Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 37/14
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Rheinland bei der Bezirksregierung Köln vom 20. November 2015 (VK VOB 33/14) aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin bei der am 30.08.2014 im Amtsblatt der EU veröffentlichten Ausschreibung eines Vertrags zum Bau einer Aufbereitungsanlage „DI-Wasser-BV Neubau- und Analytikzentrum COPT“ die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.
Es wird weiter festgestellt, dass der am 05.12.2014 an die Beigeladene erteilte Auftrag für den Bau einer Aufbereitungsanlage „DI-Wasser-BV Neubau- und Analytikzentrum COPT“, bekannt gemacht am 30.08.2014 im Supplement zum Amtsblatt der EU, unwirksam ist.
Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem Vergabeverfahren „DI-Wasser-BV Neubau- und Analytikzentrum COPT“ einen Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragstellerin in diesem Verfahren zur Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden je zur Hälfte der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auferlegt.
Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB trägt die Antragsgegnerin.
1
G r ü n d e
2:
3I. Mit europaweiter Bekanntmachung vom 30.04.2014 schrieb die Antragsgegnerin, eine Universität, den Bau einer Aufbereitungsanlage „DI-Wasser-BV Neubau- und Analytikzentrum COPT“ im offenen Verfahren nach der VOB/A-EG aus. Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden.
4Die Antragstellerin beteiligte sich durch Einreichen eines Angebots an der Ausschreibung. Die Submission ergab, dass das Angebot der Antragstellerin teurer war als das Angebot der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 08.07.2014 forderte die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragte L. GmbH auf, das Angebot der Beigeladenen wegen einer Preisabweichung von 15 % auf Auskömmlichkeit zu prüfen.
5Mit Schreiben vom 16.07.2014 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Vorlage ergänzender Unterlagen, unter anderem von drei Referenzbescheinigungen vergleichbarer Leistungen bis zum 23.07.2014 auf. Mit Schreiben vom 21.07.2014 legte die Beigeladene unter anderem die Errichtung von drei DI-Wasseranlagen in den Jahren 2011 und 2012 dar, ohne den Unterlagen Referenzbescheinigungen der jeweiligen Auftraggeber beizufügen. Nachdem die Antragsgegnerin die Beigeladene mit Schreiben vom 24.02.2015 erneut unter Fristsetzung bis zum 02.03.2015 zu näheren Angaben über die Referenzobjekte und zur Vorlage von Referenzbescheinigungen der Auftraggeber aufgefordert hatte, machte die Beigeladene weitere Angaben zu den Referenzobjekten und legte die geforderten Referenzbescheinigungen der damaligen Auftraggeber vor.
6Die formale, rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung der Angebote wurde durch den Fachplaner D. GmbH (D. GmbH) vorbereitet, der die Kosten der ausgeschriebenen Leistung mit 164.700,- € veranschlagt hatte. Den von der D. GmbH unterbreiteten Vergabevorschlag mit einem Zuschlag auf das Angebot der Beigeladene prüfte die N. GmbH, ein Unternehmen der …, auf Plausibilität. Sie hielt das Angebot der Beigeladenen für auskömmlich und ein Aufklärungsgespräch nicht für erforderlich.
7Mit Informationsschreiben vom 26.09.2014 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin von der Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin rügte daraufhin mit an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom 29.09.2014 und 01.10.2014 unter Fristsetzung bis zum 02.10.2014, das Angebot der Beigeladenen sei unauskömmlich. Die Beigeladene sei zudem wegen fehlender Eignung von der Vergabe auszuschließen. Diese unterhalte eine unseriöse Homepage mit unwahren Tatsachenbehauptungen. Ebenfalls am 29.09.2014 übersandte sie ein als „Einspruch“ bezeichnetes Schreiben an die Vergabekammer Rheinland. Mit an die Antragsgegnerin gerichteter E-Mail vom 02.10.2014 beanstandeten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin das Informationsschreiben als unzulänglich und brachten am 02.10.2014 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland an, der der Antragsgegnerin am selben Tag durch die Vergabekammer per Telefax übermittelt worden ist. Ebenfalls am 02.10.2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, über die erhobenen Rügen nicht binnen der gesetzten Frist entscheiden zu können. Sie sicherte jedoch zu, einen Zuschlag nicht bis zum Ablauf von drei Arbeitstagen nach Zugang einer Rügeerwiderung zu erteilen. Mit Schreiben vom 15.10.2014 der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hat diese den unter dem 29.09.2014 bei der Vergabekammer eingelegten „Einspruch“ zurück genommen.
