun zusätzlich diejenigen Anlagen erfassen wollte, die nicht schon ohnehin über den Netzknoten verpflichtet waren. Er führt lediglich aus, dass die Leistungsgrenze zur Bestimmung der betroffenen Kraftwerke von 50 auf 10 Megawatt gesenkt würde, weil die Erfahrungen im Umgang mit Versorgungsengpässen im Winter 2011/12 gezeigt hätten, dass auch diese Kraftwerke mit geringerer Leistung entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der Systemstabilität haben könnten. Vor diesem Hintergrund erschien ihm eine Absenkung des Schwellenwertes und damit eine Ausweitung des Kreises der potentiell Verpflichteten zielführend (BT-Drs. 17/11705, S. 50). Dass der Gesetzgeber wie schon in der Begründung zur vorherigen Fassung erneut von „Kraftwerken“ („betroffenen Kraftwerke“, “diese Kraftwerke mit geringerer Leistung“) spricht, belegt vielmehr, dass hinsichtlich der Nennwertleistungsgrenze auf das einzelne Kraftwerk und nicht auf die Gesamtheit der an einem Netzknoten befindlichen Kraftwerke eines Betreibers abzustellen ist.
106Die Gesetzesänderung und ihre Begründung ist im Rahmen der Auslegung des § 13 Abs. 1a EnWG auch nicht irrelevant. Etwas anderes lässt sich insbesondere nicht den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 18.12.2013, VI-3 Kart 92/09 (V), entnehmen, wonach die Erwägungen in der Begründung einer Gesetzesänderung als nachgeschobene Rechtsauffassung im Rahmen der genetischen Auslegung zur Ermittlung des vom Gesetzgeber zuvor Gewollten nicht maßgebend sind. Anders als bei der Verordnungsänderung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV (BR-Drs. 447/13 vom 05.07.2013, S. 28), auf die sich der Senatsbeschluss vom 18.12.2013 bezieht, enthält die Begründung der Herabsetzung der Leistungsgrenze in der Bundestags-Drucksache 17/11705 keinerlei ausdrückliche Erwägungen zum Verständnis der bisherigen Regelung. Von einer nachgeschobenen Rechtsauffassung kann daher keine Rede sein.
107Auch systematische Erwägungen sprechen dafür, dass der Adressatenkreis i.S.v. § 13 Abs. 1a EnWG nur Betreiber von Anlagen erfasst, die je für sich genommen eine Leistung von 50 MW erreichen und nicht im Wege der Zusammenrechnung sämtlicher an einem Netzknoten angeschlossener Anlagen. Denn an anderen Stellen im Gesetz hat der Gesetzgeber die Zusammenrechnung mehrerer Anlagen ausdrücklich angeordnet. So enthält § 117 a Satz 2 EnWG die Vorgabe, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zum Zweck der Ermittlung der elektrischen Leistung im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 (bis zu 500 Kilowatt) unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten. Auch § 117a Satz 5 EnWG enthält eine Zusammenrechnungsklausel bezüglich der elektrischen Leistung mehrerer Anlagen im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG bzw. § 3 Abs. 2 KWKG. Ferner ist auch in § 19 Abs. 1 EEG ausdrücklich angeordnet, dass mehrere Anlagen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen zum Zwecke der Ermittlung der Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten. Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine Zusammenrechnung der Nennleistungen mehrerer Anlagen an einem Netzknoten ebenfalls ausdrücklich angeordnet hätte. Dafür spricht auch § 10 Abs. 1 der Reservekraftwerksverordnung vom 27.06.2013 (ResKVO, BGBl. I S. 1947), in der der Verordnungsgeber im Hinblick auf die Pflichten der Betreiber von Anlagen zur Anzeige einer Stilllegung nach § 13a Abs. 1 EnWG, zur Unterlassung der Stilllegung nach § 13a Absatz 1 Satz 2 und nach § 13a Absatz 3 EnWG, zur Bereithaltung der Anlage nach § 13a Abs. 3 EnWG sowie zur Anpassung der Einspeisung nach § 13 Abs. 1a EnWG ausdrücklich angeordnet hat, dass Anlagen oder Teilkapazitäten von Anlagen eines Betreibers, bei denen die Summe der Nettonennwirkleistungen aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen den jeweiligen Schwellenwert überschreitet, als eine Anlage gelten.
108Dass der Verordnungsgeber in der Begründung auf Seite 23 darauf verweist, dass Anlagen oder Teilkapazitäten von Anlagen unterhalb der Nennleistungsschwelle gleichwohl in Summe zu einer Gefährdung der Systemsicherheit führen können und deshalb § 10 Abs. 1 ResKVO festlegt, dass auf die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen abzustellen ist, lässt entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur keine Rückschlüsse auf das vom Gesetzgeber bei § 13 Abs. 1a EnWG zuvor Gewollte zu. Zum einen handelt es sich nicht um die Erklärung des Gesetzgebers, sondern um die der Bundesregierung, für die sich im Rahmen der Normauslegung des § 13 Abs. 1a EnWG jedoch keinerlei Anhaltspunkte ergeben und die schon von daher unbeachtlich ist. Zum anderen nimmt der Verordnungsgeber nicht etwa auf das sich unmittelbar aus der Norm des § 13 Abs. 1a EnWG ergebende Verständnis Bezug, sondern auf die Definition der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur in der hier streitgegenständlichen Festlegung, die er für die Auslegung der Norm im Rahmen der ResKVO entsprechend anwendbar erklärt. Ergäbe sich die netzknotenbezogene Betrachtung unmittelbar aus § 13 Abs. 1a EnWG, wäre dieser Hinweis – ebenso wie die Anordnung der Fiktion in § 10 Abs. 1 ResKVO - nicht erforderlich gewesen.
109Auch nach dem Sinn und Zweck des Schwellenwerts ist hinsichtlich des Nennlei-stungswerts auf das jeweilige Kraftwerk (Erzeugungseinheit) und nicht auf die Summe der an einem Netzknoten angeschlossenen Kraftwerke eines Betreibers abzustellen. Der Gesetzgeber wollte lediglich „größere Kraftwerke“ verpflichten. Die Mindestnennleistungsgrenze hat dabei den Zweck, die betroffenen – größeren - Kraftwerke näher zu bestimmen. Kraftwerke unterhalb der Nennleistungsgrenze von 50 MW hat der Gesetzgeber hingegen zunächst nicht für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems als systemrelevant angesehen. Dies hat sich erst aufgrund der Erfahrungen im Umgang mit den Versorgungsengpässen im Winter 2011/12 geändert, die gezeigt hatten, dass auch Kraftwerke mit einer Nennwertleistung von mindestens 10 MW entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der Systemstabilität haben können (BT-Drs. 17/11705 vom 28.11.2012, S. 50). Bezugspunkt für die Nennleistungsgrenze ist damit das Kraftwerk, also die Anlage, nicht der dahinter stehende Kraftwerksbetreiber. Anlagen, die unterhalb der Nennleistungsgrenze liegen, sollen mangels Systemrelevanz nicht verpflichtet sein. Bei netzknotenbezogener Betrachtungsweise würden aber auch Kraftwerke, die unterhalb dieser Bagatellgrenze liegen, in die Verpflichtung zur Wirkleistungsanpassung einbezogen, sofern sie an einem Netzknoten liegen. Soweit eine netzbezogene Betrachtung hätte erfolgen sollen, hätte der Gesetzgeber entweder eine ausdrücklich Regelung vorgenommen oder zumindest in der Gesetzesbegründung – wie der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 1 ResKVO – zwischen Anlagen und Teilkapazitäten von Anlagen oder - wie die Bundesnetzagentur in dem Eckpunktepapier vom 06.01.2012 – Blöcken von Erzeugungs- und Speicheranlagen unterschieden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Regelungslücke sind nicht vorhanden. Der Gesetzgeber wollte mit der 50 MW-Grenze auf Anlagen und nicht auf den Betreiber oder den Netzknoten abstellen. Insoweit verbietet sich eine Ausfüllung durch eine netzknotenbezogene Betrachtungsweise, unabhängig davon, dass eine solche für die Aufrechterhaltung der Systemstabilität grundsätzlich nützlich und geeignet wäre.
110Die Ausweitung des Adressatenkreises durch die Bundesnetzagentur kann auch nicht damit begründet werden, dass die Redispatch-Anweisung zu Gunsten der Anlagenbetreiber netzknotenbezogen erfolgen soll. Die Möglichkeit, die Anlage für die Redispatch-Maßnahme selbst auswählen zu können, ist nicht davon abhängig, dass für alle an einem Netzknoten gelegenen Anlagen eine Verpflichtung zum Redispatch besteht. Ebenso wenig kann die netzknotenbezogene Betrachtungsweise die Gefahr einer Gesetzesumgehung verhindern. Eine Umgehungsmöglichkeit besteht - theoretisch - nicht nur im Falle der anlagenbezogenen Betrachtungsweise der Bagatellgrenze durch eine bewusst geringere Dimensionierung der Einzelanlage, sondern auch im Falle der netzknotenbezogenen Betrachtung durch die vertragliche Übertragung der Betreibereigenschaft.
1111.3. Tenorziffer 3 Satz 2
112Auch die Regelung in Tenorziffer 3 Satz 2 der Festlegung, wonach die Wirkleistungseinspeisung für Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie auch negativ, d.h. ein Wirkleistungsbezug sein kann, ist rechtswidrig. Die den Übertragungsnetzbetreibern eingeräumte Befugnis zur Anweisung eines Wirkleistungsbezugs ist von § 13 Abs. 1a EnWG nicht gedeckt.
113Schon nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1a EnWG bezieht sich die Verpflichtung der Betreiber von Anlagen zur Speicherung von elektrischer Energie und von Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie nur auf die Wirkleistungseinspeisung. Dies korrespondiert mit dem Verständnis von Redispatch als Maßnahme des Erzeugungsmanagements, die auf die Anpassung der Stromeinspeisungen an die Bedürfnisse der Netzsicherheit abzielt. Davon zu unterscheiden ist das Lastmanagement, das auf eine Anpassung des Stromverbrauchs gerichtet ist. Das Lastmanagement ist zwar eine marktbezogene Maßnahme, die jedoch nicht in § 13 Abs. 1a EnWG, sondern in § 13 Abs. 4a EnWG (große Verbrauchsanlagen), § 14a EnWG (unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung) und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG (sonstige Verbrauchsanlagen) geregelt ist. Schon vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Gleichsetzung der Wirkleistungseinspeisung mit dem Wirkleistungsbezug. Daran ändert auch die Formulierung „negative Wirkleistungseinspeisung“ nichts. Auch die ausdrückliche Nennung von Speicheranlagen neben Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie lässt nicht zwingend den Schluss auf die Zulässigkeit der Anforderung eines Wirkleistungsbezugs zu. Die explizite Nennung von Speicheranlagen ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass das Energiewirtschaftsgesetz in § 3 Nr. 15 EnWG zwischen Anlagen zur Erzeugung und solchen zur Speicherung von elektrischer Energie unterscheidet. Speicher wären daher entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur nicht schon automatisch von dem Begriff „Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie“ umfasst, zumindest ergäben sich berechtigte Zweifel an ihrer Adressatenstellung, da Speicher sowohl Strom einspeisen als auch verbrauchen können. Dass Speicheranlagen nur unter dem Aspekt der Erzeugungsanlage erfasst sind, ergibt sich jedoch aus der ausdrücklichen Beschränkung auf die Wirkleistungseinspeisung. In den Sätzen 2 und 3 des § 13 Abs. 1a EnWG werden Speicher- und Kraftwerke darüber hinaus nur noch unter dem Begriff der „Erzeugungsanlagen“ zusammengefasst. Auch dies belegt, dass Speicher lediglich wegen ihrer Erzeugungsfunktion in § 13 Abs. 1a EnWG einbezogen worden sind.
114Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Gesetzgeber wollte mit der Einbeziehung von Speicheranlagen den potentiellen Adressatenkreis erweitern, „um nach Ausschöpfung von Maßnahmen nach Absatz 1 bei konventionellen Kraftwerken den Umfang von Einspeisemanagementmaßnahmen nach § 11 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu minimieren“. Dass es ihm dabei nicht nur um die Anpassung der Einspeisungen durch Speicher, sondern auch um die Anpassung des Bezugs von elektrischer Energie ging, ist nicht ersichtlich.
115Dass der Wirkleistungsbezug bei Speichern nicht identisch ist mit der Wirkleistungseinspeisung, ergibt sich auch aus § 118 Abs. 6 EnWG. Danach ist der Bezug der zu speichernden elektrischen Energie unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgeltpflichtig. Diese Regelung wäre jedoch nicht erforderlich, wenn es sich bei dem Wirkleistungsbezug von Speichern nicht um eine - grundsätzlich entgeltpflichtige - Netznutzung, sondern um eine (negative) Einspeisung handelte, da diese nach § 15 Abs. 1 Satz 3 StromNEV unentgeltlich ist.
116Schließlich steht auch der Sinn und Zweck der Norm der Einbeziehung des Wirkleistungsbezugs von Speicheranlagen in die gesetzlich begründete Redispatch-Verpflichtung nach § 13 Abs. 1a EnWG entgegen. § 13 Abs. 1a EnWG bezweckt die Anpassung von Einspeisungen zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität. Wie bereits ausgeführt, ist der Wirkleistungsbezug jedoch keine Einspeisung. Dass der Wirkleistungsbezug von Speicheranlagen grundsätzlich ebenfalls geeignet wäre, die Systemstabilität zu gewährleisten, rechtfertigt keine andere Bewertung. Einen solchen hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 13 Abs. 1a EnWG nicht angeordnet. Dass sich in der Vergangenheit Speicheranlagen auch im Pumpbetrieb an Maßnahmen des Übertragungsnetzbetreibers nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG beteiligt haben, lässt keine Rückschlüsse auf das Verständnis von § 13 Abs. 1a EnWG zu. Denn auf freiwilliger vertraglicher Grundlage ist der Gestaltungsrahmen in das Belieben der Parteien gestellt. Vorliegend geht es aber um das gesetzliche Eingriffsrecht der Übertragungsnetzbetreiber. Dessen Umfang muss der Gesetzgeber nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz wegen des damit verbundenen Eingriffs in Grundrechte der Kraftwerks- und Speicheranlagenbetreiber selbst bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978, 2 BvL 8/77, juris RN 75; BVerfGE 116, 24, 58; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 RN 54, 58ff).
1171.4. Tenorziffer 2: Spannungsebene
118Die weitere gegen Tenorziffer 2 erhobene Rüge der Betroffenen ist jedoch nicht begründet.
119Ihr Einwand, die Regelung in Tenorziffer 2 der Festlegung überschreite auch deswegen die Ermächtigungsgrundlage, weil die Bundesnetzagentur es verabsäumt habe, die Verpflichtung von Anlagen auf solche zu beschränken, die an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 kV angeschlossen sind, hat keinen Erfolg. Die Betroffene geht zwar zutreffend davon aus, dass § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung eine Anbindung der betroffenen Anlagen an Elektrizitätsversorgungsnetze mit einer Spannung von mindestens 110 kV vorsah. Das Kriterium der Spannungsebene ist erst durch das dritte Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2012, I, S. 2743f.) gestrichen worden (vgl. BT-Drs. 17/11705 vom 28.11.2012, S. 50). Die Bundesnetzagentur hat jedoch Anlagen an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von unter 110 kV nicht in den Geltungsbereich der Festlegung einbezogen. Dass Tenorziffer 2 der Festlegung das Spannungskriterium nicht enthält, beruht auf einem redaktionellen Versehen der Bundesnetzagentur, wovon auch die Betroffene ausgeht. Eine nach der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1a EnWG unzulässige Ausweitung des Adressatenkreises liegt damit nicht vor. Vielmehr ergibt die Auslegung der Festlegung gemäß §§ 133, 157 BGB, dass sich die Regelung auf die 110 kV-Ebene bezieht. So regelt Tenorziffer 9 ausdrücklich die Handhabung von Anweisungen zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung an Erzeugungsanlagen oder Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie in der 110-kV-Netzebene. Regelungen zu niedrigeren Spannungsebenen enthält die Festlegung hingegen nicht. Auch in der Begründung der Festlegung wird ausdrücklich nur auf die 110 kV-Ebene Bezug genommen, so auf Seite 29f. im Rahmen des Aufgreifermessens sowie auf Seite 57 ff im Rahmen der Begründung zu Tenorziffer 9. Mangels jedweder Anhaltspunkte für eine Ausdehnung des Adressatenkreises über die 110-kV Spannungsebene hinaus kann Tenorziffer 2 nur dahingehend verstanden werden, dass sie sich entsprechend der gesetzlichen Vorgabe in § 13 Abs. 1a EnWG a.F. auf Anlagen, die an Netze mit einer Spannungsebene von mindestens 110 kV angeschlossen sind, bezieht. Damit liegt auch kein Ermessensfehler in Form des vollständigen Ermessensausfalls vor.
