Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-13 U 62/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.09.2015 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach zum Teil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens fallen der Klägerin zu 85 % und der Beklagten zu 15 % zur Last. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Beklagte 20 % und die Klägerin 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2A.
3Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die Nutzung einer Messe Entgelt in Höhe von zuletzt noch 7.500,00 €.
4Die Beklagte veranstaltet Touren mit Mini- Autos, so genannten „Hot Rods“. Die Klägerin veranstaltet in verschiedenen deutschen Städten Messen. Sie bietet neben der Anmietung von Messeständen potentiellen Kunden auch an, Marketing- und Werbemaßnahmen auf der Messe durchzuführen. Hierfür sehen ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen betreffend die Nutzung des Platzes vor der Veranstaltungshalle ein Entgelt von 3.500,00 € pro Tag und für entsprechende Maßnahmen in der Veranstaltungshalle selbst ein Entgelt von 4.000,00 € vor. Die Klägerin veranstaltete am 05.04.2014 in X. die Messe. Auf dieser Messe befanden sich auch zwei Mitarbeiter der Beklagten, die zwei „Hot Rods“ auf dem Messegelände parkten. Die Zeugin D. betrat für die Beklagte die Messehalle. Eine Erlaubnis zu Werbetätigkeiten besaß die Beklagte für diese Messe nicht.
5Die Klägerin hat behauptet, die Mitarbeiter der Beklagten hätten am 05.04.2015 sowohl vor als auch in der Veranstaltungshalle Messebesucher und andere Aussteller gezielt angesprochen und Informationsmaterial bzw. Handzetteln mit Angeboten der Beklagten verteilt.
6Die Klägerin hat ihre zunächst auf Zahlung von 18.920,75 € gerichtete Klage i.H.v. 11.122,75 € zurückgenommen und zuletzt erstinstanzlich beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an sie 7. 798,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. 04.2014 zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie hat bestritten, Werbemaßnahmen vor und in der Messehalle getätigt zu haben.
11Das Landgericht hat der Klage i.H.v. 7.500,00 € stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
12Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte und Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Abweisungsbegehren weiter.
13Sie beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
17Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.
18B.Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg.
19I.Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S.1 Var.2, § 818 Abs. 2 BGB in Höhe von (nur) 1.250,00 € zu.
201.Die Beklagte hat einen vermögenswerten Vorteil durch Ersparnis eigener Aufwendung auf Kosten der Klägerin erlangt, indem sie am 05.04.2014 die von der Klägerin veranstaltete Messe nutzte, um Kunden zu akquirieren.
21a)Sie hat nach der Überzeugung des Senats sowohl im Außen- als auch im Innen-bereich der Messe gezielt Werbetätigkeiten entfaltet. Der Senat erachtet die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts als zutreffend und nimmt auf sie Bezug. Sie ist weder in sich widersprüchlich noch widerspricht sie Denkgesetzen.
22Sie wird zudem gestützt durch eine Vielzahl von Fakten und Überlegungen, die für eine gezielte Entfaltung von Akquisitionstätigkeiten durch die Beklagte sprechen.
23Der Geschäftsführer der Beklagten und die Zeugin D. sind am 05.04.2014 mit zwei von der Beklagten betriebenen Mini-HotRods zum Messegelände gefahren und haben dort die beiden kleinen Fahrzeuge unmittelbar vor der Messehalle in einer Art abgestellt haben, die verdeutlicht, dass es den beiden Fahrern darauf ankauf, die Fahrzeuge repräsentativ zu positionieren. Die auf den Lichtbildern der Anlagen 2 und 3 (Bl. 20, 21 GA) gezeigten Positionen wie auch die Tatsache, dass sie jeweils neben die Fahrzeuge auch noch Ständer mit Prospekten deutlich sichtbar aufgestellt haben und auffallend rote Westen trugen mit dem Logo der Beklagten, sind weitere Indizien für ihre werbende Tätigkeit vor Ort. Hätte die Zeugin D., die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, wie von ihr, dem Geschäftsführer P. und der Beklagten behauptet, das Messegelände nur deshalb aufgesucht, um einem dort ausstellenden Bekannten, dem Zeugen M., Flyer für einen von diesem beabsichtigten Betriebsausflug zu übergeben, dann wäre es sinnvoller, schneller und praktikabler gewesen, mit einem normalen PKW zu der Messe zu fahren. Dass die Zeugin D. und der Geschäftsführer der Beklagten, Herr P., unmittelbar vorher ohnehin mit den beiden HotRods in X. unterwegs waren und deshalb mit diesen Fahrzeugen zur Messe fuhren, ist wenig glaubhaft. Denn dieses Vorbringen stimmt zum einen nicht überein mit dem Vortrag in der Klageerwiderung, die beiden Fahrer hätten sich „in die Ausstellungsräume“ der Messe begeben, weil sie „Interesse an dem Angebot der Messe“ hatten (Bl. 54 GA). Zum Anderen hat der Geschäftsführer P. vor dem Landgericht erklärt, man sie in der Fußgängerzone wegen einer „Promo“ unterwegs gewesen, die Zeugin D.hingegen hat bekundet, sie seien u.a. an der „Hotrodgarage“ gewesen, konnte aber erstaunlicherweise die Anschrift nicht benennen.