8Mit den Beteiligten am selben Tag zugestelltem Beschluss vom 20.11.2014 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag wegen Fehlens eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses nach Lage der Akten als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen.
9Gegen den Beschluss der Vergabekammer richtet sich die von der Antragstellerin am 26.11.2014 eingelegte sofortige Beschwerde, die der Senat der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 11.12.2014, der Antragsgegnerin am 12.12.2014 zugegangen, abschriftlich zugestellt hat. Am 05.12.2014 erteilte die Antragsgegnerin den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen.
10Die Antragstellerin hält den Nachprüfungsantrag unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens für zulässig und begründet.
11Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, weil sie, die Antragstellerin, nach erhobener Rüge nicht verpflichtet gewesen sei, vor Einreichung eines Nachprüfungsantrags eine Antwort des öffentlichen Auftraggebers in angemessener Zeit abzuwarten. Eine Wartefrist ergebe sich weder aus § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB noch aus § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB, wonach ein Nachprüfungsantrag unzulässig sei, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abzuhelfen, vergangen seien. Beide Vorschriften stünden unter dem Beschleunigungsgebot, dem zusätzliche Wartefristen für Bieter widersprächen. Eine dahin gehende Auslegung der Vorschriften ergebe sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit. Eine verbindliche Erklärung des öffentlichen Auftraggebers verhindere zudem nicht den Verlust von Primärrechtsschutz im Falle eines gleichwohl erteilten Zuschlags nach Ablauf der Wartefrist des § 101 a GWB. Die Unwirksamkeitsfolge des § 101 b GWB gelte in einem solchen Fall nicht. Nichtigkeit des durch Zuschlag erteilten Auftrags wegen Verletzung von Treuepflichten (§§ 134, 138 BGB) könne nur noch vor den Zivilgerichten erstritten werden. Das widerspreche dem Ziel des Primärrechtsschutzes. Die Einreichung eines Nachprüfungsantrags sei zur Wahrung des sichersten Wegs geboten gewesen. Die Antragsgegnerin habe zudem bis zum Beschluss der Vergabekammer vom 20.11.2014 auf die erhobenen Rügen nicht geantwortet.
12Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, weil das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Eignung auszuschließen sei. Die Beigeladene gehöre als 100%ige Tochter der C. GmbH zur börsennotierten C. AG. Nach den Mitteilungen auf ihrer, der Beigeladenen, Homepage sei sie allein nicht leistungsfähig. Die im Angebot gemachte Angabe, den Auftrag ohne Eignungsleihe oder Nachunternehmer ausführen zu können und zu wollen, sei unwahr.
13Zudem habe die Beigeladene die erforderlichen Referenzen nicht rechtzeitig vorgelegt und sei auch deshalb von einer Vergabe auszuschließen.
14Das Angebot der Beigeladenen sei darüber hinaus unauskömmlich. Der Angebotspreis sei ungewöhnlich niedrig und weiche um ca. 12 % von dem nächst teureren, nämlich ihrem, der Antragstellerin, Angebot ab. Die Antragsgegnerin habe pflichtwidrig eine erforderliche Auskömmlichkeitsprüfung unterlassen.
15Die Antragstellerin beantragt,
16festzustellen, dass der an die Beigeladene erteilte Auftrag „DI-Wasser-BV Neubau- und Analytikzentrum COPT“ nichtig ist,
17festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie, die Antragstellerin, in ihren Rechten verletzt hat,
18das Angebot der Beigeladenen auszuschließen,
19sowie geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens herzustellen.
20Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
21die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
22Sie halten die sofortige Beschwerde für unzulässig, weil die Antragstellerin sie, die Antragsgegnerin, nicht gemäß § 117 Abs. 4 GWB von der Einlegung der Beschwerde unterrichtet habe. Erst durch Verfügung des Senats vom 11.12.2014 habe sie am 12.12.2014 von der Einlegung der Beschwerde erfahren, nachdem sie den Zuschlag nach Ablauf der Beschwerdefrist am 05.12.2014 bereits erteilt gehabt habe. Sie, die Antragsgegnerin, habe infolge fehlender Unterrichtung über die Rechtsmitteleinlegung darauf vertrauen dürfen, dass die Antragstellerin von der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen habe. Eine Erkundigungspflicht öffentlicher Auftraggeber bestehe nicht.
