Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 20 U 28/15
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 18.02.2015 teilweise abändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet ist, dem Beklagten zu untersagen, Fotographien, die den Kläger zeigen, zu verbreiten, wenn dies wie mit dem Versenden der E-Mail vom 09.01.2009 (Anlage K 1) und/oder E-Mail vom 13.01.2009 (Anlage K 2) gegenüber folgenden Institutionen/Personen geschieht:
(4) Landschaftsverband Rheinland,
(5) Poststelle des LG Düsseldorf,
(6) Poststelle des AG Geldern.
II.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6.
IV.
Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten bleibt, sind für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,-- € und für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V.
Die Revision des Klägers wird zugelassen.
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I-20 U 28/15 2 O 27/14Landgericht Kleve |
Verkündet am 23.02.2016 D, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Oberlandesgericht Düsseldorf IM NAMEN DES VOLKES Urteil |
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In dem Rechtsstreit
3pp.
4hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorfauf die mündliche Verhandlung vom 02.02.2016durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., die Richterin am Oberlandesgericht S. und die Richterin am Landgericht P.
5für R e c h t erkannt:
6G r ü n d e :
7I.
8Der am 18.07.2001 geborene Kläger lebte bei seinen Großeltern in X., denen die Vormundschaft übertragen worden war. Durch Beschluss des Amtsgerichts Geldern – Rechtspfleger - vom 26.09.2007 wurden die Großeltern aus dem Amt entlassen. Zum neuen Vormund wurde das Stadtjugendamt B. bestellt. Der Beschluss ist rechtskräftig. Frau Z. wurde vom Stadtjugendamt B. mit den Aufgaben des Vormunds betraut. Der Kläger wurde in einem Kinderheim untergebracht.
9Über das entsprechende Verfahren berichtete der R. am 22.10.2007 unter dem Titel: „Kindesentzug auf Verdacht? Die unkontrollierte Macht der Jugendämter“. Da in diesem Filmbeitrag der Kläger namentlich erwähnt wurde und im Bild zu sehen war, wurde der R. abgemahnt, dieser unterzeichnete die geforderte Unterlassungserklärung.
10Der Beklagte versandte am 09.01.2009 unter dem Namen des Y. e.V. eine E-Mail an Frau Z. und das Landgericht Düsseldorf zum Az. 12 O 79/08, der insgesamt 11 Lichtbilder des Klägers beigefügt waren und von der eine Vielzahl von Personen eine Kopie erhielten. Darüber hinaus versandte er am 13.01.2009 die Lichtbilder als Anlage einer E-Mail an das Amtsgericht Geldern zum Az. 14 C 264/08, wovon ebenfalls mehrere Personen eine Kopie erhielten. Wegen der Einzelheiten wird auf die zum Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gemachten Anlagen K 1 und K 2 verwiesen. Die Verbreitung dieser Fotos erfolgte ohne Einverständnis des Vormunds.
11Auf Antrag des Klägers erließ das Landgericht Kleve zum Az. 2 O 8/09 am 15.01.2009 eine einstweilige Verfügung des Inhalts, dass der Beklagte es bei Androhung von Ordnungsmaßnahmen zu unterlassen hat, Fotografien, die den Kläger zeigen, zu verbreiten. Nach Widerspruch des Beklagten wurde die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 09.12.2009 aufrechterhalten. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 wurde der Antrag des Beklagten, ihm für die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Daraufhin nahm der Beklagte die Berufung zurück und das Urteil des Landgerichts wurde rechtskräftig.