24Zumindest aber hätten die Zeugin D. und Herr P. die beiden HotRods ohne Weiteres auf dem normalen Messeparkplatz abstellen können. Denn der Geschäftsführer der Beklagten begleitete die Zeugin D. ohnehin nicht in das Innere der Messehalle, sondern blieb außen bei den Fahrzeugen. Die behauptete vermeintliche Gefahr eines Diebstahls auf dem Parkplatz hätte mithin nicht bestanden. Es gab folglich – wenn nicht zu Zwecken der Werbung – keinen vernünftigen Grund, die beiden HotRods unmittelbar und auffallend direkt vor die Halle zu stellen und sie noch dazu mit deutlich positionierten Prospekten zu versehen. Die Behauptung der Beklagten und die gleichlautende Bekundung der Zeugin D., die Prospektständer hätten aus den beiden Fahrzeugen herausgenommen werden müssen, weil ein Aussteigen sonst nicht möglich gewesen wäre, ist haltlos. Zum einen hat die Zeugin D. ausgesagt, dass sie den in ihrem Fahrzeug befindlichen Prospektständer auf den Sitz neben sich gestellt hatte, mithin ein Herausnehmen gar nicht nötig war. Im Übrigen hätte es nahe gelegen, die Ständer, sollten Sie tatsächlich beim Aussteigen gestört haben, anschließend direkt wieder in die Fahrzeuge zu legen.
25Ungeachtet der Tatsache, dass die Zeugen K. und I.glaubhaft bekundet haben, dass die Zeugin D. in der Halle Flyer verteilt hat, ist auch unstreitig, dass die Zeugin D. sich rund eine Stunde lang in der Halle aufgehalten hat. Bei dem Zeugen M., der Anlass für ihren Besuch gewesen sein soll, hat sie sich indes nach ihren Angaben „nur kurz“, nach der Bekundung des Zeugen M. allenfalls rund 25 Minuten aufgehalten. Da der Geschäftsführer der Beklagten, Herr P., vor der Halle auf sie wartete, ist es unglaubhaft, dass sie gleichwohl noch weitere rund 30 Minuten in der Halle verbracht hat, nur weil sie dort noch andere Bekannte getroffen hat. Die Verweildauer von rund einer Stunde bis zur Erteilung des Hausverbotes und die Tatsache, dass sie letztlich, als sie von den Zeugen K. und I. angesprochen wurde, unstreitig noch einen Stapel Prospekte der Beklagten mit sich führte und diese auf die Aufforderung des Zeugen I. hin anstandslos herausgegeben hat, sind für den Senat ein weiterer Hinweis auf eine werbende Tätigkeit der Zeugin für die Beklagte während der Messe. Hätte die Zeugin ihr Werbematerial dort nicht verteilt, hätte sie keinen Grund gehabt, dem Verlangen des Zeugen I., ihm die Flyer auszuhändigen, nachzukommen. Ferner hätte die Klägerin keinen Anlass gehabt, der Zeugin vor Ort lautstark ein Hausverbot zu erteilen.
26b)Die Beklagte hat durch die werbenden Tätigkeiten ihres Geschäftsführers und der Zeugin D. auf der von der Klägerin veranstalteten Messe einen Vorteil auf Kosten der Klägerin erlangt. Sie hat in die Rechtsmacht der Klägerin, die Nutzung des von ihr angemieteten Messegeländes wirtschaftlich zu verwerten, eingegriffen.
27c)Den Vorteil hat die Beklagte ohne Rechtsgrund erlangt, da ihr die Klägerin keine werbende Tätigkeit auf ihrer Messe erlaubt hatte.
