Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-18 W 79/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.11.2015 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 07.10.2015 (3 O 391/14) wird zurückgewiesen.
1
I.
2Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht in Bezug auf materielle und immaterielle Schäden, die er aufgrund der Ereignisse während der Loveparade in D… am 24.07.2010 erlitten habe.
3Der Antragsteller war zusammen mit seiner Verlobten Besucher der Loveparade und geriet dort in ein Gedränge, das für ihn ein Entkommen zumindest vorübergehend unmöglich machte.
4Der Antragsteller behauptet, er habe eine Fußquetschung und als Folge der Erlebnisse auf der Loveparade eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten. Er sei bis zum heutigen Tage gesundheitlich so schwer geschädigt, dass er eine Traumatherapie nicht durchführen könne. Der Versuch, eine Alltagsnormalität herzustellen, gelinge ihm kaum. Er werde aufgrund der Traumatisierung voraussichtlich lebenslänglich gesundheitlich geschädigt sein. Bis zum heutigen Tage sei er nicht in der Lage gewesen, ausreichend und adäquat therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrages bezüglich der erlittenen Gesundheitsverletzung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (zu A.) Bezug genommen.
5Der Antragsteller wirft der Antragsgegnerin zu 1. zahlreiche Mängel in der Planung und der Durchführung der Loveparade vor, durch die die Antragsgegnerin zu 1. das Leben der Besucher riskiert und deren Gesundheit gefährdet habe. Der Antragsgegnerin zu 2. wirft der Antragsteller im Wesentlichen Mängel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vor, aufgrund derer ebenfalls Leib und Leben der Besucher gefährdet worden seien. Nach Ansicht des Antragstellers hafte der Antragsgegner zu 3. als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. persönlich, insbesondere weil er die Antragsgegnerin zu 1. mangelhaft organisiert habe; im Übrigen hafte er persönlich für die gegen die Antragsgegnerin zu 1. bestehenden Ersatzansprüche aufgrund eines erklärten Schuldbeitritts. Der Antragsgegner zu 4. hafte im Wesentlichen deshalb, weil eine als verfassungswidrig zu beurteilende vollständige Übertragung der Gefahrenabwehr auf einen Privaten vorgelegen habe.
6Die Antragsgegner sind den Vorwürfen im Einzelnen entgegengetreten. Sie haben den Vortrag des Antragstellers u.a. in Bezug auf die erlittene posttraumatische Belastungsstörung bestritten. Die Antragsgegner zu 1. bis 3. haben überdies die Einrede der Verjährung erhoben.
7Mit Beschluss vom 07.10.2015 hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts D... den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe insgesamt zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin zu 2. und der Antragsgegner zu 4. gem. § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG nur subsidiär hafteten. Vorrangig hafte die Antragsgegnern zu 1., allerdings nicht in einem die Zuständigkeit des Landgerichts begründendem Umfang. Der Antragsgegner zu 3. hafte weder vertraglich noch deliktsrechtlich. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 19 ff. des PKH-Heftes Bezug genommen. Der versagende Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 15.10.2015 zugestellt. Mit der am 16.11.2015 (einem Montag) per Telefax eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Wegen der Einzelheiten seines Beschwerdevorbringens wird auf Bl. 1000a ff. GA verwiesen.
8II.
9Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 ZPO zulässige und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht auch unter Berücksichtigung der mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachten Argumente keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO.
101.
11Das Landgericht hat durch die Versagung der Prozesskostenhilfe nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Gebot der Rechtsschutzgleichheit verstoßen. Weder wurden die grundsätzlichen Anforderungen an die Erfolgsaussichten überspannt, noch wurde übersehen, dass eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt. Auch wurden keine schwierigen und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärten Rechtsfragen entschieden.
12Entgegen der Auffassung des Antragstellers geben weder der hohe Begründungsaufwand des angefochtenen Beschlusses noch die inhaltliche Komplexität seiner Erwägungen allein Anlass, dem Antrag stattzugeben. Prozesskostenhilfe darf nur bewilligt werden, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist; diese, in § 114 ZPO normierte Voraussetzung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1993 – 1 BvR 1697/91, zitiert nach juris Rdnr. 13). Hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BGH, Beschluss vom 14.12.1993 – VI ZR 235/92, zitiert nach juris Rdnr. 5). Es muss also aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, in deren Rahmen keine schwierigen und noch nicht geklärten Rechtsfragen einer abschließenden Klärung zugeführt werden sollen, zumindest möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Diesen Grundsätzen wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss gerecht.
