Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-16 U 152/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.07.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Az.: 4 O 94/14 - wird zurückgewiesen.
Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens, soweit über diese noch nicht mit Beschluss des Senats vom 19.12.2014 entschieden worden ist, werden ebenfalls der Klägerin auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin begehrt von den Beklagten - aus übergegangenem Recht ihrer am 13.07.2012 verstorben Mutter D… F… (im Folgenden: Erblasserin) - die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeld bzw. den Ersatz immaterieller Schäden in Höhe von wenigstens € 5.000,00 nebst Zinsen wegen unbefugter Nutzung und Weitergabe der Sozialdaten, einschließlich der Krankengeschichte, der von ihr allein beerbten Erblasserin. Bei der Beklagten zu 1. handelt es sich um den gesetzlichen Krankenversicherer der Erblasserin, bei dem Beklagten zu 2. um den zuständigen Sachbearbeiter.
4Die an Krebs erkrankte Erblasserin begehrte von der Beklagten zu 1. die Kostenübernahme für eine Hyperthermietherapie im Rahmen ihrer Krebsbehandlung, die von dieser verweigert wurde. Im Rahmen des daraufhin über zwei Instanzen geführten sozialgerichtlichen Verfahrens holte die Beklagte zu 1. beim onkologischen Kompetenzzentrum des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein-Westfalen (MDK Nordrhein) ein sozialmedizinisches Bewertungsgutachten über die Möglichkeit einer Leistungsgewährung für eine Hyperthermiebehandlung unter Berücksichtigung der Krankengeschichte der Erblasserin ein, das diese Art der Therapie als experimentell klassifizierte und die Ablehnung einer Kostenübernahme empfahl. Dieses der Beklagten zu 1. günstige Gutachten vom 23.01.2012 legte sie in einer nicht vollständig anonymisierten, teilgeschwärzten Form, so dass Vor- und Nachnahme der Erblasserin sowie deren Geburtsjahr auf der ersten Seite vollständig lesbar blieben ebenso wie deren auf den folgenden Seiten im Detail dargestellte Krankengeschichte, ohne deren Einwilligung in drei anderen sozialgerichtlichen Verfahren als Argumentationshilfe vor. Zur Veranschaulichung des Anonymisierungsgrads und wegen des Gutachteninhalts wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung desselben Bezug genommen (Anlage zum erstinstanzlichen Protokoll vom 24.06.2014). Die Erblasserin erlangte lediglich durch Zufall über ihre Prozessbevollmächtigten von diesem Sachverhalt Kenntnis und erhob daraufhin vor dem Sozialgericht Gotha Klage, verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Unterlassung der Verbreitung des teilgeschwärzten Gutachtens. Der Anspruch wurde von der Beklagten zu 1. mit Schriftsatz vom 30.04.2012 anerkannt.
5Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, dass ihr als Alleinerbin der Erblasserin wegen der in der teilgeschwärzten und ohne Einverständnis der Erblasserin erfolgten Weiterverbreitung des Bewertungsgutachtens liegenden schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin sowie deren Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus übergegangenem Recht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Geldentschädigung gegenüber den Beklagten zustehe. Sie hat behauptet, dass die Erblasserin, die zu diesem Zeitpunkt bereits schwer von ihrer Krebserkrankung gezeichnet gewesen sei, als sie von der unbefugten Verwendung des nicht hinreichend anonymisierten Gutachtens erfahren habe, von diesem Sachverhalt psychisch derart beeinträchtigt worden sei, dass sich dies konkret körperlich ausgewirkt habe. Sie habe Angst gehabt, dass eine Vielzahl unbeteiligter Dritter nun alle Details ihrer höchstpersönlichen Krankengeschichte kenne.
6Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen, soweit diese den vorgenannten Feststellungen nicht widersprechen.
7Das Landgericht Wuppertal, an welches die von der Klägerin am 30.01.2014 zunächst beim Amtsgericht Wuppertal eingereichte Klage verwiesen worden ist, hat die Klage mit Urteil vom 24.07.2014, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hinsichtlich beider Beklagten abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht, zu dem auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zähle, wegen der im Vordergrund stehenden, an die Person des Verletzten anknüpfenden Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung nicht vererbbar und daher ein etwaiger Anspruch schon nicht auf die Klägerin übergegangen sei. Diese gelte in gleicher Weise für die einfachgesetzlichen Ausprägungen der vorgenannten Rechtsgüter in Gestalt von § 82 Satz 1, 2 SGB X, § 35 SGB I, §§ 7, 8 BDSG. Auch aus Art. 23 der Europäischen Datenschutzrichtline 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 folge nichts anderes.
8Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 28.07.2014 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, allerdings nur noch insoweit, als die Klage gegen die Beklagte zu 1. abgewiesen worden ist. Ihr ursprünglich auch gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2. gerichtetes Rechtsmittel hat sie mit ihrer am 28.10.2014 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Berufungsbegründung, nachdem die Frist zur Begründung bis zu diesem Tage verlängert worden war, zurückgenommen.
9Die Klägerin ist unter weitgehender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht eine Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs verneint habe. Vielmehr liege mit Blick auf Art und Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Erblasserin ein atypischer Fall vor, der es unter Präventionsaspekten rechtfertige, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs anzunehmen. Das Landgericht habe insoweit auch - wie schon der Bundesgerichtshof - das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentum und das Erbrecht nicht hinreichend beachtet. Der in Person der Erblasserin entstandene Anspruch auf Ersatz der ihr durch das Verhalten der Beklagten entstandenen immateriellen Schäden stelle ein Forderungsrecht und damit eine grundrechtlich geschützte, vermögenswerte Rechtsposition dar, die im Rahmen des gewährleisteten Erbrechts auf den oder die Erben übergehe. Das Landgericht habe auch die Europäische Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (im Folgenden auch: DS-RL) nicht hinreichend berücksichtigt, die die Bundesrepublik Deutschland nur unzureichend umgesetzt habe und deren Normierungen auf die Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, einwirkten und eine richtlinienkonforme Auslegung erforderlich machten. Insbesondere mit Art. 23 Abs. 1 DS-RL sei es nicht zu vereinbaren, einen Ersatz für immaterielle Schäden bei unbefugter Verwendung und Nutzung personenbezogener Daten nur bei besonders schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen (§ 8 Abs. 2 BDSG, § 20 Abs. 1 Satz 2 DSG NRW) zu bejahen. Gleiches gelte für die Beschränkung auf die automatisierte rechtswidrige Verarbeitung. Auch sei es mit den aus der Datenschutzrichtlinie folgenden Wertungen nicht in Einklang zu bringen, einen gemäß Art. 23 Abs. 1 DS-RL entstandenen Ersatzanspruch - durch Verneinung der Vererblichkeit - wieder untergehen zu lassen, weil der gemäß Art. 23 Abs. 1 DS-RL von den Mitgliedstaaten vorzusehende Schadensersatzanspruch über eine bloße Genugtuungs- und Präventionsfunktion hinausgehe; diesem komme vielmehr Sanktionscharakter zu. Gegebenenfalls müsse die Frage dem EuGH zur (Vorab-) Entscheidung vorgelegt werden.
10Die Klägerin beantragt,
11das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 24.07.2014 - Az.: 4 O 94/14 - dahingehend abzuändern, dass die Beklagte zu 1. verurteilt wird, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 5.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte zu 1. beantragt,
13die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
14Sie verteidigt im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie bestreitet zudem die klägerseits behaupteten, infolge der Kenntniserlangung von den Vorgängen um die Verwendung des Gutachtens bei der Erblasserin aufgetretenen körperlichen Beeinträchtigungen mit Nichtwissen. Es habe sich bei der unvollständigen Schwärzung um ein bloßes Übersehen gehandelt. Von einer schweren Persönlichkeitsverletzung könne keine Rede sein.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die allein noch zu bescheidene Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
18A.
19Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.07.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal ist gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufungsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Diese beschränkt sich nicht in einer bloßen Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen und richtet sich in der notwendigen Weise gegen alle tragenden Erwägungen bzw. selbstständigen Begründungselemente/-teile der angefochtenen Entscheidung. Im Falle einer uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (zur alten Rechtslage gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2001 - VI ZR 414/00, Juris, Rn. 13; BGH, Urt. v. 13.11.1997 - VII ZR 199/96, Juris, Rn. 9; BGH, Urt. v. 25.06.1992 - VII ZR 8/92, Juris, Rn. 12). Hierbei muss der Berufungsführer nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung Stellung nehmen (so BGH, Beschl. vom 28.02.2007 - V ZB 154/06, Juris, Rn. 12; BGH, Urt. v. 08.04.1991 - II ZR 35/90, Juris, Rn. 17; BGH, Urt. v. 05.10.1983 - VIII ZR 224/82, Juris, Rn. 8), sondern es genügt, wenn die Berufungsbegründung sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befasst und diesen in ausreichendem Maße behandelt, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen (vgl. BGH, Beschl. v. 06.12.2011 - II ZB 21/10, Juris, Rn. 7; BGH, Beschl. v. 18.10.2005 - VI ZB 81/04, Juris, Rn. 8; BGH, Urt. v. 13.11.2001 - VI ZR 414/00, Juris, Rn. 13 m.w.N.). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. BGH-Rspr.; zuletzt BGH, Beschl. v. 27.01.2015 - VI ZB 40/14, Juris, Rn. 8 m.w.N.). Dem wird die Berufungsbegründung gerecht.