1202. Bestimmtheit
121Die Festlegung ist auch nicht im Hinblick auf die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten rechtswidrig.
122Grundsätzlich wird dem Bestimmtheitsgebot dann Genüge getan, wenn der Adressat aus dem verfügenden Teil in Zusammenhang mit den Gründen vollständig, klar und unzweideutig erkennen kann, was von ihm gefordert wird (BGH, Beschluss vom 19.06.2007, KVR 17/06, RN 37). Dabei ist nicht notwendig, dass der Inhalt der Regelung im Tenor der Verfügung so zusammengefasst ist, dass alle Aspekte aus sich heraus verständlich sind. Vielmehr genügt es, dass sich der Regelungsinhalt aus dem Bescheid einschließlich seiner Begründung ergibt (BGH, WuW DE-R 195, 196 m. w. N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 37 RN 5, 12).
123Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Festlegung.
1242.1. Tenorziffer 2:
125Tenorziffer 2 ist hinreichend bestimmt.
1262.1.1. Netzknoten
127Die Verwendung des Begriffs „Netzknoten“ in Tenorziffer 2 Satz 3 führt nicht zur Unbestimmtheit der Festlegung. Dasselbe gilt für die Tenorziffern 3 Satz 3 und 8 Satz 4.
128Auch wenn verschiedene situationsspezifische Netzknotenbegriffe existieren, wie beispielsweise nach § 2 Nr. 11 StromNEV für das Pooling, ist die im Rahmen der streitgegenständlichen Festlegung maßgebliche Definition zweifelsfrei bestimmbar. In der Begründung zu Tenorziffer 2 Satz 3 der Festlegung führt die Bundesnetzagentur aus, dass auf „die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einen Netzanschlusspunkt angeschlossenen Einzel-Erzeugungsanlagen und – Speicher eines Betreibers“ abzustellen ist (S. 37). Auch die weitere Begründung stellt auf „die Gesamtheit aller an einen Anschlusspunkt angeschlossenen Anlagen“ ab (S. 37). Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Bundesnetzagentur den Begriff „Netzknoten“ als Synonym für den Begriff „Netzanschlusspunkt“ verwendet. Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zu Tenorziffer 3 Satz 3, die bezüglich der Anweisung zur Anpassung der Wirkleistung ebenfalls auf die Gesamtheit aller an einem Netzknoten angeschlossenen Erzeugungsanlagen und Speicher eines Betreibers abstellt. In der Begründung wird Netzknoten ausdrücklich als „Anschlusspunkt bzw. Netzknoten“ und „Anschlusspunkt“ bezeichnet (S. 39). Der Netzanschlusspunkt beschreibt die Anlagenteile, an denen die Anlagen des Netzbetreibers und des Netzkunden miteinander verbunden sind. Vor dem Hintergrund, dass sowohl § 13 Abs. 1a EnWG als auch die angegriffene Festlegung Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen erfasst, die an das Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossen sind, ergibt sich, dass es sich bei einem Netzknoten allein um den Anschlusspunkt dieser Anlagen an das Elektrizitätsversorgungsnetz handeln kann. Dementsprechend stellt bei dem von Anlagenbetreibern beschriebenen Fall des sogenannten getrennten Zwei-Sammelschienen-Betriebs, bei dem zwei Sammelschienen in einer Umspannanlage zweitweise ungekoppelt betrieben werden, jede Sammelschiene einen Netzknoten i.S.d. Festlegung dar.
129Der Hinweis einzelner Anlagenbetreiber, aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich ein übertragungsnetzbezogener Netzknotenbegriff, wonach auf die Verbindung zwischen dem fraglichen Übertragungsnetz und dem Elektrizitätsverteilernetz abzustellen sei, überzeugt hingegen nicht. Die Redispatch-Festlegung dient im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zwar der Konkretisierung der Anforderungen an Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone. Eine Beschränkung des Netzknotens auf Verbindungen zwischen Übertragungsnetz und Elektrizitätsverteilernetz, an das die fraglichen Anlagen angeschlossen sind, lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. § 13 Abs. 1a EnWG bezieht sich klar auf Anlagen zur Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie. Wie bereits ausgeführt bezeichnet ein Anschlusspunkt jedoch deren Verbindung zum Elektrizitätsversorgungsnetz. Für eine andere Auslegung besteht angesichts dessen kein Raum, insbesondere stellt die Verbindung zwischen Verteilernetz und Übertragungsnetz keinen Anschlusspunkt dar. Üblicherweise wird bei der Verbindung zwischen Verteiler- und Übertragungsnetz von einem Verbindungspunkt oder von einem Umspannwerk bzw. einer Umspannstation gesprochen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass auf der Informationsplattform der vier Übertragungsnetzbetreiber auf der Internetseite „netztransparenz.de“ bei Redispatch-Maßnahmen in der Rubrik „Betroffene Kraftwerke“ Kraftwerkpools genannt werden („R. KW-Pool“, „I. KW-Pool“). Dies lässt keine Rückschlüsse auf eine missverständliche Bedeutung des Begriffs „Netzknoten“ zu. Denn die Rubrik nennt entgegen seiner Bezeichnung nicht immer nur das betroffene Kraftwerk. Teilweise wird nur der Ort der Redispatch-Maßnahme, teilweise das konkrete Kraftwerk, teilweise aber auch nur die Betreiberin des Kraftwerks, nicht jedoch der Ort oder der Namen des konkret herangezogenen Kraftwerks aufgeführt. So wird beispielsweise auch die Z. AG genannt, die ebenfalls mehrere Kraftwerke betreibt. Dass lediglich die Betreiberin der Kraftwerke genannt wird, lässt damit nicht den Schluss auf einen „übertragungsnetzbezogenen“ Netzknotenbegriff zu.
1302.1.2. ausländische Anlagenbetreiber
131Die von einzelnen Kraftwerksbetreibern geltend gemachten Unklarheiten über die Adressatenstellung von ausländischen Stromerzeugern und Speicheranlagenbetreibern mit Anschluss an ein deutsches Übertragungsnetz bestehen ebenfalls nicht. Dass Tenorziffer 2 dazu keine Regelung enthält, ist unerheblich. Vielmehr bestimmt sich der Anwendungsbereich der nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG erlassenen Festlegung nach dem Anwendungsbereich des EnWG. Als Bundesgesetz findet dieses räumlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Ergänzend gilt § 109 Abs. 2 EnWG, wonach das EnWG Anwendung findet auf alle Verhaltensweisen, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst würden. Liegt der Anschluss der Anlage in Deutschland, gilt damit das EnWG und folglich auch die Festlegung.
1322.2. Tenorziffer 4
133Die Regelung in Tenorziffer 4 Satz 1 ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Rügen der Betroffenen sowie weiterer Kraftwerksbetreiber haben keinen Erfolg.
1342.2.1. netzstützende Wirkung
135Die Bundesnetzagentur hat in der Festlegung auf Seite 44 ausreichend deutlich gemacht, was unter dem Begriff „netzstützende Wirkung“ zu verstehen ist. Danach beschreibt die netzstützende Wirkung im Falle eines strombedingten Redispatch, um welche Leistung der Lastfluss auf dem von Überlast bedrohten Netzelement durch Anpassen der Wirkleistungseinspeisung der betroffenen Erzeugungsanlagen und Speicher reduziert wird. Im Falle einer spannungsbedingten Wirkleistungsanpassung beschreibt die netzstützende Wirkung die bewirkte Spannungsänderung an dem von einer Spannungsgrenzwertverletzung bedrohten oder betroffenen Netzknoten. Die Ermittlung der durch eine Anlage an einem bestimmten Netzknoten bewirkten Lastflussänderung bzw. Spannungsänderung bezogen auf deren Änderung der Einspeiseleistung erfolgt durch die Übertragungsnetzbetreiber. Dass die Bundesnetzagentur diesbezüglich keine Vorgaben gemacht hat, steht im Einklang mit § 13 Abs. 1a EnWG, der zur Ermittlung der erforderlichen Wirkleistungsanpassung keine Methoden vorgibt, sondern diese methodenoffen voraussetzt. Um die netzstützende Wirkung zu ermitteln, führen die Übertragungsnetzbetreiber nach den Ausführungen der Bundesnetzagentur in den Beschwerdeverfahren sog. Sensitivitätsuntersuchungen durch, indem im modulierten Netz verschiedene Szenarien simuliert werden. Diese Vorgehensweise entspricht den Handlungsempfehlungen bei der Vornahme von Anpassungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG im Leitfaden des BDEW und VKU („Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern“ vom 12.12.2012, S. 16, 27). Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften (BR-Drs. 10/08 vom 04.01.2008) ging im Rahmen des Eispeisemanagements nach § 11 EEG bereits von der Durchführung einer Sensitivitätsanalyse aus. Dabei darf der Netzbetreiber die Wechselwirkung zwischen einer Einspeisungsänderung an einem Netzknoten und dem Leistungsfluss über ein Netzbetriebsmittel vereinfacht als einen linearen Zusammenhang, den so genannten Sensitivitätsfaktor, beschreiben. Für das gesamte Netz ergibt sich somit eine Sensitivitätsmatrix, die den Zusammenhang abbildet, wie stark die an einem bestimmten Netzknoten eingespeiste Leistung die Leistungsflüsse über die verschiedenen Netzleitungen beeinflusst. Damit kann der Netzbetreiber ermitteln, welche Anlage in ihrer Einspeiseleistung beschränkt werden muss, um einen bestehendenNetzengpass zu beheben (vgl. BR-Drs. 10/08, Seite 107). Es handelt sich um eine anerkannte Methode, die netzstützende Wirkung zu berechnen. Der sich danach ergebende Wert kann sodann in den Quotienten eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass die Übertragungsnetzbetreiber mangels Vorgaben zur Bemessung der netzstützenden Wirkung die Kriterien aufstellen, anhand derer die Einsatzreihenfolge zu bestimmen ist. Die Übertragungsnetzbetreiber berechnen lediglich die netzstützende Wirkung nach einer anerkannten Methode. Die Reihenfolge der anzuweisenden Anlagen ergibt sich jedoch zwingend aus der Vorgabe in Tenorziffer 4, nämlich aus dem Quotienten von netzstützender Wirkung und Vergütung.
136Dass die netzstützende Wirkung von der jeweiligen Netzschaltung abhängig ist, wie die Betroffene geltend macht, steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen. Die Merit Order wird bei einem drohenden oder bestehenden Engpass erstellt. Dieser wird aber auf der Grundlage der aktuellen Netzschaltung prognostiziert, so dass auch die netzstützende Wirkung entsprechend der aktuellen Netzschaltung berechnet wird. Vor diesem Hintergrund kann es auch im Falle des sogenannten getrennten Zwei-Sammelschienen-Betriebs nicht dazu kommen, dass der Redispatch in einem Teil der Netzgruppe wirkt, in dem gerade kein Engpass besteht.
137Die netzstützende Wirkung der Erzeugungsanlage ist nach der Festlegung abstrakt, d.h. unabhängig von der freien Leistungsscheibe einer Anlage zu bestimmen. Eine konkrete Betrachtungsweise scheidet schon deshalb aus, weil die Meldepflichten bezüglich der freien Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8 Satz 4 der Festlegung lediglich netzknotenbezogen erfolgen, die Merit Order jedoch anlagenscharf aufgestellt wird.
138Dass der Übertragungsnetzbetreiber wegen der nur netzknotenbezogenen Meldung freier Leistungsscheiben nicht weiß, ob er eine bestimmte Anlage überhaupt in die Merit Order aufnehmen kann, steht der Berechnung der netzstützenden Wirkung einer Anlage sowie der Merit Order auch nicht entgegen. Die Festlegung enthält keine Vorgabe dahingehend, dass die netzstützende Wirkung anhand der freien Leistungspotentiale zu berechnen ist. Vielmehr wird diese – wie ausgeführt - unabhängig von den freien Leistungsscheiben anhand von Sensitivitätsuntersuchungen ermittelt. Die freien Leistungsscheiben – nach Tenorziffer 8 Satz 4 der Festlegung bezogen auf den Netzknoten - sind erst im Rahmen der Anweisung zu berücksichtigen. Für die Aufstellung der Merit Order spielen sie keine Rolle.
1392.2.2. Merit Order für spannungsbedingten Redispatch
140Es ist auch nicht zu beanstanden, dass Tenorziffer 4 für strombedingte und spannungsbedingte Redispatch-Maßnahmen nicht die Bildung unterschiedlicher Merit Order vorsieht. Die Bundesnetzagentur hat den Unterschied zwischen einem spannungsbedingten und einem strombedingten Redispatch gesehen und dementsprechend die netzstützende Wirkung für beide gesondert definiert (vgl. S. 44 der Begründung). Sie hat ferner ausdrücklich die Bildung einer Merit Order im Falle von Spannungsproblemen angeordnet und der Forderung der Übertragungsnetzbetreiber und einiger Anlagenbetreiber, die Merit Order auf strombedingte Überlastungen zu beschränken, eine Absage erteilt (S. 46f. der Begründung). Dementsprechend werden für strombedingte und spannungsbedingte Redispatch-Maßnahmen jeweils unterschiedliche Merit Order gebildet. Dies folgt daraus, dass die netzstützende Wirkung je nachdem, ob ein strom- oder spannungsbedingter Engpass besteht, unterschiedlich ist. Die Merit Order wird nicht abstrakt, sondern immer bezogen auf das konkret zu behebende Netzproblem (Strom- oder Spannungsgrenzwertverletzung) sowie unter Berücksichtigung von dessen Lokalität im Übertragungsnetz vorgenommen.
141Die Wirkleistungseinspeisung ist für eine Änderung der Spannung auch nicht irrelevant. Richtig ist zwar, dass die Spannung letztlich durch die Blindleistungseinspeisung beeinflusst wird. Insoweit ist jedoch zu unterscheiden zwischen der Einspeisung von Blindleistung ohne Änderung der Wirkleistung und mit Änderung der Wirkleistung. Die Festlegung umfasst nur die Wirkleistungsanpassung zur Ermöglichung der Blindleistungseinspeisung (vgl. S. 11 der Festlegung). Um Blindleistung in der benötigten Menge einspeisen zu können, kann es erforderlich sein, dass ein Kraftwerk, seine Wirkleistungseinspeisung reduziert oder umgekehrt wenigstens auf Mindestlast hochfährt. Die Übertragungsnetzbetreiber haben daher zu prognostizieren, welche Wirkleistungsanpassung einzelner Kraftwerke für die zur Beseitigung oder Verhinderung einer Spannungsgrenzwertverletzung erforderliche Blindleistungsmenge im Netz erforderlich ist.
142Es bestehen auch keine Unklarheiten über Zeitpunkt und Häufigkeit der Bildung der Merit Order. Diese ist für jeden Netzengpass individuell und jeweils neu aufzustellen. Dies folgt schon daraus, dass die für die Aufstellung der Merit Order maßgebliche netzstützende Wirkung wegen ihrer Abhängigkeit von der Entfernung der Anlage zum Engpass immer nur für das konkret bedrohte Netzelement ermittelt wird. Insoweit bestehen auch keine Probleme, einen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Vergütungsregelungen bei der Bildung der Merit Order zu berücksichtigen.
1432.2.3. unbestimmte Rechtsbegriffe
144Die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „sicherer Betriebszustand“ in Tenorziffer 4 Satz 4 und „netztechnische Notwendigkeit“ in Tenorziffer 4 Satz 5 der Festlegung sind hinreichend bestimmbar. Die Rügen einiger Kraftwerksbetreiber gehen fehl. Aufgrund der Tatsache, dass Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG sowie Tenorziffer 1 der Festlegung nur im Falle von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone aufgrund strombedingter Überlastungen oder Spannungsgrenzwertverletzungen zulässig sind, sichern Tenorziffer 4 Satz 4 und 5 der Festlegung – zugunsten der Anlagenbetreiber -, dass der Umfang und die Dauer der Anpassung der Wirkleistungseinspeisung nur zur Erreichung des mit der Redispatch-Maßnahme verfolgten Zwecks – Beseitigung des Engpasses bzw. der Spannungsgrenzwertverletzung – erfolgen darf. Ein sicherer Betriebszustand ist demnach erreicht, sobald die strombedingte oder spannungsbedingte Gefährdung oder Störung beseitigt ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus den in Tenorziffer 1 erwähnten Netzbelastungsberechnungen oder aufgrund anderer gesicherter Erkenntnisse der Übertragungsnetzbetreiber. Im Falle der strombedingten Überlastung wird – nach einhelliger Meinung sämtlicher Akteure - auf das n-1-Kriterium abgestellt. Liegt keine strombedingte Überlastung von Betriebsmitteln oder die Verletzung betrieblich zulässiger Spannungsbänder mehr vor, entfällt dementsprechend auch die „netztechnische Notwendigkeit“ für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung.
