Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 6/16
Tenor
I.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 21. Januar 2016 – VK 2 – 36/15 – aufgehoben.
II.
Dem Antragsgegner wird im Vergabeverfahren „Hilfstätigkeiten für den Eisenbahnverkehr“ (Bekanntmachungsnummer 2015/S129-237681) eine Zuschlagserteilung untersagt.
III.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt, der auch die der Antragstellerin in diesen Verfahren entstandenen Aufwendungen und außergerichtlichen Kosten zu tragen hat.
IV.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.
1
Gründe:
2I.
3Antragsgegner ist der A. (A.). Er ist der zuständige Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), der durch Verkehrsvertrag mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) mit der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im SPNV beauftragt ist.
4Nach Vorabinformation am 15. November 2014 und Durchführung einer Informationsveranstaltung am 29. Januar 2015 veröffentlichte der Antragsgegner am 8. Juli 2015 unter der Bekanntmachungsnummer 2015/S129-237681 unionsweit die Auftragsbekanntmachung „Deutschland-Unna: Hilfstätigkeiten für den Eisenbahnverkehr“ und bezeichnete den Auftrag als Vergabe von Vertriebsdienstleistungen im SPNV in der Zeit vom 01.08.2017 bis zum 31.12.2025. Gemäß Ziff. II.1.5) umfassen die zu erbringenden Dienstleistungen die Vertriebskanäle:
5Personenbedienter Verkauf (über ca. 25-35 Verkaufsstellen in eigener Verantwortung; ca. 8-9 Videoreisezentren und über ca. 68-75 Agenturen);
6- Fahrausweisautomaten (ca. 58-93) sowie Entwerter (ca. 57-93);
7- Abo-Vertrieb inkl. Elektronischem Ticket;
8- Mobile Ticket;
9- Online Shop.
10Eine Aufteilung in Lose war nicht vorgesehen. Die Verfahrensart war unter Ziff. IV.1.1) mit Verhandlungsverfahren angegeben.
11Die Antragstellerin rief am 14. Juli 2015 die Vergabeunterlagen zum Teilnahmewettbewerb ab. Am 21. Juli 2015 versandte der Antragsgegner eine korrigierte Kurzbeschreibung, in der er bezüglich der Vergabeart mitteilte, dass das Vergabeverfahren als freihändiges Vergabeverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach dem 1. Abschnitt der VOL/A in Anlehnung an ein Verhandlungsverfahren durchgeführt werde. Eine entsprechende Ergänzungsbekanntmachung erfolgte unter dem 25. Juli 2015.
12Die Antragstellerin beteiligte sich mit fristgerechtem Teilnahmeantrag an der Ausschreibung, wurde mit Schreiben vom 18. September 2015 zur Abgabe eines indikativen Angebots aufgefordert und erhielt Zugang zu den Vergabeunterlagen.
13Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Oktober 2015 rügte die Antragstellerin mehrere Vergaberechtsverstöße. Sie beanstandete unter anderem die gewählte Verfahrensart, das Bewertungskonzept, die unterbliebene Aufteilung in Lose und die im Vertriebsdienstleistungsvertrag in § 11 vorgesehene Leistungsänderungsklausel.
14Der Antragsgegner half der Rüge nicht ab, so dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. November 2015 Nachprüfung bei der zuständigen Vergabekammer beantragte.
15Mit Beschluss vom 21. Januar 2016 hat die Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster den Nachprüfungsantrag hinsichtlich der gerügten Verfahrenswahl als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
16Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde und beantragt,
17- 18
1. den Beschluss der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 21. Januar 2016 – Az. VK2 – 36/15 – aufzuheben.
- 20
2. geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern.
Der Antragsgegner beantragt,
22die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
23II.
24Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Ihr Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
25A.
26Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
271.
28Der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags steht nicht entgegen, dass es sich bei der zu vergebenden Leistung um eine Hilfstätigkeit für Eisenbahnleistungen nach Anhang I. Teil B, Kategorie 20, VgV handelt, weil die ausgeschriebenen Vertriebsdienstleistungen im SPNV zum Verkauf der Fahrkarten in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verkehrsleistungen stehen. Auch die Vergabe solcher nachrangiger Dienstleistungen unterliegt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer Nachprüfung nach den Vorschriften des 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Für die Zulässigkeit des Vergabenachprüfungsverfahrens ist allein entscheidend, dass von einem öffentlichen Auftraggeber (hier gemäß § 98 Nr. 3 GWB) ein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 99 GWB (hier ein Dienstleistungsauftrag nach § 99 Abs. 4 GWB) vergeben werden soll, der den nach § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 9 VgV maßgeblichen Auftragsschwellenwert erreicht oder überschreitet. Unerheblich ist, ob die Auftragsvergabe „lediglich“ eine nichtprioritäre Dienstleistung betrifft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Januar 2012, VII-Verg 70/11, NZBau 2012, 318 m.w.Nachw.).
292.
30Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Dies gilt für sämtliche von ihr gerügten Vergaberechtsfehler.
31a.
32Die Antragstellerin hat ein Interesse an dem zu vergebenden Auftrag. Sie hat sich an dem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb durch Abgabe eines Teilnahmeantrags beteiligt.
33b.
34Auch die weitere Voraussetzung des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB ist erfüllt. Die Antragstellerin hat die Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht.
35Insoweit reicht es aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint. Aus Gründen des effektiven Rechtschutzes, der im Anwendungsbereich des § 100 Abs. 1 GWB durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ermöglicht werden soll, kann die Antragsbefugnis nämlich nur einem Unternehmen fehlen, bei dem offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt (BGHZ 183, 95 ff. Rn. 27 – Endoskopiesysteme).
36Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht, das von dem Antragsgegner gewählte Verfahren der freihändigen Vergabe nach vorangegangenem Teilnahmewettbewerb sei vergaberechtswidrig. Weitere Vergaberechtsfehler sah sie in der Bewertung der Konzepte nach Schulnoten, der Vergabe als Gesamtlos, obwohl der standortabhängige und der standortunabhängige Vertrieb getrennt nach Losen vergeben werden könne, und in der in § 11 des Vertriebsvertrags vorgesehenen Vertragsanpassungsklausel. Damit hat die Antragstellerin Umstände vorgetragen, die – wenn sie zutreffen – ergeben, dass die Antragsgegnerin Bestimmungen über das Vergabeverfahren missachtet hat.
37c.
38Die Antragstellerin hat gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB dargelegt, dass ihr durch die geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.
39Für die Darlegung eines drohenden Schadens genügt, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen (neuerlichen) Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten. Ein Schaden droht bereits dann, wenn die Aussichten dieses Bieter auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein könnten. Hiernach reicht allein die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung der Vergabevorschriften aus (BGHZ 183, 95, Rn. 32 – Endoskopiesysteme).
40Eine solche Verschlechterung kommt vorliegend in Betracht, weil das eingeleitete Vergabeverfahren ursächlich aufgrund der behaupteten Rechtsverletzung nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung oder zumindest eine (teilweise) Rückversetzung des Vergabeverfahrens in Frage kommt.
41Der Antragsgegner hat nach dem Vorbringen der Antragstellerin mit der freihändigen Vergabe nach vorangegangenem Teilnahmewettbewerb die falsche Verfahrensart gewählt und unter Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB eine Aufteilung in Lose unterlassen. In beiden Fällen käme bei fortbestehender Beschaffungsabsicht eine Neuausschreibung in Betracht. Soweit die Antragstellerin von einer intransparenten Wertungsmatrix für die Bewertung der Konzepte ausgeht und die Vertragsanpassungsklausel in § 11 des abzuschließenden Dienstleistungsvertrags als vergaberechtswidrig beanstandet, dürfte der Antragsgegner keinen Zuschlag erteilen, ohne dass er zuvor den behaupteten Rechtsverstoß beseitigt und das Verfahren teilweise wiederholt hat.
423.
43Der Nachprüfungsantrag ist nicht – auch nicht teilweise - gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB unzulässig. Die Antragstellerin ist weder mit dem Vorwurf der falschen Verfahrensart noch der als vergaberechtwidrig beanstandeten Gesamtlosvergabe präkludiert. Die mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Oktober 2015 geltend gemachten Vergabeverstöße sind rechtzeitig gerügt worden.
44Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
45Dabei ist die Erkennbarkeit auf die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen und auf deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß zu beziehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011 - VII-Verg 16/11 - juris Rn. 44, VergabeR 2011, 868; OLG Celle VergabeR 2011, 669, 672).
46a.
47Die Tatsachen, die den behaupteten Rechtsverstößen zu Grunde liegen, waren in der Auftragsbekanntmachung vom 8. Juli 2015 und der Änderungsbekanntmachung vom 25. Juli 2015 erkennbar. In der Auftragsbekanntmachung heißt es in Abschnitt II 1.8) Lose: „Aufteilung des Auftrags in Lose: nein“. In welchem Verfahren der Antragsgegner die ausgeschriebenen Vertriebsdienstleistungen vergeben wollte, ergab sich aus der Änderungsbekanntmachung vom 25. Juli 2015. Dort hat er seine ursprüngliche Bekanntgabe, den Auftrag im Verhandlungsverfahren zu vergeben, dahin korrigiert, dass ein „freihändiges Vergabeverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb“ durchgeführt wird.
48b.
49Aufgrund der Angaben in der Bekanntmachung und der Änderungsbekanntmachung war indes nicht erkennbar, dass das gewählten Verfahren und die Gesamtlosvergabe als Vergaberechtsfehler zu bewerten sind.
50Für die Frage der Erkennbarkeit ist mit Rücksicht auf die Zielsetzung des Gesetzes, effektiven Bieterschutz zu gewähren und diesen nicht einzuschränken, ein objektiver Maßstab anzulegen. Hiernach ist auf einen durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter abzustellen (EuGH, Urteil v. 12.03.2015, Rs. C-538/13, Rn. 55, 58). Für die Erkennbarkeit ist danach erforderlich, dass ein sorgfältig handelndes Unternehmen, das mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, den Vergabeverstoß erkennen kann, ohne besonderen Rechtsrat einzuholen zu müssen (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 21. Dezember 2012 – 15 Verg 10/12 –, juris Rn. 67; Reidt/Stickler/Glahs-Reidt, a.a.O., Rn. 58). Eine Rügepräklusion kommt daher nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 4. Februar 2013 – VII-Verg 31/12, juris Rn. 39; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2011 - VII-Verg 16/11 - juris Rn. 44). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auffallen muss. Von einem Bieter ist dabei zwar zu erwarten, dass er einen Vergaberechtsverstoß erkennt, der sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne Weiteres feststellen lässt; eine umfassende Kenntnis der dem Verfahren zugrunde liegenden Vergabeordnung ist von den Teilnehmern eines Vergabeverfahrens aber richtigerweise nicht zu erwarten. Insbesondere muss ein Bieter nach zutreffender Auffassung nicht die Literatur oder vergaberechtliche Rechtsprechung zu den Vergabeordnungen und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kennen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15. Juli 2008 - 11 Verg 4/08 - juris Rn. 50 ff., und Beschluss vom 10.Juni 2008 - 11 Verg 3/08 - juris Rn. 50 ff.), die Vergabeunterlagen gewissermaßen routinemäßig auf etwaige Rechtsverstöße überprüfen oder sie durch Einholung externen Rechtsrats auf das Vorliegen von Vergabefehlern prüfen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - VII-Verg 35/06 - juris Rn. 28). Er muss weder Nachforschungen noch Prüfungen anstellen, um sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Kenntnis von einem Rechtsverstoß zu verschaffen (OLG München, Beschluss vom 23. Juni 2009 - Verg 8/09 - juris Rn. 38; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2005 - Verg 74/04 - juris Rn. 46). Erkennbar in rechtlicher Hinsicht sind Vergaberechtsverstöße, wenn die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wurde, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (OLG München NZBau 2016, 98-100, juris Rn. 43).