20B.
21Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
22Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 ZPO. Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihrer Berufung führt zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
23I.
24Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen immaterieller Schäden („Schmerzensgeld“) aus übergegangenem Recht der Erblasserin im Zusammenhang mit der Verbreitung des nicht hinreichend anonymisierten sozialmedizinischen Bewertungsgutachtens vom 23.01.2012 und den darin enthaltenen Daten zur Person und zur Krankengschichte der Erblasserin verneint.
251.
26Der Klägerin steht als Alleinerbin der Erblasserin kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds aus - im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) - auf sie übergegangenem Recht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 823, 31, 89 BGB oder § 831 BGB gegen die Beklagte zu 1. zu, weil die Klägerin schon die für einen Schmerzensgeldanspruch notwendige Körper- oder Gesundheitsschädigung der Erblasserin gemäß § 253 Abs. 2 BGB nicht schlüssig dargetan hat.
27a)
28Wegen immaterieller Schäden kann eine Entschädigung in Geld nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen verlangt werden. Diese dient nicht dem Ersatz eines materiell messbaren oder gar Vermögensschadens, sondern soll einen materiellen Ausgleich für immaterielle Schäden bzw. Schadensfolgen schaffen (Erman/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 16). Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht dies - neben dem hier nicht einschlägigen § 651 f Abs. 2 BGB - nur in § 253 Abs. 2 BGB vor. Liegt eine Verletzung der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter vor, besteht - unabhängig davon, ob eine verschuldensabhängige oder eine verschuldensunabhängige, eine vertragliche oder eine außervertragliche Haftung zugrunde liegt - ein Schmerzensgeldanspruch. Erfasst werden alle deliktischen Anspruchsgrundlagen des BGB, einschließlich der §§ 831, 836 und § 839 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 253 Rn. 6 m.w.N.). Ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch ist auch vererblich (BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris, Rn. 21; Spindler, BeckOK, BGB, Stand: 01.11.2013, § 253 Rn. 63), und zwar unabhängig davon, ob der Anspruch zu Lebzeiten des Erblassers vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist oder der Erblasser den Willen bekundet hat, Schmerzensgeld fordern zu wollen (BGH, Urt. v. 06.12.1994 - VI ZR 80/94, Juris, Rn. 7 ff.; MüKo/Leipold, BGB, 6. Aufl., § 1922 Rn. 35). Jedoch setzt die Zubilligung eines Schmerzensgelds gemäß § 253 Abs. 2 BGB, die Verletzung eines der dort enumerativ aufgelisteten Rechtsgüter (Körper, Gesundheit, Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung) voraus, woran es vorliegend fehlt.
29b)
30Die Klägerin hat zwar bereits erstinstanzlich und insofern unwidersprochen vorgetragen, dass die seinerzeit schon schwer krebskranke Erblasserin in ihrem körperlichen und psychischen Empfinden erheblich beeinträchtigt worden sei, als sie von der ohne ihr Wissen erfolgten Weitergabe des unzureichend geschwärzten Bewertungsgutachtens mit Angaben zur ihrer Person und u.a. ihrer Krankengeschichte erfahren habe; sie habe befürchtet, dass eine Vielzahl unbeteiligter Dritter nun alle Details ihrer höchstpersönlichen Krankengeschichte kenne (vgl. Seite 3 des Klägerinnenschriftsatzes vom 30.05.2014). Allerdings ist dieses pauschale, nicht unter Beweis gestellte Vorbringen nicht geeignet, eine dadurch bedingte - die notwendige Erheblichkeitsschwelle überschreitende (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 22.05.2007 - VI ZR 17/06, Juris, Rn. 12) - Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge bei der Erblasserin nachvollziehbar zu begründen oder erkennen zu lassen. Da das Vorbringen der Klägerin hierzu bereits nicht hinreichend substantiiert und damit insoweit unschlüssig ist, ist es unschädlich, dass die Beklagte zu 1. diesen Vortrag der Klägerin erstmals in ihrer Berufungserwiderung (mit Nichtwissen) bestritten und damit an sich ein neues Verteidigungsmittel gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO geltend gemacht hat.
312.
32Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1. auch kein auf sie übergegangener - von einem aus § 253 Abs. 2 BGB folgenden Schmerzensgeldanspruch zu unterscheidender (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1996 - VI ZR 323/95, Juris, Rn. 57; BGH, Beschl. v. 10.01.2008 - VI ZB 26/05, Juris, Rn. 14 ff.; BVerfG, Beschl. v. 08.03.2000 - 1 BvR 1127/96, Juris, Rn. 9 ff.) - Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin, auch nicht in der Ausprägung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, zu.