12Nachdem dem Kläger auf Antrag des Beklagten nach § 926 ZPO eine Frist zur Klageerhebung gesetzt wurde, verfolgt er sein Unterlassungsbegehren im vorliegenden Hauptsacheverfahren weiter. Durch Urteil vom 18.02.2015 (Bl. 237 ff. GA) hat das Landgericht Kleve der Klage unter Abweisung derselben im Übrigen auf den Hilfsantrag zu 1. c) stattgeben und den Beklagten dazu verurteilt, es zu unterlassen, Fotografien, die den Kläger zeigen, zu verbreiten, wenn dies wie mit Versenden der E-Mail vom 09.01.2009 (Anlage K 1) und/oder E-Mail vom 13.01.2009 (Anlage K 2) gegenüber folgenden Institutionen/Personen geschieht:
13(1) EU-Petitionsausschuss,
14(2) Europäisches Parlament und/oder Mitglieder des EuropäischenParlaments,
15(3) Secretariat of the CPT,
16(4) Landschaftsverband Rheinland,
17(5) Poststelle des LG Düsseldorf,
18(6) Poststelle des AG Geldern.
19Zur Begründung hat das Landgericht Kleve im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere sei der minderjährige Kläger durch Frau Z. als der mit der Wahrnehmung der Amtsvormundschaft betrauten Mitarbeiterin des Stadtjugendamtes B. wirksam vertreten und die mit Schriftsatz vom 22.01.2015 vorgenommene Klageerweiterung um die Hilfsanträge sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO. Die Klage sei im Hinblick auf den Hauptantrag zu 1. a) und den ersten Hilfsantrag zu 1. b), mit dem der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Verbreitung von den Kläger zeigenden Fotografien bzw. zur Unterlassung desselbigen, wenn dies wie mit Versendung der E-Mail vom 09.01.2009 und/oder 13.01.2009 geschieht, begehrt hat, unbegründet. Ein genereller Anspruch auf Untersagung der Veröffentlichung oder Verbreitung jedes den Kläger zeigenden Lichtbildes unabhängig von den Umständen bestehe nicht. Im Hinblick auf den Hilfsantrag zu 1. c) bestehe der Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. § 22 KUG. Der Antrag sei hinreichend konkretisiert. Die in § 23 KUG normierten Voraussetzungen, unter denen Bildnisse auch ohne die Zustimmung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürften, lägen im Hinblick auf keinen der aufgeführten Empfänger vor. Bei der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien müsse das Persönlichkeitsinteresse des Klägers überwiegen.
20Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der form- und fristgemäß eingelegten und innerhalb der antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Er macht in Vertiefung eines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die Klage sei im Hinblick auf die vorausgegangene einstweilige Regelung des Sachverhalts unzulässig. Einer Klageänderung im Hauptsacheverfahren sei erstinstanzlich ausdrücklich nicht zugestimmt worden. Auch in der Sache bestehe der Anspruch nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 KUG seien nicht erfüllt, da die beanstandete Übersendung von den Kläger zeigenden Lichtbildern an Gerichte und Behörden, die diesbezüglich Schweigepflichten unterlägen, als bloßer Informationsaustausch zu bewerten sei, der quasi im internen Bereich stattfinde und das Persönlichkeitsrecht des Klägers allenfalls geringfügig beeinträchtige. Letzteres müsse hinter dem Recht der Parteien, in gerichtlichen oder behördlichen Verfahren alles vortragen zu können, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich hielten, zurückzutreten.
21Der Beklagte beantragt,
22das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
23Der Kläger beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 237 ff. GA), wegen des Parteivorbringens im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27II.
28Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat teilweise Erfolg, da es der Klage teilweise an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt und sie mithin insoweit unzulässig ist. Im Übrigen bleibt die Berufung ohne Erfolg.
291.
30Die Klage ist nur teilweise zulässig.
31a)
32Der Kläger wird durch das Stadtjugendamt B. als Amtsvormund wirksam vertreten. Durch Beschluss des Amtsgerichts Geldern vom 26.09.2007 sind die Großeltern des Klägers aus dem Amt des Vormunds des Klägers entlassen und ist das Stadtjugendamt B. zum Amtsvormund bestimmt worden. Ob dieser Beschluss formell oder materiell rechtmäßig ergangen ist, ist vorliegend nicht relevant, da auch ein unrichtiger Beschluss bis zu seiner Abänderung bindet. Eine Nichtigkeit der Entscheidung ist nicht ersichtlich. Dem vorliegend eventuell bestehenden Interessengegensatz zwischen den Interessen des Klägers als Mündel und den des Vormunds kann nach § 1796 BGB gleichfalls allein das Familiengericht feststellen und beseitigen.