51Ausgehend von diesen Grundsätzen musste hier ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet, aufgrund der Angaben in der Auftragsbekanntmachung und ihrer Ergänzung nicht erkennen, dass das gewählte Verfahren und die Vergabe als Gesamtlos vergaberechtswidrig sind.
52aa.
53Zwar weiß ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, dass nach § 101 Abs. 7 GWB und gemäß § 127 GWB in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen der VOL/A der öffentliche Auftraggeber in der Regel das offene Verfahren anzuwenden hat und die anderen Verfahrensarten wie insbesondere das Verhandlungsverfahren oder die freihändige Vergabe nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommen. Die Auftragsbekanntmachung enthält keine Angaben dazu, auf welchen Ausnahmetatbestand sich der Antragsgegner zur Begründung der gewählten freihändigen Vergabe nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb berufen hat. Schon aus diesem Grund war nicht auf erste Sicht zu erkennen, ob mit der freihändigen Vergabe ein falsches Verfahren gewählt worden war. Nichts anderes ergibt sich, wenn die hier von dem Antragsgegner für einschlägig gehaltene Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 5 h) VOL/A bekannt gegeben worden wäre. Hiernach ist eine freihändige Vergabe zulässig, wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können. Anhand der kurzen Beschreibung des Auftrags unter II. 1. 5) der Auftragsbekanntmachung war nicht auf erste Sicht erkennbar, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dort sind lediglich schlagwortartig die fünf verschiedenen Vertriebswege (personenbedienter Verkauf, Fahrausweisautomaten, Abo-Vertrieb, Mobile Ticket und Online-Shop) aufgeführt. Um beurteilen zu können, ob die zu vergebenden Vertriebsdienstleistungen nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können, sind jedoch detailliertere Kenntnisse über den zu vergebenden Auftrag erforderlich, so wie sie sich aus der Leistungsbeschreibung in den Vergabeunterlagen und unter Umständen auch aus dem Vergabevermerk des Antragsgegners ergeben.
54bb.
55Ein durchschnittlich fachkundiger Bieter kennt das in § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB enthaltene Gebot zur losweisen Vergabe. Jedoch dürfen nach Satz 3 der genannten Vorschrift mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Aufgrund der Auftragsbekanntmachung war für den durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht offensichtlich, dass anzuerkennende wirtschaftliche oder technische Gründe nicht vorlagen. Aus der Auftragsbekanntmachung ergaben sich technische Einzelheiten der nachgefragten Leistungen nicht. Aufschluss hierüber ergaben erst die Angaben im Leistungsverzeichnis und im Hinblick auf etwaige wirtschaftliche Gründe die Ausführungen des Antragsgegners im Vergabevermerk. Überdies ist die Frage, ob ausnahmsweise eine gemeinsame Vergabe mehrerer Lose zulässig ist, nicht einfach zu beantworten und dürfte bei lebensnaher und realistischer Betrachtung die Kognitionsmöglichkeiten der Bieter überschätzen.
56B.
57Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
581.
59Vergaberechtlich nicht zu bestanden ist, dass der Antragsgegner die ausgeschriebenen Vertriebsdienstleistungen nicht, so wie von der Antragstellerin gefordert, in zwei Fachlose (stationärer Fahrkartenvertrieb und onlinebasierter Vertrieb) unterteilt hat. Ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB, § 2 Abs. 2 VOL/A liegt nicht vor.
60a.
61Im Ansatz steht es jeder Vergabestelle frei, die auszuschreibende Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser – den autonom bestimmten Zwecken entsprechenden – Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen. Sie befindet deshalb grundsätzlich allein darüber, welchen Umfang die zu vergebende Leistung im Einzelnen haben soll und ob ggf. mehrere Leistungsuntereinheiten gebildet werden, die gesondert zu vergeben und vertraglich abzuwickeln sind. Allerdings bestimmt § 97 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB ausdrücklich, dass bei der Vergabe mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen sind. Eine Fachlosvergabe hat im Sinne eines an den öffentlichen Auftraggeber gerichteten bieterschützenden und justiziablen vergaberechtlichen Gebots die Regel zu sein. Eine Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe darf nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen stattfinden. Kommt eine Ausnahme aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen in Betracht, hat sich der Auftraggeber in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und dagegen sprechenden Gründen auseinanderzusetzen. Im Rahmen der dem Auftraggeber obliegenden Entscheidung bedarf es einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Düsseldorf, NZBau 2011, 369, juris Rn. 20;OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.11.2009, VII-Verg 27/09, juris Rn. 52). Kann die benötigte Leistung auch in Form einer Losvergabe erbracht werden, ist zu prüfen, ob von einer losweisen Vergabe ausnahmsweise abgesehen werden kann, etwa weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (OLG Brandenburg NZBau 2009, 337, 340; Thüringer OLG NZBau 2007, 730, juris Rn.20).
