Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 1/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 15. Dezember 2014, VK 26/2013-L, dort Ziffer 4 des Beschlusstenors, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Beschwerdewert wird auf 15.397 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I. Die Antragsgegnerin ist eine kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen, die im Juni 2013 die Entsorgung ihrer kommunalen Siedlungsabfälle europaweit ausschrieb. Als Nachweis der Eignung verlangte sie von Bietern u.a. die Vorlage einer Eigenerklärung, dass die zur Verbrennung der Abfälle vorgesehene Müllverbrennungsanlage die in § 5 der 17. BImSchV in der Fassung vom 27. Januar 2009 (a.F.) festgelegten Immissionsgrenzwerte zum Vertragsbeginn am 1. Januar 2015 dauerhaft um mehr als 50 % unterschreiten wird. Innerhalb der Angebotsfrist gingen fünf Angebote ein, darunter die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen. Sämtliche Angebote enthielten die geforderte Eigenerklärung. Nach formeller und materieller Wertung der Angebote entschied die Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 29. August 2013 informierte die Antragsgegnerin die nicht berücksichtigten Bieter.
3Mit Schreiben vom 11. September 2013 rügte die Antragstellerin die Wertung des Angebots der Beigeladenen und forderte deren Ausschluss von der Vergabe wegen fehlender Eignung. Unter dem 27. September 2013 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland bei der Bezirksregierung Düsseldorf ein, nachdem die Antragsgegnerin den Rügen der Antragstellerin nicht abhalf. Im November 2014 schrieb die Antragsgegnerin den strittigen Entsorgungsauftrag interimsweise aus und forderte u.a. die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. November 2011 zur Abgabe eines Angebotes auf.
4Mit Schriftsatz vom 18. November 2014 hat die Antragsgegnerin bei der Vergabekammer Rheinland bei der Bezirksregierung Düsseldorf einen Antrag auf Gestattung des Zuschlags nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB eingereicht. Nachdem die Vergabekammer die Beteiligten mit Verfügung vom 25. November 2014 darauf hingewiesen hat, zu erwägen, dem Antrag auf Gestattung des Zuschlags stattzugeben, hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag zurückgenommen.
5Mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 hat die Vergabekammer festgestellt, dass sich das Nachprüfungsverfahren durch Antragsrücknahme erledigt hat und zugleich der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragsgegnerin auferlegt. Eine Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch die Antragsgegnerin hat sie für nicht erforderlich erklärt.
6Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie geltend macht, in Ansehung der Komplexität und Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfragen auf die Kompetenzen eines Rechtsanwaltes im Nachprüfungsverfahren angewiesen gewesen zu sein.
7Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze verwiesen.
8II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
91. Das Rechtsmittel ist zulässig. Eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist grundsätzlich auch isoliert gegen die Kostenentscheidung oder den Ausspruch, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig bzw. nicht notwendig war gemäß § 116 Abs. 1 GWB statthaft; § 99 ZPO findet keine entsprechenden Anwendung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2014, VII-Verg 11/13, BA 3; Beschl. v. 23.12.2014, VII-Verg 37/13, BA 3; Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10 – juris Tz. 13; Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12 – juris Tz. 15; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; Hunger in Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht § 116 Rn. 21). Über das Rechtsmittel kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da es sich nur gegen eine Nebenentscheidung der Vergabekammer richtet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2014, VII-Verg 11/13, BA 3; Beschl. v. 23.12.2014, VII-Verg 37/13, BA 3; Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10, a.a.O.; Beschl. v. 26.9.2003, VII Verg 31/03; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010 11 Verg 3/10).
102. Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für nicht notwendig erklärt, § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, § 80 Abs. 2 VwVfG.
11Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (BGH, Beschl. v. 26.9.2006 – X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.2014, VII-Verg 37/13, BA 3; Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12; Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10; Beschl. v. 26.9.2003, VII-Verg 31/03; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2006 1 Verg 4 u. 5/06; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010, 11 Verg 3/2010). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für einen öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss sich er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten.
12Im Streitfall war in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst zu überprüfen, ob der eingereichte Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wegen Verletzung der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB zulässig war. In vergaberechtlicher Hinsicht war weiter die Eignung der Beigeladenen zu prüfen. Da die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags durch die Nachprüfungsinstanzen stets von Amts wegen zu prüfen ist, bedurfte es mit Blick auf eine etwaige Verletzung der Rügeobliegenheit der Beigeladenen keiner vertieften Rechtskenntnisse der Antragsgegnerin, die anwaltlicher Beratung bedurft hätten. Bei Rechtsfragen der Eignung handelt es sich um auftragsbezogene Sachfragen, die ein öffentlicher Auftraggeber in aller Regel selber prüfen und im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vertreten kann. Auch diese erforderten im Streitfall keine vertieften Rechtskenntnisse der Antragsgegnerin. Der Schwerpunkt der Eignungsprüfung war zudem technischer Natur und berührte die Kernkompetenzen anwaltlichen Beistands nicht. Zudem handelte es sich um Sach- und Rechtsfragen, die dem durch Ausschreibungsbedingungen im Vorhinein festgelegten Prüfungsumfang der Antragsgegnerin entsprachen und von dieser im Vergabeverfahren ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe beantwortet worden sind.
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14Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB.
15Der Beschwerdewert beruht auf dem Kosteninteresse der Antragsgegnerin.
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