1452.2.4. Widerspruch zwischen Tenorziffern 3 und 4
146Dass die Anweisung zur Wirkleistungsanpassung nach Tenorziffer 3 bezogen auf den Netzknoten, an dem eine Gesamtheit von Anlagen eines Betreibers angeschlossen ist, erfolgt, während die Reihenfolge der Heranziehung der Anlagen nach Tenorziffer 4 anlagenscharf bestimmt wird, führt nicht zur Widersprüchlichkeit der Regelungen. Die netzbezogene Anweisung nach Tenorziffer 3 soll nur das Wahlrecht der Anlagenbetreiber sichern, verpflichtet ist aber letztlich nur die sich aus der Merit Order ergebende Anlage. Dass die Merit Order anlagenscharf zu bilden ist, ergibt sich schon daraus, dass im Rahmen des zu bildenden Quotienten auf die Vergütung abgestellt wird. Es würde wenig Sinn machen, die Vergütung netzknotenbezogen zu ermitteln, da diese anlagenspezifisch sehr unterschiedlich sein kann und die Merit Order mit der Einbeziehung der Vergütung gerade den Zweck verfolgt, die Maßnahmen zur Wirkleistungsanpassung möglichst kosteneffizient durchzuführen. Auch die Regelung in Tenorziffer 3 Satz 3 wäre überflüssig, wenn die Merit Order nicht anlagenscharf, sondern netzknotenbezogen ermittelt würde. Unklarheiten bezüglich der verpflichteten Anlage ergeben sich demnach grundsätzlich nicht.
147Dasselbe gilt für die Frage, auf welche Anlage für die Vergütung abzustellen ist. Entgegen der Auffassung einiger Kraftwerksbetreiber ist der Übertragungsnetzbetreiber trotz seiner Unkenntnis darüber, welche der an demselben Netzknoten angeschlossenen Anlagen der Betreiber für die Wirkleistungsanpassung heranzieht, in der Lage, den Quotienten aus netzstützender Wirkung einerseits und der für die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung zu entrichtenden Vergütung andererseits nach Tenorziffer 4 S. 2 der Festlegung zu bestimmen. Denn die Merit Order wird unabhängig davon, welche Anlage eines Betreibers später die Wirkleistungsanpassung vornimmt, anlagenscharf bestimmt, d.h. für jede einzelne Anlage wird deren netzstützende Wirkung und die für deren Heranziehung zu zahlende Vergütung ermittelt und anschließend eine Reihung vorgenommen. Auch insoweit bestehen keine Unklarheiten. Selbst wenn tatsächlich eine andere Anlage die Wirkleistungsanpassung durchführt, wird die Anlage bzw. der Netzknoten angewiesen, an dem sich die aus der Merit Order ergebende günstigste Anlage liegt. Wie im Senatstermin bestätigt worden ist, erhält der Anlagenbetreiber aber die Vergütung für die Anlage, die die Redispatch-Maßnahme tatsächlich ausführt. Soweit einige Kraftwerksbetreiber darin einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 1 Abs. 1 EnWG sehen, ist schon nicht ersichtlich, inwieweit sie dadurch beschwert sein sollen. Dasselbe gilt für die Rüge weiterer Kraftwerksbetreiber, wonach durch die netzknotenbezogene Anweisung und das damit verbundene Wahlrecht des Anlagenbetreibers die festgelegte Einsatzreihenfolge konterkariert werde.
148Soweit Kraftwerksbetreiber geltend gemacht haben, die Festlegung sei unbestimmt, weil sie nicht sicherstelle, dass die Inanspruchnahme nur im Rahmen der freien Leistungsscheiben der verpflichteten Anlage erfolge, kann dem nicht gefolgt werden. Dass die Wirkleistungsanpassung auch über die freien Leistungspotentiale der „Platz 1-Anlage“ hinaus erfolgen kann, solange an demselben Netzknoten noch freie Leistungsscheiben anderer Anlagen des Betreibers zur Verfügung stehen, beruht nicht auf der – nur das Wahlrecht des Anlagenbetreibers sichernden – netzknotenbezogenen Anweisung, sondern ist – von der Festlegung ganz bewusst beabsichtigte – Folge der nur netzknotenbezogenen Meldung freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8, die die Anlagenbetreiber in geringerem Maße belastet als die anlagenscharfe Meldung. Ein Verstoß der Merit Order gegen den Bestimmheitsgrundsatz folgt daraus nicht.
1492.2.5. Vergütung
150Die Bildung der Merit Order nach Ziffer 4 ist auch nicht wegen der Einbeziehung der zu entrichtenden Vergütung unklar.
1512.2.5.1. gesonderte Vergütungsfestlegung
152Dass die Vergütung nicht in der Festlegung der Beschlusskammer 6, sondern in der der Beschlusskammer 8 geregelt ist, führt für sich gesehen weder zur Rechtswidrigkeit der Festlegung im Allgemeinen noch der Merit Order im Besonderen. Die Methodik zur Bestimmung der Einsatzreihenfolge ist in der hier streitgegenständlichen Festlegung geregelt. Die im Rahmen des Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung zu berücksichtigende Vergütung ist nach den Vorgaben der Festlegung der Beschlusskammer 8 zu bestimmen.
1532.2.5.2. fehlende Datengrundlage
154Der Einwand der Betroffenen und weiterer Kraftwerksbetreiber, die Vergütung sei nicht schon im Voraus bei Erstellung der Merit Order bestimmbar, da dem Übertragungsnetzbetreiber die dazu erforderliche Datengrundlage fehle, greift ebenfalls nicht durch.
155Sowohl für den individuellen Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 der Vergütungsfestlegung als auch für die Bagatellvergütung nach Tenorziffer 3 der Vergütungsfestlegung sind historische Werte heranzuziehen, die dem Übertragungsnetzbetreiber zu melden sind. Die von der Betroffenen aufgeworfene Problematik der täglichen Aktualisierung der Preise stellt sich daher nicht. Da es nicht auf die mit der Redispatch-Maßnahme verbundenen aktuellen Kosten ankommt, steht die für die Bestimmung der Vergütung im Rahmen der Merit Order erforderliche Datengrundlage grundsätzlich im Voraus zur Verfügung. Für den individuellen Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 der Vergütungsfestlegung sind die Anschaffungswerte des letzten Quartals maßgeblich. Diese sind nach Tenorziffer 7a der Vergütungsfestlegung vom Anlagenbetreiber auf Verlangen des Übertragungsnetzbetreibers zu belegen und nachzuweisen. Um die Merit Order erstellen zu können, wird der Übertragungsnetzbetreiber die Daten daher jeweils rechtzeitig zum Abschluss eines Quartals anfordern. Für die Bagatellvergütung sind die Börsenpreise des vorherigen Kalendermonats maßgeblich. Diese Daten sind nach Tenorziffer 7b der Vergütungsfestlegung laufend monatlich zu übermitteln und zu aktualisieren. Ausweislich der Begründung der Festlegung sind diese Werte jeweils einmal monatlich zu melden (vgl. S. 16, 18 der Festlegung). Der genaue Zeitpunkt für die Meldung ist in der Festlegung zwar nicht genannt, aus der Verpflichtung diese „laufend“ zu übermitteln und zu aktualisieren, ergibt sich jedoch, dass diese unverzüglich nach Ablauf des Betrachtungszeitraums zu erfolgen hat. Die darüber hinaus zu vergütenden zusätzlichen Aufwendungen für An- oder Abfahrvorgänge bestimmen sich – entsprechend der Erläuterungen in Ziffer 5.1.3.1. der Vergütungsfestlegung - ebenfalls nach den in der Finanzbuchhaltung des Vorquartals ausgewiesenen Werten, die auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers nach Tenorziffer 7 a) der Festlegung mitzuteilen sind. Angesichts der klaren Regelungen in Tenorziffer 7 der Vergütungsfestlegung kann eine (vorherige) Mitteilungsverpflichtung der Anlagenbetreiber nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
156Allerdings ist davon auszugehen, dass die Daten des Vorquartals sowie die des Vormonats in der Regel nicht schon am ersten Tag der Folgeperiode vorliegen werden. Das Problem der Datenlücken stellt sich jedoch nur für einen kurzen Zeitraum, der darüber hinaus nicht zwingend relevant sein muss, da die Merit Order nur im konkreten Engpassfall aufgestellt wird. Für die Bagatellvergütung sieht Tenorziffer 4 im Übrigen ausdrücklich eine Ausnahmeregelung vor, wenn die Bagatellregelung nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen kann. Beispielhaft ist in der Begründung (S. 20) aufgeführt, dass dem Übertragungsnetzbetreiber keine belastbaren Daten des letzten Kalendermonats vorliegen und er nicht in der Lage ist, die Grenzkosten zu schätzen. In einem solchen Fall ist ein individueller Aufwandsersatz gemäß Ziffer 2 vorzunehmen, bei dem es auf die Anschaffungswerte des Vorquartals ankommt. Damit reduziert sich das Problem des Vorliegens einer kurzfristigen Datenlücke auf Zeiten des Quartalsbeginns. Solche Datenlücken zu Beginn des Betrachtungszeitraums sind jedoch nicht zu vermeiden, wenn man nicht – den Interessen der Anlagenbetreiber zuwider - generell auf zeitlich noch weiter zurückliegende Daten abstellen möchte. Soweit noch keine belastbare Datenbasis vorliegt, muss der Übertragungsnetzbetreiber zur Erstellung der Merit Order die Vergütung daher schätzen. Davon geht auch die Vergütungsfestlegung auf Seite 20 aus. Die Übertragungsnetzbetreiberin X. hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Kosten jeder Anlage kennt. Damit erscheint eine Schätzung jedenfalls grundsätzlich möglich. Notfalls muss der Übertragungsnetzbetreiber kurzfristig auf ältere Daten zurückgreifen. Ein willkürliches Vorgehen ist dadurch nicht zu besorgen. Insofern ist zu beachten, dass die Schätzung nur auf die Erstellung der Merit Order beschränkt ist, die Vergütung wird jedoch nach den tatsächlichen Kosten der Anlage gezahlt, so dass eine Beschwer der Anlagenbetreiber nicht gegeben ist. Nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG steht dem Anlagenbetreiber für die Wirkleistungsanpassung eine angemessene Vergütung zu. Soweit die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 demgegenüber nur einen Aufwandsersatz vorsieht, ist diese rechtswidrig und ist – mit Beschlüssen vom heutigen Tag in den Beschwerdeverfahren gegen die Festlegung der Beschlusskammer 8, auf die verwiesen wird - aufzuheben.
1572.2.5.3. Vergütungsvarianten
158Auch die weiteren von den Anlagenbetreibern geäußerten Bedenken gegen die Bestimmbarkeit der konkret zu zahlenden Vergütung führen nicht zur Unbestimmtheit der Regelung in Tenorziffer 4. Mit der Einbeziehung der Vergütung, die auf den ausdrücklichen Wunsch der Anlagenbetreiber zurückzuführen ist, soll nicht nur die für die Beseitigung des Engpasses oder der Spannungsgrenzwertverletzung erforderliche netzphysikalische Wirkung der Wirkleistungsanpassung berücksichtigt werden, sondern auch die Kosteneffizienz der Maßnahme. Dabei geht es aber nicht darum, die Wirklichkeit 1:1 wiederzugeben, vielmehr stellt die Merit Order lediglich eine Methodik zur bestmöglichen Reihung der einzelnen im Engpassfall in Betracht kommenden Anlagen dar. Verzerrungen lassen sich dabei jedoch nicht gänzlich ausschließen. Auch die Anlagenbetreiber haben auf ausdrückliche Nachfrage des Senats im Termin nichts dazu vorgetragen, wie man die Reihenfolge sinnvoller oder einfacher gestalten könnte. Ausreichend ist daher, dass die Vergütung – notfalls im Wege der Schätzung – jedenfalls ungefähr im Voraus bestimmbar ist. Dies ist jedoch der Fall.
159So ist nicht unklar, welche der drei Vergütungsvarianten der Festlegung der Beschlusskammer 8 der Übertragungsnetzbetreiber wählen wird. Die Vergütungsfestlegung sieht zwar verschiedene Abrechnungsalternativen vor, nämlich den individuellen Aufwendungsersatz nach Ziffer 2, die pauschale Vergütung nach der Bagatellregelung in Ziffer 3 oder die zusätzliche Vergütung eines Leistungsanteils nach Ziffer 5. Diese Varianten knüpfen jeweils an den Umfang der aktuellen Redispatchmenge im Verhältnis zur Vorjahresmenge an. Dass die Vergütung damit jeweils von dem Ausmaß der Heranziehung eines Kraftwerksbetreibers zu Redispatch-Maßnahmen abhängig ist, steht der Bildung der Merit Order ebenfalls nicht entgegen.
160Grundsätzlich ist bis zur Bagatellgrenze von 0,9 % der Einspeisemengen des Vorjahres einer Erzeugungsanlage eine pauschale Vergütung nach Tenorziffer 3 der Vergütungsfestlegung zu zahlen. Bei Überschreiten dieser Grenze ist für die weiteren Redispatch-Mengen ein individueller Aufwandsersatz nach Tenorziffer 2 zu leisten. Die Daten liegen dem Übertragungsnetzbetreiber vor. Er ist daher in der Lage, bei Aufstellung der Merit Order zu erkennen oder zumindest abschätzen zu können, ob und wann mit einer aktuellen Wirkleistungsanpassung die Grenzwerte überschritten werden. Die zur Bestimmung der Höhe der Vergütung erforderlichen historischen Daten liegen ihm aufgrund der Meldungen der Anlagenbetreiber ebenfalls vor oder können zumindest von ihm geschätzt werden. Nur in Ausnahmefällen ist anstelle der pauschalen Vergütung nach Tenorziffer 3 auch für Mengen unterhalb der 0,9 % Grenze ein individueller Aufwandsersatz zu zahlen, Tenorziffer 4 der Vergütungsfestlegung. In der Begründung wird auf S. 19 beispielhaft aufgeführt, welche Situationen ein Abweichen ausnahmsweise zulassen. Die dort genannten Ausnahmesituationen lassen sich für den Übertragungsnetzbetreiber schon bei Aufstellung der für jeden Engpassfall erstellten Merit Order absehen. Das gilt auch für den Fall, dass die Erzeugungsanlage im Kalendermonat vor der Redispatch-Maßnahme nicht im Normalbetrieb eingespeist hat und der Übertragungsnetzbetreiber die angemessene Vergütung nach Tenorziffer 3d) anhand vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten der letzten 12 Vormonate abzuleiten hat. Ob die Regelung ihrerseits unbestimmt ist, wie teilweise geltend gemacht worden ist, kann dahinstehen, da dies keinen Einfluss auf die Bestimmbarkeit der Merit Order hat. Unzureichende Vorgaben zur Bestimmung vergleichbarer Erzeugungsanlagedaten stellen allenfalls die Belastbarkeit der herangezogenen Daten in Frage. Der Erstellung der Merit Order als solcher steht die Berücksichtigung solcher Daten im Quotienten netzstützende Wirkung/Vergütung hingegen nicht entgegen. Selbst wenn dem Übertragungsnetzbetreiber ein Vergleich gänzlich unmöglich sein sollte, führt dies lediglich dazu, dass er die Bagatellvergütung für im Kalendervormonat nicht im Normalbetrieb einspeisende Anlagen nicht ermitteln und statt dessen in Anwendung von Tenorziffer 4 der Vergütungsfestlegung den individuellen Aufwandsersatz gemäß Tenorziffer 2 zu leisten und der Merit Order zugrunde zu legen hat.
161Bei Redispatch-Mengen, die mehr als 10 % der Einspeisemengen des Vorjahres ausmachen, kann der Übertragungsnetzbetreiber nach Tenorziffer 5 zusätzlich in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur einen Leistungsanteil vergüten. Auch dieser ist damit grundsätzlich bestimmbar. Nur soweit ein solcher Abstimmungsprozess nicht rechtzeitig bis zur Erreichung der 10 %-Grenze stattgefunden hat, kann das Leistungsentgelt bei Aufstellung der Merit Order möglicherweise vorübergehend nicht berücksichtigt werden. Da es sich nur um einen zusätzlichen Vergütungsanteil handelt, bleibt die grundsätzlich zu zahlende Basisvergütung aber weiterhin bestimmbar und kann in die Merit Order eingestellt werden. Dass die Merit Order die Vergütung in diesem Fall nicht vollständig abbildet, mag zwar im Einzelfall zu einer unrichtigen Reihung führen. Da die Anlagenbetreiber jedoch für die Wirkleistungsanpassung die tatsächlich angefallene Vergütung vom Übertragungsnetzbetreiber erhalten, sind sie dadurch nicht beschwert.
