Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-18 W 76/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 09.11.2015 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 09.10.2015 – Einzelrichter – (3 O 389/14) wird zurückgewiesen
1
I.
2Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Ersatz materieller Schäden (Behandlungskosten, Medikamente, Erwerbsschäden) und auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht in Bezug auf materielle und immaterielle Schäden, die er aufgrund der Ereignisse während der Loveparade in D… am 24.07.2010 erlitten habe.
3Der Antragsteller war auf der Loveparade als Sicherheitskraft tätig. Er trägt vor, er sei am Osteinlass eingeteilt gewesen. Gegen 17.15 Uhr habe der Einsatzleiter die Ordner aufgefordert mitzukommen, der Tunnel müsse geräumt werden, es gebe schon 10 Tote. Der Antragsteller habe seine ganze Kraft zusammennehmen müssen und sei in die Massenpanik hineingegangen; er habe versucht zu helfen und Verletzte herauszuholen, er sei „immer wieder rein und raus“. Seitdem leide er unter erheblichen Schlafstörungen, Angst- und Panikzuständen sowie Albträumen mit Flashbacks. Am 04.08.2010 sei eine psychologische Akutintervention erfolgt. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen – u.a. einer posttraumatischen Belastungsstörung vom depressiven Verlaufstyp – habe er seinen Arbeitsplatz verloren und könne keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrages wird auf S. 384 ff. des Klageentwurfs Bezug genommen.
4Der Antragsteller wirft der Antragsgegnerin zu 1. zahlreiche Mängel in der Planung und der Durchführung der Loveparade vor, durch die die Antragsgegnerin zu 1. das Leben der Besucher riskiert und deren Gesundheit gefährdet habe. Der Antragsgegnerin zu 2. wirft der Antragsteller im Wesentlichen Mängel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vor, aufgrund derer ebenfalls Leib und Leben der Besucher gefährdet worden seien. Nach Ansicht des Antragstellers hafte der Antragsgegner zu 3. als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. persönlich, insbesondere weil er die Antragsgegnerin zu 1. mangelhaft organisiert habe; im Übrigen hafte er persönlich für die gegen die Antragsgegnerin zu 1. bestehenden Ersatzansprüche aufgrund eines erklärten Schuldbeitritts. Der Antragsgegner zu 4. hafte im Wesentlichen deshalb, weil eine als verfassungswidrig zu beurteilende vollständige Übertragung der Gefahrenabwehr auf einen Privaten vorgelegen habe.
5Die Antragsgegner sind den Vorwürfen im Einzelnen entgegengetreten. Sie haben den Vortrag des Antragstellers u.a. in Bezug auf die erlittene posttraumatische Belastungsstörung bestritten. Die Antragsgegner zu 1. bis 3. haben überdies die Einrede der Verjährung erhoben.
6Mit Beschluss vom 09.10.2015 hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg (Einzelrichter) den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe insgesamt zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die von dem Antragsteller behauptete posttraumatische Belastungsstörung – ihr Vorliegen unterstellt – einem etwaigen Fehlverhalten der Antragsgegner nicht zugerechnet werden könne, weil sie auf einer psychisch vermittelten Schädigung beruhe. Hierfür hafte die Antragsgegnerin zu 1. nicht, weil die behauptete posttraumatische Belastungsstörung – lediglich – dadurch entstanden sei, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Dienstgeschäfte das von ihm erlebte Verhalten von Flüchtenden und Verletzten habe miterleben müssen und er hierbei erfahren habe, dass Menschen ums Leben gekommen seien. Der Antragsgegner zu 3. hafte weder vertraglich noch deliktsrechtlich. Die Antragsgegnerin zu 2. und der Antragsgegner zu 4. hafteten gem. § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ohnehin nur subsidiär. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 7 ff. des PKH-Heftes Bezug genommen. Der versagende Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 09.10.2015 zugestellt. Mit der am 09.11.2015 per Telefax eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Wegen der Einzelheiten seines Beschwerdevorbringens wird auf Bl. 960-968 GA verwiesen. Mit Schriftsatz vom 17.02.2016 hat der Antragsteller ein für die gesetzliche Rentenversicherung erstattetes Gutachten des Dr. med. T… G… vom 23.09.2015 vorgelegt, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
7II.
8Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 ZPO zulässige und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht auch unter Berücksichtigung der mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachten Argumente keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO.
91.
10Das Landgericht hat durch die Versagung der Prozesskostenhilfe nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Gebot der Rechtsschutzgleichheit verstoßen. Weder wurden die grundsätzlichen Anforderungen an die Erfolgsaussichten überspannt, noch wurde übersehen, dass eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt. Auch wurden keine schwierigen und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärten Rechtsfragen entschieden.
11Entgegen der Auffassung des Antragstellers geben weder der hohe Begründungsaufwand des angefochtenen Beschlusses noch die inhaltliche Komplexität seiner Erwägungen allein Anlass, dem Antrag stattzugeben. Prozesskostenhilfe darf nur bewilligt werden, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist; diese, in § 114 ZPO normierte Voraussetzung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1993 – 1 BvR 1697/91, zitiert nach juris Rdnr. 13). Hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BGH, Beschluss vom 14.12.1993 – VI ZR 235/92, zitiert nach juris Rdnr. 5). Es muss also aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, in deren Rahmen keine schwierigen und noch nicht geklärten Rechtsfragen einer abschließenden Klärung zugeführt werden sollen, zumindest möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Diesen Grundsätzen wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss gerecht.
12Die ausführliche Begründung der landgerichtlichen Entscheidung, insbesondere das einzelne Aufgreifen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, stellen entgegen der Auffassung des Antragstellers keinen Verstoß gegen § 114 ZPO dar. Die umfangreiche Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem Rechtsstandpunkt des Antragstellers in dem angefochtenen Beschluss liegt vor allem im Interesse des Antragstellers und dient insbesondere der Wahrung seines Rechts auf rechtliches Gehör. Der Umfang des Beschlusses deutet angesichts eines 391 Seiten langen Klageentwurfs, auch wenn dieser in weiten Teilen an die staatsanwaltschaftliche Anklageschrift angelehnt zu sein scheint, entgegen der Auffassung des Antragsstellers nicht darauf hin, dass das Gericht hier neue oder besonders schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfragen beantworten musste. Auch der Umstand, dass der Antragsteller Ansprüche aus Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Loveparade 2010 geltend macht, rechtfertigt es nicht, den Rechtsstreit schon für sich genommen als besonders schwierig einzuordnen.
132.
14Es liegt ferner kein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) vor, weil – was der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde rügt – die Sache beim Landgericht durch den Einzelrichter entschieden wurde.
15Gemäß § 348 Abs. 1 ZPO ist die Entscheidung der Zivilkammer durch den Einzelrichter der Regelfall. Die Voraussetzungen des § 348 Abs. 2 ZPO, die ausnahmsweise eine Zuständigkeit der gesamten Kammer hätten begründen können, sind nicht vorgetragen. Weder war der entscheidende Richter ein Richter auf Probe, der noch kein Jahr in Zivilsachen eingesetzt war, noch enthält der Geschäftsverteilungsplan des Landgericht Duisburg 2015 eine Zuweisung gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. k ZPO. Der entscheidende Einzelrichter des Landgerichts war auch nicht verpflichtet, den Rechtsstreit zur Übernahme der Kammer vorzulegen, denn aus seiner Entscheidung ergibt sich nicht, dass er die Voraussetzungen von § 348 Abs. 3 Satz 1 ZPO, nämlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Nr. 2), bejaht oder die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als mit besonderen Schwierigkeiten belastet (Nr. 1) angesehen hat. Auf eine deshalb unterlassene Vorlage kann gemäß § 348 Abs. 4 ZPO ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2003 – IX ZB 134/02; s.a. BGH, Beschluss vom 15.06.2011 – II ZB 20/10, jeweils zitiert nach juris).