33b)
34Soweit das Landgericht Kleve die Sachdienlichkeit des Hilfsantrags zu 1. c) und damit dessen Zulässigkeit bejaht hat, so ist diese Entscheidung gemäß § 268 ZPO für den Senat als Berufungsgericht bindend (BGH NJW 1992, 2099, NJW-RR 2008, 262; Münchener Kommentar-Becker-Eberhard, ZPO, 4. Aufl., § 268 Rn. 14). Aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Kleve ist es für die Zulässigkeit des Hilfsantrags zu 1. c) im Übrigen unerheblich, dass dieser deutlich enger gefasst ist als das Begehren des Klägers im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren.
35c)
36Der Klage fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse, soweit sie sich auf die Verbreitung von den Kläger zeigenden Fotographien an die Poststelle des Landgerichts Düsseldorf und des Amtsgerichts Geldern sowie den Landschaftsverband Rheinland (LVR) in der im Tenor des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen bezeichneten Weise bezieht.
37aa)
38Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH WRP 2010, 241, 242 f. – Fischdosendeckel; GRUR 2013, 647 Rn. 12 ff. – Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss; GRUR 2013, 305 Rn. 14 – Honorarkürzung m.w.N.) fehlt einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten wie auch im öffentlichen Interesse darf nicht mehr als unbedingt behindert werden. Soweit keine zwingenden rechtlichen Grenzen entgegenstehen, müssen die Verfahrensbeteiligten das vortragen können, was sie zur Verfolgung oder Verteidigung ihrer Rechte für erforderlich halten. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung im betreffenden Verfahren befassten Organs, die Relevanz des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen (BGH jeweils a.a.O., zur st. Rspr. im Hinblick auf Ehrschutzklagen vgl. auch BGH NJW 2012, 1659 m.w.N.)
39bb)
40Diese Rechtsprechung ist auf die Vorlage von Lichtbildern, die zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder –verteidigung in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren erfolgt, grundsätzlich übertragbar. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den sog. „privilegierten Äußerungen“ trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung (BGH NJW 2012, 1659 unter Hinweis u.a. auf BVerfG NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841). Ein wirkungsvoller Rechtsschutz setzt voraus, dass der Rechtsuchende, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, gegenüber den Organen der Rechtspflege alle Handlungen vornehmen kann, die nach seiner von gutem Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten (so für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten BGH a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841). Zu diesen Handlungen gehört aber nicht nur der durch Beschneidung von außen geschützte Sachvortrag in einem solche Verfahren, sondern auch die Vorlage von Lichtbildern zu Zwecken der Rechtsverfolgung bzw.-verteidigung. Die Frage, ob Lichtbilder einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, muss nach den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen allein Gegenstand der Prüfung im Ausgangsrechtsstreit sein, in den unzulässigerweise eingegriffen würde, wenn diesbezüglich ein gesonderter Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden könnte. Hiervon abgesehen wäre es inkonsequent, wenn die Vorlage eines Lichtbildes im Ausgangsverfahren außerhalb desselben gesondert angreifbar ist, nicht aber die verbale Schilderung der auf einem Lichtbild veranschaulichten Vorgänge oder Umstände (vgl. so auch LG Oldenburg, JZ 1991, 1080, 1081).
41cc)
42Die Übersendung der streitgegenständlichen, den Kläger zeigenden 11 Lichtbilder an das Landgericht Düsseldorf im Verfahren 12 O 79/08 durch E-Mail vom 09.01.2009 (Anlage K 1) stellt eine „privilegierte Lichtbildvorlage“ im vorbezeichneten Sinne dar, so dass es der diesbezüglichen Klage an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
43Das vor dem Landgericht Düsseldorf zum Az. 12 O 79/08 geführte Verfahren, das durch das nach Berufungsrücknahme rechtskräftige, der Klage stattgebende Urteil vom 07.01.2009 beendet worden ist, ist allerdings zwischen den Rechtsanwälten D. und H. als Kläger und dem Y. e.V., dessen Vizepräsident der Beklagte ist, geführt worden; der Kläger ist nicht Partei des Verfahrens gewesen.
