Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-3 Kart 79/14 (V)
Tenor
Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur vom 11.12.2013, BK4-13-739, wird zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 250.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2A.
3Gegenstand der Beschwerde ist die von der Bundesnetzagentur am 11.12.2013 beschlossene „Festlegung hinsichtlich der sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EnWG i.V.m. § 19 Abs. 2 StromNEV und § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV“ (im Folgenden: Festlegung).
4Tenorziffer 1. und 2. betreffen die atypische Netznutzung nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV. Tenorziffer 3. regelt die Voraussetzungen für die Ermittlung einer intensiven Netznutzung im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV und die für diesen Fall geltenden Regeln bei der Berechnung des individuellen Netzentgelts.
5Zur Ermittlung der Benutzungsstunden heißt es unter Tenorziffer 3.a) der Festlegung:
6„Der Anspruch eines stromintensiven Letztverbrauchers auf Gewährung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV setzt zunächst voraus, dass die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle pro Kalenderjahr die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden erreicht und zudem der Stromverbrauch 10 Gigawattstunden übersteigt. Bei der Berechnung der Benutzungsstundendauer ist die physikalisch gemessene Jahreshöchstlast des Letztverbrauchers an der betreffenden Abnahmestelle zu berücksichtigen. Diese umfasst ebenfalls die Leistungsinanspruchnahme aufgrund des Ausfalls von Eigenerzeugungsanlagen, die über Netzreservekapazität entgolten werden, soweit dies den im Tenor 3.c. getroffenen Regelungen nicht entgegensteht.
7Bei der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzung ist eine kaufmännisch-bilanzielle Verrechnung des Strombezugs nicht zulässig.
8Die Zahl der Benutzungsstunden ergibt sich aus der Gesamtarbeit, gemessen innerhalb eines Kalenderjahres dividiert durch die Höchstlast innerhalb dieser Zeitspanne.“
9Tenorziffer 3.c) behandelt die Berechnung des Beitrags des Letztverbrauchers zu einer Senkung oder Vermeidung der Erhöhung der Kosten der Netz- oder Umspannebene mittels des sog. „physikalischen Pfads“.
10Gemäß Tenorziffer 4. sind hinsichtlich der Durchführung des Anzeigeverfahrens die in Punkt II.5. (so wohl gemeint, tatsächlich in Bezug genommen: Ziffer II.4.) der Begründung enthaltenen Vorgaben zu beachten. Dort heißt es:
11„5. Ausgestaltung des Anzeigeverfahrens
12a) Einführung eines Anzeigeverfahrens
13….
14Durch die neue Fassung des §§ 19 Abs. 2 StromNEV genügt künftig eine schriftliche Anzeige der getroffenen Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts gegenüber der Regulierungsbehörde, sofern die Regulierungsbehörde die Kriterien der sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 1 bis 3 (bzw. § 19 Abs. 2 S. 1 bis 4 ab 01.01.2014) StromNEV festlegt. Da grundsätzlich die ex-post-Kontrolle aller angezeigten individuellen Vereinbarungen eine Überprüfung der Einhaltung der Kriterien ermöglicht, spricht der erhebliche administrative Aufwand aller beteiligten Parteien bei einem Genehmigungsverfahren für die Umstellung auf ein Anzeigeverfahren.
15b) Berechtigung zur Anzeige
16…
17c) Nachweis- und Begründungspflicht
18Gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV a.F. hatte der Netzbetreiber unverzüglich alle erforderlichen Daten zur Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen eines individuellen Netzentgelts bzw. der Befreiungsvoraussetzungen vorzulegen. Nunmehr hat der Letztverbraucher der Regulierungsbehörde mit der Anzeige alle zur Beurteilung der Voraussetzungen erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der Netzbetreiber ist verpflichtet, dem Letztverbraucher alle dafür notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Anzeige ist vollständig bei der Regulierungsbehörde bis zur Anzeigefrist vorzuliegen. Nach der Anzeigefrist eingebrachte, ergänzende Unterlagen werden nicht berücksichtigt, so dass die angezeigte Vereinbarung für das Anzeigejahr untersagt wird und frühestens im Folgejahr wieder angezeigt werden kann. …
19d) Berichtspflichten
20…
21e) Anzeigefrist
22Im Rahmen des Anzeigeverfahrens sollen alle Vereinbarungen individueller Netzentgelte im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 1 bis 4 StromNEV n.F. bis zum 30. September des Kalenderjahres angezeigt werden, in welchem sie erstmalig gelten. Die Frist orientiert sich insoweit an den bisherigen Vorgaben der Bundesnetzagentur zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und von Entgeltbefreiungen gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV in der bis zum 14.8.2013 geltenden Fassung. Durch die vorliegende Festlegung soll nunmehr ein einheitliches Anzeigeverfahren eingeführt werden. Die bisherigen Antragsfristen sollen beibehalten und auf das Anzeigeverfahren übertragen werden.
23Die vorgetragenen Bedenken gegen die Festlegung einer Anzeigefrist können insoweit nicht überzeugen. Zwar enthält die Verordnung insoweit selbst keine explizite Antragsfrist. Allerdings bestünde ohne Vorgabe einer Anzeigefrist die Gefahr, dass gegebenenfalls noch nach Jahren individuelle Netzentgeltvereinbarungen mit Wirkung für die Vergangenheit abgeschlossen werden könnten. Dies würde zum einen zu gravierenden Problemen im Zusammenhang mit der Ermittlung der § 19 StromNEV-Umlage führen. Darüber hinaus müsste der Netzbetreiber nachträglich mit gravierenden Erlösausfällen für die Vergangenheit rechnen. Davon abgesehen stellt die Möglichkeit, die Anzeige noch bis zum 30. September des Jahres zu stellen, in dem die Vereinbarung wirksam werden soll, eine für die Vertragsbeteiligten begünstigende Regelung dar. Vor dem Hintergrund der gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV bestehender Genehmigung bzw. Anzeigepflicht, ließe sich aus der Intention der Regelung selbstverständlich auch ableiten, die Wirksamkeit der geschlossenen Vereinbarung von einer vor der geplanten Geltungszeit erfolgten Anzeige bei der Regulierungsbehörde abhängig zu machen.
24Durch die Bestimmung des 30. September als letztmöglicher Anzeige wird sowohl dem Letztverbraucher als auch dem Netzbetreiber ausreichend Zeit für eine Vorbereitung der Anzeige eingeräumt. Angesichts des Umstandes, dass sich viele Letztverbraucher erst auf Basis der Auswertung der letzten Jahresrechnung für eine individuelle Netz Entgeltvereinbarung entscheiden, sollte die Frist für die Vorlage nicht zu weit nach vorn verlegt werden. Andererseits darf der Anzeigetermin auch nicht soweit in der Zukunft liegen, dass entgegen der Intention der Regelung dem Letztverbraucher die faktische Möglichkeit zu einer Bestabrechnung eingeräumt wird.