1622.2.5.4. Übergangsfrist in Tenorziffer 9 der Vergütungsfestlegung
163Soweit Kraftwerksbetreiber teilweise gerügt haben, Tenorziffer 4 der hier streitgegenständlichen Festlegung und Tenorziffer 9 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 seien widersprüchlich, bedarf es nach Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2013 dazu keiner Entscheidung mehr.
1642.2.5.5. Vertrag
165Der ex-ante-Bestimmung der Vergütung und damit der Merit Order steht auch nicht das Erfordernis eines vorherigen Vertragsschlusses nach Tenorziffer 1 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 entgegen. Zwar gibt die Vergütungsfestlegung in Tenorziffer 1 vor, dass bei Verträgen über strombedingte Anpassungen der Wirkleistungseinspeisungen i.S.d. § 13 Abs. 1a EnWG nach Maßgabe der Festlegung BK6-11-098 eine Vergütungsregelung zu vereinbaren ist, die den festgelegten Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung entspricht. § 13 Abs. 1a EnWG verpflichtet Anlagenbetreiber jedoch kraft Gesetzes zur Mitwirkung an einer Redispatch-Maßnahme. Dementsprechend setzt auch die Festlegung der Beschlusskammer 6 keinen Vertragsschluss voraus. Auch für die Vergütung ist ein Vertragsschluss nicht erforderlich. Die Festlegung der Beschlusskammer 8 gilt sowohl für freiwillige auf vertraglicher Basis erbrachte als auch nach § 13 Abs. 1a EnWG kraft gesetzlicher Verpflichtung erbrachte Redispatch-Leistungen. Dies ergibt sich schon aus der Bezugnahme in Tenorziffer 1 der Vergütungsfestlegung auf § 13 Abs. 1a EnWG. Ferner wird in der Begründung des Aufgreifermessens in der Festlegung der Beschlusskammer 8 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Verpflichtung nach § 13a Abs. 1 EnWG einer konkretisierenden Ausgestaltung im Hinblick auf die Vergütungshöhe bedarf, um eine diskriminierungsfreie, sich an sachlichen Kriterien orientierende Vergütung von Redispatch-Maßnahmen und spannungsbedingten Eingriffen zu ermöglichen.
1662.2.5.6. Unmöglichkeit
167Da die Vergütung bestimmbar ist, liegt im Hinblick auf die Aufstellung der Einsatzreihenfolge auch kein Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit vor. Die streitgegenständliche Festlegung ist daher nicht gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, wie teilweise geltend gemacht worden ist.
168Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die gegen die Vergütungsfestlegung eingelegten Beschwerden Erfolg haben und der Senat die Festlegung mit Beschlüssen vom heutigen Tag aufhebt. Damit entfallen zwar die Vorgaben zur Bestimmung der Vergütung vorübergehend bis zur Festlegung einer etwaigen neuen Vergütungsfestlegung. Der Vergütungsanspruch der Anlagenbetreiber ergibt sich allerdings schon unmittelbar aus dem Gesetz aus § 13 Abs. 1a EnWG, wonach Redispatch-Maßnahmen nur gegen angemessene Vergütung durchzuführen sind. Da die Bestimmung der angemessenen Vergütung – unabhängig vom Schicksal der Festlegung der Beschlusskammer 8 – aber grundsätzlich möglich ist, liegt keine tatsächliche Unmöglichkeit vor, die gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zur Nichtigkeit der hier streitgegenständlichen Festlegung führen würde. Es liegt auch kein Ermessensfehler unter dem Gesichtspunkt des Ermessensausfalls vor.
1692.3. Tenorziffer 5
170Auch die gegen die Bestimmtheit der Tenorziffer 5 über den energetischen Ausgleich gerichteten Rügen der Betroffenen und weiterer Kraftwerksbetreiber haben keinen Erfolg.
171Nach der Festlegung bleibt nicht offen, ob der energetische Ausgleich einer Redispatch-Maßnahme anhand der geplanten Fahrweise des Kraftwerks bemessen wird oder anhand der tatsächlichen Fahrweise des Kraftwerks. Der energetische Ausgleich zielt ausweislich Seite 47 der Festlegung auf die Gewährleistung der bilanziellen Neutralität der Maßnahme. Denn mit der Anweisung eines Kraftwerks zum spannungsbedingten Redispatch fehlt es an der bilanziell egalisierenden gegenläufigen Wirkleistungsanpassung. Diese soll der Übertragungsnetzbetreiber durch Abschluss eines Intraday-Geschäfts oder bilateralen Handelsgeschäfts herstellen. Dementsprechend richtet sich der energetische Ausgleich, also der Umfang des vom Übertragungsnetzbetreiber abzuschließenden Gegengeschäftes, nach dem in den Redispatch-Bilanzkreis eingestellten Redispatch-Fahrplan.
172Auch die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ausnahme nach Tenorziffer 5 Satz 3 der Festlegung sind hinreichend bestimmt. Die Beschlusskammer hat auf Seite 48 der Festlegung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich von den – in der Begründung dargestellten - Stellungnahmen habe überzeugen lassen, dass eine Beschränkung auf den energetischen Ausgleich über Börsengeschäfte aufgrund deren Anonymität zu kontraproduktiven Effekten führen könne und sie daher bilaterale Handelsgeschäfte für Ausnahmefälle zulasse und gleichzeitig den Bedenken nicht immer ausreichender Liquidität des börslichen Intraday-Handels Rechnung trage. Daraus ergibt sich, dass bilaterale Handelsgeschäfte immer dann zulässig sind, wenn die den energetischen Ausgleich vornehmende Anlage in räumlicher Nähe zu dem von der Spannungsgrenzwertverletzung betroffenen Standort liegt, weil dadurch die Effektivität des spannungsbedingten Redispatch unterlaufen würde. Vor diesem Hintergrund musste die Bundesnetzagentur auch nicht erwägen oder definieren, wann die genannte Gefahr nicht besteht. Eine solche ist – im Umkehrschluss – nicht gegeben, wenn die den energetischen Ausgleich durchführende Anlage räumlich weiter von dem betroffenen Standort entfernt ist und zwar so weit, dass ihre Ausgleichsmaßnahme keinen Einfluss auf das zu beseitigende Spannungsproblem hat. Soweit die Betroffene darauf hinweist, mit ihr sei bislang kein entsprechendes Handelsgeschäft abgeschlossen worden, steht dies der Bestimmtheit der Regelung nicht entgegen. Der energetische Ausgleich setzt nicht zwingend den Abschluss eines Handelsgeschäfts voraus. Der Hinweis einer Kraftwerksbetreiberin, mit ihr sei bislang kein entsprechendes Handelsgeschäft abgeschlossen worden, lässt daher keinerlei Rückschlüsse auf eine nicht ausreichende Bestimmtheit der Regelung oder sonstige offene „operative Fragen“ zu.
173Es bestehen auch keine Unklarheiten bei der Anwendung der Tenorziffer 5 der Festlegung auf Pumpspeicherkraftwerke. Ebenso wie bei allen anderen Anlagen erstreckt sich der energetische Ausgleich auf die konkret angewiesene Wirkleistungsanpassung. Erhöht das Pumpspeicherkraftwerk seine Einspeisung, muss eine andere Anlage seine Einspeisung reduzieren und umgekehrt. Der energetische Ausgleich bezieht sich bei Pumpspeicherkraftwerken hingegen nicht auch auf den späteren Zeitraum, bei dem die Anlage wegen der fehlenden Wassermenge im Oberbecken keinen Strom produzieren kann. Produziert die Anlage keinen Strom, speist sie auch nicht ein, so dass es keines energetischen Ausgleichs bedarf. Soweit es in diesem Zusammenhang lediglich um verpasste Handelsgeschäfte geht, sind diese nicht über einen energetischen Ausgleich des Übertragungsnetzbetreibers zu kompensieren; vielmehr regelt die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8, ob und inwieweit ein finanzieller Ersatz zu leisten ist. Nach Tenorziffer 2 sowie der Begründung der Vergütungsfestlegung auf Seite 20f. sind Schattenpreise jedoch nicht berücksichtigungsfähig. Ob dieser Ausschluss zu Unrecht erfolgt ist, betrifft nicht die Regelung des energetischen Ausgleichs in der hier streitgegenständlichen Festlegung, sondern die Rechtmäßigkeit der Vergütungsfestlegung.
1742.4. Geltungsbereich der Festlegung
175Die Festlegung ist auch nicht im Hinblick auf ihren Geltungsbereich unbestimmt, insbesondere ergeben sich keine Unklarheiten dahingehend, ob die Pflichten zwischen den Beteiligten unmittelbar gelten sollen oder ob es des Abschlusses eines Vertrages bedarf, um die Pflichten zu konkretisieren.
176Wie bereits ausgeführt, konkretisiert die Festlegung die Regelung des 13 Abs. 1a EnWG, welche aber gerade keine vertragliche Vereinbarung erfordert, sondern ein gesetzliches Eingriffsrecht begründet (vgl. BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71:“Der neu eingeführte Absatz 1a schafft einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen, indem Anpassungsbefugnisse gegenüber größeren Kraftwerken gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben werden“ (Herv.d.Senat); vgl. auch König in: BerlKommEnR, 3. Aufl., § 13 RN 20). Dementsprechend setzt auch die Festlegung der Beschlusskammer 6 keinen Vertragsschluss voraus (so letztlich trotz der Bedenken gegen die Bestimmtheit auch: de Wyl, Hartmann, Weise: Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, 66, 67). Dies ergibt sich auch aus der Festlegung selbst. Bereits in Tenorziffer 1 weist die Beschlusskammer auf die Zulässigkeit der Anweisung des Übertragungsnetzbetreibers zur Wirkleistungsanpassung im Engpass- und Spannungsgrenzwertverletzungsfall sowie in Tenorziffer 2 auf die Verpflichtung der Anlagenbetreiber zur Wirkleistungsanpassung hin. Insoweit greift sie die Bestimmungen in § 13 Abs. 1a EnWG auf und konkretisiert sie hinsichtlich des Adressatenkreises. Von dem Erfordernis eines Vertragsschlusses ist weder die Rede noch kommt ein solches im Hinblick auf das gesetzliche Eingriffsrecht in Betracht. In der Begründung stellt die Beschlusskammer sodann unter Ziffer 2. „Verfahrensablauf“ (S.11) dar, dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme des § 13 Abs. 1a in das EnWG nunmehr alle Anlagenbetreiber mit einer Nennleistung ab 50 MW an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 kV verpflichtet hat, gegen angemessene Vergütung die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung anzupassen. Gleichzeitig weist sie auf die ihr dabei zugewiesene Kompetenz zur Festlegung verfahrenstechnischer Vorgaben und bezüglich der Höhe der Vergütung hin. Auch das macht deutlich, dass die Bundesnetzagentur im Bewusstsein, dass sie mit der Festlegung die gesetzliche Verpflichtung lediglich konkretisiert, keinen Vertragsschluss für deren Geltung voraussetzt. Dasselbe ergibt sich aus der Nennung der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG (Ziffer II.1., S. 29). Auch ihr Aufgreifermessen begründet sie damit, dass die gesetzliche Vorgabe zur verpflichtenden Bereitstellung von Erzeugungsanlagen und Speichern zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung bei Strom- oder Spannungsgrenzwertverletzungen im Stromnetz einer konkretisierenden Ausgestaltung bedarf (Ziffer. II.2., S. 29). Soweit demgegenüber im Titel der Festlegung sowie in der Begründung unter Ziffer II.1. , II.2. (S. 29) und unter II.3. (S.29) von der „Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen“ die Rede ist, beruht dies auf dem - den Betroffenen bekannten - Umstand, dass das Festlegungsverfahren bereits am 19.04.2011 und damit vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1a EnWG eingeleitet worden ist und zu diesem Zeitpunkt Redispatch-Maßnahmen ausschließlich auf der Grundlage bilateraler Verträge durchgeführt worden sind. Nachdem der Gesetzgeber mit § 13 Abs. 1a EnWG die gesetzliche Verpflichtung der Anlagenbetreiber, Wirkleistungsanpassungen auf Anweisung der Übertragungsnetzbetreiber durchzuführen, geschaffen hat, hat sie das Festlegungsverfahren nicht wieder neu begonnen, sondern aus verfahrensökonomischen und zeitlichen Gründen fortgesetzt. Dieser Verfahrensweise ist seitens der Marktbeteiligten nicht widersprochen worden.
177Da die Anwendbarkeit der Festlegung keinen Vertragsschluss erfordert, bedurfte es entgegen der Ansicht der Betroffenen auch keiner Vorgaben zu Abschlusszeitpunkt und Laufzeit etwaiger – weiterhin möglicher – freiwilliger Redispatch-Verträge. Eine solche Regelungsbefugnis steht der Bundesnetzagentur nach dem Kanon des § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ohnehin nicht zu.
1783. Verstoß gegen § 8 Abs. 1 EEG
179Die Bundesnetzagentur hat den Einspeisevorrang des § 8 Abs.1 EEG (2012), § 11 Abs. 1 EEG (2014) beachtet. EEG-Anlagen sind bereits nicht vom Anwendungsbereich der Festlegung umfasst.
180§§ 8 Abs.1 EEG (2012), 11 Abs. 1 EEG (2014), 4 Abs. 1 Satz 1, 4 Satz 2 KWKG verpflichten die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Die Vorschriften enthalten damit Vorgaben für die Auflösung von Netznutzungskonflikten in Engpasssituationen, indem sie Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung gegenüber Strom aus konventionellen Erzeugungsanlagen im Falle von Netznutzungskonflikten den Vorrang einräumen (BT-Drs. 15/2864 vom 01.04.2004, S. 28; Altrock in: Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 4. Aufl., § 8 RN 19).
181Vom Vorrangprinzip darf der Netzbetreiber nur abweichen, wenn er dies mit dem Anlagenbetreiber nach § 8 Abs. 3 EEG (2012)/§ 11 Abs. 3 EEG (2014) vereinbart hat oder wenn ein Fall von § 11 EEG (2012)/§ 14 (EEG 2014) vorliegt. Um Unsicherheiten mit den Bestimmungen des EEG und KWKG zu vermeiden, stellt § 13 Abs. 2a Satz 1 EnWG klar, dass das EE-/KWK-Vorrangprinzip bei allen Maßnahmen des kurzfristigen Engpassmanagements nach § 13 Abs. 1 und 2 EnWG gilt (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 72), d.h., Maßnahmen müssen sich stets zunächst auf nicht-vorrangberechtigten Strom beziehen und erst anschließend auf vorrangberechtigten Strom (Altrock in: Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 4. Aufl., § 8 RN 20). § 13 Abs. 2a Satz 2 EnWG klärt in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen den in Absatz 1 Nummer 2 genannten marktbezogenen Maßnahmen und den vertraglichen Vereinbarungen nach § 8 Abs. 3 EEG (2012)/§ 11 Abs. 3 EEG(2014), wonach ausnahmsweise zur besseren Integration der Anlagen in das Netz von dem Vorrangprinzip abgewichen werden darf. Eine entsprechende spezialgesetzliche Öffnungsklausel besteht für Anlagen nach dem KWKG derzeit nicht (König in: Säcker, BerlKommEnR, a.a.O., § §13 RN 53; Ruge in: Rosin u.a., a.a.O., § 13 RN 54). Um zu verhindern, dass die Ausnahmeregelung für vertragliche Vereinbarungen zu einer Entwertung des Vorrangprinzips an sich führt, schreibt § 13 Abs. 2a Satz 2 EnWG daher vor, dass bei der Auswahl unter den marktbezogenen Maßnahmen vorrangig die Vereinbarungen zur Regelung der nicht privilegierten Anlagen einzusetzen ist. Die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung darf also grundsätzlich erst unterbunden werden, wenn keine konventionellen Erzeugungsanlagen mehr in das maßgebliche Stromnetz einspeisen (vgl. auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 29.03.2011, S. 6ff). Soweit die Einhaltung der genannten Verpflichtungen die Beseitigung einer Gefährdung oder Störung verhindern würde, kann allerdings nach § 13 Abs. 2a Satz 4 EnWG ausnahmsweise von ihnen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt nach § 13 Abs. 2a Satz 5 EnWG insbesondere vor, soweit die Betreiber von Übertragungsnetzen zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems auf die Mindesteinspeisung aus bestimmten Anlagen angewiesen sind (netztechnisch erforderliches Minimum). Ausnahmen nach den Sätzen 4 und 5 sind der Regulierungsbehörde unverzüglich anzuzeigen und die besonderen Gründe nachzuweisen, § 13 Abs. 2a Satz 6 EnWG.