44Die vorzitierte Rechtsprechung zu „privilegierten Äußerungen“ gilt aber grundsätzlich auch für Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren nicht beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerung wehren, ist allerdings eine Abwägung der widerstreitenden Interessen geboten und dabei besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss. So kann eine gesonderte Klage eines Dritten auf Unterlassung oder Widerruf etwa dann als zulässig anzusehen sein, wenn ein Bezug der ihn betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar ist oder die Äußerungen auf der Hand liegend falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht (BGH WRP 2010, 241, 242 f. – Fischdosendeckel; GRUR 2013, 647 Rn. 12 ff. – Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss; GRUR 2013, 305 Rn. 14 – Honorarkürzung m.w.N.).
45Der mithin erforderliche enge Bezug zu dem vorgenannten Verfahren liegt hier (noch) vor. Die Parteien haben im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf unter anderem um die Veröffentlichung von Schreiben und Schriftsätzen mit Informationen über die Amtsvormundschaftssache des Klägers gestritten. Es war aus der vom guten Glauben bestimmten Sicht des Beklagten, auf die es insoweit ankommt (vgl. BGH NJW 2012, 1659), nicht gänzlich ausgeschlossen, dass ihm durch die Vorlage von Lichtbildern, die vom Kläger im Kinderheim erlittene Verletzungen zeigen sollen, in dem Verfahren eine Vorteil entstehen könnte. Denn die Parteien des Ausgangsverfahrens haben zwar nicht unmittelbar um die Richtigkeit der Vorwürfe des Vereins Y. e.V. als dortigem Beklagten, für den der Beklagte als Präsidiumsmitglied die Lichtbilder übermittelt hat, gestritten, d.h. um die Frage, ob der Kläger dort misshandelt worden ist. Auch hat der anwaltliche Vertreter des im Ausgangsverfahren beklagten Vereins die vom Beklagten für diesen unmittelbar übersandte streitgegenständliche E-Mail vom 09.01.2009 im Rahmen der Berufungsbegründung nur pauschal in Bezug genommen (Schriftsatz vom 13.04.2009, Bl. 327 ff. GA der beigezogenen Verfahrensakten des Landgerichts Düsseldorf, Az. 12 O 78/09), ohne die Lichtbilder als Beweismittel für einen konkreten Sachvortrag zu benennen. Indes hat der beklagte Verein zu seiner Rechtsverteidigung geltend gemacht, dass die Veröffentlichung der Schriftsätze von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei und ein sachlicher Grund für die Veröffentlichung bestanden habe, da es sich um ein Kindschaftssache gehandelt habe, die „nach Art und Durchführung in höchstem Maße Anlass zu rechtsstaatlichen Bedenken“ gegeben habe (Schriftsatz vom 20.11.2008, Bl. 149 der beigezogenen Verfahrensakten des Landgerichts Düsseldorf, Az. 12 O 79/08). In diesem Kontext war für den Beklagten redlicherweise nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Frage, ob der Kläger im Kinderheim Misshandlungen erfahren hat, entscheidungserheblich für die Beurteilung des berechtigten Interesses des Beklagten an einer Veröffentlichung von Rechtanwaltsschriftsätzen in der Kindschaftssache des Klägers sein könnte, in der die Misshandlungsvorwürfe sowohl gegen die Großeltern des Klägers als auch später gegen das Kinderheim ein zentraler Streitpunkt waren.