62aa.
63Die Antragstellerin beanstandet, dass der ausgeschriebenen Fahrkartenvertrieb nicht in zwei Fachlose und zwar in den standortgebundenen Verkauf und den onlinebasierten Verkauf unterteilt worden ist.
64Der Fahrkartenvertrieb über stationäre personenbediente Verkaufsstellen (Ziff. 4.1 der Leistungsbeschreibung) kann im Gegensatz zu dem Vertrieb über Fahrkartenautomaten, e-Ticket, Online-Shop und Mobile Ticketing (Ziff. 4.2 bis 4.10 der Leistungsbeschreibung) als Teil der insgesamt nachgefragten Leistung als Fachlos angesehen werden. Ob ein Teilausschnitt einer Tätigkeit als Fachlos aufzufassen ist, bestimmt sich zunächst nach den gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemein oder regional üblichen Abgrenzung. Dabei ist auch von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten ein eigener Markt herausgebildet hat (OLG Düsseldorf NZBau 2011, 369 juris Rn. 24 m.w.Nachw.). Die Antragstellerin hat - vom Antragsgegner unwidersprochen - vorgetragen, dass zumindest der stationäre und der onlinebasierte Vertrieb einen jeweils eigenen Markt darstellen (Bl. 25 GA). Zutreffend führt die Antragstellerin aus, dass es sich bei dem e-Ticketing, Onlineshop und Mobile-Ticketing um klassische IT-Leistungen handelt, die von IT-Unternehmen angeboten werden. Der Fahrkartenvertrieb in stationären Verkaufsstellen wird zwar auch unter Verwendung von Computersoft- und hardware durchgeführt, allerdings durch speziell geschultes Personal vor Ort innerhalb vorgegebener Öffnungszeiten mit entsprechender Beratung.
65bb.
66Der Antragsgegner war zu einer entsprechenden Fachlosvergabe aber nicht verpflichtet.
67Mehrere Lose dürfen ausnahmsweise zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (§ 97 Abs. 3 Satz 2 GWB). Der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für eine Gesamtvergabe hat eine umfassende Interessenabwägung voranzugehen, die zu dem Ergebnis führt, dass bei einer vertretbaren Würdigung die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe überwiegen. Anerkennenswerte Gründe sind dabei jedoch nicht die Nachteile, die vom Gesetzgeber als typische Folgen einer Aufteilung bewusst in Kauf genommen worden sind, wie etwa der mit einer Fachlosvergabe typischerweise verbundene Mehraufwand (OLG Koblenz NZBau 2012, 324; OLG Koblenz NZBau 2012, 598 juris Rn. 20).
68Bei der Entscheidung hat der Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative, von der gedeckt ist, wenn er aus vertretbar überwiegenden Gründen eine Gesamtvergabe wählt. Die Entscheidung des Auftraggebers unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Sie ist von den Nachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und namentlich nicht auf Willkür, beruht. Dabei ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen auch zu beachten, dass das Vergaberecht nicht nur Bieterrechte eröffnet, sondern auch eine wirtschaftliche und den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen entsprechende Leistungsbeschaffung gewährleisten soll (OLG Düsseldorf Beschluss v. 25.11.2009, VII-Verg 27/09, juris Rn. 55).
69Der Antragsgegner hat hier den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum in vertretbarer Weise dahingehend ausgeübt, dass die Interessenabwägung zu einem Überwiegen technischer Gründe führt, die einer Unterteilung der zu beschaffenden Vertriebsdienstleistungen entgegenstehen.
70Unter technischen Gründen sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (OLG Koblenz NZBau 2012, 598, 599). Dabei sind technische Gründe alle Aspekte, die zu einem in Anbetracht des vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsprofils in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Dies kann auch bei komplexen, miteinander verflochtenen Dienstleistungen der Fall sein (OLG Jena VergabeR 2007, 677, 680). Wie sich aus dem Vergabevermerk (dort Seite 7) ergibt, war für den Antragsgegner von übergeordneter Bedeutung, dass die Vertriebswege exakt aufeinander abgestimmt sind und unmittelbar ineinandergreifen, ohne dass es zu störungsanfälligen Kompatibilitätsproblemen und einer Vielzahl von Schnittstellen kommt. Neben einer reibungslosen Zusammenarbeit der einzelnen Vertriebswege war es das erklärte Ziel des Antragsgegners, eine Qualitätsverbesserung durch einen kundenfreundlichen Vertrieb zu gewährleisten. In technischer Hinsicht ging es darum, die Schnittstellen so gering wie möglich zu halten und durch Einsatz eines Vertriebshintergrundsystems, auf das die einzelnen Vertriebswege zugreifen können, ein einheitliches System aufbauen und pflegen zu können. Dieses Ziel war mit einer „Leistung aus einer Hand“ zu erreichen, zumal das Vertriebssystem in der Zukunft, gerade was die online basierten Vertriebswege anbelangt, weiter ausgebaut und perfektioniert werden sollte. Die von dem Antragsgegner aufgezeigten Alternativszenarien bei einer losweisen Vergabe konnten die angestrebten Ziele nicht gleichermaßen gut erreichen. Wie der Antragsgegner im Vergabevermerk (dort S. 8) weiter ausführt, würde eine Lostaufteilung nach Vertriebswegen dazu führen, dass jeder Auftragnehmer sein eigenes, auf den von ihm zu betreuenden Vertriebsweg zugeschnittenes Betriebssystem installiert. Diese Vertriebssysteme müssten wegen des erforderlichen Datenaustauschs (z.B. Fahrkartenpreise, Tarife, Fahrpläne pp.) zu einer funktionierenden und kontrollierbaren Einheit zusammengeführt werden. Je mehr Leistungserbringer jedoch verschiedene (Teil)Systeme installieren, desto mehr Schnittstellen müssen eingerichtet werden. Je mehr Schnittstellen es gibt, umso mehr potentielle Fehlerquellen und Gefahren von Funktionsbeeinträchtigungen entstehen. Als Alternative kommt zwar das Einrichten eines übergeordneten Systems in Betracht, in dem alle Daten aus den einzelnen Systemen zusammengeführt werden und an das sich die einzelnen Dienstleister anzubinden haben. Der Antragsgegner kann nach eigenen Angaben ein solches übergeordnetes System mangels der erforderlichen Kenntnis jedoch nicht selbst betreiben. Er müsste daher, um den Vertriebsdienstleistern die Schnittstellen exakt vorgeben und beschreiben zu können, vor der Vergabe der Vertriebsdienstleistungen die Errichtung und den Betrieb einer übergeordneten Systems ausschreiben.