16Auch in der Beschwerdeinstanz ist nichts dafür ersichtlich, dass die Rechtssache auf den Senat übertragen werden müsste; die Voraussetzungen des § 568 Satz 2 ZPO liegen nicht vor.
173.
18Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann allerdings – auf der Grundlage des Klageentwurfs – nicht schon der Ursachenzusammenhang zwischen einer Schädigungshandlung der Antragsgegnerin zu 1. und der von dem Antragsteller behaupteten Gesundheitsbeschädigung verneint werden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. Urteil vom 12.11.1985 – VI ZR 103/84; Urteil vom 22.05.2007 – VI ZR 17/06, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 97/13, jeweils zitiert nach juris) kommt es unter dem Kriterium der Zurechenbarkeit und des Schutzzwecks der Norm vorliegend darauf an, ob die geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung in Form der posttraumatischen Belastungsstörung unmittelbar durch das – behauptete – pflichtwidrige Verhalten des Schädigers entstanden oder ob sie lediglich auf eine psychisch vermittelte Schädigung zurückzuführen ist, die dadurch entstanden ist, dass der Antragsteller miterleben musste, wie sich die Loveparade infolge des Katastrophenereignisses im Bereich der östlichen Rampe/Anschlussstelle Untertunnelung Karl-Lehr-Straße zum Teil panikartig auflöste.
19Der Antragsteller hat hinreichend substantiiert vorgetragen, dass er aufgrund der Aufforderung des Einsatzleiters um 17.15 Uhr in den Tunnel gegangen sei, um diesen zu räumen. Er befand sich also zu einem Zeitpunkt, in dem Menschen starben bzw. schon gestorben waren, mitten in der Menschenmenge und nicht nur – was nicht ausreichend gewesen wäre – in einer örtlichen Distanz am Rande des Katastrophenereignisses, von wo aus er Zeuge des Sterbens von Menschen und der panikartigen Auflösung der Loveparade geworden wäre. Auf der Grundlage seines Vortrags ist er also in die Rolle eines Beteiligten gezwungen worden, so dass seine körperliche Integrität in gleicher Weise wie bei einer nur äußeren Einwirkung beeinträchtigt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.1985 – VI ZR 103/84, zitiert nach juris Rdnr. 15). Dass die Anwesenheit des Antragstellers im Tunnel auf seiner beruflichen Tätigkeit beruht, ändert daran nichts. Denn in der höchstrichterlichen und auch der obergerichtlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, wird eine Ersatzpflicht für psychische Schäden unter dem Gesichtspunkt des Zurechnungszusammenhangs nur davon abhängig gemacht, ob der Geschädigte direkt an dem schädigenden Ereignis beteiligt gewesen und in dieses gleichsam hineingezogen worden ist, oder ob er das schädigende Ereignis lediglich zufällig miterleben musste. Ob es sich bei dem Geschädigten um eine Person handelt, die beruflich bedingt an Ort und Stelle war oder gar bei der Berufsausübung mit einem erhöhte Risiko einer Konfrontation mit derartigen Ereignissen rechnen muss (z.B. Polizeibeamte, Lokführer), spielt keine entscheidende Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2007 – VI ZR 17/06, zitiert nach juris Rdnr. 17; OLG Koblenz, Urteil vom 08.03.2010 – 1 U 1161/06, zitiert nach juris Rdnr. 41-43).
204.
21Allerdings ist die Versagung der Prozesskostenhilfe bereits aus anderen Gründen zutreffend.
22a) Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1.