25f) Wirkung der Anzeige
26…. .“
27Die Betroffene betreibt an ihrem Standort in … ein Werk … sowie für den Betrieb erforderliche Nebeneinrichtungen. Am Standort ist neben der … der Betroffenen auch das Heizkraftwerk der A. ans Netz der B. angeschlossen. Seit Ende 2011 sind der Entnahmepunkt der Betroffenen und der Einspeisepunkt der A. galvanisch getrennt ans Netz der B. angeschlossen. Die Betroffene ist über singulär genutzte Betriebsmittel an das Hochspannungsnetz der B. angeschlossen. Das Heizkraftwerk der A. speiste bis Ende 2011 direkt in die Kundenanlage der Betroffenen ein und war so galvanisch mit der … verbunden. Unter Zugrundelegung der Auffassung der Bundesnetzagentur, wonach der für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 StromNEV maßgebliche Strombezug nicht kaufmännisch bilanziell, sondern physikalisch zu ermitteln sei, führte die Betroffene Umschlussmaßnahmen durch. … und Heizkraftwerk sind seitdem galvanisch getrennt. Die Betroffene beabsichtigt nach ihren Angaben, bei einem Erfolg der Beschwerde hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit des kaufmännisch-bilanziell bezogenen Stroms die Umschlussmaßnahmen rückgängig zu machen. An den Entnahmestellen zu den Produktionsanlagen erfüllte die Betroffene in den Jahren 2012 und 2013 die Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt. Sie hat nunmehr mit der Anschlussnetzbetreiberin auch eine Vereinbarung über das individuelle Netzentgelt ab dem Jahr 2014 getroffen.
28Die Betroffene hat mit Schriftsatz vom 06.05.2015 ihre Teilanfechtungsbeschwerde betreffend die Berechnungsmethode, sowie ihren Hilfsantrag auf Aufhebung von Tenorziffer 3. insgesamt und ihren weiteren Hilfsantrag auf Aufhebung der gesamten Festlegung zurückgenommen. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2015 ihren Antrag zurückgenommen, mit dem sie die Feststellung begehrt hat, dass die Festlegung keine Regelung dahingehend enthalte, dass eine Erzeugungsanlage, die ihre elektrische Energie nicht vollständig und unmittelbar physikalisch in ein Netz der allgemeinen Versorgung oder ein geschlossenes Verteilernetz einspeise, keine „geeignete Erzeugungsanlage“ im Sinne der Tenorziffer 3.c.ii. der Festlegung sei. Sie wendet sie sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde nunmehr noch gegen die die Regelungen in Tenorziffer 3.a). und gegen die in Tenorziffer 4. geregelte Anzeigefrist.
29Sie ist der Ansicht, eine isolierte Anfechtung der Tenorziffern 3.a) und 4. sei zulässig. Die Festlegung sei insoweit teilbar. Die in den genannten Ziffern getroffenen Regelungen seien isoliert voneinander anzuwenden und hingen nicht untrennbar zusammen. Dies gelte insbesondere, da die Voraussetzungen bereits § 19 Abs. 2 StromNEV zu entnehmen seien und durch die Festlegung lediglich – rechtswidrig - eingegrenzt würden. Die Hilfsanträge würden für den Fall gestellt, dass der Senat eine Teilbarkeit der Tenorziffer 3. oder der Tenorziffer 4. der Festlegung ablehne. Der weitere Hilfsantrag werde für den Fall gestellt, dass der Senat die Teilbarkeit der Festlegung insgesamt verneine.
30Die Bundesnetzagentur verstoße mit Tenorziffer 3.a) gegen die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage in §§ 19 Abs. 2 S. 7, 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV i.V.m. § 29 Abs. 1 EnWG, indem sie bei der Ermittlung der Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV kaufmännisch-bilanziell abgerechneten Strombezug unberücksichtigt lasse und bei in Anspruch genommener Netzreservekapazität auf den physikalischen Strombezug abstelle.
31§ 19 Abs. 2 StromNEV selbst enthalte keine Regelung zur Berücksichtigung kaufmännisch-bilanziell verrechneten Strombezugs. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV lasse offen, ob die „Stromabnahme“ physikalisch zu ermitteln sei oder kaufmännisch-bilanziell. Dies ergebe sich allein aus der Gesetzessystematik. Wann eine netzentgeltpflichtige Stromabnahme vorliege, richte sich nach § 17 StromNEV. Nur wenn eine netzentgeltpflichtige Stromabnahme nach § 17 StromNEV anzunehmen sei, komme überhaupt eine Privilegierung nach § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV in Betracht. Die Regelungen liefen daher hinsichtlich der Ermittlung der abrechnungsrelevanten Strommengen parallel.
32Grundsätzlich richte sich die Höhe der Netzentgelte nach der physikalischen Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung. Dieser Grundsatz werde jedoch in den Fällen durchbrochen, in denen ein nach § 11 Abs. 2 EEG in der Fassung vom 21.07.2014 (zuvor § 8 Abs. 2 EEG) kaufmännisch-bilanziell abgerechneter Strombezug vorliege. Grund sei, dass ein Anlagenbetreiber, der Teile des eigenerzeugten Stroms selbst verbrauche, in den Fällen des § 11 Abs. 2 EEG nach Sinn und Zweck der Regelung nicht besser gestellt werden solle, als ein direkt in das Netz der Allgemeinversorgung einspeisender und für den Eigenverbrauch zugleich entnehmender Anlagenbetreiber. Wenn Letztverbraucher in der dargestellten Anschlusskonstellation jedoch hinsichtlich der Ermittlung der Netzentgelte gleichzustellen seien, gelte dies auch für die nach § 19 Abs. 2 StromNEV (zwingend) vom Netzbetreiber anzubietenden individuellen Netzentgelte. Die Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich die Höhe der Netzentgelte nach der physikalischen Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung richte, gelte nicht nur für „EEG-Ersatzstrom“ nach § 11 Abs. 2 EEG, sondern für jeden Strombezug, der kaufmännisch-bilanziell erfolge.
33Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur widerspreche eine Berücksichtigung des kaufmännisch-bilanziell abgerechneten Strombezugs auch nicht Sinn und Zweck des § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV. Der Verordnungsgeber stelle in der Begründung zur Einführung der Neufassung des § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV klar, dass Anknüpfungspunkt für die Netzentgeltreduktion die mit einer hohen Benutzungsstundenzahl einhergehende Bandlast sei. Entscheidend sei demnach die „dauerhafte Stromentnahme“, bei der der Verordnungsgeber eine netzstabilisierende Wirkung unterstelle. Dabei prüfe der Netzbetreiber nicht im Einzelfall, ob tatsächlich eine entsprechende netzstabilisierende Wirkung eintrete. Zu Unrecht gehe die Bundesnetzagentur davon aus, dass der eigene netzentgeltpflichtige physikalische Verbrauch des Anlagenbetreibers innerhalb einer Kundenanlage nicht zu berücksichtigen sei. Es könne keinen Unterschied machen, welche Rechtsnatur die elektrischen Einrichtungen hätten, aus denen die Stromentnahme erfolge. Die physikalische Stromentnahme und damit die gefahrene Bandlast, mit der die Vermutung einer netzstabilisierenden Wirkung eintrete, bleibe die gleiche. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass nach den Vorgaben der Festlegung nur für Kundenanlagenbetreiber, die selbst Strom an ihrem Standort erzeugten und netzentgeltpflichtig verbrauchten, die physikalische Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entscheidend sein solle, nicht aber für Letztverbraucher in geschlossenen Verteilernetzen sowie für an Kundenanlagen angeschlossene Drittverbraucher.