33a)
34Bei schwerwiegenden Verletzungen/Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsrechts besteht nach ständiger, mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung - unabhängig von den (einschränkenden) Voraussetzungen des § 253 BGB - ein Anspruch auf Ausgleich der dadurch verursachten immateriellen Schäden, der unmittelbar aus dem Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird (BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris, Rn. 9, 11, 14; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris, Rn. 40; BGH, Urt. v. 24.03.2011 - IX ZR 180/11, Juris, Rn. 37; BGH, Urt. v. 05.10.2004 - VI ZR 255/03, Juris, Rn. 13; ferner BT-Drucks. 14/7752, S. 25; Erman/Ebert, a.a.O., § 253 Rn. 15; Erman/Klass, a.a.O., Anh. § 12 Rn. 313; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 253 Rn. 10). Die fehlende Erwähnung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in § 253 Abs. 2 BGB bei den geschützten Rechtsgütern ist daher unbeachtlich (Plath/Becker, BDSG, 1. Aufl., § 7 Rn. 2; vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 14/7752, S. 25). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht dabei auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2004 - VI ZR 255/03, Juris, Rn. 13; BGH, Urt. v. 24.03.2011 - IX ZR 180/11, Rn. 40; BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris. Rn. 18 - jeweils m.w.N.). Während das Schmerzensgeld den immateriellen Schaden des Verletzten ausgleichen soll, zielt die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen darauf, dem Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gerecht zu werden und vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen abzuschrecken (Erman/Ebert, a.a.O., § 253 Rn. 19).
35b)
36Mit Blick auf die überwiegende Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der auch der Senat folgt, wegen seines hinsichtlich seiner ideellen Bestandteile an die Person des Berechtigten bzw. Verletzten gebundenen, höchstpersönlichen Charakters grundsätzlich nicht vererblich (BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris. Rn. 8 ff., 22). Entsprechendes muss für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, d.h. die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten zu bestimmen, gelten, da dieses lediglich eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt (grundlegend BVerfG, Beschl. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83 u.a., Juris, Rn. 145 ff.; ferner; BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05, Juris, Rn. 109, 122; BVerfG, Beschl. v. 11.06.1991 - 1 BvR 239/90, Juris, Rn. 12; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hoffmann/Henneke, GG, 13. Aufl., Art. 2 Rn. 16, 30 ff. m.w.N.), so dass ein der Erblasserin wegen der ohne ihre Einwilligung erfolgten Weitergabe und Nutzung des unzureichend anonymisierten, verfahrensgegenständlichen sozialmedizinischen Bewertungsgutachten zur Indikation einer Hyperthermie- behandlung bei Karzinomerkrankung und Ersatzfähigkeit der dadurch bedingten Kosten durch die GKV mit Darstellung u.a. ihrer Krankengeschichte etwa zustehender Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der dadurch bedingten Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vererblich ist, wie schon das Landgericht zutreffend festgestellt hat.
37Ein darauf gestützter Anspruch auf Geldentschädigung ist von der Erblasserin auch nicht etwa noch zu ihren Lebzeiten rechtshängig gemacht worden, was gegebenenfalls Anlass geben könnte, eine Vererblichkeit zu erwägen (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris, Rn. 24 ff., dort offengelassen), sondern die Klage ist erst 1 ½ Jahre nach dem Tod der Erblasserin von ihrer Tochter eingereicht worden.
38c)
39Auch die grundgesetzliche Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG führt insoweit - entgegen der Ansicht der Klägerin - zu keiner anderen Bewertung der Frage der (Nicht-) Vererblichkeit. Denn der Inhalt von Eigentum und Erbrecht stehen nicht etwa absolut fest, sondern werden gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt und ausgefüllt; allerdings darf der Kernbereich insoweit nicht ausgehöhlt werden (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, Juris, Rn. 95 f.; BVerfG, Beschl. v. 22.06.1995 - 2 BvR 552/91, Juris, Rn. 23, 26; BVerfG, Beschl. v. 14.12.1994 - 720/90 1 BvR , Juris, Rn. 44 ff., 50; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 14 Rn. 5 ff., 18 ff., 102 ff., 107; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hoffmann/Henneke, a.a.O., Art. 14 Rn. 4, 11 ff., 36, 40 ff. m.w.N.). Zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum gehören im Bereich des Privatrechts alle vermögenswerten Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet, so dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, Juris, Rn. 95 f.). Zu diesen vermögenswerten Rechten zählen auch die vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.1999 - I ZR 49/97, Juris, Rn. 52 ff.; BGH, Urt. v. 24.03.2011 - IX ZR 180/11, Rn. 37 ff.), dessen ideelle Bestandteile durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt werden (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2009 - 1 BvR 127/09, Juris, Rn. 11 m.w.N.). Der verfassungsrechtliche Schutz einer Eigentumsposition reicht jedoch nicht weiter, als die mit ihr zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, Juris, Rn. 96). Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn - im Wege richterlicher Rechtsfortbildung - Ansprüche auf Geldentschädigung, die aus der Verletzung der allein oder primär dem Schutz der ideellen Interessen des Persönlichkeitsrechts dienenden Aspekte wegen ihrer untrennbaren Verknüpfung mit der von dem Eingriff bzw. der Verletzung betroffenen Person nicht als vererblich eingestuft werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 01.12.1999 - I ZR 49/97, Juris, Rn. 53), zumal auch der Gesetzgeber in § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (gültig bis 30.06.1990) ursprünglich einmal Ansprüchen wegen Nichtvermögensschäden, die auf Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhten, die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit grundsätzlich abgesprochen hatte (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris. Rn. 10 ff.). Vorliegend ist daher mangels eigentumsfähiger (Rechts-) Position letztlich schon der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht eröffnet.
