Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - ErmRi Gs 1/16
Tenor
Die Entschädigung des Netzbetreibers für die Überwachung der Telekommunikation an dem Mobiltelefon mit der IMEI Nr. … wird auf 155,00 Euro festgesetzt.
Der weitergehende Antrag des Netzbetreibers wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts hat mit Beschluss vom 12. April 2012 die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation an dem Mobiltelefon mit der IMEI Nr. … für die Dauer von einem Monat angeordnet.
4Dem Mobilfunkanschluss war eine SIM-Karte zugeordnet, mit der sowohl das GSM-Netz für Sprachtelefonie und SMS als auch das Breitbandnetz (UMTS) mit Internetzugang genutzt werden konnten. Bei der Überwachung fielen Inhalts- und Verkehrsdaten ausschließlich im GSM-Netz an. Die Inhaltsdaten wurden von dem Netzbetreiber über eine schmalbandige Datenleitung ausgeleitet. Die zugehörigen Verkehrsdaten wurden allerdings über die breitbandige Datenleitung ausgeleitet, die von dem Netzbetreiber für die Ausleitung von - hier nicht angefallenen - Daten aus dem Breitbandnetz bereitgehalten wurde.
5Der Netzbetreiber hat vor diesem Hintergrund folgende Entschädigungspositionen nach Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG (in der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung) geltend gemacht:
6Nr. 100 Umsetzung der Anordnung zur Überwachung der 80,00 Euro
7Telekommunikation (mit 20 % Ermäßigung nach
8Abs. 2 der Vorbemerkung)
9Nr. 113 Leitungskosten (hohe Übertragungsgeschwindigkeit) 200,00 Euro.
10Die Grundentschädigung von 80,00 Euro nach Nr. 100 ist nicht im Streit. Da keine im Breitbandnetz angefallenen Inhalts- und Verkehrsdaten ausgeleitet wurden, hat das Landeskriminalamt jedoch bei den Leitungskosten nur 75,00 Euro nach Nr. 104 für gerechtfertigt erachtet und insgesamt 155,00 Euro angewiesen.
11Der Netzbetreiber hat gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt.
12II.
13Die Entschädigung des Netzbetreibers für die Überwachung der Telekommunikation an dem Mobiltelefon mit der IMEI Nr. … wird auf 155,00 Euro festgesetzt. Die weitergehende Forderung des Netzbetreibers ist nicht gerechtfertigt.
14Da die Heranziehung des Netzbetreibers im Jahr 2012 erfolgte, richtet sich die Berechnung der Entschädigung nach den Bestimmungen des JVEG in der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung (§ 24 Satz 1 JVEG).
15Der Netzbetreiber kann vorliegend neben der Grundentschädigung von 80,00 Euro (Nr. 100 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F. i.V.m. Abs. 2 der Vorbemerkung) nur Leitungskosten in Höhe von 75,00 Euro (Nr. 104 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F.) beanspruchen, nämlich für die schmalbandige Ausleitung der im GSM-Netz angefallenen Inhaltsdaten.
16Zwar weist die breitbandige Datenleitung, die für die Ausleitung des UMTS-Datenverkehrs bereitgestellt wurde, die in Nr. 113 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F. vorausgesetzte hohe Übertragungsgeschwindigkeit auf. Soweit diese Vorschrift in Klammern den Begriff „DSL“ anführt, handelt es sich nur um die beispielhafte Nennung einer Technik mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2012, 95).
17Es fehlt jedoch insoweit an der weiteren Voraussetzung, dass Leitungskosten nur erstattet werden, wenn die betreffende Leitung innerhalb des Überwachungszeitraums mindestens einmal zur Übermittlung überwachter Telekommunikation an die Strafverfolgungsbehörde genutzt worden ist (Nr. 104 Abs. 2 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F.).
18Diese Regelung war im Rahmen des Gesetzes zur Neuordnung der Entschädigung von Telekommunikationsunternehmen für die Heranziehung im Rahmen der Strafverfolgung (TKEntschNeuOG) auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses (BT-Drucksache 16/12120) mit Wirkung zum 1. Juli 2009 beschlossen worden, nachdem der Bundesrat Bedenken gegen die Höhe der Entschädigungen, die in dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vorgesehen waren (BT-Drucksache 16/7103), geäußert hatte. Zweck der Regelung ist die Eindämmung der von der Staatskasse zu tragenden Kosten.