23Im Übrigen hält die Antragsgegnerin auch den Nachprüfungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses, fehlender Antragsbefugnis und Verletzung der Rügeobliegenheit für unzulässig. Die Antragstellerin bedürfe keines Rechtsschutzes, weil sie ohne weiteres vor Einreichung eines Nachprüfungsantrags eine Antwort der Antragsgegnerin auf die erhobenen Rügen habe abwarten können. Eine Rügeantwort habe sich lediglich wegen des Nachprüfungsantrags erübrigt. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt, weil § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A EG Bieter nicht vor unterlassener Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebote konkurrierender Bieter schütze. Der Nachprüfungsantrag sei auch deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin unter dem 29.09.2014 bereits einen schriftlichen „Einspruch“ an die Vergabekammer gerichtet habe, dem keine Rüge vorangegangen sei. Die spätere erneute Einreichung eines Nachprüfungsantrags sei nur die Fortsetzung des im September 2014 bereits anhängig gewordenen Nachprüfungsverfahrens gewesen.
24Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet, weil das Angebot der Beigeladenen auskömmlich sei und die Schwelle, ab der öffentliche Auftraggeber ein Zwischenverfahren nach § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A EG durchzuführen verpflichtet seien, nicht erreicht sei. Das Angebot der Beigeladenen weiche nur ca. 12 % vom Angebotspreis der Antragstellerin ab. Das Angebot der Beigeladenen habe zudem den von der D. GmbH ermittelten Kostenanschlag seinerseits um ca. 31 % übertroffen. Unauskömmlichkeit sei fern liegend.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
26II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
271. Gegen eine den Nachprüfungsantrag wegen offensichtlicher Unzulässigkeit zurückweisende Entscheidung einer Vergabekammer nach Lage der Akten ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft, §§ 110 Abs. 2 Satz 1, 112 Abs. 1 Satz 3, 116 Abs. 1 Satz 1 GWB.
282. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 4 GWB unzulässig. Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt nicht davon ab, ob der Beschwerdeführer seine Pflicht erfüllt, die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Der Antragsgegnerin, die die gegenteilige Ansicht vertritt, ist zwar zuzugeben, dass § 117 Abs. 4 GWB seinem Wortlaut nach als eine sogenannte Muss-Vorschrift ausgebildet und in § 117 GWB mit der Überschrift "Frist, Form" aufgenommen worden ist. Gleichwohl ist eine Verletzung der in § 117 Abs. 4 GWB normierten Unterrichtungspflicht nicht mit der Rechtsfolge der Unzulässigkeit der Beschwerde sanktioniert. Ob ein Rechtsmittel im Hinblick auf Frist und Förmlichkeiten zulässig ist, muss aus Gründen der Rechtssicherheit im Zeitpunkt seiner Einlegung für das Gericht feststehen. Was für die Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 116 GWB) zu beachten ist, ist den Absätzen 1 bis 3 des § 117 GWB zu entnehmen. Danach ist die Handlung der Beschwerdeeinlegung auf das Beschwerdegericht hin konzentriert. § 117 Abs. 4 GWB unterscheidet die Handlungsebenen der Beschwerdeeinlegung ("Mit der Einlegung der Beschwerde sind ...") und der Unterrichtung der anderen Verfahrensbeteiligten. Schon das spricht dagegen, diese Unterrichtung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschwerde zu rechnen. Das Beschwerdegericht muss die Beschwerdeschrift auf jeden Fall, auch wenn der Beschwerdeführer seine Pflicht gemäß § 117 Abs. 4 GWB erfüllt hat, den anderen Verfahrensbeteiligten von Amts wegen zustellen, §§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB, § 210 a ZPO (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.1999, Verg 1/99, juris, Rn. 32; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.06.2004, VII-Verg 11/04, juris Rn. 24 m.w.N.; vgl. dazu auch OLG Naumburg, Beschl. v. 16.01.2003, 1 Verg 10/03, juris Rn. 31; vgl. dazu auch Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB Teil 2, § 117 Rn. 20 ff m.w.N.; Jaeger in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 117 Rn. 20 m.w.N.).