34Die Bundesnetzagentur überschreite zudem die Grenzen der §§ 19 Abs. 2 S. 7, 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV i.V.m. § 29 Abs. 1 EnWG, indem sie in der Festlegung regele, dass der über Netzreservekapazität bezogene Leistungsbedarf bei der Ermittlung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV zu berücksichtigen sei. Die Regelung sei bereits unklar, soweit sie eine Bezugnahme auf Tenorziffer 3.c) der Festlegung enthalte, aber auch im Übrigen rechtswidrig. Werde eine mit dem Netzbetreiber vereinbarte Netzreservekapazität in Anspruch genommen, so sei die zusätzlich gezogene Last nicht bei der Ermittlung der Jahreshöchstlast nach § 17 StromNEV zu berücksichtigen. Nichts anderes könne im Rahmen des § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV gelten. Die Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Netzreservekapazität könne dazu führen, dass trotz grundsätzlich über das gesamte Jahr gleich bleibender Bandlast die nach § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV erforderliche Benutzungsstundenzahl nicht erreicht werde. Durch die in Anspruch genommenen Netzreservekapazität werde die grundsätzlich gefahrene Bandlast aber nicht beeinträchtigt, auf die es im Rahmen des §§ 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV entscheidend ankomme.
35Die in Tenorziffer 4. festgelegte Frist für die Anzeige der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts durch die Bundesnetzagentur sei mit § 19 Abs. 2 StromNEV nicht vereinbar und die Festlegung daher insoweit aufzuheben. Es handele sich hierbei um eine behördliche Frist mit verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Ausschlusswirkung, da die Festlegung keine Möglichkeit zur Verlängerung der Anzeigefrist vorsehe. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen unterlägen aufgrund ihrer rechtsvernichtenden Wirkung dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Zwar müsse die Ausschlusswirkung dabei nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sein, sie müsse sich jedoch hinreichend eindeutig daraus ergeben. Dies sei hier nicht der Fall. § 19 Abs. 2 StromNEV selbst enthalte weder eine Frist für die Abgabe der Anzeige, noch eine Ermächtigung für die Festsetzung einer solchen in Form einer Ausschlussfrist. Die Vorgabe einer Ausschlussfrist entspreche auch nicht dem Willen des Verordnungsgebers. Obwohl dem Verordnungsgeber bei der letzten Neufassung die Problematik der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für die Bestimmung von Ausschlussfristen durch eine Regulierungsbehörde bekannt gewesen sei, habe er die Aufnahme einer Ermächtigung zur Bestimmung einer Ausschlussfrist unterlassen. Auch die Systematik der Regelung spreche gegen die zulässige Bestimmung einer Ausschlussfrist in der Festlegung. Der Letztverbraucher sei trotz der Einräumung eines eigenständigen Anzeigerechts zur Erfüllung der Voraussetzungen auf die Mitwirkung des Netzbetreibers angewiesen. Selbst wenn man nicht von einer materiellen Ausschlussfrist, sondern lediglich von einer behördlichen Verfahrensregulierung ausgehe, sei diese rechtswidrig.
36Die Betroffene beantragt,
37- 38
1. Tenorziffer 3.a) des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 11.12.2013 zum Az. BK4-13-739 aufzuheben,
- 39
2.
40- 41
a. Tenorziffer 4. des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 11.12.2013 zum Az. BK4-13-739 soweit aufzuheben, als danach eine vollständige Anzeige der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts bis zum 30.09 eines Kalenderjahres vorliegen muss,
- 42
b. hilfsweise zum Antrag zu 2.a.: Tenorziffer 4. des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 11.12.2013 zum Az. BK4-13-739 aufzuheben.
- 41
Die Bundesnetzagentur beantragt,
44die Beschwerde zurückzuweisen.
45Sie ist der Ansicht, die Festlegung sei rechtmäßig.
46Zunächst sei die von ihr unter Tenorziffer 3.a) getroffene Regelung hinsichtlich des Ausschlusses kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs rechtmäßig. Für die Privilegierung durch ein individuelles Netzentgelt gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV kämen lediglich solche Letztverbraucher in Betracht, die aufgrund ihres tatsächlichen, besonders stromintensiven Nutzungsverhaltens einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilität leisteten. Dies sei mit Blick auf die physikalische Auslastung des Netzes der allgemeinen Versorgung dann nicht der Fall, wenn der Strom nicht mehr vollständig aus diesem Netz, sondern zumindest teilweise von einer Eigenerzeugungsanlage bezogen werde.
47Dem entspreche auch der Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV, der für die Netzentgeltreduzierung eine näher bestimmte „Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung“ fordere. Außerdem gebiete es aber die Sachgerechtigkeit, allein auf das Netz der allgemeinen Versorgung abzustellen bzw. zu verlangen, dass die zur Gewährung der Netzentgeltreduktion erforderliche Stromentnahme aus diesem Netz zu erfolgen habe. Dies zeige sich insbesondere daran, dass die Ausfälle, die den Netzbetreibern durch die Netzentgeltreduktion für die nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV privilegierten Letztverbraucher entstünden, bundesweit auf alle anderen Letztverbraucher abgewälzt würden. Bei der von der Betroffenen herangezogenen kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung nach § 11 Abs. 2 EEG handele es sich um eine Ausnahmeregelung, die nicht auf § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV übertragbar sei. Die von der Betroffenen gerügten Widersprüche lägen nicht vor.
48Der Anfechtungsantrag sei auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Netzreservekapazität unbegründet. Die Betroffene verkenne, dass für die Voraussetzung von § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV allein das tatsächliche, physikalische Entnahmeverhalten des Letztverbrauchers maßgeblich sei. Die Ansicht der Betroffenen vom Gleichlauf von § 17 und § 19 StromNEV überzeuge nicht. § 19 StromNEV stelle vielmehr eine Ausnahmevorschrift mit Blick auf § 17 Abs. 2 StromNEV dar.
49Auch sei die in Tenorziffer 4. in Verbindung mit der Festlegungsbegründung statuierte Ausschlussfrist rechtmäßig. Für das Jahr 2014 habe sie sich bereit erklärt, in begründeten Ausnahmen eine Ergänzung von im Zeitpunkt des Fristablaufs zum 30.09.2014 unvollständigen Anzeigeunterlagen bis zum 31.12. zuzulassen und auf ein mögliches Untersagungsverfahren gemäß § 19 Abs. 2 S. 8 StromNEV zu verzichten. Darüber hinaus sei die Anzeigefrist auch isoliert betrachtet rechtmäßig. Die Festlegung einer Anzeigefrist zum Stichtag 30.09. sei im Hinblick auf die Systematik der Netzentgeltbildung und Netzentgeltabrechnung geboten und sachgerecht. Die Nachteile für die Allgemeinheit bei einer über Jahre fortbestehenden Möglichkeit einer nachträglichen Vereinbarung von individuellen Netzentgelten für vergangene Zeiträume wären beträchtlich. Etwaige unbillige Härten ließen sich im Wege der Verwaltungspraxis auffangen.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Regulierungsbehörde und das Protokoll der Senatssitzung vom 3. Juni 2015 Bezug genommen.