23Der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1. fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht, weil ein Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. bereits verjährt ist:
24Nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjähren – vertragliche wie deliktische – Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Antragsteller ist – zu Recht – der Auffassung, dass den Antragsgegnern hinsichtlich der von ihm behaupteten Körper- bzw. Gesundheitsverletzung lediglich Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann, so dass sich die Verjährung nach den beiden vorgenannten Vorschriften und insbesondere nicht nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB richtet. Der – auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers – bestehende Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. entstand im Jahr 2010, und zwar grundsätzlich einheitlich, d.h. auch soweit einzelne Schadenspositionen erst in der Zukunft hätten geltend gemacht werden können. Nach dem sog. Grundsatz der Schadenseinheit ist der Anspruch entstanden, wenn aus der unerlaubten Handlung ein fälliger Anspruch auf Ersatz zumindest eines Teilschadens entstanden ist (vgl. statt aller BGH, Urteil vom 14.03.1968 – VII ZR 77/65, zitiert nach juris Rdnr. 38 ff.). Anhaltspunkte für nicht vorhersehbare Schäden sind dem umfangreichen Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen.
25Der Antragsteller besaß auch bereits im Jahr 2010 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person der Antragsgegnerin zu 1. Er wusste, dass er – so sein Vortrag – auf der Loveparade psychisch beeinträchtigt worden war; aufgrund dessen sei am 04.08.2010 eine psychologische Akutintervention erfolgt. Auch wusste er seinerzeit von der Person der Antragsgegnerin zu 1. bzw. hätte ohne Weiteres Kenntnis von ihr erlangen können, nachdem die Ereignisse um die Loveparade im Jahr 2010 intensiv Gegenstand der Presseberichterstattung gewesen sind und auch die Antragsgegnerin zu 1. als Veranstalterin wiederholt namentlich genannt wurde. Zu Recht ist also der Antragsteller, nachdem die Antragsgegner zu 1. bis 3. die Einrede der Verjährung erhoben und darauf hingewiesen haben, dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2010 zu laufen begonnen hat, dem nicht entgegengetreten.
26Hatte die Verjährung also mit dem Ablauf des 31.12.2010 begonnen zu laufen, endete die Verjährungsfrist am 31.12.2013. Der Antragsteller hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe indes erst am 15.12.2014 bei Gericht eingereicht, als die Verjährung bereits längst abgelaufen war und nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt werden konnte.
27Anhaltspunkte für eine Hemmung, die zum Hinausschieben des Endes der Verjährungsfrist geführt hätte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere war die Verjährung nicht nach § 203 BGB aufgrund schwebender Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern vorübergehend gehemmt. Die Antragsgegner zu 1. bis 3. haben darauf hingewiesen, dass sich der Antragsteller erst im Juli 2014 an sie gewandt habe. Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Selbst wenn die Kontaktaufnahme des Antragstellers im Juli 2014 also zu Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB geführt haben sollte, konnte dies nicht mehr zu einer Hemmung führen, weil zu jenem Zeitpunkt die Verjährungsfrist bereits seit Monaten abgelaufen war.
28Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen, so dass ein Schadensersatzanspruch ihr gegenüber nicht mehr durchsetzbar ist.
29b) Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2.
30Auch die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2. besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
31Der Antragsteller behauptet, die Körper- bzw. Gesundheitsverletzung beruhe adäquat kausal und zurechenbar auf einer Amtspflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 2. aufgrund von Amtspflichtverletzungen insbesondere im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Insoweit greift allerdings die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein, weil der Antragsteller auch auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermocht hätte; er hätte nämlich vorrangig die Antragsgegnerin zu 1. in Anspruch nehmen müssen.
32Anhaltspunkte für eine mangelnde Realisierbarkeit dieser etwaigen Ansprüche sind nicht ersichtlich. So hat der – insoweit darlegungsbelastete – Antragsteller keine Tatsachen vorgetragen, die etwa auf eine Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin zu 1. bzw. auf eine Zahlungsverweigerung der hinter der Antragsgegnerin zu 1. stehenden Haftpflichtversicherung schließen lassen. Solange eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, ist eine Amtshaftungsklage unschlüssig (BGH, Urteil vom 17.12.1992 – III ZR 114/91, zitiert nach juris Rdnr. 17). Beweis für das – im Übrigen bestrittene – Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit hat der beweisbelastete Antragsteller nicht angetreten.