182Mit Blick auf diese Regelungen, die auch ohne ausdrückliche Nennung in der Festlegung Geltung beanspruchen, geht die Bundesnetzagentur zu Recht davon aus, dass EEG-Anlagen sowie KWK-Anlagen, welche aufgrund der Wärmeproduktion bei der Anpassung der Wirkleistungserzeugung Einschränkungen unterworfen sind, schon nicht von § 13 Abs. 1a EnWG und damit auch nicht von der Festlegung erfasst sind. Dies hat sie insbesondere bezüglich der EEG-Anlagen bereits im Verwaltungsverfahren im Eckpunktepapier vom 06.01.2012 (S. 4) verlautbart. Dieses Verständnis kommt auch in der Festlegung (S. 36) zum Ausdruck. Auch wenn sie EEG-Anlagen dort nicht ausdrücklich in Tenorziffer 2 aus dem Anwendungsbereich der Festlegung herausgenommen hat, ergibt sich dies jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont aus der Begründung der Festlegung. Dort hat sie ausgeführt, eine Klarstellung der Teilnahmepflichten von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sei bereits deswegen erforderlich, da deren Betreiber sich durch den expliziten Hinweis in § 13 Abs. 2a EnWG auf die Einhaltung der Vorrangregelungen für EEG-Anlagen und KWK-Anlagen von der Verpflichtung zur Teilnahme an Maßnahmen zur Wirkleistungsanpassung grundsätzlich ausgeschlossen sehen könnten und klargestellt, dass die Regelung des § 13 Abs. 2a EnWG ihrer Auffassung nach nur für diejenigen elektrischen Leistungsscheiben von KWK-Anlagen einschlägig sei, welche aufgrund der Wärmeproduktion Einschränkungen bei der Anpassung der Wirkleistungserzeugung unterworfen seien (S. 36). Diesem Verständnis entsprechend sind aber konsequenterweise auch die zuvor erwähnten EEG-Anlagen durch § 13 Abs. 2a EnWG vom Anwendungsbereich der Festlegung ausgenommen.
183Dass EEG- und KWK-Anlagen im Hinblick auf § 13 Abs. 2a EnWG dem Anwendungsbereich der Festlegung nicht unterfallen, ist auch folgerichtig. Denn der Netzbetreiber muss im Rahmen von marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zunächst die konventionellen Erzeuger nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1a EnWG herunterfahren lassen. Gelingt dies nicht, sieht § 13 Abs. 2a EnWG vor, dass einspeiseprivilegierte Anlagen, mit denen zulässigerweise Verträge nach § 8 Abs. 3 EEG (2012)/§ 11 Abs. 3 EEG (2014) abgeschlossen worden sind, abgeschaltet werden müssen (König in: BerlKommEnR, a.a.O., § 13 RN 53; Altrock in: Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 4. Aufl., § 8 RN 78). Grundsätzlich können daher auch EEG-Anlagen in marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG einbezogen werden, jedoch mit der Einschränkung, dass entsprechende Vereinbarungen zwischen den Netzbetreibern und den EEG-Anlagenbetreibern nach den Vorschriften des EEG zulässig ist. § 8 Abs. 3 EEG (2012)/§ 11 Abs. 3 EEG (2014) erlauben entsprechende Vereinbarungen jedoch nur ausnahmsweise, soweit sie der besseren Integration einer EEG-Anlage in das Netz dienen. Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für die Annahme, dass EEG-Anlagen auch nach § 13 Abs. 1a EnWG unter Beachtung des Vorrangverhältnisses zur Abregelung verpflichtet sind (a.A. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, S. 442f., FN 443). Reichen die Abschaltungen auf vertraglicher Grundlage nicht aus, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Netzes wieder herzustellen oder zu erhalten, muss der Netzbetreiber daher Abschaltungen nach § 13 Abs. 2 EnWG gegenüber konventionellen Erzeugern bzw. solche nach § 11 EEG (2012)/§ 14 EEG (2014) gegenüber privilegierten Anlagen veranlassen (Altrock in: Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 4. Aufl., § 8 RN 78; Schumacher, ZUR 2012, 17, 19, vgl. auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, Stand 29.03.2011, der für die Abschaltrangfolge nach den neueren Versionen weiterhin Geltung beansprucht). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1a EnWG, wonach der Zugriff auf Speicheranlagen gerade deswegen eingeräumt wurde, „um nach Ausschöpfung von Maßnahmen nach Absatz 1 bei konventionellen Kraftwerken den Umfang von Einspeisemanagementmaßnahmen nach § 11 EEG zu minimieren“.
1844. Verstoß gegen § 4 KWKG
185Die Rüge der Betroffenen, die Festlegung beziehe sämtliche KWK-Anlagen ein, geht fehl. Dass Tenorziffer 2 KWK-Anlagen unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet, sich Redispatch Maßnahmen zu unterwerfen, Tenorziffer 3 Satz S. 6 jedoch die durch Wärmeauskopplung nicht disponiblen Leistungsscheiben von KWK-Anlagen nicht ausdrücklich erwähnt, führt nicht zur Einbeziehung sämtlicher KWK-Anlagen. Nach Tenorziffer 2 Satz 2 der Festlegung sind nur solche Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die zumindest in einem Betriebszustand eine disponible, d.h. keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene elektrische Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW erzeugen können, zum Redispatch verpflichtet. In der Begründung stellt die Bundesnetzagentur ausdrücklich klar, dass sich die Verpflichtung nur auf diejenigen Leistungsscheiben bezieht, die keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfen sind, während die Leistungsscheiben, die aufgrund der Wärmeproduktion Einschränkungen bei der Anpassung der Wirkleistungserzeugung unterworfen sind, bereits nach § 13 Abs. 2a EnWG von der Verpflichtung zur Teilnahme am Redispatch grundsätzlich ausgeschlossen sind. Einer zusätzlichen Erwähnung dieser Leistungsscheiben in Tenorziffer 3 Satz 6 oder Tenorziffer 10 bedurfte es daher nicht. Unabhängig davon hat die Bundesnetzagentur in der mündlichen Verhandlung durch Erklärung zu Protokoll auch ausdrücklich klargestellt, dass KWK-Strom nicht der Festlegung unterliegt und zwar weder im Hinblick auf den Adressatenkreis noch im Hinblick auf den Inhalt einer Redispatch-Anweisung. Auch die für die Wärmeerzeugung einzuhaltende technische Mindestlast der jeweiligen KWK-Anlage ist Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfen und damit nicht von der Festlegung umfasst.
1865. Aufgreifermessen
187Die Bundesnetzagentur hat ihr Aufgreifermessen sachgerecht ausgeübt.
188Nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ist die Bundesnetzagentur ermächtigt, Festlegungen zu den vier genannten Themenkomplexen zu erlassen. Die Ermächtigung soll ihr ausweislich der Gesetzesbegründung ermöglichen, in einem Feld von erheblicher Bedeutung für die Netzstabilität konkrete bundeseinheitliche Regelungen festzulegen, um die Pflichten zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und den Betreibern der betroffenen Erzeugungsanlagen praxisgerecht auszugestalten (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Damit hat ihr der Gesetzgeber ein weites Ermessen eingeräumt. Dies betrifft sowohl die Frage, ob sie überhaupt eine Festlegung erlässt (Aufgreifermessen), als auch die Frage des Inhalts der Festlegung (Gestaltungs-/Auswahlermessen). Die Ermessensentscheidung ist nach den auch im Energiewirtschaftsrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensüberschreitung), ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch).
189Nach diesen Maßgaben liegt eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Entschließungsermessens der Bundesnetzagentur nicht vor. Mit der Festlegung wollte sie eine gesicherte und einheitliche Rechtsgrundlage für Redispatch-Einsätze schaffen. Dabei hat sie zutreffend darauf abgestellt, dass die gesetzliche Verpflichtung nach § 13 Abs. 1a EnWG für eine eindeutige, transparente und Unklarheiten vermeidende Durchführung von Redispatch-Maßnahmen in der Praxis nicht ausreicht. Die gesetzliche Regelung bestimmt nur die Grundzüge, nicht jedoch die konkrete Umsetzung, weswegen es zur Vermeidung von Diskriminierungspotential einer konkretisierenden Ausgestaltung bedarf. Beispielhaft hat die Bundesnetzagentur die Konkretisierungsbedürftigkeit im Hinblick auf den nach § 13 Abs. 1a EnWG weit aufgespannten Adressatenkreis bezüglich der Behandlung von KWK-Anlagen, die über eine nur beschränkte Disponibilität bei der Stromerzeugung verfügen, sowie im Hinblick auf die Einbindung der Verteilernetzbetreiber aufgeführt, um der Gefahr unklarer Zweifelsfälle und organisatorischer Defizite entgegenzuwirken.
190Ferner hat die Bundesnetzagentur die Notwendigkeit konkretisierender Vorgaben wegen der Uneinheitlichkeit bestehender Verträge über in der Regel strombedingte Wirkleistungsanpassungen aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit als erforderlich angesehen. Sie hat dies damit begründet, dass die Verträge teilweise noch auf Zeiten zurückgingen, in denen Übertragungsnetzbetreiber und Kraftwerksbetreiber gemeinsam zu einem integrierten Unternehmen gehörten und Einzel- und Sonderregelungen beinhalteten, die eine gegenüber den anderen Marktteilnehmern diskriminierungsfreie Durchführung von Eingriffen in die Wirkleistungseinspeisung fraglich erscheinen ließen. Auch dies lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Uneinheitliche Verträge führen zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung einzelner Anlagenbetreiber und bergen damit jedenfalls eine Diskriminierungsgefahr. Dies gilt insbesondere auch für Verträge zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Kraftwerksbetreibern, die aus einer Zeit stammen, als die Vertragspartner einem integrierten Unternehmen angehörten, und daher Sonderregelungen enthalten. Auch der Gesetzgeber hat bei Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG auf die uneinheitlich ausgestalteten Verträge hingewiesen (BT-Drs. 17/072 vom 06.06.2011, S. 71).
191Auch vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Eingriffe in die Fahrweise der Kraftwerke und Speicher wegen der Abschaltung der Atomkraftwerke und der zunehmenden Einspeisung von EEG-Anlagen zugenommen hat, ist die von der Bundesnetzagentur gezogene Schlussfolgerung, dass das bisherige rein privatwirtschaftliche Modell nicht mehr geeignet gewesen ist, eine diskriminierungsfreie Durchführung von Redispatch-Maßnahmen zu gewährleisten, nicht ermessensfehlerhaft und ein Bedürfnis für eine bundesweite Vereinheitlichung der Vorgaben durch den Erlass der Festlegung nachvollziehbar.
192Dass die Bundesnetzagentur gegen Diskriminierungen grundsätzlich auch im Wege von Missbrauchsverfügungen nach §§ 30, 31 EnWG vorgehen könnte, macht die Ermessensausübung entgegen der Ansicht der Betroffenen nicht fehlerhaft. Zum einen ist die Vereinheitlichung der Vorgaben für Redispatch-Maßnahmen das effektivere Mittel zur Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit als die Anordnung von Einzelmaßnahmen, zum anderen sind Missbrauchsverfügungen auch nicht geeignet, die mit der Festlegung weiter bezweckte Klarheit und Transparenz für alle Marktteilnehmer bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen zu schaffen. Denn die Bundesnetzagentur hat die Regelungsbedürftigkeit im Beschluss auch damit begründet, dass infolge der mit der Abschaltung der acht Kernkraftwerke einhergegangenen sprunghaften Zunahme der Häufigkeit und des Umfangs von Maßnahmen zum strombedingten Redispatch und der seitdem bestehenden Notwendigkeit zur Durchführung von spannungsbedingten Redispatch klare Vorgaben für die Durchführung von Wirkleistungsanpassungen geboten sind, um ein ausreichendes Maß an Transparenz zu schaffen. Auch dabei handelt es sich um nicht zu beanstandende Erwägungen. Im Beschwerdeverfahren hat die Bundesnetzagentur ergänzend vorgetragen, dass die zuvor praktizierte privatwirtschaftliche Ausgestaltung von Redispatch-Vereinbarungen nicht mehr geeignet gewesen sei, die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit angesichts der zunehmenden Anzahl von Engpässen hinreichend sicher zu stellen, weil einige Kraftwerksbetreiber ihre Teilnahme an Redispatch-Maßnahmen verweigert hätten. Dieser Umstand hatte die Bundesnetzagentur veranlasst, bereits vor Erlass des § 13 Abs. 1a EnWG ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen, um Redispatch-Maßnahmen einheitlich und verpflichtend vertraglich zu regeln (Bl. 1, 2 VV). Die teilweise fehlende Bereitschaft von Kraftwerksbetreibern, an Redispatch-Maßnahmen überhaupt oder zu angemessenen Konditionen teilzunehmen, waren auch der Anlass für den Gesetzgeber, das gesetzliche Anweisungsrecht des Übertragungsnetzbetreibers in § 13 Abs. 1a EnWG einzuführen (BT-Drs. 17/072 vom 06.06.2011, S. 71). Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten der fehlenden Bereitschaft einiger Kraftwerksbetreiber durch einzelne Anlagenbetreiber nicht nachvollziehbar. Angesichts der je nach Lage des Engpasses nur geringen Anzahl der für Redispatch-Maßnahmen in Betracht kommenden Anlagenbetreiber kann die fehlende Bereitschaft auch nur einzelner Kraftwerksbetreiber bereits zu einer Gefährdung der Netzsituation und damit der Systemsicherheit führen. Es ist daher gut nachvollziehbar, dass die Bundesnetzagentur einheitliche Vorgaben für Redispatch-Maßnahmen regeln wollte. Es ist nicht fernliegend, dass das System freiwilliger Vereinbarungen in Zukunft nicht oder jedenfalls nicht so wie in der Vergangenheit weiter funktioniert hätte.
193Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Countertrading-Mengen mit in die Abwägung einzubeziehen waren. Jedenfalls auch ohne Berücksichtigung des Countertradings hat die Bundesnetzagentur ihr Aufgreifermessen anhand nachvollziehbarer Gründe sachgerecht ausgeübt. Dabei hat sie durch die gewählten Formulierungen, die Notwendigkeit konkretisierender Vorgaben „ergibt sich bereits“, „folgt auch aus“ und „ergibt sich nicht zuletzt aus“ deutlich gemacht, dass jeder Ermessensgrund für sich gesehen den Erlass der Festlegung rechtfertigt. Der Ermessensgrund „Countertrading-Mengen“ war daher für den Erlass der Festlegung nicht kausal (Kopp/Schenke, VwGO, 20.Aufl., § 114 RN 6a). Eine Einbeziehung der auf Countertrading-Maßnahmen entfallenden Kosten in den Abwägungsprozess des Aufgreifermessens hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur hingegen nicht vorgenommen.
1946. Ermessen/Verhältnismäßigkeit
195Die Bundesnetzagentur hat auch im Übrigen ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.
1966.1. Marktwirtschaftliches Verfahren
197Die Festlegung ist nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Bundesnetzagentur kein marktwirtschaftliches Verfahren für die Beschaffung von Redispatch-Leistungen vorgegeben hat.
198Die Festlegungsbefugnis in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG bezieht sich nicht auf die Ausgestaltung eines marktwirtschaftlichen Verfahrens. Nach § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG ist die Bundesnetzagentur u.a. ermächtigt, die Methodik der Anforderung durch den Betreiber von Übertragungsnetzen zu konkretisieren. § 13 Abs. 1a EnWG normiert die Anforderung jedoch als ein unmittelbares Eingriffsrecht der Übertragungsnetzbetreiber. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Nach seinem Wortsinn bedeutet „Anforderung“ „Anspruch, Forderung, an jemandes Leistung“. (vgl. www.duden.de „Anforderung“). In Bezug auf Redispatch ist Anforderung daher als Forderung oder Anweisung zur Wirkleistungsanpassung zu verstehen. Mit diesem Verständnis ist die von den Anlagenbetreibern angeführte Ausschreibung bzw. Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht in Einklang zu bringen, da diese nicht unmittelbar auf die Wirkleistungsanpassung, sondern nur auf die Abgabe verschiedener Angebote zum Zwecke der Ermittlung des günstigsten Angebots abzielt. Dass Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG den marktbezogenen Maßnahmen zugeordnet werden, rechtfertigt keine andere Bewertung, sondern beruht auf der Vergütungspflicht der angeordneten Maßnahme.