51B.
52Die Beschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.
53Ob die einzelnen Anfechtungsanträge der Betroffenen, die Festlegung teilweise aufzuheben, zulässig sind oder mangels Teilbarkeit über die Hilfsanträge zu entscheiden wäre, kann offen bleiben. Auf eine Teilbarkeit der Festlegung kommt es nicht an, da die Angriffe insgesamt unbegründet sind.
541. § 19 Abs. 2 StromNEV in der Fassung vom 14.08.2013 sieht die Möglichkeit der Bildung individueller Netzentgelte vor. So ist nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV ein individuelles Netzentgelt anzubieten, wenn die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle pro Kalenderjahr sowohl die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7000 Stunden im Jahr erreicht als auch der Stromverbrauch an dieser Abnahmestelle pro Kalenderjahr zehn Gigawattstunden übersteigt.
55Diese Voraussetzungen hat die Bundesnetzagentur durch die hier streitgegenständliche aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 29 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV erlassene Festlegung konkretisiert. Mit der Ermächtigung zur Konkretisierung der sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte ist naturgemäß ein Gestaltungsauftrag der Regulierungsbehörde verbunden, in dessen Rahmen die Regulierungsbehörde allerdings nicht völlig frei ist, sondern die ihr durch höherrangiges Recht und insbesondere durch § 19 Abs. 2 StromNEV vorgegebenen Grenzen zu beachten hat. Dabei kommt der Regulierungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der hinsichtlich der Beachtung der gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2010, EnVR 49/09, Rdnr. 8; Senat, Beschluss vom 06.06.2012, VI-3 Kart 356/07 (V), Rn. 20 bei juris).
562. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Antrag zu 1. insgesamt unbegründet, weil die Bundesnetzagentur in Tenorziffer 3.a) der Festlegung zu Recht festgelegt hat, dass im Rahmen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV allein auf den physikalischen Strombezug aus dem Netz der allgemeinen Versorgung abzustellen ist. Kaufmännisch-bilanziell aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommene Strommengen finden grundsätzlich keine Berücksichtigung. Der Strombezug aus vertraglich vereinbarten Netzreservekapazitäten wird als physikalische Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung berücksichtigt.
57a) Zu Recht gibt die Festlegung insoweit vor, dass bei der Ermittlung des Strombezugs der kaufmännisch-bilanziell verrechnete Strombezug außer Betracht zu bleiben hat. Bei der sog. „kaufmännisch-bilanziellen Verrechnung“ wird der Strom nicht vollständig aus dem Netz der allgemeinen Versorgung, sondern zumindest teilweise aus unmittelbar angeschlossenen Erzeugungsanlagen bezogen. Die Besonderheit des kaufmännisch-bilanziellen Abrechnungsverfahrens besteht darin, dass Grundlage für die Vergütung nicht allein die tatsächlich (physikalisch) in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeiste Strommenge ist. Vielmehr wird zu der tatsächlich in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommenge die vom Erzeuger selbst oder in einem vorgelagerten Arealnetz verbrauchte Elektrizität addiert (BGH, Urteil vom 27.03.2012, EnVR 8/11, bei juris Rn. 12). Der kaufmännisch-bilanziell verrechnete Strom wird sowohl hinsichtlich der Förderung nach dem EEG als auch hinsichtlich der allgemeinen Netzentgelte wie physikalisch tatsächlich aus dem Netz der allgemeinen Versorgung bezogener Strom behandelt.
58Die abweichende Behandlung des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs im Bereich der individuellen Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur ist jedoch nicht zu beanstanden.
59aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV. Als maßgeblichen Ort der Stromentnahme nennt dieser ausdrücklich das Netz der allgemeinen Versorgung. Entscheidend für die Ausnahme des kaufmännisch-bilanziellen Bezugs spricht jedoch der Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber in § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV getroffenen Regelung.
60Der Verordnungsgeber führt hierzu in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 447/13 zu Nummer 7, S. 15 f.) ausdrücklich aus, erst ab der geforderten Benutzungsstundenzahl könne man technisch von einer dauerhaften Stromentnahme (Bandlast) ausgehen, der eine entsprechende Grundlast auf der Erzeugungsseite gegenüber stehen müsse. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Grundlast und Bandlast sei für die Netzstabilität unerlässlich. Durch die über das Jahr nahezu konstante Nachfrage werde die relative Schwankungsbreite der gesamten Last reduziert. Dies führe zu einer besseren Prognostizierbarkeit sowie zu einer effizienteren Auslastung des gesamten Kraftwerksparks und damit zu positiven Auswirkungen auf die Versorgung aller Netzkunden. Die gleichmäßige Nachfrage über das Jahr wirke sich ebenfalls positiv auf die Prognostizierbarkeit notwendiger Infrastruktur aus. Betroffene Netzbetreiber müssten lediglich für oberhalb der relativ sicheren Bandlast liegende Verbrauchsschwankungen Prognoseunsicherheiten hinnehmen und diese ggf. durch zulässigen Netzausbau ausgleichen. Zudem gebe es netztechnische Gründe, die dafür sprächen, Kunden mit konstanter Last ein reduziertes Netzentgelt zu gewähren. Diese erleichterten beispielsweise die Spannungserhaltung. Daneben sei zu berücksichtigen, dass die Auslegung der Netzinfrastrukturen unter Zuhilfenahme von Gleichzeitigkeitsfaktoren erfolge. Um die gleiche Energiemenge ohne konstante Verbraucher bereitstellen zu können, seien deutlich stärkere Anlagen erforderlich.
61Die vom Verordnungsgeber dargelegten Effekte entstehen im Netz der allgemeinen Versorgung aber nur dann, wenn die Stromentnahme auch tatsächlich stattfindet. Einer fiktiven, nur aus kaufmännisch-bilanziellen Gründen angenommenen, Stromentnahme kommen diese Wirkungen nicht zu. Lediglich tatsächlich und unmittelbar entnommene Strommengen können eine physikalische stabilisierende Wirkung für das Netz der allgemeinen Versorgung haben und verdienen daher auch die Privilegierung durch eine Netzentgeltreduktion.
62Dem steht auch nicht entgegen, dass die netzstabilisierende Wirkung nicht im Einzelfall auf ihr Vorliegen überprüft wird, sondern ab dem Vorliegen der in § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV genannten Schwellenwerte vermutet wird. Der Verordnungsgeber verfügt insoweit über eine Einschätzungsprärogative, von der er ausweislich der Verordnungsbegründung (BR-Drucks. 447/13 vom 29.05.2013, S. 16) auch Gebrauch gemacht hat. Dort heißt es zur geforderten Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden jährlich ausdrücklich, erst ab einer derart hohen Benutzungsstundenzahl könne man technisch von einer dauerhaften Stromentnahme (Bandlast) ausgehen, der eine entsprechende Grundlast auf der Erzeugungsseite gegenüber stehen müsse. Diese bei einer bestimmten Benutzungsstundenzahl vom Verordnungsgeber vermuteten Effekte können aber nur bei einer physikalischen Stromentnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung eintreten.