71Ob auch die von dem Antragsgegner in die Abwägung eingestellten wirtschaftlichen Gründe (Synergieeffekte und damit verbundene Kostenersparnisse im Zusammenhang mit der Verwaltung der Daten und der Abwicklung der Vertriebsdienstleistungen, Vergabevermerk Seite 8) eine Gesamtvergabe rechtfertigen, bedarf nach alledem keiner Entscheidung.
722.
73Vergaberechtswidrig ist indes das gewählte Verfahren der freihändigen Vergabe nach vorgeschaltetem Teilnehmerwettbewerb. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 h) VOL/A, wonach ausnahmsweise eine freihändige Vergabe gestattet ist, sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsgegner hat den Vorrang des Offenen Verfahrens (§ 101 Abs. 2 und 5 GWB) vor der freihändigen Vergabe missachtet.
74a.
75Anzuwenden auf die Vergabe des hier in Rede stehenden Vertriebsdienstleistungsauftrags sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV neben § 8 VOL/A EG, § 15 Abs. 10 VOL/A EG und § 23 VOL/A EG die Bestimmungen des ersten Abschnitts der VOL/A mit Ausnahme von § 7 VOL/A. Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei der Vertriebsdienstleistung um eine nachrangige Dienstleistung gemäß Anl. 1 Teil B, Kategorie, 20 VgV.
76b.
77Nach den einschlägigen Vorschriften der VOL/A hat die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Grundsatz in öffentlicher Ausschreibung zu erfolgen (§ 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 VOL/A). Ein freihändige Vergabe ist gemäß § 3 Abs. 5 h) VOL/A nur dann zulässig, wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können. Die ausgeschriebene Leistung, im SPNV-Gebiet des Antragsgegners über stationäre Vertriebswege (personenbedienter Verkauf in Kundenzentren, Verkaufsstellen, Videoreisezentren und Vertriebsagenturen sowie Fahrausweisautomaten und Entwerter) und standortunabhängige Vertriebswege (Abo-Vertrieb, Mobile Ticket und Online-Shop) Fahrscheine zu verkaufen, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners ist die genannte Leistung eindeutig und erschöpfend jedenfalls funktional gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOL/A EG zu beschreiben.
78Die Frage, ob ein Auftraggeber eine Leistung im Sinne der genannten vergaberechtlichen Vorschriften vorab eindeutig und erschöpfend beschreiben kann, ist unter Berücksichtigung des Grundkonzepts der verschiedenen Vergabearten zu beantworten. Beim offenen oder nichtoffenen Verfahren erstellt der Auftraggeber eine umfassende und detaillierte Leistungsbeschreibung. Er gibt nicht nur vor, welche Aufgabe gestellt wird, sondern er legt auch die von ihm gewünschte Lösung in den wesentlichen Punkten fest. Aufgrund dessen können alle Bewerber (grundsätzlich ohne Rücksprache mit der Vergabestelle) ihre Preise kalkulieren und für die gewünschte Leistung Angebote einreichen, die problemlos miteinander vergleichbar sind. Der Auftraggeber erteilt sodann – ebenfalls grundsätzlich ohne weitere Verhandlung oder Rücksprache – nach den von ihm festgelegten Kriterien den Zuschlag auf das günstigste Angebot. Anders ist es hingegen, wenn der Auftraggeber lediglich Zielvorstellungen und einen Leistungsrahmen vorgibt, die konkrete, detaillierte Aufgabenlösung hingegen der Auftragnehmer zu erarbeiten hat. In diesem Fall wird eine noch nicht existierende Lösung für die gestellte Aufgabe gesucht und der Auftraggeber benötigt gerade das gestalterisch-schöpferische Potential des Auftragnehmers zur Ausarbeitung der optimalen Lösung. In einem solchen Fall ist die Leistung vorab nicht mehr hinreichend erschöpfend beschreibbar (OLG Düsseldorf NZBau 2011, 765, 766 m.w.Nachw.; OLG München NZBau 2007, 59, 61, juris Rn. 52). Hinreichend präzise Vorgaben für eine Leistungsbeschreibung könnte der Auftraggeber nur dann machen, wenn er dem Ergebnis möglicher geistig schöpferischer Gestaltung vorgreift und selbst die Lösung vorgibt. Hierzu ist er aber nicht verpflichtet.