19Nach Nr. 104 Abs. 2 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F. ist bei den Leitungskosten nicht auf das Bereitstellen von Datenleitungen abzustellen, sondern auf die tatsächliche Ausleitung von Daten.
20Dabei wird der vorausgesetzte Erfolg der „betreffenden Leitung“ zugeordnet. Aufgrund dieser spezifischen Zuordnung vermag der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts nicht der Auffassung zu folgen, wonach allein die Art des überwachten Anschlusses maßgeblich sein soll (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 2013, III-3 Ws 145/13, n.v.; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. Februar 2014, 1 Ws 121/13, n.v.; OLG Köln, Beschluss vom 19. Oktober 2015, III-2 Ws 411/15, bei juris).
21Anknüpfungspunkt für die Entschädigung der Leitungskosten ist nach der gesetzlichen Regelung gerade nicht die Art des überwachten Anschlusses, sondern die Art der „betreffenden Leitung“, die für die Ausleitung der Daten verwendet worden ist. Bei der Überwachung eines Mobilfunkanschlusses kann die Bereitstellung mehrerer Leitungen erforderlich sein. Die Entschädigung richtet sich dann einheitlich nach der höherwertigen Leitung, wenn auch über diese Leitung Daten ausgeleitet wurden und dieser Übermittlungsweg erforderlich war. Diese am Gebot der Wirtschaftlichkeit orientierte Bewertung, die dem Willen des Gesetzgebers entspricht, hat nunmehr in Abs. 3 der Vorbemerkung 1 zu Abschnitt 1 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG n.F. ausdrücklich Niederschlag gefunden.
22Wird - wie hier - ein Mobilfunkanschluss überwacht, mit dem sowohl das GSM-Netz für Sprachtelefonie und SMS als auch das Breitbandnetz (UMTS) mit Internetzugang genutzt werden können, genügt für die Ausleitung der Inhalts- und Verkehrsdaten aus dem GSM-Netz eine schmalbandige Datenleitung. Lediglich für die Ausleitung der Inhalts- und Verkehrsdaten, die im Breitbandnetz angefallen sind, ist eine breitbandige Datenleitung erforderlich.
23Vorliegend sind keine Inhalts- und Verkehrsdaten im Breitbandnetz angefallen. Der Netzbetreiber hat die breitbandige Datenleitung lediglich benutzt, um die im GSM-Netz generierten Verkehrsdaten auszuleiten. Technisch notwendig war dieser Übermittlungsweg bei den geringen Datenmengen nicht. Es entspricht nicht Sinn und Zweck des in Nr. 104 Abs. 2 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F. verankerten Erfolgsbezuges, eine solche Umlenkung mit der deutlich höheren Entschädigung nach Nr. 113 der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG a.F. zu honorieren.
24Abgesehen davon stellt die Übermittlung von Verkehrsdaten keine „Übermittlung überwachter Telekommunikation“ im Sinne dieser Regelung dar. Der erforderliche Erfolg bezieht sich auf die Übermittlung von Telekommunikationsinhalten. Die Verkehrsdaten (§ 96 TKG, § 7 TKÜV) werden bei der Telekommunikation automatisch erhoben und sind hiervon schon begrifflich zu unterscheiden (vgl. auch § 3 Nr. 22 und Nr. 30 TKG). Verkehrsdaten (Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse, Beginn und Ende Verbindung nach Datum und Uhrzeit, Angaben zum Standort bei nicht ortsgebundener Nutzung, Dienstmerkmale etc.) sind technische Informationen, die bei der Telekommunikation anfallen, und nicht der Telekommunikationsvorgang selbst.
25III.
26Nach § 4 Abs. 8 JVEG ist das Verfahren gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
27Der Beschluss ist unanfechtbar. Denn Beschwerdegericht wäre als nächsthöheres Gericht der Bundesgerichtshof (§ 4 Abs. 4 Satz 2 JVEG). An diesen findet eine Beschwerde jedoch nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
28Vorliegend handelt es sich nicht um einen der in § 304 Abs. 5 StPO bezeichneten Fälle, in denen gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters nach § 120 Abs. 3 Satz 2 GVG die Beschwerde zu einem Strafsenat des Oberlandesgerichts eröffnet ist.
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