63bb) Dies entspricht auch dem vom Bundesgerichtshof für die allgemeinen Netzentgelte nach § 17 StromNEV aufgestellten Grundsatz, nach dem sich die Höhe der Netzentgelte nach der physikalischen Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung richtet (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH, Beschluss vom 27.03.2012, EnVR 8/11 bei juris Rn. 10 ff.).
64Zwar hat der Bundesgerichtshof eine Ausnahme von dem Erfordernis der gemessenen physikalischen Entnahme dann bejaht, wenn der Netznutzer aus Erneuerbaren Energien gewonnenen Strom in das Netz der allgemeinen Versorgung „einspeist“ und gemäß § 8 Abs. 2 EEG in der Fassung vom 28.07.2011 (gültig vom 01.01.2012 bis zum 31.07.2014, im Folgenden a.F.) kaufmännisch-bilanziell abrechnet. In diesem Fall sei ein Eigenverbrauch des Erzeugers oder der Verbrauch in einem vorgelagerten Arealnetz, in das der aus Erneuerbaren Energien gewonnene Strom vor der Weitergabe an ein Netz der allgemeinen Versorgung zunächst eingespeist werde, als Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung anzusehen, an das er kaufmännisch-bilanziell abgegeben werde. Des Weiteren hat der Bundesgerichthof entschieden, dass Konzessionsabgaben gleichfalls infolge der fingierten Vorverlagerung der Netznutzung geschuldet seien, weil auch insoweit der Erzeuger Erneuerbarer Energien, der kaufmännisch-bilanziell abrechne, gegenüber dem direkt einspeisenden und aus dem Netz entnehmenden Erzeuger nicht bevorzugt werden dürfe (BGH, Urteil vom 12.07.2013, EnZR 73/12 bei juris Rn. 8). Der Bundesgerichthof hat es in der vorgenannten Entscheidung allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob die Möglichkeit einer Befreiung von Netznutzungsentgelten aufgrund des § 19 Abs. 2 StromNEV in der Fassung vom 26.07.2011 auch für Fälle kaufmännisch-bilanzieller Durchleitung in Betracht komme (BGH, a.a.O., bei juris Rn. 7).
65Die Übertragbarkeit des Prinzips kaufmännisch-bilanzieller Einspeisung nach § 8 Abs. 2 EEG a.F. als Ausnahme zu dem Erfordernis der gemessenen physikalischen Entnahme auf die Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV ist abzulehnen. Zur Begründung der Entgeltpflichtigkeit des kaufmännisch-bilanziell nach § 8 Abs. 2 EEG a.F. „eingespeisten“ Stroms hat der Bundesgerichtshof angeführt, dass andernfalls eine nicht rechtfertigbare Besserstellung der Anlagenbetreiber, die kaufmännisch-bilanziell abgerechneten Strom einspeisen, gegenüber jenen Anlagenbetreibern, die unmittelbar in das Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen, entstehen würde. Darüber hinaus hätte eine einseitige Einspeisefiktion zur Konsequenz, dass der Bilanzkreis nicht ausgeglichen wäre, was einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 StromNZV darstelle (vgl. BGH, Beschluss vom 27.03.2012, EnVR 8/11, Rn. 14 f. bei juris). Beide Begründungen sind im Rahmen der Privilegierung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV nicht einschlägig. Im Gegensatz zur Regelung des § 8 Abs. 2 EEG a.F. geht es im Rahmen von § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV nicht um die möglichst effektive und gleichzeitig diskriminierungsfreie Förderung der EEG-Stromerzeugung, sondern allein um die Honorierung von netzstabilisierenden Stromentnahmen aus der Netz der allgemeinen Versorgung, die aus den aufgezeigten Gründen auch tatsächlich, also physikalisch, stattfinden muss.
66Hierin ist keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen den Letztverbrauchern, die die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV bei einer rein physikalischen Betrachtungsweise erreichen und der Gruppe von Letztverbrauchern, die aufgrund der Tatsache, dass ihre (Eigen-) Erzeugungsanlagen nicht direkt an das Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen sind und aufgrund der eigenen Stromentnahme aus ihren Erzeugungsanlagen die für ein individuelles Netzentgelt maßgeblichen Voraussetzungen nicht erreichen, zu sehen. Fraglich ist insoweit bereits, ob mit Blick auf die individuellen Netzentgelte überhaupt eine Ungleichbehandlung von vergleichbaren Sachverhalten gegeben ist. Jedenfalls ist diese Ungleichbehandlung in Ansehung des für die individuellen Netzentgelte zentralen Gesichtspunktes der netzstabilisierenden Wirkung gerechtfertigt. Auch führt die Beschränkung der Entgeltprivilegierung auf physikalisch aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommenen Strom nicht zu Störungen des Bilanzkreises. Denn die Festlegung enthält keine Vorgaben für die Berechnung der allgemeinen Netzentgelte. Der Bilanzkreis bleibt durch sie unbeeinträchtigt. Sie regelt vielmehr ausschließlich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts.
67Insoweit ist auch kein Gleichlauf zwischen § 17 und § 19 StromNEV geboten, weil ansonsten zwar Netzentgelte für den EEG-Ersatzstrom zu entrichten wären, zugleich aber die Anwendung der Regelungen zur Bildung individueller Netzentgelte ausgeschlossen sind. Nach der Verordnungsbegründung zu § 19 StromNEV ist die Bandlast des Letztverbrauchers und deren netzstabilisierende Wirkung für die Entgeltprivilegierung maßgeblich. Es erscheint zwar möglich, dass dies im Einzelfall zu volkswirtschaftlich unsinnigen Aufwendungen der Letztverbraucher führen könnte, die dann entstünden, wenn der Erzeuger von Elektrizität aus Erneuerbaren Energien eine Direktleitung in ein Netz der allgemeinen Versorgung herstellen würde, um in den Genuss der Entgeltprivilegierung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV zu gelangen, was durch die Einführung des § 8 Abs. 2 EEG a.F. vermieden werden sollte (vgl. hierzu ausführlich BGH, Beschluss vom 27.03.2012, ENVR 8/11, bei juris Rn. 15). Nach der Verordnungsbegründung zur Neufassung des § 19 StromNEV soll jedoch die positive Wirkung für die Bandlast belohnt werden, die bei der kaufmännisch-bilanziellen Abrechnung nicht eintritt.