79Im Sinne der Abgrenzung beschreibbarer und nicht beschreibbarer Leistungen ist somit im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wie groß der schöpferische, gestalterische und konstruktive Freiraum des potentiellen Auftragnehmers zur Ausfüllung der vom Auftraggeber bereits festgelegten Rahmenbedingungen und gesteckten Zielvorgaben ist. Jedoch hat der Auftraggeber bei der Frage, ob eine Aufgabenlösung eindeutig beschreibbar ist, keinen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens objektiv entweder gegeben ist oder nicht (OLG Düsseldorf NZBau 2011, 765, 766).
80Ausgehend von diesen Grundsätzen war die von den Bietern zu lösende Aufgabe, Fahrkartenvertriebsdienstleistungen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners als SPNV-Aufgabenträger zu erbringen, eindeutig und erschöpfend beschreibbar im Sinne von § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 2 VOL/A EG. Die von dem Antragsgegner vorgetragenen tatsächlichen Umstände, die seiner Meinung nach keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung auch nicht Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen zulassen, rechtfertigen eine freihändige Vergabe nicht.
81Dies gilt ohne weiteres, soweit der Antragsgegner im Vergabevermerk ausgeführt hat, aufgrund der Leistungsvielfältigkeit und der Verzahnung der verschiedenen Leistungsinhalte sei eine konkrete Beschreibung nicht möglich, weil es sich um ein komplexes, flächendeckendes Vertriebssystem mit 9 verschiedenen IT-basierten Vertriebskomponenten handele, das ein Gebiet von 19.416 km² umfasse. Allein die Tatsache, dass sich die zu vergebende Dienstleistung aus vielen einzelnen Komponenten zusammensetzt und in einem größeren räumlichen Gebiet zu erbringen ist, spricht für sich genommen nicht gegen eine hinreichend erschöpfende Beschreibbarkeit der Leistung. Vielmehr muss in solchen Fällen der erforderliche zeitliche und personelle Aufwand betrieben werden, um die Leistung zu beschreiben.
82Anders als der Antragsgegner meint, sind die von den Bietern im Rahmen der Angebotserarbeitung zu erstellenden Konzepte zur Herangehensweise und zur Umsetzung der erwarteten Leistung nicht als hoch qualifizierte und schöpferisch-gestaltende Leistung einzustufen, die einer Leistungsbeschreibung entgegenstehen.
83Dies gilt sowohl für die konkrete Abstimmung der verschiedenen Vertriebskanäle untereinander, als auch für die Konzeptionierungsleistung innerhalb des jeweiligen Vertriebskanals.
84Die von dem Antragsgegner nachgefragten stationären und nicht standortgebundenen Vertriebswege sollen nach Ziff. 4.10 der Leistungsbeschreibung durch ein übergeordnetes Vertriebshintergrundsystem (VHGS) miteinander verbunden werden. Dies bedeutet, dass alle neun jeweils IT-basierten Vertriebskanäle durch Schnittstellen an ein zentrales Hintergrundsystem angeschlossen werden. Dass ein solches IT-basiertes Vertriebshintergrundsystem mit entsprechenden Funktionen bisher im Markt nicht existent war und auch ein Rückgriff auf gängige Grundkomponenten, auf die aufgesattelt werden konnte, ausgeschlossen war, ergibt sich aus dem Vortrag des Antragsgegners nicht. Kann aber schon nicht davon ausgegangen werden, dass das in Rede stehende Hintergrundsystem und eine Anbindung der übrigen Systeme über Schnittstellen völlig neu entwickelt werden musste, bestehen keine Anhaltspunkte für die Nachfrage nach einer hochqualifizierte und geistig schöpferische Leistung.
85Auch die von den Bietern nachgefragte Konzeptionierungsleistung innerhalb des jeweiligen Vertriebskanals begründet die Annahme einer anspruchsvollen geistig schöpferischen Leistung nicht. Zwar sind den Bietern innerhalb der standortbasierten Vertriebskanäle Freiräume eingeräumt, was insbesondere die konkrete Lage, Größe und Ausstattung der Verkaufsstellen anbelangt. Allerdings sind die Freiräume zum einen sehr gering, weil der Antragsgegner detaillierte Vorgaben zu den einzelnen Punkten in der Leistungsbeschreibung gemacht hat, wie etwa bezüglich der Mindestentfernung vom Bahnhof, die Mindestmitarbeiterzahl etc.. Zum anderen kann das Ausfüllen dieser Spielräume nicht als anspruchsvolle und geistig schöpferische Leistung im oben genannten Sinne angesehen werden. Überdies war, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, in der Vergangenheit bereits mehrmals der personenbediente Verkauf und das Bereitstellen von Fahrausweisautomaten und -entwertern Gegenstand offener Ausschreibungen. Auch dies spricht dafür, dass diese Vertriebsleistungen vollständig und erschöpfend beschreibbar sind. Dass diese Vertriebsdienstleistungen nur als Annex zusammen mit den Verkehrsdienstleistungen ausgeschrieben worden waren, ändert daran nichts.