13Die ausführliche Begründung der landgerichtlichen Entscheidung, insbesondere das einzelne Aufgreifen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, stellen entgegen der Auffassung des Antragstellers keinen Verstoß gegen § 114 ZPO dar. Die umfangreiche Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem Rechtsstandpunkt des Antragstellers in dem angefochtenen Beschluss liegt vor allem im Interesse des Antragstellers und dient insbesondere der Wahrung seines Rechts auf rechtliches Gehör. Der Umfang des Beschlusses deutet angesichts eines 388 Seiten langen Klageentwurfs, auch wenn dieser in weiten Teilen an die staatsanwaltschaftliche Anklageschrift angelehnt zu sein scheint, entgegen der Auffassung des Antragsstellers nicht darauf hin, dass das Gericht hier neue oder besonders schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfragen beantworten musste. Auch der Umstand, dass der Antragsteller Ansprüche aus Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Loveparade 2010 geltend macht, rechtfertigt es nicht, den Rechtsstreit schon für sich genommen als besonders schwierig einzuordnen.
142.
15Soweit das Landgericht den Vortrag des Antragstellers in Bezug auf die von ihm behauptete posttraumatische Belastungsstörung als unzureichend angesehen hat, hält es auch der Senat für sehr zweifelhaft, dass die beabsichtigte Klage mit Blick auf die dem Antragsteller obliegende Beweislast hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
16Wenngleich die Anforderungen an die Erfolgsaussichten in Bezug auf eine beweisbedürftige Tatsache nicht überspannt werden dürfen, so muss das Klagevorbringen des Antragstellers zunächst schlüssig sein; zudem ist eine Beweisantizipation – dies ist ebenfalls verfassungsgerichtlich geklärt (vgl. u.a. BVerfG, NVwZ 1987, 786) – zulässig. Dass eine Beweiserhebung über die von dem Antragsteller behauptete posttraumatische Belastungsstörung ernsthaft in Betracht kommt und zugleich keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Beweiserhebung mit großer Wahrscheinlichkeit zu seinem Nachteil ausgeht, hält der Senat aus folgenden Gründen für sehr zweifelhaft:
17In dem Klageentwurf vom 11.12.2014 hat der Antragsteller lediglich allgemein mitgeteilt, dass sich aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung sein Leben verändert habe, „sie“ (nicht: „er“) seit längerer Zeit nicht mehr voll arbeitsfähig sei, unter innerer Unruhe und massivem Angsterleben bei Triggern bis hin zu Flashbacks leide und Menschenmengen nicht mehr aushalten könne. Auf den – zutreffenden – Hinweis des Gerichts vom 30.03.2015, dass dieser Vortrag nicht ausreichend sei, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.05.2015 lediglich mitgeteilt, er habe bereits umfassend vorgetragen. Zwar finden sich in den Anlagen 8 und 9 zum Klageentwurf ein Attest des B...-Krankenhauses in D... vom 24.07.2010 sowie ein Attest der praktischen Ärztin A… C… aus H… vom 14.11.2014, die im Rahmen der Beurteilung der Schlüssigkeit des Klagevorbringens berücksichtigt werden können. Die von dem Antragsteller behauptete posttraumatische Belastungsstörung oder zumindest die mit ihr einhergehenden Symptome werden indes in beiden Attesten mit keinem Wort erwähnt. Selbst in dem Attest vom 14.11.2014 werden die von dem Antragsteller behaupteten psychischen Beschwerden nicht bescheinigt. Dies erscheint zumindest vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass in dem Attest derselben Ärztin vom 22.12.2015 bescheinigt wird, die Symptomatik habe „seit August 2010 bis zum heutigen Tag“ erheblich zugenommen. Weitere ärztliche Atteste sind nicht zu erwarten, nachdem der Antragsteller ausdrücklich mitgeteilt hat, er sei bislang nicht in der Lage gewesen, ausreichend und adäquat therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
183.
19Letztlich kann es aber dahinstehen, ob die behauptete posttraumatische Belastungsstörung schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden ist oder sich voraussichtlich nicht beweisen lässt. Denn etwaige Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche des Antragstellers gegen die Antragsgegner zu 1. bis 4. können schon aus Rechtsgründen nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
20a) Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1.