68Die gerügten Unklarheiten und Wertungswidersprüche innerhalb der Festlegung liegen nicht vor. So ist bereits nicht nachvollziehbar, dass die Ausführungen auf Seite 52 der Festlegung zu der Frage, wann Nutzer einer Kundenanlage einen Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt haben könnten, widersprüchlich, jedenfalls aber unklar sein sollen. Dort heißt es, dass Betreiber von Kundenanlagen im Sinne von § 3 Nr. 24 a/b EnWG grundsätzlich berechtigt sind, individuelle Netzentgeltvereinbarungen nach § 19 Abs. 2 S. 1 bis 4 StromNEV mit dem Netzbetreiber abzuschließen, wenn sie die in § 19 S. 1 und S. 2-4 genannten Voraussetzungen erfüllen. Die übrigen Nutzer der Kundenanlage hätten dann einen entsprechenden Anspruch gegen den vorgelagerten Netzbetreiber, wenn sie über einen abrechnungsrelevanten Zählpunkt im Sinne von § 20 Abs. 1d EnWG verfügten. Die Festlegung stellt insoweit klar, dass für die Voraussetzungen der Netzentgeltreduktion auf den konkreten Letztverbraucher abzustellen ist und eine Zusammenfassung von in einer Kundenanlage angeschlossenen Letztverbrauchern nicht zu erfolgen hat. Die Festlegung zielt auf die Privilegierung einzelner stromintensiver Letztverbraucher ab.
69Es bestehen auch keine Wertungswidersprüche bei der Behandlung von Letztverbrauchern in geschlossenen Verteilernetzen und in Kundenanlagen angeschlossenen dritten Letztverbrauchern einerseits und Letztverbrauchern, die zugleich Kundenanlagenbetreiber sind, andererseits. Für Letztverbraucher in geschlossenen Verteilernetzen kommt es für die Erfüllung der Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts auf die physikalische Entnahmemenge aus dem geschlossenen Verteilernetz an, das seinerseits an das Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen ist. Für dritte Letztverbraucher innerhalb einer Kundenanlage, die einen abrechnungsrelevanten Zählpunkt gemäß § 20 Abs. 1d EnWG haben, kommt es für die Ermittlung des Anspruchs auf ein individuelles Netzentgelt auf das Erreichen der Voraussetzungen an diesem abrechnungsrelevanten Zählpunkt, der innerhalb der Kundenanlage liegen kann, an. Das Messergebnis am Zählpunkt zwischen der Kundenanlage und dem Netz der allgemeinen Versorgung ist für die Ermittlung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV unerheblich. Für die Anlagenbetreiber, die auch selbst Energie erzeugen, kommt es dagegen auf das Messergebnis der Kundenanlage, also auf die von ihm unmittelbar aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommene Menge, an. Die unterschiedliche Behandlung von Kundenanlagenbetreibern einerseits und in geschlossenen Verteilernetzen und Kundenanlagen angeschlossenen Drittverbrauchern in Bezug auf die für den Verbrauch maßgebliche Entnahmestelle folgt jedoch aus der nachvollziehbaren Erwägung, dass der stromintensive Verbraucher eigenerzeugten Stroms nur in dem Maße privilegiert werden soll, in dem sich aus seinem Verbrauchsverhalten positive Auswirkungen für das Netz der allgemeinen Versorgung ergeben. Dies ist nicht der Fall, soweit der Kundenanlagenbetreiber in der Kundenanlage Strom selbst erzeugt und unmittelbar verbraucht. Dagegen sollen Verbraucher fremderzeugten Stroms nicht deswegen schlechter gestellt werden, weil sie nicht unmittelbar an das Netz der allgemeinen Versorgung, sondern an ein geschlossenes Verteilernetz oder in einer Kundenanlage angeschlossen sind.
70Soweit anders als bei § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV im Rahmen der Voraussetzungen des individuellen Netzentgelts bei atypischer Netznutzung nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV der physikalische Strombezug aus dem Netz der allgemeinen Versorgung aufgrund des Bezugs negativer Regelenergie nicht berücksichtigt wird, führt dies ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der in Tenorziffer 3.a) getroffenen Regelung. Eine Gleichbehandlung beider Privilegierungstatbestände ist nicht zwingend geboten, weil die Zielrichtung der Netzentgeltreduktion des § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV sich von der Zielrichtung des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV unterscheidet. Zwar soll mit beiden Vorschriften im Ergebnis eine netzstabilisierende Wirkung des jeweiligen Letztverbrauchers honoriert werden. Im Gegensatz zu der netzstabilisierenden Wirkung aufgrund der vom Letztverbraucher generierten Bandlast ist die netzstabilisierende Wirkung, die mit einer Reduktion des zu zahlenden Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV belohnt wird, aber eine andere. Der atypische Letztverbraucher, bei dem der überwiegende Teil seines Strombezugs in die Schwachlastzeit des Netzes fällt und dessen individuelle Lastspitze in der Schwachlastzeit des Netzes liegt, sorgt für eine größere Netzstabilität, weil Lastschwankungen zwischen Höchstlast- und Nebenzeiten geringer werden. Die Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Netzentgeltreduzierungstatbestände sind somit unterschiedlich, so dass unterschiedliche Betrachtungsweisen im Rahmen der Voraussetzungen nicht zwangsläufig zu Wertungswidersprüchen führen.
71b) Der Antrag zu 1. ist auch im Hinblick auf die Netzreservekapazität unbegründet. Rechtsfehlerfrei hat die Bundesnetzagentur in Tenorziffer 3.a) der Festlegung angeordnet, dass die Leistungsinanspruchnahme auf Grund des Ausfalls von Eigenerzeugungsanlagen, die über Netzreservekapazität entgolten wird, bei den Voraussetzungen von § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV Berücksichtigung findet.
72Die Regelung ist zunächst nicht wegen ihrer Bezugnahme auf Tenorziffer 3.c) unklar. Mit der Inbezugnahme von Tenorziffer 3.c) wird lediglich festgehalten, dass eine Berücksichtigung von Leistungsspitzen, die mit Netzreservekapazitäten abgegolten werden, bei der Ermittlung der Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nur in Betracht kommt, soweit im Rahmen der Verrechnung der Kosten des physikalischen Pfads auch Kosten für Netzreservekapazität einzubeziehen sind. Dies ist ausweislich der Tenorziffer 3.c) iv. nur dann der Fall, wenn der physikalische Pfad aus einem Verteilernetz hinaus in ein Übertragungsnetz führt.
73Auch im Übrigen ist die Regelung zur Netzreservekapazität rechtmäßig. Die von der Betroffenen geforderte Nichtberücksichtigung von Leistungsspitzen aufgrund der Inanspruchnahme von Netzreservekapazitäten im Rahmen der Jahreshöchstlast würde sich positiv auf die Höhe der Benutzungsstundenzahl auswirken, da die Benutzungsstundenzahl mittels der Formel „Gesamtjahresarbeit durch Jahreshöchstlast“ ermittelt wird. Die von der Bundesnetzagentur getroffene Regelung entspricht jedoch den bereits dargelegten Zielsetzungen des Verordnungsgebers, die stabilisierende Bandlast eines Letztverbrauchers durch unmittelbare physikalische Entnahmen aus dem Netz der allgemeinen Versorgung zu berücksichtigen. Insoweit braucht nicht entschieden zu werden, inwieweit sich die Inanspruchnahme von Netzreservekapazitäten auf die nach dem Willen des Verordnungsgebers zu privilegierende Bandlast tatsächlich auswirkt. Denn der Verordnungsgeber hat die Vermutung aufgestellt, dass diese Wirkung ab einer bestimmten Benutzungsstundenzahl (und einem bestimmten Verbrauch) eines Letztverbrauchers eintritt. Nach der Formel zur Benutzungsstundenzahl fließt jedoch die Jahreshöchstlast als Divisor ein. Zwingende Gründe, hierbei die Leistungsspitzen durch Netzreservekapazitäten nicht zu berücksichtigen, bestehen nicht. Denn bei dem Abruf von Netzreservekapazitäten erfolgt eine tatsächliche Inanspruchnahme des Netzes der allgemeinen Versorgung.