199Auch nach der Gesetzesbegründung ist von einem unmittelbaren Anweisungsrecht auszugehen. Dort heißt es, dass der neu eingefügte Absatz 1a den Übertragungsnetzbetreibern Befugnisse an die Hand gibt, auf die genannten Anlagen gegen angemessene Vergütung zuzugreifen (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71).
200Systematische Gründe sprechen ebenfalls dafür, dass der Begriff „Anforderung“ keine „Ausschreibung“ umfasst. Denn das Gesetz ordnet regelmäßig ausdrücklich an, wenn die Beschaffung von Maßnahmen im Wege eines marktwirtschaftlichen Verfahrens erfolgen soll. Dasselbe gilt für die Ermächtigung zur Ausgestaltung eines marktwirtschaftlichen Verfahrens. So sieht § 22 EnWG i.V.m. § 6 StromNZV für den Einsatz von Regelenergie nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG – anders als für Redispatch-Maßnahmen - ausdrücklich eine Ausschreibung vor. Die Bundesnetzagentur ist in § 22 Abs. 2 EnWG zur Festlegung eines marktorientierten Verfahrens zur Beschaffung von Regelenergie sowie in 27 Abs. 1 Nr. 2 StromNZV zur Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens von Regelenergie jeweils ausdrücklich ermächtigt worden. Für das vertragliche Lastmanagement nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG sieht § 13 Abs. 4a EnWG ebenfalls die Beschaffung im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens vor, welches von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung näher geregelt werden kann. Der Bundesnetzagentur ist diesbezüglich keine Festlegungskompetenz zugewiesen. Hinsichtlich stillgelegter Anlagen nach § 13a EnWG ermächtigt § 13b Abs. 2 EnWG die Bundesregierung, durch Rechtsverordnungen Regelungen für einen transparenten Prozess zur Beschaffung einer Netzreserve vorzusehen. Hiervon hat die Bundesregierung durch Erlass der Reservekraftwerksverordnung Gebrauch gemacht. Demgegenüber sieht § 13 Abs. 1a EnWG solche Möglichkeiten nicht vor. Die Bundesnetzagentur ist daher auch nicht zu entsprechenden Regelungen ermächtigt.
201Auf die Frage, ob ein Ausschreibungsverfahren wegen des netztopologisch lokalen Charakters der Netzengpässe im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Anzahl von geeigneten Erzeugungsanlagen überhaupt in Betracht kommt, kommt es daher nicht an.
2026.2. Vorrang vertraglicher Redispatch-Kapazitäten
203Die Festlegung ist auch nicht wegen der fehlenden Vorgabe, zunächst auf die auf freiwilliger vertraglicher Basis zur Verfügung stehenden Redispatch-Kapazitäten zurückzugreifen, rechtswidrig. Weder ergibt sich ein derartiges Vorrangverhältnis vertraglicher Redispatch-Maßnahmen gegenüber solchen nach § 13 Abs. 1a EnWG aus dem Gesetz noch erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine entsprechende Vorgabe in der Festlegung.
204Bereits nach dem Wortlaut bezieht sich § 13 Abs. 1a EnWG auf marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG („Für die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2…“). Dies belegt auch die systematische Stellung des § 13 Abs. 1a EnWG unmittelbar in Anschluss an die marktbezogenen Maßnahmen (König, Engpassmanagement in der deutschen und internationalen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 437). Zwischen den einzelnen marktbezogenen Maßnahmen ordnet das Gesetz jedoch kein Vorrangverhältnis einzelner Maßnahmen an. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort wird lediglich auf das Stufenverhältnis zwischen Absatz 1 und 2 hingewiesen. Für § 13 Abs. 1a EnWG bestätigt der Gesetzgeber jedoch dessen Zugehörigkeit zu § 13 Abs. 1 EnWG. Insofern führt er aus, dass die Übertragungsnetzbetreiber, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört ist, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a EnWG zurückgreifen können. Eine Rangfolge gegenüber anderen marktbezogenen (freiwilligen) Maßnahmen lässt sich daraus nicht herleiten.
205Schließlich ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1a EnWG, dass zwischen freiwilligen Redispatch-Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und solchen nach § 13 Abs. 1a EnWG kein Rangverhältnis besteht. Mit § 13 Abs. 1a EnWG wollte der Gesetzgeber den Kreis der zum Redispatch potentiell Verpflichteten zugunsten der Systemsicherheit erweitern. Maßnahmen zur Verhinderung von Netzengpässen sollten nicht mehr nur mit einigen Freiwilligen durchgeführt werden können, sondern mit allen am Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossenen Anlagenbetreibern mit einer Nennleistung ab 50 MW, um eine effektive Beseitigung der Gefahr für die Systemsicherheit zu gewährleisten. Dies setzt aber voraus, dass jeweils derjenige der potentiell Verpflichteten die Maßnahme durchführt, der dies am effektivsten kann. Ein generelles Vorrangverhältnis zugunsten freiwillig abgeschlossener Redispatch-Verträge stünde dem jedoch entgegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Festlegung kein Vorrangverhältnis für freiwillig erbrachte Maßnahmen vorschreibt.
206Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert keine entsprechende Vorgabe in der Festlegung, denn der Übertragungsnetzbetreiber darf bei jeder Störung/Gefährdung des Netzbetriebs – wie auch sonst bei § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG – ohnehin nur verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen. Kommen daher im Einzelfall verschiedene gleich effektive Maßnahmen in Frage, müssen die Übertragungsnetzbetreiber diejenige auswählen, die mit den geringsten Auswirkungen auf die Versorgung und die Netznutzer verbunden ist (vgl. Salje, EnWG, § 13 RN 19; Bourwieg in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 13 RN 11).
2076.3.Tenorziffer 2:
208Tenorziffer 2 lässt keine Ermessensfehler erkennen.
209Die Einbeziehung von Anlagen unter 100 MW in die Festlegung ist nicht zu beanstanden. Die Bundesnetzagentur hat ihr Ermessen nicht aufgrund eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz fehlerhaft ausgeübt.
210Gemäß § 24 VwVfG ist die Behörde im Verwaltungsverfahren zur Ermittlung des für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet. Aus § 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG folgt, dass die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen bestimmen darf und an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist. Sie muss jedoch sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen und Umstände soweit aufklären, dass die Voraussetzungen für den Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu ihrer Überzeugung vorliegen. Der Rahmen wird abgesteckt durch die rechtliche Beurteilung, die die Behörde dem Fall zugrunde legt (BVerwG NVwZ 1999, 535; OVG Koblenz NVwZ 1997, 1140). In diesem Rahmen steht der Behörde für die Ermittlung des Sachverhalts im Einzelnen ein Aufklärungsermessen zu (BVerwG, NVwZ 1999, 535 m.w.N.). Die Grenzen der Ermessensausübung bestimmen sich aus dem materiellen Recht.
211Unter Anwendung dieser Grundsätze kann ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nicht festgestellt werden. Die Vorgabe des Schwellenwerts von 50 MW entspricht der Vorgabe in der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblichen Fassung des § 13 Abs. 1a EnWG. Der Gesetzgeber selbst hat Anlagen ab diesem Schwellenwert für die Gewährleistung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems als systemrelevant eingestuft. Es ist daher weder unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlungspflicht noch unter dem Gesichtspunkt des Ermessens zu beanstanden, dass die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur diesen Wert in die Festlegung übernommen hat.
212Maßgebend für die Ablehnung der Heraufsetzung des Grenzwertes auf 100 MW war für die Beschlusskammer 6, dass sie angesichts des erheblichen Anstiegs von Eingriffen in die Wirkleistungseinspeisung und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit zur Verbreiterung des potentiellen Adressatenkreises einen Verzicht auf kleinere Leistungsgrößen für nicht vertretbar hielt. Dass diese Einschätzung vertretbar war, ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber selbst kurze Zeit nach Erlass der Festlegung die Einbeziehung von Kraftwerken ab 10 MW für erforderlich hielt, um so den Adressatenkreis der potentiell zum Redispatch Verpflichteten zu erweitern. Insoweit ist unerheblich, dass nach den überschlägigen Berechnungen der anhand der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur Kraftwerke mit einer Nennleistung ab 100 MW insgesamt nur 9 % weniger als die kumulierte Leistung der Kraftwerke ab 50 MW erreichen.
213Darüber hinaus ist das vorhandene Kraftwerkspotential nicht statisch, sondern durch Zu- und Rückbau Veränderungen unterworfen. Um ein entsprechendes Angebot an Reservekapazitäten sicherzustellen, empfahl die Bundesnetzagentur dem Bundesgesetzgeber daher, den Übertragungsnetzbetreibern durch eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes das Recht einzuräumen, die endgültige Außerbetriebnahme von Kraftwerken zu untersagen, soweit diese für die Aufrechterhaltung der Netz- und Versorgungssicherheit erforderlich seien (vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, S. 433). Dieser Anregung ist der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 13a bis 13c EnWG in das Energiewirtschaftsgesetz durch das Dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2012 (BGBl. 2012, I S. 2730) nachgekommen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung von Anlagen ab 50 MW zur Verbreiterung des potentiellen Adressatenkreises nicht zu beanstanden. Dass nach der von der Betroffenen eingereichten Übersicht (Anlage Bf. 8), KWK-Anlagen bis zu 100 MW im Zeitraum April 2013 bis Oktober 2014 nahezu nicht zu Redispatch-Maßnahmen herangezogen worden sind, kann die Ermessensentscheidung der Bundesnetzagentur bei Festlegungserlass im Jahr 2012 nicht in Frage stellen.
2146.4. Tenorziffer 3
215Keinen Erfolg hat auch die Rüge der Betroffenen, Industriekraftwerke würden ohne sachlichen Grund und damit unter Verstoß gegen Art. 3 GG gegenüber sonstigen Kraftwerken privilegiert.
216Die Bundesnetzagentur hat in Tenorziffer 3 Satz 6 Leistungsscheiben von Anlagen, die aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel sind, von der Wirkleistungsanpassung ausgenommen. Zur Begründung hat sie nach entsprechenden Hinweisen von Kraftwerksbetreibern und des VIK (S. 19f. der Festlegung) ausgeführt, dass andernfalls bei Veränderung der Stromproduktion dieser Anlagen eine Störung der Produktionsprozesse mit möglicherweise erheblichen Schäden droht (S. 42 der Festlegung). Insoweit hat die Bundesnetzagentur aber zu Recht zwischen Industriekraftwerken, die Strom und/oder Prozesswärme für die industrielle Produktion liefern und sonstigen Kraftwerken, die den erzeugten Strom primär in das allgemeine Stromnetz einspeisen, unterschieden. Für Kraftwerke, die Prozesswärme für industrielle Prozesse liefern, stellt die Betroffene den Unterschied auch nicht in Abrede. Aber auch Industriekraftwerke, die als Eigenerzeugungsanlagen Strom für die industrielle Produktion liefern, sind mit Kraftwerken, die Strom primär in das allgemeine Stromnetz einspeisen, nicht vergleichbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Wirkleistungsanpassung nicht auf das angewiesene Kraftwerk beschränkt bleibt, sondern Auswirkungen auf die Produktionsanlage hat. Entweder muss diese bei einer Wirkleistungsreduzierung den Produktionsprozess (z.B. Verstromung von Kuppelgasen in der Stahlindustrie) drosseln, was aber vielfach schon aus technischen Gründen nicht kurzfristig möglich ist, wie im Verwaltungsverfahren dargelegt worden ist (vgl. Stellungnahme YY. im Verwaltungsverfahren, Bl. 168f VV). Darüber hinaus ist insbesondere bei Schmelzprozessen, bei denen eine Kühlung von Anlagenteilen erforderlich ist, oder bei chemischen Reaktionsprozessen, ein kurzfristiges Herunterfahren des Produktionsprozesses ohne Gefährdung der Sicherheit nicht möglich. Die Störung des Produktionsprozesses bejaht daher auch die Betroffene für den Fall einer unzureichenden Netzanschlusskapazität. Soweit sie für den Fall des Vorhandenseins eines ausreichenden Netzanschlusses auf die Verhinderung einer Störung des Produktionsprozesses durch einen höheren Strombezug aus dem öffentlichen Netz hinweist, zeigt auch dies, dass die Auswirkungen der Wirkleistungsanpassung nicht auf das angewiesene Kraftwerk beschränkt bleiben. Denn ein höherer Bezug von Strom aus dem öffentlichen Stromnetz führt infolge der erhöhten Netzspitze zu höheren Netzentgelten für das Industrieunternehmen, welches aber (regelmäßig) nicht von dem Kraftwerksbetreiber geführt wird. Diese Kosten werden daher auch nicht ersetzt und stellen unter Umständen die Rentabilität des Einsatzes von Industriekraftwerken in Frage. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt daher nicht vor. Aber selbst wenn solche Kosten über den Kraftwerksbetrieb erstattet würden, führte dies lediglich dazu, dass ein Industriekraftwerk wegen der höheren Kosten in der Merit Order nach hinten rückte und schon aus diesem Grund nicht mehr vor anderen Kraftwerken in Anspruch genommen würde.
217Leistungsscheiben von Industriekraftwerken, die nicht an den Produktionsprozess gebunden sind, sind auch nach der Festlegung nicht indisponibel und daher als frei zu melden. Dies gilt insbesondere für den Fall der Erhöhung der Wirkleistungspassung, bei der die Rückspeisung in das öffentliche Stromnetz ohne Auswirkungen auf den Produktionsprozess möglich ist. Eine Ungleichbehandlung ergibt sich auch insoweit nicht.
2186.5. Tenorziffer 4
219Tenorziffer 4 lässt ebenfalls keine Ermessensfehler erkennen. Die Rügen der Be-
220troffenen sowie weiterer Kraftwerksbetreiber haben keinen Erfolg.
2216.5.1. Überprüfbarkeit
222Die Merit Order stellt ein geeignetes Mittel zur objektiven Reihung der Anlagen im Engpassfall dar. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit steht dem nicht entgegen und führt insbesondere nicht zur Unverhältnismäßigkeit und damit Rechtswidrigkeit der Tenorziffer 4.
223Die Vorgabe der Merit Order dient der Schaffung eines objektiven und eindeutigen Maßstabs zur Reihung der Erzeugungsanlagen und Speicher für die Durchführung von Redispatch-Maßnahmen (vgl. S. 43 der Festlegung) und damit dem mit der Festlegung verfolgten Zweck, eine diskriminierungsfreie, sich an sachlichen Kriterien orientierende Durchführung von Anpassungsmaßnahmen zu ermöglichen (vgl. S. 30 der Festlegung). Die Methodik der Merit Order ist grundsätzlich geeignet, diesen Zweck zu erfüllen. Denn die Auswahl der für die Redispatch-Maßnahme heranzuziehenden Anlage ist nicht in das Belieben der Übertragungsnetzbetreiber gestellt, sondern orientiert sich an sachlichen Kriterien, nämlich der netzstützenden Wirkung sowie der Vergütung. Die netzstützende Wirkung ermittelt der Übertragungsnetzbetreiber – wie erläutert – anhand von sog. Sensitivitätsuntersuchungen, die eine anerkannte Methode zur Berechnung der netzstützenden Wirkung darstellen. Die Vergütung bestimmt sich nach den Kriterien der Festlegung der Beschlusskammer 8, BK8-12-019. Zur Wahrung der Transparenz (vgl. BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 72f.) bestimmt § 13 Abs. 5 EnWG, dass der Übertragungsnetzbetreiber die Regulierungsbehörde und die Betroffenen unverzüglich über die Gründe von durchgeführten Anpassungen und Maßnahmen unmittelbar unterrichtet. Auf Verlangen sind die vorgetragenen Gründe zu belegen. Mit den in Tenorziffer 11 der Festlegung geregelten Veröffentlichungspflichten hat die Bundesnetzagentur die Übertragungsnetzbetreiber ferner dazu verpflichtet, die Maßnahmen zu veröffentlichen, um auch andere Kraftwerks- und Speicherbetreiber in die Lage zu versetzen, den Eingriff in die Wirkleistungseinspeisung ihrer Kraftwerke und Speicher in den Kontext zu den Eingriffen in die Fahrweise anderer Kraftwerke und Speicher zu stellen. Aus der Angabe der betroffenen Netzregion, dem Grund der nach Datum und Uhrzeit konkretisierten Maßnahme und der Nennung des Anlagenbetreibers kann der Anlagenbetreiber zumindest ersehen, welche Anlagenbetreiber in welcher Häufigkeit und welchem Umfang in der betroffenen Netzregion zum Redispatch herangezogen werden und anhand dieser Angaben die eigene Inanspruchnahme in Relation setzen.