40d)
41Umstände, die bezogen auf den vorliegenden Fall - in Abweichung von dem seitens des BGH statuierten Grundsatz der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts betreffender Rechtsverletzungen - für die Annahme einer Ausnahme sprechen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist bereits zweifelhaft, ob durch die Weitergabe und Nutzung des unzureichend anonymisierten Bewertungsgutachtens in derart schwerwiegender Art und Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Erblasserin bzw. in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen worden ist, dass ihr eine Geldentschädigung zuzubilligen gewesen wäre.
42aa)
43Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (BGH, Urt. v. 06.12.2005 - VI ZR 265/04, Juris, Rn. 19; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris, Rn. 38 m.w.N.). Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, ist dabei - ebenso wie deren Höhe - aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, d.h. das Ausmaß der Verbreitung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2009 - VI ZR 219/08, Juris, Rn. 11; BGH, Urt. v. 20.03.2012 - VI ZR 123/11, Juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris, Rn. 38, 53 - jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 26.08.2003 -1 BvR 1338/00, Juris, Rn. 4 ff.). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, ob - wie im Streitfall - ein Unterlassungstitel erwirkt worden ist, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungs- anspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH, Beschl. v. 30.06.2009 - VI ZR 339/08, Juris, Rn. 3; BGH, Urt. v. 24.11.2009 - VI ZR 219/08, Juris, Rn. 11; BGH, Urt. v. 20.03.2012 - VI ZR 123/11, Juris, Rn. 15).
44bb)
45Durch die - ohne Einwilligung der Betroffenen - erfolgte Nutzung und Übermittlung des nur unzureichend anonymisierten, u.a. ausführliche Angaben zur Krankengeschichte der Erblasserin (Diagnose und therapeutischen Maßnahmen) enthaltenden sozialmedizinischen Bewertungsgutachtens an unbeteiligte Dritte durch die Beklagte zu 1., ist in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Erblasserin eingegriffen worden, zwar nicht in den unantastbaren Intimbereich, jedoch in deren Privatsphäre, die ebenfalls einem weitreichenden Schutz unterliegt (vgl. BVerfG, Entsch. v. 08.03.1971 - 2 BvR 28/71, Juris, Rn. 24; BGH, Urt. v. 14.10.2008 - VI ZR 272/06, Juris, Rn. 20). Eine Identifizierbarkeit der Erblasserin war ohne weiteres möglich, weil auf dem Deckblatt des Gutachtens noch der Vor- und Nachnahme ebenso wie das Geburtsjahr der Erblasserin zu lesen waren. Auch erfolgte keinerlei Anonymisierung der persönlichen Krankengeschichte, der Namen der sie behandelnden Ärzte und/oder weiterer einen Rückschluss auf die Person der Erblasserin bzw. einen Bezug zu ihr aufweisender Daten. Vielmehr enthält das Gutachten lediglich zwei, auf dem Deckblatt befindliche Schwärzungen.