33Das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der behauptete Ersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. verjährt ist. Denn lässt der Geschädigte – wie hier – anderweitig bestehende Ansprüche verjähren, versäumt er schuldhaft die anderweitige Ersatzmöglichkeit mit der Folge, dass die Subsidiaritätsklausel gleichwohl Anwendung findet; der Geschädigte ist grundsätzlich so zu behandeln, als ob er die Ansprüche realisiert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 240/98, zitiert nach juris Rdnr. 26; BGH, Urteil vom 22.06.1995 – IX ZR 122/94, zitiert nach juris Rdnr. 22; Wöstmann, in: Staudinger, BGB-Komm., Neubearbeitung 2013, § 839 Rdnr. 297).
34Den Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu 2. sei nach Treu und Glauben an einer Berufung auf die Subsidiaritätsklausel gehindert, zumal § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB überholt sei und seinen ursprünglichen Sinn verloren habe, vermag der Senat nicht zu teilen. Wenngleich die Subsidiaritätsklausel in der Vergangenheit auch in der Rechtsprechung gelegentlich in Frage gestellt worden ist, hat diese Vorschrift unverändert Bestand. Der Gesetzgeber hat nichts unternommen, diesen Zustand zu ändern, nachdem das Staatshaftungsgesetz von 1981 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde (BVerfG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 BvF 1/81, zitiert nach juris). Soweit die Rechtsprechung die Bereiche des allgemeinen Straßenverkehrs (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 27.01.1977 – III ZR 173/74, zitiert nach juris) und der Straßenverkehrssicherungspflicht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.07.1979 – III ZR 102/78, zitiert nach juris) von der subsidiären Haftung des Staates ausgenommen hat, kann dies nicht verallgemeinert werden (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1992 – III ZR 91/91, zitiert nach juris Rdnr. 11).
35c) Klage gegen den Antragsgegner zu 3.
36Auch für die gegen den Antragsgegner zu 3. gerichtete Klage ist keine Prozesskostenhilfe zu gewähren.
37Der Antragsgegner zu 3. war zwar Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.; damit lässt sich aber, wie das Landgericht − vom zutreffend Antragsteller nicht angegriffen – dargelegt hat, keine selbstständige organschaftliche Haftung begründen. Die Voraussetzungen, unter denen in der Rechtsprechung ausnahmsweise eine persönliche Haftung des Geschäftsführers angenommen wurde, liegen hier fern. Einer Haftung aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses – an das hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Komm., 20. Aufl., § 43 Rdnr. 72) – steht schon entgegen, dass der Antragsgegner zu 3. zu keinem Zeitpunkt „gleichsam in eigener Sache“ gehandelt hat. Die Konstellationen, in denen aufgrund einer speziellen Garantenstellung bzw. der Verletzung von Verkehrs- und Organisationspflichten zum Schutze Dritter ausnahmsweise eine persönliche Haftung des Geschäftsführers angenommen worden ist (vgl. Zöllner/Noack, a.a.O., § 43 Rdnr. 76 ff.), sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zu Recht tritt der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen.