29III. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
301. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
31a) Bei dem ausgeschriebenen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag, der den erforderlichen Schwellenwert von 5.186.000 € (VO (EU) Nr. 1336/2013 v. 13.12.2013, gültig ab 01.01.2014 (ABl. EU Nr. L335 S.17) überschreitet. Nach dem Zuwendungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 12.03.2013 belaufen sich die Gesamtkosten der Baumaßnahme auf 12.000.000,- €, in denen ein Baukostenanteil von 7.455.892,45 € enthalten ist. Dass die im Streitfall zu errichtende Wasseraufbereitungsanlage nur über ein Kostenvolumen von 164.700,- € verfügt, schadet nicht. Bei einem öffentlichen Bauauftrag ist zur Feststellung des Auftragswerts der Gesamtwert der Arbeiten zu veranschlagen, der die vom öffentlichen Auftraggeber gezahlten Geldbeträge und die von Dritten als Gegenleistung für die für ihre Rechnung errichteten Bauwerke geleisteten Beträge umfasst (vgl. EuGH, Urt. v. 18.1.2007, C-220/05, Auroux/Commune de Roanne, VergabeR 2007, 183, Rn. 53 bis 57; OLG Düsseldorf, EuGH-Vorlage vom 02. Oktober 2008, Verg 25/08, juris, Rn. 33).
32b) Der Nachprüfungsantrag ist nicht wegen des am 05.12.2014 auf das Angebot der Beigeladenen erteilten Zuschlags unzulässig, weil der Zuschlag unwirksam und der hierdurch geschlossene Bauvertrag gemäß § 134 BGB nichtig ist. Die Antragsgegnerin hat den Zuschlag unter Verstoß gegen §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 GWB erteilt. Das Zuschlagsverbot ist ein gesetzliches Verbot, dessen Missachtung die Nichtigkeit des Vertrags nach sich zieht, § 134 BGB.
33aa) Auch wenn die Vergabekammer, die den Nachprüfungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin für offensichtlich unzulässig gehalten und deshalb nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung (§ 112 Abs. 1 Satz 3 GWB) entschieden hat, zu der Übermittlung des Nachprüfungsantrags an die Antragsgegnerin am 02.10.2014 nicht verpflichtet war, löste die Übermittlung des Nachprüfungsantrags das gesetzliche Zuschlagsverbot aus (§ 115 Abs. 1 GWB). Es galt nach § 115 Abs. 1 GWB zunächst bis zum Ablauf der Beschwerdefrist. Der den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweisende Beschluss der Vergabekammer ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten noch am 20.11.2014 per Telefax zugestellt worden, so dass die zweiwöchige Rechtsmittelfrist des § 117 Abs. 1 GWB am 04.12.2014 endete. Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 GWB verlängerte sich das Zuschlagsverbot sodann um weitere zwei Wochen, weil die Antragstellerin unter dem 26.11.2014 gegen den Beschluss der Vergabekammer Beschwerde eingelegt hat. Durch Beschluss des Senats vom 15.12.2014 wurde das Zuschlagsverbot nochmals verlängert.
34bb) Für die fortdauernde Wirksamkeit des Zuschlagsverbots nach § 118 Abs. 1 GBW kommt es nicht darauf an, ob der öffentliche Auftraggeber von der Einlegung der Beschwerde Kenntnis erlangt hat. Die Pflicht zur Unterrichtung gemäß § 117 Abs. 4 GWB bezweckt nicht sicherzustellen, dass die anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens von dem Beschwerdeverfahren erfahren und an diesem beteiligt werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.1999, Verg 1/99, juris, Rn. 32; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.06.2004, VII-Verg 11/04, juris Rn. 24 m.w.N.; Jaeger in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 117 Rn. 20). Auch nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 4 GWB ist der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, die gegnerische Partei bis zum Ablauf der Beschwerdefrist zu unterrichten. Da das Rechtsmittel zulässigerweise bis 24.00 h des letzten Tages der Rechtsmittelfrist eingelegt werden kann, gestattet § 117 Abs. 4 GWB eine Unterrichtung auch nach 24.00 h und damit nach Fristablauf (vgl. dazu auch Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB Teil 2, § 117 Rn. 20 ff m.w.N.; Jaeger in: Byok/Jaeger, a.a.O., § 117 Rn. 20 m.w.N.).