46Diese Feststellung ist ausreichend für die Annahme eines hinreichend engen Zusammenhangs. Aus den eingangs bereits dargestellten höchstrichterlicher Grundsätzen zum Äußerungsprivileg in gerichtlichen und behördlichen Verfahren darf das mit dem Unterlassungsanspruch betreffend eine im Ausgangsverfahren getätigte Äußerung befasste Gericht nicht über die Entscheidungserheblichkeit von Vortrag im Ausgangsverfahren entscheiden. Denn hierin läge gerade ein unzulässiger Eingriff in die Entscheidungsbefugnis des Ausgangsgerichts. Entsprechendes gilt für die Vorlage von Lichtbildern als möglichen Beweismitteln. Die Verneinung eines engen Zusammenhanges würde im vorliegenden Fall deshalb voraussetzen, dass die Vorlage der Lichtbilder ersichtlich allein der „Stimmungsmache“ durch Beleuchtung eines offenkundig nicht entscheidungserheblichen Hintergrundgeschehens dienen würde. Dies ist aber wie dargelegt nicht der Fall.
47Ein strengerer Maßstab ist auch nicht deshalb anzulegen, weil die übersandten Lichtbilder einen Minderjährigen zeigen und anerkannt ist, dass Minderjährige besonders schutzbedürftig sind, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten erst noch entwickeln müssen, und deshalb einen erhöhten Persönlichkeitsrechtsschutz genießen (BGH WRP 2010, 10; OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.02.2011, BeckRS 2011, 17879). Auch wenn die Lichtbilder der Dokumentation von Verletzungen am Körper des Klägers dienen sollen und es sich weiterhin um einen die Intimsphäre in besonderer Weise berührenden Sachverhalt handelt, so ist doch gleichzeitig zu berücksichtigen, dass streitgegenständlich nicht eine Veröffentlichung der Lichtbilder ist, sondern lediglich die Weitergabe an ein Gericht im Rahmen eines laufenden Verfahrens, d.h. an einen grundsätzlich geschlossenen und überschaubaren Adressatenkreis, hier in erster Linie die Verfahrensbeteiligten. Etwaige einem Akteneinsichtsgesuch Dritter entgegenstehende Rechte des Klägers können im Rahmen der Prüfung eines solchen Gesuchs Rechnung getragen werden. Die Eingriffsintensität für den Kläger durch die Weitergabe der Lichtbilder ist damit deutlich geringer als etwa bei einer Veröffentlichung gegenüber einem nicht abgrenzbaren Personenkreis.
48dd)
49Auch soweit die Verbreitung der den Kläger zeigenden Lichtbilder durch Übersendung an die Poststelle des Amtsgerichts Geldern angegriffen ist, fehlt es der Klage an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
50In dem vor dem Amtsgericht Geldern zum Az. 14 C 264/08 geführten Verfahren haben die Parteien des hiesigen Verfahrens um einen Kostenerstattungsanspruch aus einer Abmahnung des Beklagten wegen eines auf der Internetseite www….de eingestellten Links auf den Filmbeitrag des R., gestritten. Auch hier war aus redlicher Sicht des Beklagten nicht ausgeschlossen, dass die Richtigkeit der vom Beklagten erhobenen Misshandlungsvorwürfe in Bezug auf die Person des Klägers entscheidungserheblich sein könnten. Der Beklagte hat im dortigen Verfahren sinngemäß insbesondere die Vertretungsbefugnis des Stadtjugendamts B. für den Kläger gerügt und auf die seiner Ansicht nach unwirksame Entlassung der Großeltern aus der Vormundschaft verwiesen, die der Veröffentlichung namens des Klägers ausdrücklich zugestimmt hätten. Die Entlassung sei deshalb unwirksam gewesen, weil sich die den Großeltern gemachten Vorwürfe der Misshandlung, wie mittelbar durch die streitgegenständlichen Lichtbilder belegt, letztlich als unhaltbar erwiesen hätten. Diese Umstände seien auch bei der Prüfung seines berechtigten Interesses an der Verlinkung des Filmbeitrags zu berücksichtigen. Jedenfalls bezüglich letzterer Frage ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die Vorlage der Lichtbilder die prozessuale Position des Beklagten – jedenfalls aus seiner redlichen Sicht heraus – hätte verbessern können. Die Frage konnte auch für die materiell-rechtliche Rechtslage von Bedeutung sein.