38Entgegen der Auffassung des Antragstellers haftet der Antragsgegner zu 3. auch nicht aus einem anlässlich eines Radiointerviews am 21.01.2011 abgegebenen Schuldbeitritts. Die Erklärung, dass der Antragsgegner zu 3. außergerichtliche Einigungen erreichen wolle, damit den Betroffenen schnell geholfen werde, und er auch bereit sei, mit seinem Privatvermögen zu helfen, lässt nicht auf einen Schuldbeitritt rückschließen. Sie kann auch nicht dahingehend verstanden werden, dass der Antragsgegner zu 3. all denjenigen, die einen Schaden auf dem Veranstaltungsgelände der Loveparade 2010 erlitten hätten, uneingeschränkt persönlich haften wolle. Ankündigt wird nur eine Bereitschaft zur Hilfe, die zudem an eine außergerichtliche Einigung geknüpft wird. Schon an einer außergerichtlichen Einigung mit dem Antragsteller fehlt es vorliegend. Die Ankündigung einer Hilfsbereitschaft enthält objektiv keine Erklärung einer – rechtlichen – Einstandspflicht, weshalb es auch an einer Vergleichbarkeit mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.06.1984 (IX ZR 66/83, zitiert nach juris) bzw. dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.06.2011 (318 S 216/10, zitiert nach juris), fehlt. Im ersten Fall wurde schriftlich seitens einer Sparkasse gegenüber dem Erklärungsempfänger erklärt, sie habe für diesen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen; im zweiten Fall hat nach einem Insolvenzfall die neue Gesellschaft erklärt, alle Altverbindlichkeiten gegenüber den Besitzern von Rennpferden, auf die Siegprämien entfallen wären, zu übernehmen.
39Diese Radioäußerung des Antragsgegners zu 3. ist im Übrigen unstreitig, so dass es entgegen der Auffassung des Antragstellers bzgl. der in dem Klageentwurf aufgeführten Personen keiner Beweisaufnahme bedarf. In diesem Zusammenhang ist deshalb auch kein Beweis durch Parteivernehmung des Antragsgegners zu 3. gemäß § 445 ZPO zu erheben.
40d) Klage gegen den Antragsgegner zu 4.
41Schließlich ist dem Antragsteller auch keine Prozesskostenhilfe für die Verfolgung von Ansprüchen gegen das als Antragsgegner zu 4. in Anspruch genommene Land zu bewilligen.
42Der Antragsteller erhebt gegen den Antragsgegner zu 4. primär den Vorwurf, er habe verfassungswidrig die gesamte Gefahrenabwehr auf die Veranstalterin übertragen; er legt aber nicht nachvollziehbar dar, welche konkreten schuldhaften Amtspflichtverletzungen er dem als Antragsgegner zu 4. in Anspruch genommenen Land vorwerfen will, die zu seiner Gesundheitsbeeinträchtigung geführt haben könnten und die unter Berücksichtigung der jeweils notwendigen persönlichen Drittbezogenheit der Amtspflichten dem Antragsgegner zu 4. zurechenbar wären. Stattdessen schildert er selbst, dass die für die Gefahrenabwehr zuständige Landespolizei am 24.07.2010 mit einer Vielzahl von Polizeikräften vor Ort gewesen sei und bei sich abzeichnenden Gefahrensituationen eingegriffen habe, die Polizei ferner im Vorfeld aktiv in die Planung eingeschaltet gewesen sei und an einer Vielzahl von Besprechungen teilgenommen habe. Wann und wo ein diesem tatsächlichen Handeln widersprechender Verwaltungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und dem Antragsgegner zu 4. geschlossen worden sein könnte, wird weder in Klageentwurf noch mit der sofortigen Beschwerde dargelegt. Die Polizei ist schließlich, auch wenn sie mit der Überwachung bestimmter Vorgänge betraut ist, nicht Alleinverantwortliche für die sichere Durchführung von durch Private organisierten Großveranstaltungen, was sich schon aus § 38 SBauVO bzw. aus der den Veranstalter treffenden privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht ergibt (siehe auch BGH, Urteil vom 11.01.1973 – III ZR 32/71, zitiert nach juris).
43Im Übrigen würde wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzungen des Antragsgegners zu 4. der Subsidiaritätsgrundsatz gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB schon deshalb eingreifen, weil der Antragsteller den behaupteten Schadensersatzanspruch gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. nicht rechtzeitig vor Verjährungseintritt geltend gemacht hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die vorstehenden Ausführungen zu II. 4. b).
445.
45Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
46Gründe, die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.