46Auf der anderen Seite ist nach dem Prozessvortrag der Parteien davon auszugehen, dass das Bewertungsgutachten „nur“ in drei anderen sozialgerichtlichen Verfahren von der Beklagten zu 1. in der von der Klägerin beanstandeten, teilgeschwärzten Form vorgelegt worden ist. Diese Anzahl ist von den Beklagten in ihrer Klageerwiderung (dort Seite 3) zugestanden worden; für eine darüber hinausgehende Verbreitung - die Klägerin behauptet „eine Vielzahl von Fällen“ (vgl. Seite 2 und 4 der Klageschrift) - fehlt es an hinreichend substantiiertem und beweisbewehrtem Vortrag der Klägerin. Die Zahl der Personen, denen diese Daten zugänglich gemacht wurden, ist somit, anders als etwa im Fall einer Internetveröffentlichung, relativ begrenzt. Auch spricht der Umstand, dass der an anderer Stelle auf dem Deckblatt nochmals vorhandene Name der Erblasserin ebenso wie der Tag und der Monat ihres Geburtsdatums von dem Beklagten zu 2. geschwärzt worden sind, dafür, dass der an anderer Stelle - im Rubrum des auf dem Deckblatt in Bezug genommenen sozialgerichtlichen Verfahrens - vorhandene Vor- und Zuname der Erblasserin lediglich infolge eines Ver-/Übersehen des Beklagten zu 2. nicht ebenfalls geschwärzt worden ist. Überdies diente die Weitergabe dieser Daten auch nicht etwa dazu, die Erblasserin herabzuwürdigen oder zu diskreditieren, sondern war offenkundig von dem Interesse der Beklagten zu 1. in ihrer Funktion als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung getragen, die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten bzw. ihre Mitglieder nicht mit (unnötigen) Behandlungskosten für Therapien zu belasten, deren Wirksamkeit und Geeignetheit nicht hinreichend belegt ist, wozu sie sich in anderen sozialgerichtlichen Verfahren des Gutachtens als Argumentationshilfe bedienen wollte und hat. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1. den von der Erblasserin vor dem Sozialgericht Gotha geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verbreitung des teilgeschwärzten Gutachtens anerkannt und sich hierfür entschuldigt hat. Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit in vielfacher Hinsicht von dem Fall, der der seitens der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 21.09.2012 - 12 U 181/11 (Juris, Rn. 55 ff., 62) zugrunde lag, in dem die dort verklagte Krankentagegeldversicherung ein medizinisches Gutachtens eines bei ihr versicherten Piloten ohne dessen Einwilligung an dessen Arbeitgeber versandt hatte mit der Intention, eine Suspendierung des Piloten vom Dienst wegen Berufsunfähigkeit und damit ihre Leistungsfreiheit zu erreichen, und in dem eine schwerwiegende, zu Zahlung einer Geldentschädigung verpflichtende Persönlichkeitsrechtsverletzung bejaht worden ist.
473.
48Ein Anspruch der Klägerin auf immateriellen Schadensersatz aus gemäß § 1922 BGB auf sie übergegangenem Recht der Erblasserin folgt auch nicht aus § 7 Satz 1 BDSG oder § 8 Abs. 2 BDSG, sei es unmittelbar oder mittelbar über § 82 Satz 1, 2 SGB X.
49a)
50Zwar handelt es sich bei dem in dem Bewertungsgutachten enthaltenen Angaben zur Person der Erblasserin, ihren gesundheitlichen Verhältnissen etc. um dem Sozialgeheimnis (§ 35 Abs. 1 SGB I) unterfallende Sozialdaten (§ 67 Abs. 1 SGB X), die dem Sozialdatenschutz unterliegen (vgl. hierzu Thüringer Landessozialgericht, Beschl. v. 12.01.2015 - L 4 AS 1231/14 B, Juris, Rn. 44) und die die Beklagte zu 1. durch die ohne Einwilligung der Erblasserin erfolgte Weitergabe einer unzulässigen, nicht automatisierten, d.h. manuell oder aktenmäßig, erfolgten Verarbeitung bzw. Nutzung im Sinne der §§ 82 Satz 1 SGB X, 7 Satz 1 BDSG zugeführt hat. Bei der Beklagten zu 1. handelt es sich als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts auch um einen Leistungsträger im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Die §§ 7 Satz 1 BDSG, 82 Satz 1 SGB X gewähren jedoch lediglich einen Anspruch auf Ersatz materieller Schäden, die durch die nicht automatisierte unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen (Sozial-) Daten entstehen und nicht für immaterielle Schäden (Plath/Becker, BDSG, 1. Aufl., § 7 Rn. 1 f.; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl., § 7 Rn. 19; Simitis/Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 7 Rn. 30, 32 m.w.N.; Paulus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl., § 82 SGB X Rn. 11, 14).
51b)
52Ersatz immaterieller Schäden („Schmerzensgeld“) wird (nur) nach Maßgabe der §§ 8 Abs. 2 BDSG, 82 Satz 2 SGB X gewährt (Plath/Becker, a.a.O., § 8 Rn. 11; Gola/Schomerus, a.a.O., § 8 Rn. 7; Simitis/Simitis, a.a.O., § 8 Rn. 16). Bei den §§ 8 Abs. 2, 82 Satz 2 SGB X BDSG handelt es sich um einen der durch Gesetz (§ 253 Abs. 1 BGB) bestimmten Ausnahmefälle, in denen wegen Nichtvermögensschäden eine Entschädigung in Geld gewährt wird (Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 2). Die §§ 8, 82 Satz 2 SGB X betreffen jedoch nur den - hier nicht vorliegenden - Fall einer automatisierten, sprich unter den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG), erfolgenden Datenverarbeitung, wobei der Ersatz von Nichtvermögensschäden durch die Vorschriften zudem auf Fälle schwere Verletzungen des Persönlichkeitsrechts beschränkt ist, was vorliegend - wie ausgeführt - ebenfalls eher zu verneinen ist.