86Der Annahme einer eindeutig und erschöpfend beschreibbaren Leistung steht ferner nicht entgegen, dass die Bieter ein Konzept für die technische Umsetzung der neuen, nicht standortbasierten Vertriebskanäle zu entwickeln haben. Der hierdurch eingeräumte schöpferische, gestalterische und konstruktive Freiraum ist nicht so groß, dass von einer nicht beschreibbaren Leistung auszugehen ist. Beim Vertrieb von Fahrkarten über einen online-Shop oder als e-Ticket und in Form des sog. Mobile Ticketing (Fahrscheinvertrieb per Smartphone) handelt es sich im Gegensatz zum standortbasierten Vertrieb um relativ neuartige Vertriebsschienen, die allerdings schon im Flugreiseverkehr und im Eisenbahnverkehr der Deutschen Bahn praktiziert werden. Gleichwohl kann von einer marktgängigen Leistung im EDV-Bereich, die mit verkehrsübliche Bezeichnungen beschrieben werden kann, wohl nicht ausgegangen werden. Die Leistung kann aber funktional beschrieben werden. Im Gegensatz zu einer Ausschreibung mit konstruktiver Leistungsbeschreibung ist eine funktionale Ausschreibung dadurch gekennzeichnet, dass der Auftraggeber bestimmte Planungsaufgaben, aber auch Risiken auf den Bieter verlagert. Typischerweise kombiniert die funktionale Leistungsbeschreibung einen Wettbewerb, der eine Konzeptionierung und Planung der Leistung zum Gegenstand hat, mit der Vergabe der Leistung als solcher und unterscheidet sich dadurch vom reinen Wettbewerb um einen klar umrissenen und beschriebenen Auftrag. Dass die Bieter dabei, und zwar unter anderem bei der Konzeptionierung und Planung der Leistung, Aufgaben übernehmen sollen, die an sich dem Auftraggeber obliegen, lässt die funktionale Ausschreibung nicht per se unzulässig werden. Deren Wesen liegt nämlich gerade darin, dass der Auftraggeber im Planungsbereich auf Bieterseite vorhandenes Know-how abschöpfen will und dies grundsätzlich auch tun darf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2013, VII-Verg 22/13, VergabeR 2014, 401-407 Juris Rn. 24). Die funktionale Beschreibung ist somit zulässig, wenn sich die zu beschaffenden Leistungen einer hinreichenden Beschreibung entziehen, die Abgabe vergleichbarer Angebote durch die Festlegung der wesentlichen Einzelheiten der Leistungen aber sichergestellt ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2010, VII Verg 35/10). Gerade bei der Beschaffung größerer IT-Objekte kommt die funktionale Beschreibung in Betracht, wenn die Vergabestelle nicht in der Lage ist, die IT-Leistungen technisch näher zu beschreiben, aber eine Übersicht der gewünschten Funktionen vorgeben kann (Bernhardt in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 7 VOL/A Rn. 9). Eine solche Situation liegt hier vor. Dem Antragsgegner ist es möglich, die jeweiligen Funktionen, die der Fahrkartenvertrieb über einen online-Shop oder als e-Ticket und in Form des sog. Mobile Ticketing (Fahrscheinvertrieb per Smartphone) haben soll, so zu beschreiben, dass vergleichbare Angebote abgegeben werden können. In Ziff. 4.6, 4.7 und 4.8 der Leistungsbeschreibung sind mehrere Funktionen beschrieben, die der jeweilige Vertriebsweg erfüllen muss. Irgendwelche tatsächlichen Umstände, die einer funktionalen Leistungsbeschreibung entgegenstehen könnten, hat der Antragsgegner weder geltend gemacht, noch sind sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich.
87Nichts anderes ergibt sich aus einer etwaigen Vorwirkung von Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU und den Erwägungsgründe (42) und (43). Auch danach ist ein Verhandlungsverfahren nur dann zulässig, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden oder die Aufträge konzeptionelle oder innovative Lösungen erfassen. Den Erwägungsgründen sind Beispiele zu entnehmen, wann diese Voraussetzungen erfüllt sein können. Dort erwähnt sind innovative Projekte, große Computer-Netzwerke oder große integrierte Verkehrsinfrastrukturprojekte. Ferner werden Großprojekte der Informations- und Kommunikationstechnologie angesprochen. Wie aber bereits oben ausgeführt hat der verfahrensgegenständlich Vertriebsdienstleistungsauftrag eine solche Qualität nicht.
88Die fehlerhafte Verfahrenswahl des Antragsgegners hat die Antragstellerin auch in ihren Bieterchancen nachteilig berührt, so dass das Vergabeverfahren aufzuheben ist.
89Nach der Rechtsprechung des Senats können Anordnungen nach § 114 Abs. 1 GWB nur erfolgen, wenn nicht auszuschließen ist, dass der betreffende Vergaberechtsverstoß die Bieterchancen des Antragstellers tatsächlich, mindestens nicht ausschließbar, beeinträchtigt hat (OLG Düsseldorf NZBau 2012, 50-56, VII Verg 20/11; vgl. auch Herrmann, VergabeR 2011, 2 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2011 - VII-Verg 25/11). Dies ist vorliegend der Fall. Das freihändige Vergabe unterscheidet sich grundsätzlich von dem offenen Verfahren. Im offenen Verfahren darf der öffentliche Auftraggeber den Auftrag nur gemäß dem Inhalt eines der innerhalb der Angebotsfrist abgegebenen Gebote erteilen. Bei der freihändigen Vergabe ist indes jede Art von Verhandlungen mit den Bietern zulässig (Kulartz in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 3 Rn. 52). Wird die freihändige Vergabe – so wie hier – zu Unrecht gewählt, ist deshalb jeder Bieter, der zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wird, der ansonsten nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden.
903.