74Auch ist insoweit ein „Gleichlauf“ der Vorschriften der § 17 StromNEV und § 19 StromNEV nicht zwingend. Zwar wird für die Inanspruchnahme von Strommengen aus vertraglich vereinbarten Netzreservekapazitäten nicht das allgemeine Netzentgelt nach § 17 StromNEV, sondern lediglich ein gesondertes (bereits reduziertes Netzentgelt) gezahlt. Es besteht jedoch kein Anlass, bei der Ermittlung der Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt nur den Verbrauch einzubeziehen, für den das allgemeine Netzentgelt nach § 17 StromNEV gezahlt wurde. Vielmehr soll das individuelle Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV ein tatsächliches stromintensives Verbrauchsverhalten privilegieren.
753. Die von der Bundesnetzagentur in Tenorziffer 4. geregelte Anzeigefrist ist ebenfalls rechtmäßig. Die Festsetzung einer Anzeigefrist für individuelle Netzentgeltvereinbarungen bis zum 30.09. des Kalenderjahres, in dem die Vereinbarung erstmalig gilt, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich hierbei entgegen der Annahme der Betroffenen nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
76a) Fristen sind festgelegte Zeiträume, die einer Behörde, den Verfahrensbeteiligten oder Dritten für bestimmte Verfahrenshandlungen zur Verfügung stehen. Während behördliche Fristen von der Behörde selbst gesetzt und grundsätzlich verlängert werden dürfen, sind gesetzliche Fristen durch Gesetz, Verordnung oder Satzung bestimmt. Unterschieden wird weiter zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen.
77Unter materiell-rechtlichen Ausschlussfristen versteht man vom materiellen Recht gesetzte Fristen, deren Nichteinhaltung den Verlust einer materiell-rechtlichen Rechtsposition zur Folge hat und die für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich sind und nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte stehen (BVerwG, Urteil vom 22.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 16 bei juris m.w.N.). Anders als bei den sonstigen, vom Gesetz bestimmten oder von der Behörde gesetzten - eigentlichen - Fristen, die dem Verfahrensbeteiligten für die Vornahme der Verfahrenshandlung regulär zur Verfügung stehen und die folglich grundsätzlich verlängert werden können und für die die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht, ist bei den gesetzlich als solche bestimmten oder entsprechend zu deutenden Ausschluss- oder Präklusionsvorschriften als sog. uneigentlichen Fristen gemäß § 32 Abs. 5 VwVfG eine Fristverlängerung und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 30.05.2012, 6 A 1017/11, Rn. 31 bei juris).
78b) Die Einführung einer Anzeigefrist, die als materielle Ausschlussfrist bei ihrer Versäumung den Verlust einer normativ begründeten materiell-rechtlichen Rechtsposition zur Folge hat, bedarf einer gesetzlichen bzw. normativen Grundlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 16 bei juris).
79Eine gesetzliche Ermächtigung, die Anzeigefrist für individuelle Netzentgeltvereinbarungen im Sinne des § 19 Abs. 2 StromNEV als materielle Ausschlussfrist zu gestalten, besteht nicht. § 24 S. 1 Nr. 3 EnWG ermächtigt den Verordnungsgeber zu regeln, in welchen Sonderfällen der Netznutzung und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde im Einzelfall individuelle Entgelte für den Netzzugang genehmigen oder untersagen kann. Unabhängig davon, ob damit eine Ermächtigung des Verordnungsgebers zum Erlass materiell-rechtlicher Ausschlussfristen einhergeht, hat der Verordnungsgeber für die Anzeige einer individuellen Netzentgeltvereinbarung keine Frist und erst Recht keine Ausschlussfrist vorgesehen.
80Nach § 19 Abs. 2 S. 7 StromNEV ist eine Genehmigung individuell vereinbarter Netzentgelte entbehrlich und kann durch eine schriftliche Anzeige ersetzt werden, wenn die Bundesnetzagentur durch Festlegung Kriterien für eine sachgerechte Ermittlung des individuellen Netzentgelts konkretisiert hat. Gemäß § 19 Abs. 2 S. 8 StromNEV findet in diesem Fall eine ex-post-Kontrolle statt, ob die Vereinbarung den durch die Festlegung konkretisierten Kriterien entspricht. Neben dem Schriftformerfordernis sieht § 19 Abs. 2 S. 11, 12 StromNEV vor, dass die Anzeige durch den Letztverbraucher erfolgt und dieser der Regulierungsbehörde mit der Anzeige alle zur Beurteilung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen erforderlichen Unterlagen vorlegen muss. Darüber hinausgehende Anforderungen, insbesondere Fristvorgaben enthält die Verordnung jedoch nicht, so dass daraus eine Ermächtigung der Bundesnetzagentur zum Erlass einer materiellen Ausschlussfrist nicht hergeleitet werden kann.
81Auch aus § 29 Abs. 1 EnWG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV, auf die die Bundesnetzagentur die Festlegung stützt, folgt eine Ermächtigung zum Erlass einer materiellen Ausschlussfrist nicht. Danach kann Gegenstand einer Festlegung die sachgerechte Ermittlung individueller Entgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV sein. Eine Ermächtigung zum Erlass einer weder im EnWG noch in der StromNEV vorgesehenen materiellen Ausschlussfrist mittels Festlegung ergibt sich daraus nicht.
82c) Ob eine materielle Ausschlussfrist vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage, § 31 Rn. 8). Die Auslegung der maßgeblichen Vorgaben der Festlegung führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der durch die Bundesnetzagentur festgelegten Frist für die Anzeige individueller Netzentgeltvereinbarungen nur um eine behördliche Verfahrensfrist ohne materiell-rechtliche Ausschlusswirkungen handelt.