35Für die mit der Einlegung der Beschwerde in Gang gesetzte weitere Verlängerung des Zuschlagsverbots nach § 118 Abs. 1 GWB kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller und Beschwerdeführer seiner Unterrichtungspflicht nachgekommen ist. Entgegen der vom OLG Naumburg in zwei Beschlüssen aus den Jahren 1999 und 2003 vertretenen Rechtsauffassung (OLG Naumburg, Beschl. v. 02.06.1999, 10 Verg 1/99; Beschl. v. 16.01.2003, 1 Verg 10/03, juris Rn. 34) ist eine rechtzeitige Information des öffentlichen Auftraggebers über die Einlegung eines Rechtsmittels vor Ablauf der Rechtsmittelfrist keine Voraussetzung für die Fortgeltung des Zuschlagsverbots nach § 118 Abs. 1 GWB. § 117 Abs. 4 GWB würde als weitere Voraussetzung für die zeitliche Verlängerung (§ 118 Abs. 1 GWB) ein Gesetzeszweck unterlegt, der ihm nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zukommt (Jaeger in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 117 Rn. 20). Verletzt der Rechtsmittelführer seine Unterrichtungspflicht (§ 117 Abs. 4 GWB), kommen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vielmehr nur schadensersatzrechtliche Folgen in Betracht. Will der öffentliche Auftraggeber unmittelbar nach Fristablauf den Zuschlag erteilen und einem Verstoß gegen das Zuschlagsverbot entgehen, muss er sich zuvor durch entsprechende Erkundigung vergewissern, ob das Zuschlagsverbot wegen fristgerechter Einlegung eines Rechtsmittels fortbesteht. Eine dahin gehende Obliegenheit folgt aus dem zu beachtenden gesetzlichen Zuschlagsverbot.
36Die Beschlüsse des OLG Naumburg vom 16.01.2003 und 02.06.1999 geben keinen Anlass zu einer Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB. Der Gesetzgeber hat nach Erlass der Beschlüsse des OLG Naumburg das GWB und insbesondere dessen 4. Teil mehrfach reformiert und keinen Anlass gesehen, die Vorschrift des § 118 GWB mit Blick auf die Unterrichtungspflicht nach § 117 Abs. 4 GWB zu ändern. Hierzu hätte er insbesondere im Zuge der mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VgRModG) vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790, 1795) erfolgten umfassenden Reform des Vergaberechts Gelegenheit gehabt. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass die vom OLG Naumburg damals vertretene Rechtsauffassung heute als überholt zu gelten hat und der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen das Zuschlagsverbot des §115 Abs. 1 GWB durch Einlegung der Beschwerde nach § 118 Abs. 1 Satz 1 GWB verlängert wird, abschließend geregelt hat. Eine bis zum Ablauf der Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 GWB einzuhaltende Unterrichtungspflicht sieht weder § 117 Abs. 4 GWB noch § 118 Abs. 1 GWB vor.