21Der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1. fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht, weil etwaige Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1. bereits verjährt wären:
22Nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjähren – vertragliche wie deliktische – Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Antragsteller ist – zu Recht – der Auffassung, dass den Antragsgegnern hinsichtlich der von ihm behaupteten Körper- bzw. Gesundheitsverletzung lediglich Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann, so dass sich die Verjährung nach den beiden vorgenannten Vorschriften und insbesondere nicht nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB richtet. Etwaige von dem Antragsteller behaupteten Ansprüche entstanden im Jahr 2010, und zwar grundsätzlich einheitlich, d.h. auch soweit einzelne Schadenspositionen erst in der Zukunft hätten geltend gemacht werden können. Nach dem sog. Grundsatz der Schadenseinheit ist der Anspruch entstanden, wenn aus der unerlaubten Handlung ein fälliger Anspruch auf Ersatz zumindest eines Teilschadens entstanden ist (vgl. statt aller BGH, Urteil vom 14.03.1968 – VII ZR 77/65, zitiert nach juris Rdnr. 38 ff.). Anhaltspunkte für nicht vorhersehbare Schäden sind dem umfangreichen Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen.
23Der Antragsteller besaß auch bereits im Jahr 2010 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person der Antragsgegnerin zu 1. Er wusste, dass er – so sein Vortrag – auf der Loveparade körperlich und psychisch beeinträchtigt worden war; dies belegen die Atteste vom 24.07.2010 und 14.11.2014. Auch wusste er seinerzeit von der Person der Antragsgegnerin zu 1. bzw. hätte ohne Weiteres Kenntnis von ihr erlangen können, nachdem die Ereignisse um die Loveparade im Jahr 2010 intensiv Gegenstand der Presseberichterstattung gewesen sind und auch die Antragsgegnerin zu 1. als Veranstalterin wiederholt namentlich genannt wurde. Hinzu kommt, dass der Antragsteller bereits damals ausweislich seiner polizeilichen Vernehmung vom 08.09.2010 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Erwägung gezogen hat (Anlage 8 zur Klageschrift, dort S. 15). Zu Recht ist also der Antragsteller, nachdem die Antragsgegner zu 1. bis 3. die Einrede der Verjährung erhoben und darauf hingewiesen haben, dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2010 zu laufen begonnen hat, dem nicht entgegengetreten.
24Hatte die Verjährung also mit dem Ablauf des 31.12.2010 begonnen zu laufen, endete die Verjährungsfrist am 31.12.2013. Der Antragsteller hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe indes erst am 15.12.2014 bei Gericht eingereicht, als die Verjährung bereits längst abgelaufen war und nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt werden konnte.
25Anhaltspunkte für eine Hemmung, die zum Hinausschieben des Endes der Verjährungsfrist geführt hätte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere war die Verjährung nicht nach § 203 BGB aufgrund schwebender Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern vorübergehend gehemmt. Die Antragsgegner zu 1. bis 3. haben darauf hingewiesen, dass sich der Antragsteller erst im Januar 2014 an sie gewandt habe. Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Selbst wenn die Kontaktaufnahme des Antragstellers im Januar 2014 also zu Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB geführt haben sollte, konnte dies nicht mehr zu einer Hemmung führen, weil zu jenem Zeitpunkt die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.
26Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen, so dass etwaige Ansprüche ihr gegenüber nicht durchsetzbar wären.
27b) Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2.
28Auch die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2. besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
29Der Antragsteller behauptet, die Körper- bzw. Gesundheitsverletzung beruhe adäquat kausal und zurechenbar auf einer Amtspflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 2. aufgrund von Amtspflichtverletzungen insbesondere im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Insoweit greift allerdings die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein, weil der Antragsteller auch auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermocht hätte; er hätte nämlich vorrangig die Antragsgegnerin zu 1. in Anspruch nehmen müssen.
30Wie das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, steht dem die Behauptung des Antragstellers nicht entgegen, es sei offenkundig, dass dieser Anspruch nicht realisierbar sei. Unabhängig davon, dass dann die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1. mutwillig und Prozesskostenhilfe schon deshalb zu versagen wäre, hat der Antragsteller keine Tatsachen vorgetragen, die etwa auf eine Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin zu 1. bzw. auf eine Zahlungsverweigerung der hinter der Antragsgegnerin zu 1. stehenden Haftpflichtversicherung schließen lassen. Solange eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, ist eine Amtshaftungsklage unschlüssig (BGH, Urteil vom 17.12.1992 – III ZR 114/91, zitiert nach juris Rdnr. 17). Beweis für das – im Übrigen bestrittene – Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit hat der beweisbelastete Antragsteller ebenfalls nicht angetreten.