224Dass eine volle Überprüfung der Entscheidung des Übertragungsnetzbetreibers für die Anlagenbetreiber nicht möglich ist, steht der Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit dabei nicht entgegen. Eine volle Überprüfung würde voraussetzen, dass der Übertragungsnetzbetreiber die Merit Order einschließlich der bei der Anweisung auf Basis der Mitteilungen der Anlagenbetreiber zu beachtenden weiteren Parameter (Restriktionen und freie Leistungsscheiben nach Tenorziffer 3, 8, 10) sowie die für die konkrete Redispatch-Maßnahme jeweils anfallende Vergütung der einzelnen Anlagen veröffentlicht. Die in Rede stehenden Informationen stellen jedoch Geschäftsgeheimnisse der Anlagenbetreiber dar. An ihrer Nichtverbreitung besteht ein berechtigtes Interesse (vgl. auch BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 73: „unter Wahrung datenschutzrechtlicher Belange“). Dies kommt auch in § 12 Abs. 4 Satz 2 EnWG zum Ausdruck, wonach Betreiber von Übertragungsnetzen jeweils sicherzustellen haben, dass ihnen aufgrund nach Absatz 1 bestehender Mitteilungspflichten zur Kenntnis gelangte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausschließlich so zu den dort genannten Zwecken zu nutzen, dass deren unbefugte Offenbarung ausgeschlossen ist. Eine umfassende Überprüfung der Angaben der Anlagenbetreiber sowie der der Übertragungsnetzbetreiber durch die Bundesnetzagentur oder die betroffenen Anlagenbetreiber sehen damit weder § 13 EnWG noch § 12 EnWG vor. Vielmehr hat ein Anlagenbetreiber diese Einschränkung im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Interesse des einzelnen Anlagenbetreibers an möglichst weitgehender Transparenz der Merit Order und dem berechtigten Interesse aller in die Merit Order einbezogenen Anlagenbetreiber, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren, hinzunehmen (vgl. zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch BGH, Beschlüsse vom 22.07.2014, EnVR 59/12, RN 34ff – Stromnetz Berlin GmbH; EnVR 58/12, RN 34ff jeweils zum Qualitätselement nach §§ 19, 20 ARegV). Sofern sich aus den veröffentlichten Daten ein begründeter Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Merit Order ergeben, kann die Bundesnetzagentur nach § 13 Abs. 5 Satz 2 entsprechende Nachweise fordern und gegebenenfalls nach §§ 65ff EnWG vorgehen. Die Anlagenbetreiber sind damit nicht rechtsschutzlos gestellt.
2256.5.2. Kosteneffizienz
226Dass die mit der Redispatch-Maßnahme verbundenen Kosten in dem Quotienten aus
227netzstützender Wirkung und Vergütung aufgrund der Regelungen der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 nicht hinreichend abgebildet werden, führt weder zur Ungeeignetheit des Merit Order-Modells noch zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Preis- oder Kostengünstigkeit nach § 1 EnWG.
228Zwar gewährleistet die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 keine angemessene Vergütung, da sie u.a. Opportunitätskosten nicht berücksichtigt sowie im Rahmen der Bagatellvergütung die Grenzkosten nicht angemessen abbildet (vgl. Beschlüsse des Senats vom heutigen Tage in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung). Dies führt jedoch nicht zur Ungeeignetheit der Merit Order. Insoweit ist zwischen der Merit Order als solcher, also der in der streitgegenständlichen Festlegung vorgeschriebenen Methodik der Reihung, und den Auswirkungen einzelner Kostenpositionen auf die Merit Order zu unterscheiden. Sind Kostenpositionen nicht sachgerecht erfasst, wirkt sich dies naturgemäß auf die Merit Order aus, weil diese allgemein auf die Vergütung Bezug nimmt. Die Frage der Angemessenheit der Vergütung und der sachgerechten Erfassung einzelner Kostenbestandteile ist jedoch im Rahmen der Vergütungsfestlegung zu klären. Im Rahmen der hier streitgegenständlichen Festlegung kann es hingegen nur darum gehen, ob die Methodik als solche zu sachgerechten Ergebnissen führt. Dies ist jedoch zu bejahen. Mit der Berücksichtigung der netzstützenden Wirkung sowie der Vergütung wird einerseits die netzphysikalische Effektivität der Wirkleistungsanpassung, andererseits aber auch die Kosteneffizienz der Maßnahme berücksichtigt. Ob die Maßnahme kosteneffizient ist, richtet sich im Rahmen der Merit Order jedoch nach dem jeweils vorgegebenen Vergütungssystem und damit nach der relativen Kostengünstigkeit und nicht nach der materiellen Kostengerechtigkeit. Diese kann nur durch die jeweilige Vergütungsordnung selbst gewährleistet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütung in einer gesonderten Festlegung geregelt ist oder in einer einheitlichen Redispatch-Festlegung. Das Merit Order-Modell der streitgegenständlichen Festlegung ist jedoch geeignet, eine objektive Reihung nach der relativen Kostengünstigkeit zu gewährleisten und das sich aus der Vergütungsordnung ergebende kosteneffizienteste Kraftwerk/Kraftwerkspaar auszusuchen. So erfolgt die Reihung der Anlagen - bislang - entsprechend der sich aus der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 ergebenden Vergütung nach ihrer relativen Kosteneffizienz. Auch für den Fall, dass die Bundesnetzagentur nach der Aufhebung der Vergütungsfestlegung eine neue, rechtmäßige Vergütungsfestlegung erlässt, ist das Merit-Order Modell grundsätzlich geeignet, eine objektive Reihung nach den Kriterien physikalische Wirkung und Vergütung zu gewährleisten.
2296.5.3. Anstieg Redispatch-Volumen und -Kosten
230Das Merit Order-Modell führt auch nicht zu einem übergroßen Redispatch-Volumen und damit zu einem Anstieg der Redispatch-Kosten. Die Merit Order verstößt somit weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG.
231Nach Tenorziffer 4 erfolgt die Wirkleistungsanpassung bei einer Wirkleistungserhöhung beginnend mit der Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem höchsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung in abfallender Reihenfolge. Bei einer Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung ist die Reihung beginnend mit der Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem geringsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung in aufsteigender Reihenfolge vorzunehmen. Dieser Mechanismus führt jedoch nicht zu einem Anstieg des Redispatch-Volumens und damit der Redispatch-Kosten. Die Annahme einiger Anlagenbetreiber, die Heranziehung der „teuersten“ Anlagen bei gleichzeitig geringer netzstützender Wirkung im Falle der Wirkleistungsreduzierung führe wegen der zur Erreichung der zur Engpassbeseitigung erforderlichen physikalischen Wirkung zu einer Erhöhung des Umfangs der Wirkleistungsreduzierung und damit auch zu einer höheren Vergütung, wobei der Effekt durch den erforderlichen energetischen Ausgleich auf der anderen Seite des Engpasses noch verstärkt werde, geht fehl.
232Die Methodik der Merit Order schließt eine Erhöhung des Redispatch-Volumens und der Kosten aus. Denn bei der Reihung ist zunächst auf die netzstützende Wirkung und erst bei annähernd gleicher netzstützender Wirkung auf die Vergütung abzustellen. Dies ergibt die Auslegung der Regelung, für die nicht nur auf den verfügenden Teil, sondern ergänzend auf die Begründung (S.44f.) zu Tenorziffer 4 abzustellen ist. In der Begründung stellt die Bundesnetzagentur aber vorrangig auf die netzphysikalische Wirkung ab. Auf Seite 44 unten legt sie dar, dass das vorrangige Aktivieren von Anlagen mit einer hohen netzphysikalischen Wirkung nicht nur deswegen geboten sei, um den Umfang der Wirkleistungsanpassung und damit den Eingriff in die Fahrweise der Kraftwerke und Speicher möglichst gering zu halten. Sie weist auch ausdrücklich auf die von den Anlagenbetreibern beschriebene multiplizierende Wirkung auf der anderen Seite des Engpasses hin. So führt sie aus, das vorrangige Aktivieren von Anlagen mit einer hohen netzphysikalischen Wirkung sei auch deswegen geboten, da im Falle eines strombedingten Redispatch eine wechselseitige Beeinflussung der Anlagen auf beiden Seiten des Engpasses existiere und die Nutzung von Anlagen mit einer nur geringen netzphysikalischen Wirkung auf der einen Seite des Engpasses nicht nur einseitig das Eingriffsvolumen erhöhe. Durch die Einbeziehung der Vergütung könne die nach der Merit Order nach ihrer netzstützenden Wirkung als nächste kommende Anlage übersprungen werden, wenn – bei ähnlicher netzstützender Wirkung – die zu entrichtende Vergütung für das Hochfahren deutlich höher als die Vergütung der übernächsten Anlage sei. Auch der Übertragungsnetzbetreiber X. hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass bei der Merit Order primär auf die netzstützende Wirkung und sekundär auf die Vergütung abgestellt wird. Dadurch könne es nicht zu dem Fall kommen, dass Kraftwerke mit geringer netzstützender Wirkung große Wirkleistungsmengen „verschieben“ müssten. Vielmehr findet nach den Ausführungen von X. eine Paarungsbetrachtung nach der netzstützenden Wirkung statt. Danach muss die netzstützende Wirkung des herunterfahrenden Kraftwerks, der des herauffahrenden Kraftwerks entsprechen. Bei dieser Vorgehensweise wird gewährleistet, dass das Redispatch-Volumen und die –Kosten möglichst gering gehalten werden.
233Gleichzeitig gewährleistet die Merit Order, dass die Kosten volkswirtschaftlich effizient sind. Beim strombedingten Redispatch werden zur Behebung des Engpasses gerade nicht nur ein, sondern mindestens zwei Kraftwerke angewiesen, und zwar jeweils mindestens eines vor und hinter dem Engpass. Dadurch wird gleichzeitig der energetische Ausgleich hergestellt und - durch die jeweils für das anzuweisende herunter- und herauffahrende Kraftwerk zu erstellende Merit Order - die mit der jeweiligen Wirkleistungsanpassung verbundenen Kosten mit einbezogen. Bei der Wirkleistungsreduzierung werden die – bei annähernd identischer netzstützender Wirkung - „teureren“ Anlagen, die eine höhere Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber als Kompensation für die ersparten Brennstoffkosten zu entrichten haben, herangezogen. Bei der Wirkleistungserhöhung werden die „preiswertesten“ Anlagen herangezogen, mit der Folge, dass der Übertragungsnetzbetreiber an diese auch nur eine geringere Vergütung zahlen muss. Diese Vergütung soll durch die Vereinnahmung möglichst hoher zu zahlender ersparter Aufwendungen der herunterfahrenden Kraftwerksbetreiber kompensiert werden. Dadurch wird erreicht, dass der Saldo der von den herunterfahrenden Kraftwerksbetreibern sowie den Übertragungsnetzbetreibern geleisteten Zahlungen – wie von den Anlagenbetreibern gefordert – möglichst niedrig bleibt. Demzufolge werden die Kosten, die an die Verbraucher weitergewälzt werden, i.S.d. Ziels der Preisgünstigkeit der Versorgung, möglichst geringfügig gehalten. Etwaige Erlöse kommen ihnen nach § 9 StromNEV zugute. Allerdings ist das System der Merit Order nicht darauf ausgelegt, möglichst Überschüsse zugunsten der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der Netznutzer zu generieren. Dies gilt insbesondere auch, soweit sich die zu zahlende oder zu erstattende Vergütung nach der Bagatellregelung der Tenorziffer 3 der Vergütungsregelung richtet. Denn die von den herunterfahrenden Kraftwerken nach Tenorziffer 3b der Vergütungsfestlegung an den Übertragungsnetzbetreiber zu erstattenden Aufwendungen nach Grenzkostenersparnis liegen regelmäßig nicht über der vom Übertragungsnetzbetreiber an die hochfahrenden Kraftwerksbetreiber zu zahlenden Vergütung nach Tenorziffer 3a der Vergütungsfestlegung.
234Der Hinweis eines Kraftwerksbetreibers, die von den vor dem Engpass liegenden Kraftwerksbetreibern zu zahlenden ersparten Aufwendungen richteten sich nach den höchsten Grenzkosten am Markt, die von dem Übertragungsnetzbetreiber an das hinter dem Engpass liegende Kraftwerk zu zahlende Vergütung entspreche den geringsten am Markt verfügbaren Grenzkosten, geht schon im Ansatz fehl. Die für jede Engpassseite gesondert zu bildende Merit Order betrachtet jeweils nur die Kosten der einen Engpassseite. Das zur Wirkleistungsreduzierung anzuweisende Kraftwerk hat daher nur im Vergleich zu den anderen Anlagen auf derselben Engpassseite die höchsten Grenzkosten. Entsprechendes gilt für das herauffahrende Kraftwerk. Dieses hat nur die geringsten Grenzkosten im Vergleich zu den übrigen in Betracht kommenden Anlagen. Im Vergleich zu dem herunterfahrenden Kraftwerk vor der Engpassseite wird es jedoch regelmäßig höhere Grenzkosten aufweisen. Insofern geht die Bundesnetzagentur im Grundsatz zutreffend davon aus, dass ein Unternehmen erst dann am Markt aktiv werden wird, wenn es zumindest seine Grenzkosten decken kann (vgl. S. 16 der Vergütungsfestlegung). Wird daher eine einspeisende Anlage zur Wirkleistungsreduzierung angewiesen, wird diese – regelmäßig – „im Geld gelegen“ haben. Eine Anlage, die zur Wirkleistungserhöhung angewiesen wird, hat offensichtlich nicht alle Kapazitäten vermarktet. Dies lässt regelmäßig darauf schließen, dass ihre Grenzkosten über dem Marktpreis liegen, sie also nicht oder nur knapp „im Geld liegt“. Vor diesem Hintergrund ist die Vergütung einer hochfahrenden Anlage regelmäßig höher als die ersparten Aufwendungen einer herunterfahrenden Anlage. Dass es auch Situationen gibt, in denen ein Kraftwerk einspeist, obwohl es seine Grenzkosten nicht deckt, ist unbestritten, stellt aber das Merit-Order-Modell nicht in Frage, insbesondere führt es nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der einzelnen Kraftwerksbetreiber. Denn dem zur Wirkleistungsreduzierung angewiesene Kraftwerksbetreiber bleibt die Vergütung des von ihm vor der Redispatch-Anweisung abgeschlossenen Handelsgeschäfts erhalten, da die von ihm nicht eingespeiste Menge durch das hinter dem Engpass liegende Kraftwerk eingespeist wird. Er hat lediglich die ersparten Aufwendungen herauszugeben, die dadurch anfallen, dass er das Kraftwerk nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, fährt. Es handelt sich daher gerade nicht um Gewinne, die eigentlich dem Kraftwerksbetreiber zustehen. Soweit die ersparten Aufwendungen im Rahmen der Bagatellvergütung der Vergütungsfestlegung zu hoch ermittelt werden, betrifft dies – wie ausgeführt - nicht die Merit Order als solche, sondern die Rechtmäßigkeit der Vergütungsfestlegung. Dies gilt auch für den Ausgleich der mit Redispatch-Maßnahmen verbundenen Auswirkungen auf Min-Take und Max-Take Verpflichtungen im Rahmen von Gasbezugsverträgen von Gaskraftwerksbetreibern.
235Beim spannungsbedingten Redispatch wird nur die angewiesene Anlage betrachtet, da der energetische Ausgleich durch den Übertragungsnetzbetreiber im Wege des Intraday-Handels oder aufgrund eines bilateralen Handelsgeschäfts erfolgt. Andernfalls hätte auch beim spannungsbedingten Redispatch der energetische Ausgleich über die gegenläufige Redispatchanweisung des Übertragungsnetzbetreibers erfolgen müssen. Dies hätte aber das Redispatch-Volumen vergrößert, weshalb sich die Kraftwerks- und Speicheranlagenbetreiber im Verwaltungsverfahren ausdrücklich gegen eine solche Vorgehensweise ausgesprochen haben.
2366.5.4. Leistungsanteil nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung
237Tenorziffer 4 ist auch nicht im Hinblick auf Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung rechtswidrig. Soweit Kraftwerksbetreiber darauf hingewiesen haben, die Vergütung eines Leistungsanteils nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung führe sowohl im Falle der Berücksichtigung als auch im Falle der Nichtberücksichtigung im Rahmen der Merit Order zu einem volkswirtschaftlich ineffizienten Kraftwerkseinsatz, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 Abs. 1 EnWG liegt nicht vor.