37c) Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin liegt vor. Sie war nicht verpflichtet, mit der Einreichung des Nachprüfungsantrags bis zum Ablauf der für öffentliche Auftraggeber geltenden Stillhaltefrist nach § 101a Abs. 1 GWB zuzuwarten. Bei Vorliegen von Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) und Erfüllung der Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis indiziert und bedarf in der Regel, so auch im Streitfall, keiner gesonderten Feststellung. §§ 97 ff GWB i.V.m. Art. 1 ff. Richtlinie 2007/66/EG dienen der Gewährung effektiven Primärrechtsschutzes, der gefährdet wäre, wenn Bieter über gesetzliche Ausschlussfristen sowie die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 und Abs. 3 GWB hinaus ungeschriebene Wartepflichten zu beachten hätten. Dies ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB, nach dem ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn bei Einreichung des Nachprüfungsantrags mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die einer Auslegung dahin, dass das Abwarten einer Abhilfeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Nachprüfungsantrag sei, nicht zugänglich ist. Richtig ist zwar, dass diese Vorschrift die Ausschlussfrist von 15 Kalendertagen für die Einreichung eines Nachprüfungsantrags an das Ereignis einer Mitteilung des öffentlichen Auftraggebers, der erhobenen Rüge nicht abzuhelfen, knüpft. Hieraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, Bietern sei die Einreichung eines Nachprüfungsantrags vor einer Nichtabhilfeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers untersagt. Einer voreiligen Einreichung eines Nachprüfungsantrags kommt lediglich bei der gegebenenfalls infolge einer im Nachprüfungsverfahren ergehenden Abhilfeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers eintretenden Erledigung des Nachprüfungsantrags Bedeutung zu, § 128 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 GWB. Im Streitfall ist zudem zu beachten, dass eine schriftliche Zusage, wie sie hier durch die Antragsgegnerin erteilt worden ist, bis zur Entscheidung über die Rüge und deren Übermittlung an die Antragstellerin nebst einer selbst auferlegten Wartefrist von drei Tagen von der Erteilung eines Zuschlags abzusehen, einen nach Ablauf der Stillhaltefrist des § 101a Abs. 1 GWB erteilten Zuschlag nicht verhindert. Weil der mit Zuschlagserteilung geschlossene Vertrag wirksam und bindend ist, ginge ein Bieter des Primärrechtsschutzes verlustig, § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB. Auf ein solches Risiko muss sich ein Bieter nicht einlassen.
38d) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag und eine Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften sowie einen drohenden Schaden vorgetragen. Die Antragsbefugnis entfällt nicht, soweit die Antragstellerin den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen Unauskömmlichkeit und eine Verletzung des § 16 Abs. 6 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/A EG durch die Antragsgegnerin geltend macht. Anders als die Antragsgegnerin meint, kommt es im Rahmen der Antragsbefugnis nicht darauf an, ob der Antragstellerin die behaupteten Rechte tatsächlich zustehen und diese verletzt worden sind. Es reicht vielmehr aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, der im Anwendungsbereich des § 100 Abs. 1 GWB durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ermöglicht werden soll, kann die Antragsbefugnis nur einem Unternehmen fehlen, bei dem offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt (BGH, Beschl. v. 10.11.2009, X ZB 8/09 – juris Rn. 27; BGH , Beschl. v. 26.9.2006, X ZB 14/06 – juris Rn. 18 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.02.2009, VII-Verg 66/08 – juris Rn. 13). Die Antragsbefugnis erfüllt nur die Funktion eines groben Filters, dem die Aufgabe zukommt, von vornherein eindeutige Fälle, in denen eine Auftragsvergabe für den Antragsteller aussichtslos ist, auszusondern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2014, VII-Verg 47/13, juris Rn. 19; Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 28/12 – juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.02.2012, VII-Verg 75/11 – juris Rn. 26). Mit ihrem das Nachprüfungsverfahren einleitenden Schriftsatz hat die Antragstellerin vorgetragen, die Beigeladene habe das Angebot äußerst knapp kalkuliert und habe durch die Antragsgegnerin zur Vorlage von Belegen für dessen Seriosität aufgefordert werden müssen. Es sei erforderlich gewesen, über die Kalkulation der Beigeladenen aufzuklären. Dies habe die Antragsgegnerin pflichtwidrig unterlassen. Das reichte aus, um eine Verletzung in Rechten und das Drohen eines Schadens darzulegen.
39e) Der Rügeobliegenheit ist die Antragstellerin unverzüglich nachgekommen, § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Nach Zugang des Informationsschreibens vom 26.09.2014 ist die Antragstellerin einem Zuschlag an die Beigeladene in zwei Schreiben an die Antragsgegnerin vom 29.09.2014 und 01.10.2014 entgegen getreten und hat zugleich unter dem 29.09.2014 ein als „Einspruch“ bezeichnetes Schreiben bei der Vergabekammer eingereicht. Zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin reichte dies aus. Für die Antragstellerin war erstmals durch das Informationsschreiben erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Beigeladene trotz der von der Antragstellerin mit Schreiben vom 08.07.2014 erhobenen Bedenken gegen die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen nicht ausgeschlossen hatte und hierdurch möglicherweise gegen Vergaberecht verstoßen hat. Auch wenn der „Einspruch“ der Antragstellerin vom 02.10.2014 als rügeloser und damit unzulässiger Nachprüfungsantrag zu werten wäre, schadet dies nicht, weil die Antragstellerin diesen im Nachprüfungsverfahren nicht weiterverfolgt und durch die Einreichung des Nachprüfungsantrags fallen gelassen hat. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.10.2014 hat sie ihn dementsprechend zurück genommen. Die Vergabekammer ist dem „Einspruch“ folgerichtig nicht weiter nachgegangen.
402. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
41Die Antragsgegnerin hat gegen Vergaberecht verstoßen. Ein Zuschlag durfte nicht an die Beigeladene erteilt werden, weil deren Angebot von der Vergabe auszuschließen war. Die Antragsgegnerin hat vielmehr das Angebot der Beigeladenen auszuschließen und das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Wertung der Angebote zurückzuversetzen.
42a) Das Angebot der Beigeladenen ist allerdings nicht wegen fehlender Eignung von der Vergabe auszuschließen, § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A EG i.V.m. § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Beigeladene in materieller Hinsicht für geeignet zu halten, ist nicht zu kritisieren. Insbesondere war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, tiefer als geschehen, die von der Beigeladenen abgegebenen Eigenerklärungen zu Eigenleistungen zu überprüfen.
43Für die Entscheidung, ob Bewerber oder Bieter auf Grund von Eigenerklärungen und beigebrachten Nachweisen als geeignet bzw. ungeeignet zu beurteilen sind, ist nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren (vgl. auch Senat, Beschl. v. 24.05.2007, VII Verg 12/07). Vielmehr darf er seine Entscheidung auf eine methodisch vertretbar erarbeitete, befriedigende Erkenntnislage stützen und von einer Überprüfung von Eigenerklärungen absehen, wenn und soweit sich keine objektiv begründeten, konkreten Zweifel an der Richtigkeit ergeben. Nur in diesem Fall ist er gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und gegebenenfalls von neuem in die Eignungsprüfung einzutreten. Ansonsten ist die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Eignung eines oder Bieters bereits dann hinzunehmen, wenn sie unter Berücksichtigung der schon bei Aufstellung der Prognose aufgrund zumutbarer Aufklärung gewonnenen Erkenntnisse (noch) vertretbar erscheint (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.12.2009, VII-Verg 39/09 – Stadtschloss Berlin, juris, Rn. 89; Scharen, GRUR 2009, 345, 348). Ausgehend von diesen Vorgaben war die Antragsgegnerin entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht gehalten, mittels einer Prüfung der auf der Homepage der Beigeladenen veröffentlichten Informationen Zweifel an deren technischer Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine beabsichtigte Auftragserfüllung in Eigenleistung zu hegen und in eine vertiefte Prüfung der Konzernstruktur einzutreten. Aus den vorgelegten Referenzen nebst Referenzbescheinigungen der damaligen Auftraggeber, die in materieller Hinsicht den gestellten Anforderungen entsprachen, ergab sich vielmehr, dass die Beigeladene vergleichbare Aufträge in den vergangenen drei Geschäftsjahren in Eigenleistung zur vollen Zufriedenheit der damaligen Auftraggeber erfüllt hatte. Das Vorbringen der Antragstellerin, die Beigeladene sei ohne Eignungsleihe nicht leistungsfähig, fußt auf nicht durch Tatsachen unterlegten, mithin substanzlosen Behauptungen.
44b) Das Angebot der Beigeladenen ist jedoch wegen nicht rechtzeitig vorgelegter, von der Antragsgegnerin aber wirksam geforderter Erklärungen von der Vergabe auszuschließen.
45aa) Nach Ziffern III.2.3) der Bekanntmachung waren Bieter verpflichtet, die technische Leistungsfähigkeit zunächst durch die Abgabe von Eigenerklärungen gemäß Formblatt 124 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB) zu belegen. Dem ist die Beigeladene nachgekommen. Nach Formblatt 124 hatten Bieter, deren Angebot in die engere Wahl kam, auf gesonderte Aufforderung der Antragsgegnerin drei Referenzen aus den letzten drei Geschäftsjahren binnen einer Frist von sechs Kalendertagen vorzulegen.