31Das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass ein möglicher Ersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. verjährt ist. Denn lässt der Geschädigte – wie hier – anderweitig bestehende Ansprüche verjähren, versäumt er schuldhaft die anderweitige Ersatzmöglichkeit mit der Folge, dass die Subsidiaritätsklausel gleichwohl Anwendung findet; der Geschädigte ist grundsätzlich so zu behandeln, als ob er die Ansprüche realisiert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 240/98, zitiert nach juris Rdnr. 26; BGH, Urteil vom 22.06.1995 – IX ZR 122/94, zitiert nach juris Rdnr. 22; Wöstmann, in: Staudinger, BGB-Komm., Neubearbeitung 2013, § 839 Rdnr. 297).
32Unzutreffend ist die Auffassung des Antragstellers, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB sei deshalb nicht anwendbar und eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin zu 2. zum jetzigen Zeitpunkt geboten, um den Eintritt der Verjährung gegen die Antragsgegnerin zu 2. zu verhindern. Die Verjährung etwaiger Amtshaftungsansprüche würde nämlich erst mit der Kenntnis, dass die anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht besteht oder den Schaden nicht vollständig deckt, beginnen (Palandt-Ellenberger, BGB-Komm., 75. Aufl., § 199 Rdnr. 37). Der Antragsteller hat indes gegen die Antragsgegnerin zu 2. keinen Anspruch, der aktuell verjähren könnte, weil er so zu behandeln ist, als ob er den Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. realisiert hätte. Dass er die Antragsgegnerin zu 1. nicht rechtzeitig in Anspruch genommen hat, führt – wie oben ausgeführt – nicht etwa dazu, dass sich der Antragsteller nach dem Eintritt der Verjährung jener Ansprüche nunmehr an die Antragsgegnerin zu 2. halten könnte.
33Den Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu 2. sei nach Treu und Glauben an einer Berufung auf die Subsidiaritätsklausel gehindert, zumal § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB überholt sei und seinen ursprünglichen Sinn verloren habe, vermag der Senat nicht zu teilen. Wenngleich die Subsidiaritätsklausel in der Vergangenheit auch in der Rechtsprechung gelegentlich in Frage gestellt worden ist, hat diese Vorschrift unverändert Bestand. Der Gesetzgeber hat nichts unternommen, diesen Zustand zu ändern, nachdem das Staatshaftungsgesetz von 1981 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde (BVerfG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 BvF 1/81, zitiert nach juris). Soweit die Rechtsprechung die Bereiche des allgemeinen Straßenverkehrs (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 27.01.1977 – III ZR 173/74, zitiert nach juris) und der Straßenverkehrssicherungspflicht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.07.1979 – III ZR 102/78, zitiert nach juris) von der subsidiären Haftung des Staates ausgenommen hat, kann dies nicht verallgemeinert werden (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1992 – III ZR 91/91, zitiert nach juris Rdnr. 11).
34c) Klage gegen den Antragsgegner zu 3.
35Auch für die gegen den Antragsgegner zu 3. gerichtete Klage ist keine Prozesskostenhilfe zu gewähren.
36Der Antragsgegner zu 3. war zwar Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.; damit lässt sich aber, wie das Landgericht − vom zutreffend Antragsteller nicht angegriffen – dargelegt hat, keine selbstständige organschaftliche Haftung begründen. Die Voraussetzungen, unter denen in der Rechtsprechung ausnahmsweise eine persönliche Haftung des Geschäftsführers angenommen wurde, liegen hier fern. Einer Haftung aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses – an das hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Komm., 20. Aufl., § 43 Rdnr. 72) – steht schon entgegen, dass der Antragsgegner zu 3. zu keinem Zeitpunkt „gleichsam in eigener Sache“ gehandelt hat. Die Konstellationen, in denen aufgrund einer speziellen Garantenstellung bzw. der Verletzung von Verkehrs- und Organisationspflichten zum Schutze Dritter ausnahmsweise eine persönliche Haftung des Geschäftsführers angenommen worden ist (vgl. Zöllner/Noack, a.a.O., § 43 Rdnr. 76 ff.), sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zu Recht tritt der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde dem angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen.