53c)
54Da im vorliegenden Fall schon die Voraussetzungen für einen immateriellen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 8 BDSG, 82 SGB X nicht gegeben sind, kommt es auf die in der Literatur streitig diskutierte Frage, ob die aus diesen Normen folgenden Schadensersatzansprüche vererblich sind, bereits nicht streitentscheidend an (bejahend: z.B. Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 22 m.w.N.; verneinend: Simitis/Simitis, a.a.O., § 7 Rn. 44, § 8 Rn. 31 m.w.N.).
555.
56Aus § 20 Abs. 1 Satz 2 DSG NRW kann ebenfalls kein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der Erblasserin hergeleitet werden, weil es sich bei der Beklagten zu 1. um eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, für die das Datenschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen nicht gilt (vgl. § 2 Abs. 1 DSG NRW; ferner § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1 BDSG).
576.
58Auch die Vorgaben der Europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995, insbesondere deren Art. 23 Abs. 1, zwingen nicht zu einer Ausdehnung der Haftung für immaterielle Schäden bei jeder - losgelöst von der Eingriffsintensität und der Schwere der Verletzung - infolge einer unzulässigen oder unrichtigen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten durch eine verantwortliche Stelle bewirkten Verletzung des Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts (zum Streitstand vgl. die Nachweise bei Gola/Schomerus, a.a.O., § 7 Rn. 12; ferner Simitis/Simitis, a.a.O., § 7 Rn. 4 f, 32 m. Fn. 82, § 8 Rn. 1 f.; Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 4, § 8 Rn. 2), unabhängig davon, dass damit noch nicht die Frage der Vererblichkeit eines entsprechenden Entschädigungs- oder Schmerzensgeldanspruchs beantwortet ist und die Datenschutzrichtlinie hierzu keinerlei (europarechtliche) Vorgaben enthält.
59a)
60Zwar sind die nationalen Gerichte aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 AEUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dabei kann der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung es auch erfordern, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, Juris, Rn. 44 ff., 50 ff., 55 ff. m.w.N.; BGH, Urt. v. 21.12.2011 - VIII ZR 70/08, Juris, Rn. 30 ff.; BGH, Urt. v. 09.04.2002 - XI ZR 91/99, Juris, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 05.10.2004 - C-397/01 bis C-403/01, Juris, Rn. 113 ff.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Die Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung darf insbesondere nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, Juris, Rn. 47 f.). Die maßgebliche gesetzgeberische Grundentscheidung, an die die Gerichte verfassungsrechtlich gebunden sind, trifft der nationale Gesetzgeber. Diese lässt sich u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließen (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, Juris, Rn. 51).
61b)
62Hier hat der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 23 DS-RL, der von den Mitgliedsstatten die ausdrückliche Regelung eines eigenen datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruchs für öffentliche wie nichtöffentliche Stellen verlangt, § 7 BDSG eingeführt (Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 5; Gola/Schomerus, a.a.O., § 7 Rn. 1 f., 12) und sich dabei bewusst dafür entschieden, dem von einer rechtswidrigen oder falschen Datenverwendung Betroffenen mit dieser Regelung - lediglich - materiellen Schadensersatz zuteilwerden zu lassen (Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 1, 8; Simitis/Simitis, a.a.O., § 7 Rn. 32; Gola/Schomerus, a.a.O., § 7 Rn. 12), womit indes zugleich ein Ersatz immaterieller Schäden, soweit er durch andere Rechtsnormen gewährt wird oder gewährt werden kann, nicht ausgeschlossen ist (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 7 Rn. 12, 19). Diese Interpretation des Regelungsgehalts des § 7 BDSG, nämlich die bewusste Beschränkung auf materielle Schäden bei nicht automatisierter unrichtiger oder unzulässiger Datenverwendung, ergibt sich eindeutig aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem dabei zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen (vgl. BR-Drucks. 461/00, S. 93; BT-Drucks. 14/4329, S. 38; BT-Drucks. 14/5793, S. 64; vgl. auch S. 45 f. der Synopse des Bundesinnenministeriums zum Gesetz zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze, abrufbar unter http://portal.dfpug.de/dfpug/Dokumente/Sonstiges/bdsg.pdf). Denn § 7 BDSG a.F., der im Wesentlichen dem § 8 BDSG n.F. entspricht, sah in seinem Abs. 2 - bereits vor Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzrichtlinie - bei schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch eine unzulässige oder unrichtige automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen eine angemessene Entschädigung in Geld für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, vor; § 8 BDSG a.F. enthielt lediglich eine Beweislastregelung. Vor diesem Hintergrund steht der eindeutige gesetzgeberische Wille bei der Umsetzung von Art. 23 DS-RL einer richtlinienkonformen, erweiternden Auslegung des § 7 BDSG wie auch anderer Vorschriften in Bezug auf die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bei Datenschutzverstößen durch nichtautomatisierte Datenverarbeitungen unabhängig vom Grad der Beeinträchtigung bzw. der Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch richterliche Rechtsfortbildung entgegen (a.A., jedenfalls im Ergebnis, Kopp, RDV 1993, 1, 8; Wuermeling, DB 1996, 663, 670; Brühmann/Zerdick, CR 1996, 429, 434 f.; Niedermeier/Schröcker, RDV 2002, 217, 222 ff.; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, Stand: Februar 2015, § 7 BDSG Rn. 12 m.w.N.).