46Mit Schreiben vom 16.07.2014 wurde die Beigeladene zur Vorlage u.a. der drei im Formblatt 124 aufgeführten Referenzen aufgefordert, zu denen insbesondere drei Referenzbescheinigungen der vormaligen Auftraggeber gehörten. Da die Beigeladene derartige Bescheinigungen nicht vorlegte, forderte die Antragsgegnerin diese mit Schreiben vom 24.02.2015 nach. Die Beigeladene legte daraufhin die Bescheinigungen vor.
47bb) Die Nachforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen mit Schreiben vom 24.02.2015, fehlende Referenzbescheinigungen vorzulegen, war unzulässig. § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 VOB/A-EG ist auf den Streitfall nicht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift können öffentliche Auftraggeber fehlende Erklärungen und Nachweise nachfordern, wenn Angebote nicht aus anderen Gründen bereits auszuschließen sind. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG bezieht den Anwendungsbereich der Nachforderung ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift („Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise und wird das Angebot nicht … ausgeschlossen, …“), aber auch aus deren Sinn. Aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG wird deutlich, dass sich das Fehlen von Erklärungen oder Nachweisen auf das Angebot beziehen muss (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015, VII-Verg 35/15, BA 6).
48Bei der Aufforderung, Erklärungen oder Nachweise bereits mit dem Angebot einzureichen, befinden sich Bieterunternehmen in einer anderen Situation als im Streitfall. Die Vorbereitung der Angebote setzt Bieterunternehmen erfahrungsgemäß einem hohen Zeitdruck aus. Wird mit dem Einreichen eines Angebots zugleich die Vorlage zahlreicher Erklärungen oder Nachweise verlangt, stehen Bieterunternehmen typischerweise in der Gefahr, die eine oder andere Erklärung oder die Vorlage eines Nachweises zu versäumen, ohne dass ihnen dies zum Vorwurf gemacht werden kann (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Anders verhält es sich in einem Fall wie dem vorliegenden. Stellt der Auftraggeber nach Angebotseinreichung gesondert das Verlangen, bestimmte Unterlagen, wie hier auf der Grundlage des Formblatts 124 des Vergabehandbuches des Bundes, einzureichen, können sich Bieter unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt auf die Bearbeitung des gesonderten Verlangens einstellen und konzentrieren. Das rechtfertigt, den Fall einer gesonderten Aufforderung des Auftraggebers zur Einreichung von Unterlagen bei Nichtvorlage nicht der Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG zu unterstellen. Eine analoge Anwendung der Norm auf diesen Fall scheidet wegen der nicht vergleichbaren Sachlage aus.
49Diese Auffassung wird vom OLG Naumburg (Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 Verg 15/11) sowie vom OLG Koblenz (Beschluss vom 19. Januar 2015 - Verg 6/14) geteilt. Anderer Ansicht sind allerdings das OLG Celle (Beschluss vom 16. Juni 2011 - 13 Verg 3/11) und das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28. Februar 2012 - 11 Verg 11/11). Danach sollen im Anwendungsbereich der VOB/A-EG auch auf gesondertes Verlangen des Auftraggebers nicht vorgelegte Unterlagen der Nachforderungspflicht nach VOB/A-EG unterfallen. Einer Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB bedarf es gleichwohl nicht. Das OLG Celle hat seine Ansicht nicht begründet. Das OLG Frankfurt am Main hat es dem gleichgetan und ausgeführt, die vom OLG Celle vertretene Sachbehandlung sei in der Rechtsprechung inzwischen anerkannt. Die Rechtsprechung erweist tatsächlich Gegenteiliges. Unabhängig davon sind die Ansichten der OLG Celle und Frankfurt am Main für die getroffenen Entscheidungen jeweils nicht tragend gewesen, so dass sie im Rechtssinn keine Vorlagepflicht erzeugen.
50c) Da das Angebot der Beigeladenen zwingend von der Vergabe auszuschließen ist, ist nicht zu prüfen, ob es auskömmlich im Sinn des § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A EG ist.
51IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3, Abs. 4, § 78, § 120 Abs. 2 GWB.
52An den Kosten des Eilverfahrens (§ 118 Abs. 1 GWB) ist die Beigeladene nicht zu beteiligen, weil sie erst nach dem Senatsbeschluss vom 15.12.2014, mit dem die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verlängert worden ist, beigeladen worden ist.
53Der Beschwerdewert beträgt bis zu 13.000,- €.
54D. B. R.
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