37Entgegen der Auffassung des Antragstellers haftet der Antragsgegner zu 3. auch nicht aus einem anlässlich eines Radiointerviews am 21.01.2011 abgegebenen Schuldbeitritts. Die Erklärung, dass der Antragsgegner zu 3. außergerichtliche Einigungen erreichen wolle, damit den Betroffenen schnell geholfen werde, und er auch bereit sei, mit seinem Privatvermögen zu helfen, lässt nicht auf einen Schuldbeitritt rückschließen. Sie kann auch nicht dahingehend verstanden werden, dass der Antragsgegner zu 3. all denjenigen, die einen Schaden auf dem Veranstaltungsgelände der Loveparade 2010 erlitten hätten, uneingeschränkt persönlich haften wolle. Ankündigt wird nur eine Bereitschaft zur Hilfe, die zudem an eine außergerichtliche Einigung geknüpft wird. Schon an einer außergerichtlichen Einigung mit dem Antragsteller fehlt es vorliegend. Die Ankündigung einer Hilfsbereitschaft enthält objektiv keine Erklärung einer – rechtlichen – Einstandspflicht, weshalb es auch an einer Vergleichbarkeit mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.06.1984 (IX ZR 66/83, zitiert nach juris) bzw. dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.06.2011 (318 S 216/10, zitiert nach juris), fehlt. Im ersten Fall wurde schriftlich seitens einer Sparkasse gegenüber dem Erklärungsempfänger erklärt, sie habe für diesen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen; im zweiten Fall hat nach einem Insolvenzfall die neue Gesellschaft erklärt, alle Altverbindlichkeiten gegenüber den Besitzern von Rennpferden, auf die Siegprämien entfallen wären, zu übernehmen.
38Diese Radioäußerung des Antragsgegners zu 3. ist im Übrigen unstreitig, so dass es entgegen der Auffassung des Antragstellers bzgl. der in dem Klageentwurf aufgeführten Personen keiner Beweisaufnahme bedarf. In diesem Zusammenhang ist deshalb auch kein Beweis durch Parteivernehmung des Antragsgegners zu 3. gemäß § 445 ZPO zu erheben.
39d) Klage gegen den Antragsgegner zu 4.
40Schließlich ist dem Antragsteller auch keine Prozesskostenhilfe für die Verfolgung von Ansprüchen gegen das als Antragsgegner zu 4. in Anspruch genommene Land zu bewilligen.
41Der Antragsteller erhebt gegen den Antragsgegner zu 4. primär den Vorwurf, er habe verfassungswidrig die gesamte Gefahrenabwehr auf die Veranstalterin übertragen; er legt aber nicht nachvollziehbar dar, welche konkreten schuldhaften Amtspflichtverletzungen er dem als Antragsgegner zu 4. in Anspruch genommenen Land vorwerfen will, die zu seiner Gesundheitsbeeinträchtigung geführt haben könnten und die unter Berücksichtigung der jeweils notwendigen persönlichen Drittbezogenheit der Amtspflichten dem Antragsgegner zu 4. zurechenbar wären. Stattdessen schildert er selbst, dass die für die Gefahrenabwehr zuständige Landespolizei am 24.07.2010 mit einer Vielzahl von Polizeikräften vor Ort gewesen sei und bei sich abzeichnenden Gefahrensituationen eingegriffen habe, die Polizei ferner im Vorfeld aktiv in die Planung eingeschaltet gewesen sei und an einer Vielzahl von Besprechungen teilgenommen habe. Wann und wo ein diesem tatsächlichen Handeln widersprechender Verwaltungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und dem Antragsgegner zu 4. geschlossen worden sein könnte, wird weder in Klageentwurf noch mit der sofortigen Beschwerde dargelegt. Die Polizei ist schließlich, auch wenn sie mit der Überwachung bestimmter Vorgänge betraut ist, nicht Alleinverantwortliche für die sichere Durchführung von durch Private organisierten Großveranstaltungen, was sich schon aus § 38 SBauVO bzw. aus der den Veranstalter treffenden privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht ergibt (siehe auch BGH, Urteil vom 11.01.1973 – III ZR 32/71, zitiert nach juris).
42Im Übrigen würde wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzungen des Antragsgegners zu 4. der Subsidiaritätsgrundsatz gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB schon deshalb eingreifen, weil der Antragsteller eventuelle Ansprüche gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. nicht rechtzeitig vor Verjährungseintritt geltend gemacht hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die vorstehenden Ausführungen zu II. 3. b).
434.
44Soweit der Antragsteller schließlich noch rügt, der Rechtsstreit hätte auf die Kammer übertragen werden müssen, wird er übersehen haben, dass die Kammer sowohl über seinen PKH-Antrag als auch über die Abhilfe seiner sofortigen Beschwerde entschieden hat.
455.
46Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
47Gründe, die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.
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