238Da die Merit Order allgemein auf die Vergütung abstellt, kommt hier allein der Fall der Berücksichtigung des Leistungsanteils in Betracht. Davon geht auch die Bundesnetzagentur aus (vgl. S. 2 der Anlage 2 zur Stellungnahme des Bundeskartellamts vom 31.07.2014 in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8, BK8-12-19). Der zusätzlich zum Aufwandsersatz gewährte Leistungsanteils führt aber zu einer Verteuerung des Kraftwerkseinsatzes. Das Bundeskartellamt hat es daher in seiner Stellungnahme vom 31.07.2014 in den Verfahren zur Vergütungsfestlegung auf Seite 20 für denkbar gehalten, dass die Übertragungsnetzbetreiber aufgrund der Merit Order nur Kraftwerke für Redispatch-Maßnahmen heranziehen (dürfen), wenn durch deren Einsatz nicht die 10 % Schwelle überschritten wird und keine zusätzlichen Entgelte nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8 entrichtet werden müssen. Folge dessen wäre ein ineffizienter Kraftwerkseinsatz, da nicht mehr notwendigerweise das Kraftwerk mit den geringsten variablen Kosten zum Einsatz käme, was einen Anstieg der Redispatch-Kosten zur Folge habe.
239Nach der Systematik der Merit Order, wonach zunächst auf die netzstützende Wirkung und erst dann auf die Vergütung abzustellen ist, würde sich an der Reihung der Anlagen trotz Verteuerung des Kraftwerkseinsatzes durch die zusätzliche Gewährung eines Leistungsanteils nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung allerdings nur dann etwas ändern, wenn die weiteren Kraftwerke eine annähernd identische netzstützende Wirkung haben. Das die Leistungsvergütung erhaltende Kraftwerk rückt also nicht zwangsläufig in der Merit Order weiter nach hinten. Sind jedoch weitere Kraftwerke vorhanden, die eine ähnliche netzstützende Wirkung haben, insgesamt aber „preisgünstiger“ sind, würde das Kraftwerk, das nach Ansicht der Bundesnetzagentur mit Überschreiten der 10 %- Grenze regelmäßig Redispatch-Maßnahmen erbringt und daher offensichtlich als besonders geeignet für Redispatch-Maßnahmen erscheint, in der Merit Order aufgrund der insgesamt höheren Vergütung nach hinten rücken. Das zum Einsatz kommende „preisgünstigere“ Kraftwerk hätte zwar vergleichsweise höhere variable Kosten, wegen der annähernd identischen netzstützenden Wirkung käme es aber nicht zu einem Anstieg des Redispatch-Volumens. Damit dürfte die Steigerung der Redispatch-Kosten unterhalb derjenigen liegen, die für das nach Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung zu vergütende Kraftwerk anfallen. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob durch die Tenorziffer 5 ein volkswirtschaftlich ineffizienter Kraftwerksansatz hervorgerufen wird. Denn die Auswirkungen der Tenorziffer 5 der Vergütungsfestlegung beruhen nicht auf Unzulänglichkeiten des Merit-Order-Models, sondern allein auf der Fehlerhaftigkeit der Tenorziffer 5 der Vergütungsregelung (vgl. Beschlüsse vom heutigen Tage in den Verfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8). Wie bereits ausgeführt, ist insoweit zwischen der Merit Order als solcher und den Auswirkungen einzelner Kostenpositionen auf die Merit Order zu unterscheiden. Die sachgerechte Erfassung einzelner Kostenbestandteile ist durch die Vergütungsfestlegung zu gewährleisten und daher Gegenstand der Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8.
2406.5.5. Spannungsbedingter Redispatch
241Das Merit Order-Modell führt auch nicht zu einer fehlerhaften Einsatzreihenfolge beim spannungsbedingten Redispatch. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Quotient aus netzstützender Wirkung und Vergütungshöhe sei für die Einsatzreihenfolge beim spannungsbedingten Redispatch völlig ungeeignet. Wie bereits vorstehend unter Ziffer 2.2.2. ausgeführt, ist die Merit Order für den spannungsbedingten Redispatch nach anderen Kriterien aufzustellen als bei dem strombedingten Redispatch. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Definition der netzstützenden Wirkung bei einem strom- oder spannungsbedingten Engpass. Bei einer spannungsbedingten Wirkleistungsanpassung beschreibt die netzstützende Wirkung die durch die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung bewirkte Spannungsänderung an dem von einer Spannungsgrenzwertverletzung bedrohten oder betroffenen Netzknoten (vgl. S. 44 der Festlegung). Richtig ist zwar, dass die Spannung letztlich durch die Blindleistungseinspeisung beeinflusst wird. Maßgebend ist vorliegend jedoch nicht die Blindleistungseinspeisung als solche, sondern ausweislich Tenorziffer 1 sowie den erläuternden Ausführungen auf Seite 11 der Festlegung die Wirkleistungsanpassung, da erst durch diese die für die Spannungshaltung maßgebliche Blindleistungseinspeisung ermöglicht werden soll. Vor diesem Hintergrund ist – wie beim strombedingten Redispatch – auf die Vergütung für die Wirkleistungsanpassung (nach der Vergütungsfestlegung der Aufwandsersatz für den Brennstoffverbrauch) und nicht für die mit einer Blindleistungseinspeisung verbundenen Kosten abzustellen. Der Einholung des von der Betroffenen beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht.
2426.5.6. Kraftwerksrevisionen
243Kraftwerke, die zum Zeitpunkt der Redispatch-Maßnahme eine Kraftwerksrevision geplant haben, werden nicht ermessensfehlerhaft in die Merit Order einbezogen und zum Redispatch angewiesen. Denn aufgrund der geplanten Revision sind sie nicht für den konkreten Redispatch-Einsatz verfügbar und können daher nach Tenorziffer 8 Satz 2 der Festlegung schon keine freien Leistungsscheiben melden. Grundsätzlich bleiben Anlagen zwar auch in diesem Fall zum Redispatch verpflichtet, da nach § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG die Wirkleistungsanpassung auch die Anforderung einer Einspeisung aus Erzeugungsanlagen, die zur Erfüllung der Anforderung eine geplante Revision verschieben müssen, umfasst. Nach der Gesetzesbegründung soll dies jedoch nur im Einzelfall nach Ausschöpfung milderer Mittel zulässig sein (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen der Festlegung und bedarf daher keiner ausdrücklichen Anordnung. Eine Anlage, die eine Revision geplant hat, kann daher nur im Notfall herangezogen werden.
2446.5.7. Differenzierung zwischen Minimallast und Abschaltung
245Die Bundesnetzagentur musste auch nicht Leistungsscheiben von 0 MW bis zur Mindestwirkleistungseinspeisung und Leistungsscheiben von der Mindestwirkleistungseinspeisung bis zur maximalen, technisch möglichen Einspeisung separat in die Merit Order einbeziehen. Die Rüge der Betroffenen, die Festlegung sei ermessensfehlerhaft, weil den Übertragungsnetzbetreibern nicht aufgegeben werde, vorrangig vor der Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung einer Anlage bis auf 0 MW bzw. vor der Erhöhung der Wirkleistungseinspeisung aus einem Zustand, in dem die Anlage nicht einspeise, Reduzierungen bzw. Erhöhungen der Wirkleistungseinspeisung anderer Anlagen aufzufordern, die dafür nicht abgeschaltet bzw. angefahren werden müssten, geht fehl.
246Tenorziffer 3 der Festlegung regelt die Eingriffstiefe einer Redispatch-Maßnahme bis auf 0 MW sowie bis zur maximalen, technisch möglichen Einspeisung, auch aus einem Zustand, in dem die Anlagen nicht einspeist. Die Regelung steht in Einklang mit der Vorgabe in § 13 Abs. 1a Satz 2 EnWG, die die Anforderung einer Einspeisung aus Erzeugungsanlagen, die derzeit nicht einspeisen und erst betriebsbereit gemacht werden müssen, ausdrücklich vorsieht. Mit Blick auf die möglicherweise zeitlich und finanziell aufwändigen Vorbereitungsmaßnahmen, um die Erzeugungsanlagen in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soll eine Anforderung ihrer Einspeisung allerdings nur erforderlichenfalls, nach Ausschöpfung der milderen Mittel erfolgen (BT-Drs. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 71). Diesen Anforderungen wird die Festlegung dadurch gerecht, dass sie im Rahmen der Merit Order auf die Vergütung abstellt. Nach Ziffer 5.1.3.1. der Vergütungsfestlegung (S. 13) werden plausibel nachgewiesene zusätzlich entstandene Aufwendungen, die aus zusätzlichen An- und Abfahrvorgängen resultieren, vergütet. Damit ist eine Anlage, die erst betriebsbereit gemacht werden muss, regelmäßig teurer als eine Anlage, die schon einspeist. Dies führt im Rahmen der Merit Order dazu, dass diese in der Reihenfolge weiter nach hinten rückt. Dies sieht die Festlegung auf Seite 45 auch ausdrücklich vor. Eine Differenzierung nach Leistungsscheiben ist angesichts dessen entbehrlich. Sowohl die streitgegenständliche Festlegung als auch die Vergütungsfestlegung als auch das Gesetz gehen jeweils davon aus, dass sich derartige Kosten beziffern lassen. Bei einer Anlage, die ihre Wirkleistung auf 0 MW herunterfahren soll, gilt entsprechendes. Die Kosten für den Abfahrvorgang sind nach Ziffer 5.1.3.2. der Vergütungsfestlegung (S.15) von den ersparten Aufwendungen abzuziehen, so dass sich die an den Übertragungsnetzbetreiber zu zahlende Vergütung reduziert und die Anlage in der Reihenfolge nach hinten rückt. Durch den Verweis auf die zusätzlichen Aufwendungen nach Ziffer 5.1.3.1., die ausdrücklich zusätzliche An- und Abfahrvorgänge nennt, sind auch die Kosten des nach beendeter Redispatch-Maßnahme erforderlich werdenden Anfahrvorgangs berücksichtigungsfähig.
2476.5.8. Abhängigkeit vom Bestand der Vergütungsfestlegung
248Dass die Bundesnetzagentur nicht erwogen hat, wie zu verfahren ist, wenn die Vergütungsfestlegung aufgehoben oder widerrufen wird, stellt keinen Ermessensfehler in Form eines Ermessensausfalls dar. Denn der Vergütungsanspruch der Anlagenbetreiber ergibt sich bereits aus § 13 Abs. 1a EnWG selbst. Die Festlegung bzw. die Merit Order wird daher durch die Aufhebung der Vergütungsfestlegung nicht rechtswidrig, mag es auch bis zum Erlass einer neuen Vergütungsfestlegung Vollzugsprobleme im Hinblick auf die Bestimmung der Vergütung geben.
2496.5.9. netzknotenbezogene Anweisung konterkariert Merit Order
250Zu Recht wird von Kraftwerksbetreibern darauf hingewiesen, dass die nach Tenorziffer 4 festgelegte Einsatzreihenfolge durch die netzknotenbezogene Anweisung konterkariert werden kann. Allerdings führt dies nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Festlegung.
251Wie bereits ausgeführt, bezieht sich die Verpflichtung, sich einer Redispatch-Anweisung zu unterwerfen auch an einem Netzknoten mit mehreren Anlagen eines Betreibers – entgegen der Regelung in Tenorziffer 2 der Festlegung - nur auf diejenigen Anlagen, die eine Netto-Nennwirkleistung größer oder gleich 50 MW aufweisen. Durch die Festlegung einer Merit Order in Tenorziffer 4 konkretisiert sich die Verpflichtung im Falle eines Netzengpasses oder einer Spannungsgrenzwertverletzung auf eine bestimmte Anlage. Die angewiesene Anlage ist grundsätzlich nur im Rahmen ihrer freien Leistungsscheiben zur Wirkleistungsanpassungen verpflichtet, danach ist die nach der Merit Order nächste Anlage anzuweisen. Dies wird allerdings im Rahmen der Festlegung nicht gewährleistet. Weder die Regelung über die Merit Order noch die über die Anweisung stellen sicher, dass die Inanspruchnahme nur im Rahmen der freien Leistungsscheiben der konkret verpflichteten Anlage erfolgt. Die netzstützende Wirkung wird im Rahmen der Merit Order unabhängig von den freien Leistungsscheiben berechnet. Die Anweisung erfolgt nach Tenorziffer 3 Satz 3 netzknotenbezogen, ebenso die Meldung freier Leistungsscheiben nach Tenorziffer 8. Dies führt dazu, dass die Wirkleistungsanpassung auch über die freien Leistungspotentiale der „Platz 1-Anlage“ hinaus erfolgen kann, solange an demselben Netzknoten noch freie Leistungsscheiben anderer Anlagen des Betreibers zur Verfügung stehen. Dadurch werden Anlagen herangezogen ohne Rücksicht darauf, ob diese nach der Reihenfolge der Merit Order als nächstes oder erst später verpflichtet sind. Allerdings belastet dies die Anlagenbetreiber nicht. Denn, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, erhalten sie die Vergütung für die tatsächlich eingesetzte Anlage. Die Beteiligten haben ferner dargelegt, dass sie selbst bei vorhandenen freien Leistungsscheiben der sich nach der Merit Order ergebenden Anlage immer die teuerste Anlage einsetzen und dafür die Vergütung erhalten. Ein etwaig damit verbundener Verstoß gegen den Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG beschwert sie daher schon nicht. Dasselbe gilt, soweit darauf hingewiesen wird, dass der Netzknoten unter Umständen wegen der freien Leistungsscheiben der anderen Anlagen öfter angewiesen wird als dies beim Abstellen der freien Leistungsscheiben der Fall wäre. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Vergütung nach der Vergütungsfestlegung nicht angemessen ist, denn dies hat lediglich die Aufhebung der Festlegung zur Konsequenz (vgl. Beschlüsse vorm heutigen Tag in den Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestlegung der Beschlusskammer 8). Für den Einsatz der die Redispatch-Maßnahme ausführenden Anlage steht dem Anlagenbetreiber schon kraft Gesetzes ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu.
2526.6. Haftungsbeschränkung für Anlagenbetreiber
253Ohne Erfolg rügt die Betroffene das Fehlen einer Haftungsbeschränkung für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie in der Festlegung. Ein Ermessensausfall der Bundesnetzagentur liegt nicht vor.
254Die Festlegungsbefugnis der Bundesnetzagentur bezieht sich lediglich auf den in § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG genannten Katalog. Eine Haftungsregelung ist von diesem ersichtlich nicht erfasst, insbesondere handelt es sich nicht um eine Methodik der Anforderung. Die Frage des Umfangs der Haftung bezieht sich ausschließlich auf die Folgen einer Wirkleistungsanpassung. Vor diesem Hintergrund bestand auch kein Anlass für eine Regelung, dass eine Anforderung zur Wirkleistungseinspeisung nur auf der Grundlage eines die Haftung regelnden Vertrages zwischen dem Übertragungsnetzbetreiber, dem Anschlussnetzbetreiber und dem Anlagenbetreiber erfolgen kann, zumal § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG für die Anforderung der Wirkleistungsanpassung gerade keinen vorherigen Vertragsschluss vorsieht. Auch der Hinweis auf § 13b Abs. 1 Nr. 1 lit. d) EnWG i.V.m. § 13b Abs. 3 Satz 1 EnWG geht fehl. Danach ist die Bundesnetzagentur berechtigt, Bestimmungen zu den Verpflichtungen der Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie i.S.v. § 13 Abs. 1a EnWG zu treffen. Die Regelung wurde durch das Dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2012 mit Wirkung zum 28.12.2012 und damit nach Festlegungserlass in das Energiewirtschaftsgesetz eingefügt. Insoweit kann offen bleiben, ob die Vorschriften überhaupt die Befugnis zur Regelung der Haftungsverpflichtungen der Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen umfasst.
2557. Gesamtaufhebung
256Auch wenn nur die Reglungen in Tenorziffer 2 Satz 3 und Tenorziffer 3 Satz 2 der streitgegenständlichen Festlegung rechtswidrig sind, handelt es sich dabei um zentrale Regelungen, die zur Gesamtaufhebung der Festlegung führen. Schon die Rechtswidrigkeit der Tenorziffer 2, die den Adressatenkreis der Festlegung näher definiert, führt dazu, dass die übrigen Regelungen keinen Bestand haben können. Denn diese setzen die Bestimmung des Adressatenkreises voraus. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Bundesnetzagentur die Festlegung auch ohne die netzknotenbezogene Bestimmung der Nennwertgrenze der verpflichteten Anlagen bestimmt hätte. Vielmehr hat sie der Festlegung insgesamt ein netzknotenbezogenes Verständnis zugrunde gelegt. So geht sie auch in den Tenorziffern 3 und 8 von einer netzknotenbezogenen Betrachtungsweise aus.
257C.
258I.
259Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
260II.
261Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat bereits im Termin vom 21.01.2015 im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten auf 50.000 Euro für jedes Verfahren festgesetzt (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO).
262D.
263Die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ist zuzulassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG haben.
264Rechtsmittelbelehrung:
265Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
266einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).
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