282.Die Klägerin kann von der Beklagte nach § 812 Abs. 1 S.1 Var.2, § 818 Abs. 2 BGB den Wert des Erlangten beanspruchen.
29Der Wert der Erlangten entspricht bei der Nutzung fremder Sachen dem Verkehrswert des Gebrauchs. Bei der hier vorliegenden Eingriffskondikgtion wird für die Berechnung wird oft darauf abgestellt, was der Schuldner bei korrektem Erwerb des Vorteils dafür hätte aufwenden müssen und folglich erspart hat (RG 97, 312). Anzusetzen ist die angemessene bzw. übliche Vergütung, die für die ordnungs-gemäße Inanspruchnahme zu zahlen wäre (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 818 Rn. 23; BGH NJW 1982, 1154). Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. GRUR 1982, 301) zur Überlassung/ Nutzung von Ausschließlichkeitsrechten sind für die Berechnung des bereicherungsrechtlichen Wertersatzes die Grundsätze, die die Rechtsprechung im Schadensersatzrecht zur Schadensliquidation nach der Methode der Lizenzanalogie entwicklelt hat, anzuwenden. Der Verletzer muss sich so behandeln lassen, als habe er eine vertragliche Lizenz zu angemessenen Bedingungen erworben.
30Im Streitfall ist mithin darauf abzustellen, welche Vergütung die Beklagte für die Nutzung einer vergleichbaren Messe zwecks Akquise hätte zahlen müssen. Insofern können die von der Klägerin in ihrem Internetauftritt (Anlage K3, Bl. 43 GA) aufgeführten Preise der „Pakete V und VI“ in Höhe von 3.500,00 € (Promotionsaktionen vor der Halle) und 4.000,00 € (Promotionsaktionen in der Halle) Anhaltspunkte bieten und dem Senat neben den von der Klägerin eingereichten Vergleichsangeboten gemäß § 287 ZPO als Schätzgrundlage dienen.
31Von diesen Preisen kann die Klägerin allerdings lediglich rund 1/6, mithin 1.250,00 € verlangen. Zwar hätte die Beklagte bei Abschluss eines Vertrages mit der Klägerin (mindestens) die Gebühren für einen Tag in Höhe von 4.000,00 € und 3.500,00 €, insgesamt 7.500,00 € zahlen müssen. Diese Beträge sind auch bei der Schadens- bzw. Bereicherungsberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr grundsätzlich anzusetzen, da diese Berechnung auf der Erwägung beruht, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (st. Rspr., vgl. u.a. BGH GRUR 1990, 1008 ff). Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) kommt es deshalb auch auf den Umfang der Nutzung grundsätzlich nicht an und es ist unerheblich, ob und aus welchen Gründen eine (weitere) kommerzielle Nutzung der letztlich unterblieben ist.
32Indes beruhen die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Lizenzanalogie auf einer Fiktion eines Lizenzvertrages der im Verkehr üblichen Art (BGH, a.a.O.). Mithin ist darauf abzustellen, was die Beklagte im konkreten Fall bei Abschluss eines Vertrages mit der Klägerin hätte zahlen müssen. Hätte sie, wie tatsächlich erfolgt, der Beklagten die weitere Nutzung der Messeräumlichkeiten und des Vorplatzes nach ca. einer Stunde unterbunden, indem sie der Zeugin D. ein Hausverbot erteilt und sie und Herrn P. zum sofortigen Verlassen des Messegeländes aufgefordert hätte, hätte sie lediglich ein Sechstel der von ihr geschuldeten Leistung erbracht, da der gesamte Messetag sich am 05.04.2014 von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr, also über sechs Stunden erstreckte (Anlage K8 = Bl. 64 GA und Anlage K4 = Bl. 22 GA). Das für diese Teilleistung angemessene und übliche Entgelt schätzt der Senat in Anwendung von § 287 ZPO auf 1/6 der Tagesgebühr von insgesamt 7.500,00 €, mithin auf 1.250,00 €.
33II.Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein aufrechenbarer Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Die Beklagte greift mit ihrer Berufungsbegründung die diesbezüglichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat Bezug nimmt, nicht an.
34Die Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung begründet zudem, soweit nicht besondere, vorliegend nicht erkennbare Ausnahmen vorliegen, nicht ohne weiteres einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch Ge-nommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten (BGH NJW 2007, 1458).
35III.Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO. Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, da die Entscheidung ohne Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Sonderheiten des Falls Rechnung trägt.
36IV.Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
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