83aa) Dafür spricht bereits der Wortlaut der einschlägigen Vorgaben der Festlegung. Weder unter Ziffer 4. des Tenors noch in den Ausführungen unter Ziffer II. 5. der Festlegungsbegründung wird die unter Ziffer 5.e) statuierte Anzeigefrist ausdrücklich als Ausschlussfrist bezeichnet, obgleich eine solche Klarstellung angesichts der einschneidenden Wirkungen einer Ausschlussfrist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu erwarten gewesen wäre. Soweit es in den Vorgaben zur „Anzeigefrist“ heißt, dass im Rahmen des Anzeigeverfahrens alle Vereinbarungen individueller Netzentgelte i.S.v. § 19 Abs. 2 S. 1 bis 4 StromNEV bis zum 30. September des Kalenderjahres angezeigt werden sollen, in welchem sie erstmalig gelten, ist dem Wortlaut gerade nicht zu entnehmen, dass ein Fristversäumnis zwingend die Untersagung der Vereinbarung zur Folge hat. Auch die weiteren Ausführungen unter der Überschrift „Anzeigefrist“ enthalten keinen Hinweis darauf, dass bei verspäteter oder versäumter Anzeige die Vereinbarung für das laufende Kalenderjahr untersagt wird. Der Formulierung als Sollvorschrift besagt, dass der ordnungsgemäße Ablauf des Anzeigeverfahrens die Einhaltung der Anzeigefrist grundsätzlich voraussetzt und die Fristversäumung zum Rechtsverlust führt, wenn die Frist nicht zu verlängern oder Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Eine darüberhinausgehende Bedeutung ist einer per Sollvorschrift gesetzten Fristenvorgabe nicht zu entnehmen.
84Die Betroffene stützt die Annahme, die Anzeigefrist sei als Ausschlussfrist ausgestaltet, auf die Ausführungen unter Ziffer II.5.c) der Festlegungsbegründung zur „Nachweis- und Begründungspflicht“. Der dort enthaltene Hinweis, dass nach der Anzeigefrist eingereichte, ergänzende Unterlagen nicht berücksichtigt werden, bezieht sich auf die schon durch § 19 Abs. 2 S. 12 StromNEV begründete Pflicht zur vollständigen Anzeige und verdeutlicht, dass die Regulierungsbehörde die ex-post-Kontrolle einheitlich auf der Basis sämtlicher für die Beurteilung relevanter Unterlagen vornimmt und verspätet eingereichte Unterlagen nicht berücksichtigt werden können. Diese Ausführungen befassen sich bereits nicht mit der Versäumung der unter Abschnitt e) geregelten Anzeigefrist, so dass ihnen auch nicht entnommen werden kann, dass die Versäumung dieser Frist zum Rechtsverlust führt. Durch die Vorgabe einer Nachweis- und Begründungspflicht soll vielmehr vermieden werden, dass Letztverbraucher den Abschluss der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts zwar fristgerecht anzeigen, die eine ex-post-Kontrolle erst ermöglichenden Unterlagen jedoch – möglicherweise sukzessive - nach Anzeige vorlegen. Die Ausführungen unter Ziffer 5.c) beziehen sich somit auf die inhaltlichen Anforderungen an die Erfüllung der Anzeigepflicht. Diese Vorgaben schließen jedoch die Verlängerung der Frist für die Anzeige bzw. deren Vervollständigung weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck aus.
85bb) Eine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung misst die Bundesnetzagentur der Anzeigefrist auch selbst nicht zu. Ausweislich ihrer unbestrittenen Darstellung werden für das Jahr 2014 in der Verwaltungspraxis Fristverlängerungen auf Antrag gewährt bzw. Ergänzungen unvollständiger Anträge in begründeten Ausnahmefällen bewilligt. Zudem hat sie auf die Möglichkeit verwiesen, Missbrauchsverfahren gegen unkooperative Netzbetreiber einzuleiten und versichert, individuelle Netzentgeltvereinbarungen nicht wegen einer auf das Fehlverhalten des Netzbetreibers zurückzuführenden Fristversäumung zu untersagen. Damit behandelt die Bundesnetzagentur die Anzeigefrist nicht als Ausschlussfrist, denn eine solche stünde nicht zur Disposition der Regulierungsbehörden, sondern würde einen automatischen Rechtsverlust beinhalten.
86d) Fristen für die verfahrensmäßige Geltendmachung von Ansprüchen können nicht nur in Gesetzen oder Verordnungen geregelt werden, sondern die Behörden sind von sich aus berechtigt, aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Rahmen ihrer Verfahrensherrschaft entsprechende Fristen festzulegen (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 31 Rn. 5). Von der Zulässigkeit solcher Fristen geht auch das Verwaltungsverfahrensgesetz aus. Es sieht Fristen, die von der Behörde gesetzt werden können, ausdrücklich vor (vgl. § 31 Abs. 2, Abs. 7 VwVfG). Derartige Fristen können von der Behörde, die sie gesetzt hat, verlängert werden. Das ist auch nach Fristablauf rückwirkend möglich, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen (§ 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 19 bei juris). Im Rahmen des ihnen eröffneten Ermessens haben die Regulierungsbehörden die Gesichtspunkte, aus denen sich ein Letztverbraucher an der fristgerechten Anzeige gehindert sieht oder sah, zu würdigen und insbesondere zu berücksichtigen, ob der Antragsteller ohne Verschulden gehindert ist oder war, die Frist einzuhalten. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer Fristverlängerung ist im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die abschließende Entscheidung der Behörde überprüfbar.
87Soweit die Betroffene sich darauf beruft, dass aufgrund des tatsächlichen Verhaltens der Bundesnetzagentur der Fristablauf rechtsvernichtende Wirkung habe, trifft dies nicht zu. Eine zu Unrecht von der Bundesnetzagentur oder einer Landesregulierungsbehörde verweigerte Fristverlängerung kann die Betroffene im Rahmen eines Rechtsmittels gegen eine konkrete Entscheidung der Bundesnetzagentur rügen. Die Betroffene hat die Möglichkeit, im Falle einer Untersagung einer individuellen Netzentgeltgenehmigung durch die Bundesnetzagentur Beschwerde einzulegen oder im Falle einer Verweigerung einer Vereinbarung durch den Netzbetreiber und der Ablehnung eines Missbrauchsantrags durch die Bundesnetzagentur bei Gericht hiergegen Beschwerde einzulegen. Eine fehlerhafte Verwaltungspraxis hat jedoch keinen Einfluss auf die nach allgemeinen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung der in der Festlegung getroffenen Regelungen zur Anzeigefrist.
88C.
89I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 2 EnWG. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat die Betroffene die Gerichtskosten zu tragen und der Bundesnetzagentur die notwendigen Auslagen zu ersetzen.
90Es entspricht der Billigkeit (§ 90 S. 1 EnWG), dass die Beigeladenen ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen haben.
91Im Rahmen der Billigkeitserwägungen ist grundsätzlich auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich des Verfahrensausgangs abzustellen. Neben dem Verfahrensausgang ist konkret maßgebend, ob der Verfahrensbeteiligte am Verfahrensausgang in besonderer Weise interessiert war und sich aktiv an dem Verfahren beteiligt hat, indem er dieses durch seinen schriftsätzlichen oder mündlichen Vortrag wesentlich gefördert hat (vgl. Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG 3. Auflage, § 90 Rn. 16). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es angemessen, dass die Beigeladenen ihre Auslagen selbst tragen. Diese haben den Verfahrensgang weder durch schriftliche Stellungnahmen noch durch ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gefördert.
92II. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO.
93D.
94Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs entsprechend § 86 Abs. 2 Nr. 2 EnWG erfordert.
95Rechtsmittelbelehrung:
96Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
97einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).
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