51ee)
52Die Übersendung einer Kopie der E-Mail vom 09.01.2009 an den nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten zuständigen Mitarbeiter des LVR als zuständiger Aufsichtsbehörde für das Kinderheim stellt eine konkludente Eingabe an die Aufsichtsbehörde und damit, soweit bereits ein aufsichtsbehördliches Verfahren geführt wird, ein Handeln im Rahmen eines behördlichen Verfahrens dar.
53Jedenfalls aber stellt die Eingabe eine Petition an die Aufsichtsbehörde als zuständige Behörde im Sinne des Art. 17 GG dar. Nach Art. 17 GG hat jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Es ist auch gerechtfertigt, den Anwendungsbereich der nach Vorgesagtem „privilegierten Lichtbildvorlage“ nicht nur, wie vom Bundesgerichtshof in gefestigter Rechtsprechung zu den „privilegierten Äußerungen“ festgestellt, auf die Vorlage von Lichtbildern zu erstrecken, die der Rechtsverfolgung und –verteidigung in gerichtlichen und behördlichen Verfahren dienen und im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen (BGH GRUR 1977, 745, 747 – Heimstätten-Gemeinschaft; BGH GRUR 2013, 305 Rn. 20 – Honorarkürzung), sondern auch auf die Vorlage von Lichtbildern in Petitionsverfahren im Sinne des Art. 17 GG, Art. 227 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bzw. Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta, da diese Grundrechtsstatus genießen.
54Die Vorlage von Lichtbildern in einem behördlichen Verfahren oder im Rahmen einer durch Art. 17 GG geschützten Petition ist mithin aus den vorstehend dargelegten Gründen privilegiert, so dass es der Klage bezüglich der Übersendung der streitgegenständlichen E-Mail an den LVR an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
55ff)
56Soweit der Beklagte Kopien der E-Mail vom 09.01.2009 (Anlage K 1) durch Setzen der nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag maßgeblichen Entscheidungsträger in „cc“ auch an den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, das Referat Bürgeranfragen des Europäischen Parlaments und den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) des Europarats übersandt hat, so liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis hingegen vor.
57Nach Art. 227 AEUV kann jeder Bürger der Union sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat allein oder zusammen mit anderen Bürgern oder Personen in Angelegenheiten, die in die Tätigkeitsbereiche der Union fallen und die ihn oder sie unmittelbar betreffen, eine Petition an das Europäische Parlament richten. Art. 20 Abs. 2 lit. d) AEUV verweist auf das Petitonsrecht als aus der Unionsbürgerschaft erwachsendes Recht. Das Petitionsrecht ist auch in Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta normiert, wobei es gemäß Art. 52 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta nur unter den in Art. 20, 227 AEUV normierten Bedingungen Anwendung findet (siehe Erläuterungen zur EU-Grundrechte-Charta, Art. 44).
58(1)
59In der Übersendung der E-Mail vom 09.01.2009 (Anlage K 1) in Kopie liegt keine durch Art. 227 AEUV bzw. Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta geschützte Petition. Zwar beinhaltet das Übersenden konkludent das Anliegen an die genannten Stellen, im Hinblick auf die behaupteten Misshandlungen des Klägers im Kinderheim tätig zu werden, wenn es in dem Anschreiben u.a. heißt:
60“Wir erlauben uns auch diese Verpflichtungserklärung nebst den dort abgebildeten Bildern fotographiert im Heim „O.“, mit vielfachen blauen Flecken und Beulen des kleinen E. an den Petitionsausschuss des EU-Parlaments, wie auch die Antifolterabteilung CPT beim Europarat zu übermitteln“.