63Etwas Anderes erfolgt auch nicht daraus, dass der Datenschutzrichtlinie wie auch in anderen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, sich der Einzelne nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 24.11.2011 - C-468/10 und C-469-10, Juris, Rn. 51 m.w.N.) vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat unmittelbar auf diese Bestimmung berufen kann, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat (so aber Bergmann/Möhrle/Herb, a.a.O., § 7 BDSG Rn. 12a), weil dies nichts an dem von den Gerichten im Rahmen ihrer grundgesetzlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie des im Rahmen der Kompetenzordnung von der Rechtsprechung zu beachtenden gesetzgeberischen Willen ändert, der - wie dargestellt - dahin geht, bei leichten Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch Datenschutzverstöße dem Betroffenen keinen Schadensersatz in Geld wegen der Nichtvermögensschäden zuzugestehen.
64Die nationalen Rechtsvorschriften sind insoweit mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts auch nicht etwa unvereinbar mit der Folge, dass diese wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anwenden sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 09.06.1971 - 2 BvR 225/69, Juris, Rn. 92 ff.; BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986 - 2 BvR 197/83, Juris, Rn. 72 ff., 96 ff.; BVerwG, Beschl. v. 22.02.2010 - 1 B 21/09, Juris, Rn. 8), sondern diese bleiben allenfalls hinter Art. 23 DS-RL 95/46/EG zurück; eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit in diesem Sinne liegt damit nicht vor. Der Senat ist insoweit auch entscheidungsbefugt. Für die Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des Europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist und ihr deshalb die Geltung versagt werden muss, sind nämlich weder das Bundesverfassungsgericht noch der EuGH zuständig, sondern die Lösung dieses Normenkonflikts ist nach der Rechtsprechung des BVerfG der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen nationalen Gerichte überlassen (BVerfG, Beschl. v. 09.06.1971 - 2 BvR 225/69, Juris, Rn. 94; BVerfG, Beschl. v.07.08.2007 - 1 BvR 1941/07, Juris, Rn. 22). Der Senat ist zudem der Auffassung, dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Datenschutzrichtlinie in zulässigerweise von dem ihm insoweit eingeräumten Gestaltungsspielraum (vgl. Art. 5 DS-RL) Gebrauch gemacht hat und der in Art. 23 Abs. 1 DS-RL verwendete Schadensbegriff nicht auch zur Regelung des Ersatzes immaterieller Schäden zwingt (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 7 Rn. 12; Plath/Becker, a.a.O., § 7 Rn. 14 - jeweils m.w.N. auch zur Gegenansicht). Vor diesem Hintergrund besteht für den Senat auch kein Anlass zu einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EG), weil es vorliegend weder um Fragen der Auslegung primären Gemeinschaftsrechts noch um die Auslegung und Gültigkeit sekundären Gemeinschaftsrechts geht (zur Vorlageberechtigung und -pflicht vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.02.2010 - 1 BvR 230/09, Juris, Rn. 17 ff., 21; BVerfG, Beschl. v. 12.12.2012 - 1 BvR 69/09, Juris, Rn. 21 ff.; ferner Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hoffmann/Henneke, a.a.O., Vorb. v. Art. 92 Rn. 141 ff.; Calliess, NJW 2013, 1905 ff.).
65II.
66Mangels zuzusprechender Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung (Rechtshängigkeitszinsen).
67III.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
69IV.
70Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 5.000,00 festgesetzt.
71V.
72Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weshalb die Revision zuzulassen ist.
73D…Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht |
S…Richterin am Oberlandesgericht |
O…Richter am Landgericht |
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