61Die Übersendung an den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments per E-Mail ohne Verwendung des dafür vorgesehenen Formulars genügt nicht den vom Europäischen Parlament für die Übersendung vorgesehenen Formerfordernissen und ist damit keine formgerechte Petition, die dem Schutz des Art. 227 AEUV bzw. des Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta unterfiele. Zwar kann eine Petition in Papierform ohne Nutzung eines Formulars eingereicht werden. Für die Übersendung per E-Mail stellt der Petitionsausschuss jedoch ein Formular zur Verfügung, das zwingend zu nutzen ist (vgl. http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/ 20150201PVL00037/Petitionen). Dieses Formerfordernis unterfällt der Organisationshoheit der Petitionsausschusses (vgl. Gerner, Das Petitionsrecht nach Art. 17 des Grundgesetzes – Eine Analyse der Tragweite des Petitionsrechts unter Berücksichtigung des zunehmenden Einflusses moderner Kommunikationsmittel, NZS 2012, 847, 849) und beschneidet das Petitionsrecht der Bürger nicht in unangemessener Weise, da die schriftliche Einreichung von Petitionen formlos möglich ist.
62Hiervon abgesehen würde eine formgerechte Petition auch nicht dem Schutz des Art. 227 AEUV unterfallen. Der Petent muss von der Angelegenheit betroffen sein. Petitionen ausschließlich im Interesse anderer oder der Allgemeinheit sind danach nicht zulässig (Grabitz/Hilf/Nettesheim-Hölscheid, Das Recht der Europäischen Union, 57. EL, Art. 227 Rn. 15). Dies gilt im Hinblick auf Art. 52 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta auch für Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta (Grabitz/Hilf/Nettesheim-Hölscheid, a.a.O.).
63Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass Unionsrecht (Art. 51 EU-Grundrechte-Charta, Art. 227 AEUV) betroffen war.
64(2)
65Die Übersendung an das Referat Bürgeranfragen des Europäischen Parlaments stellt des Weiteren keine Petition im Sinne des Art. 227 AEUV bzw. Art. 44 der EU-Grundrechts-Charta dar, da das Europäische Parlament hierfür den Petitionsausschuss als zuständige Stelle eingerichtet hat. Aufgabe des Referats Bürgeranfragen ist dagegen die Beantwortung von Fragen der Bürger. So heißt es auf der Internetseite des Europäischen Parlaments (www.europarl.europa.eu) diesbezüglich, dass man über dieses Referat Anfragen bezüglich der Tätigkeiten, Befugnisse und Organisation des Europäischen Parlaments richten kann. Eine Anfrage in diesem Sinne liegt in der E-Mail vom 09.01.2009 aber nicht.
66(3)
67Die Übersendung an das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) des Europarates kann nicht durch das europarechtlich normierte Petitionsrecht geschützt sein, weil dieses nur für Eingaben an das Europäische Parlament besteht.
68Es kann schließlich offenbleiben, ob es sich bei dem CPT an sich um eine „zuständige Stelle“ im Sinne des Art. 17 GG handeln kann. Denn das CPT war hier nicht zuständig. Gegenstand des CPT ist die Prüfung der Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist (Art. 1, 2 der Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe), wobei nach Rn. 24 des Erläuternden Berichts der Begriff „Entzug der Freiheit“ im Sinne von Art. 5 des Europäischen Menschenrechtsübereinkommens (EMRK) zu verstehen ist. Eine freiheitsentziehende Maßnahme, wie sie in Art. 5 EMRK normiert ist, liegt indes bei einer Unterbringung im Kinderheim allein zu Wohnzwecken nicht vor. Letztere stellt keine durch das Familiengericht zu genehmigende, mit einer Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung im Sinne des § 1631 b BGB dar, da dies einen umfassenden Entzug der Bewegungsfreiheit durch Beschränkung auf einen begrenzten Raum voraussetzen würde, wie dies bei einer Unterbringung in einer geschlossenen oder halboffenen Abteilung des Kinderheimes der Fall wäre (Palandt-Götz, BGB, 75. Aufl., § 1631 b, Rn 2). Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Klägers in diesem Sinne ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass eine Zuständigkeit der CPT für die Angelegenheiten des Klägers schon im Ausgangspunkt nicht besteht.
692.
70Soweit die Klage zulässig ist, steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. § 22 KUG zu.
71Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht und verbreitet werden. Ist der Abgebildete – wie hier – minderjährig und deshalb nur beschränkt geschäftsfähig, bedarf es zusätzlich der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (BGH DSB 2004, Nr. 11, 17; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1854; Wenzel-von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auf., Kap. 7 Rn. 67 ff.). Es ist vorliegend unstreitig geblieben, dass eine Einwilligung des Stadtjugendamtes B. als gesetzlichem Vertreter nicht vorliegt.
72Die Übersendung der Lichtbilder an das Landgericht Düsseldorf stellt auch eine Verbreitung der Lichtbilder im Sinne des § 22 KUG dar. Verbreiten bedeutet grundsätzlich jede Art der Weitergabe körperlicher Exemplare eines Bildnisses (Dreier/Schulze-Specht, UrhG, 5. Aufl., § 22 KUG Rn. 9; Wandtke/Bullinger-Fricke, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn. 8 f.), und zwar unabhängig von deren Zweck (BeckOK-Engels, KUG, Stand:01.10.2015, § 33 KUG Rn. 51 f.; Dreier/Schulze, a.a.O.). Im Grundsatz führt dabei bereits die Verbreitung an Einzelpersonen zu einem der Kontrolle und dem Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten vorbehaltenen Übergang des Bildnisses in die Verfügungsgewalt eines anderen. Nach zutreffender Ansicht liegt in der Vorlage eines Lichtbildes als Beweismittel im Gerichtsverfahren deshalb ein Verbreiten im Sinne des § 22 KUG (LG Oldenburg, JZ 1990, 1080, 1081; Dreier/Schulze-Specht, a.a.O.).
73Die in § 23 KUG normierten Voraussetzungen, unter denen Lichtbildnisse entgegen § 22 KUG auch ohne die Zustimmung des Abgebildeten verbreitet werden können, liegen hier nicht vor.
74Das Recht des Klägers am eigenen Bild findet seine Grenze auch nicht in den betroffenen Rechten des Beklagten. Das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird nicht vorbehaltlos gewährleistet und findet seine Grenze nach Art. 2 Abs. 1 GG in den Rechten anderer (Wenzel-von Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 6). Damit erfordert die Beurteilung der Frage, ob ein Bildnis einer Person unabhängig von einem zeitgeschichtlichen Ereignis veröffentlicht werden darf, stets die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen der abgebildeten Personen (BGH WRP 2010, 104; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1025; OLG Düsseldorf a.a.O.). Dementsprechend ist auch im Falle der bloßen Verbreitung eines Lichtbildes eine Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und den betroffenen Rechten des Beklagten vorzunehmen. Da sich der Beklagte, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Übersendung an das Europäische Parlament bzw. den Europarat aber nicht auf eine grundrechtlich geschützte Positionen aus Art. 17 GG, Art. 227 AEUV bzw. Art. 44 der EU-Grundrechte-Charta berufen kann, müssen vorliegend die bereits dargelegten Interessen des minderjährigen Klägers am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegen.
75III.
76Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungsverfahrens beruht auf § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
78IV.
79Die Revision des Klägers gegen dieses Urteil war nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Anzahl von Fällen stellen kann (BGH NJW-RR 2003, 1074; BGH NJW 2002, 3029; Münchener Kommentar-Krüger, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rn. 6 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die entscheidungserhebliche Frage der Anwendbarkeit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum „Äußerungsprivileg“ auf die Vorlage von Lichtbildern in gerichtlichen und behördlichen Verfahren ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, auch existiert hierzu – soweit ersichtlich – noch keine instanzgerichtliche Rechtsprechung. Die Frage ist damit klärungsbedürftig und –fähig. Sie ist auch ersichtlich geeignet, sich in einer unbestimmten Anzahl von Fällen zu stellen.
80Nicht zuzulassen war demgegenüber die Revision des Beklagten. Es stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Die grundsätzliche Rechtsfrage, bezüglich derer aus den vorstehenden Gründen die Revision des Klägers zuzulassen ist, hat das Gericht zugunsten des Beklagten beantwortet, so dass kein Anlass besteht, ihm gegenüber ebenfalls die Revision zuzulassen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 426; BGH NJW 1995, 2034). Weitere grundsätzliche Rechtsfragen stellen sich nicht.
81Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.000,-- €
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