91Die Beschwerde hat überdies mit dem Angriff gegen das der Ausschreibung zugrunde gelegte Bewertungssystem Erfolg.
92Die Antragsgegnerin hat in Ziff. 9 der Bewerbungsbedingungen ausgeführt:
93Zuschlagskriterium und Wertung der Angebote
94(…)
95Die Bewertung der verbindlichen Angebote erfolgt nach einem Punktesystem. Dabei können maximal 1.000 Punkte erreicht werden, wobei nur volle Punkte vergeben werden. Das aus Sicht der Vergabestelle wirtschaftlichste Angebot ist das mit der im Angebotsvergleich höchsten erreichten Gesamtpunktzahl.
96Die Bewertung der Angebot erfolgt in den einzelnen Kriterien wie nachfolgend dargelegt:
971. Vergütungsangebot, max. 700 Punkt
982. Umsetzungskonzept personenbedienter Verkauf, max. 100 Punkte
993. Umsetzungskonzept online-basierter Vertrieb, max. 100 Punkte
1004. Insolvenzsicherungskonzept, max. 100 Punkte
101(1) Vergütungsangebot
102(….)
103(2) Konzepte
104Die Kriterien Umsetzungskonzept personenbedienter Verkauf, Umsetzungskonzept online-basierter Vertrieb und Insolvenzsicherungskonzept werden auf der Grundlage des schriftlich eingereichten Konzepts sowie der Präsentation und Erläuterungen der Bieter hierzu im Verhandlungsgespräch bewertet. Jedes Konzept geht mit jeweils einem Anteil von 10 Prozentpunkten aller Bewertungskriterien in den Angebotsvergleich ein. Entsprechend können für jedes Konzept maximal 100 Punkte erreicht werden.
105Bewertungsmaßstab für die Konzepte (Kriterien 2 bis 4) bildet ein Notensystem von sehr gut bis mangelhaft. Den Noten werden folgende Punkte zugeordnet:
106sehr gut 100 Punkte
107gut 75 Punkte
108befriedigend 50 Punkte
109ausreichend 25 Punkte
110mangelhaft 0 Punkte
111Die Notenvergabe richtet sich nach folgender Vorgabe:
112Sehr gut: Das Konzept ist von außerordentlich hoher Qualität und überzeugt in besonderem Maße.
113Gut: das Konzept überzeugt uneingeschränkt.
114Befriedigend: Das Konzept überzeug überwiegend, weist aber kleiner Schwächen auf.
115Ausreichend: Das Konzept ist noch brauchbar, weist aber gewisse, nicht nur unerhebliche Schwächen auf.
116Mangelhaft: Das Konzept ist ganz oder im Wesentlichen unbrauchbar.
117Der vorstehend wiedergegebene Bewertungsmaßstab ist intransparent und verstößt gegen § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Abs. 1 VOL/A.
118Der Auftraggeber hat gemäß § 16 Abs. 7 VOL/A bei der Wertung der Angebote vollständig und ausschließlich die Kriterien zu berücksichtigen, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannte sind. Die Pflicht zur Bekanntgabe der vom Auftraggeber festgelegten Kriterien entspricht in erster Linie dem Transparenzgebot. Jeder Bieter muss vor Abgabe seines Angebots Klarheit haben, worauf es dem Auftraggeber bei der Zuschlagsentscheidung entscheidend ankommt. Nur so wird er in die Lage versetzt, seine Chancen auf den Zuschlag realistisch einschätzen und sein Angebot entsprechen ausgestalten zu können. Darüber hinaus kann er im Nachhinein auch überprüfen, ob sich der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote an die aufgestellten Wertungskriterien gehalten hat.
119Ausgehend von diesen Grundsätzen erfüllt der hier zu beurteilende Bewertungsmaßstab nicht die Anforderungen. Dies gilt für die Bewertung der in Ziff. 9 (2) der Bewerbungsbedingungen genannten drei Konzepte auf der Grundlage eines sogenannten Schulnotensystems. Die Bewertungsmaßstäbe lassen nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote bei den Umsetzungskonzepten aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden. Für die Bieter ist nicht zu erkennen, wann das jeweilige Konzept mit welcher Schulnote bewertet wird. Sie können im Voraus nicht zuverlässig ermitteln, unter welchen Voraussetzungen ihr Konzept als mit „kleineren Schwächen“, „ gewisse, nicht nur unerhebliche Schwächen“ oder „ganz oder im Wesentlichen unbrauchbar“ bewertet wird. Hierfür müsste der Bieter wissen, welche (funktional zu formulierenden) Erwartungen der Auftraggeber an das Konzept stellt und, wenn mehrere Anforderungen zu erfüllen sind, welche Wichtigkeit der Auftraggeber den Anforderungen im Verhältnis zueinander beimisst. Andernfalls lässt das Wertungssystem objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 21.10.2015, VII-Verg 28/14; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.12.2015, VII-Verg 25/15, juris Rn.40).
1204.
121Ein Verstoß gegen das Transparenz – und Gleichbehandlungsgebot (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) begründet überdies die in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags vorgesehene Leistungsänderungsklausel.
122a.
123Die Regelungen in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrag verschaffen dem Auftraggeber die Möglichkeit, den ausgeschriebenen Auftrag nachträglich in wesentlichem Umfang zu ändern.
124Nach der Rechtsprechung des EuGH ist von einer wesentlichen Vertragsänderung auszugehen, wenn (1) hierdurch Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebot erlaubt hätte, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären, (2) sie den Auftrag in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert oder (3) das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454 /06 – Pressetext; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juli 2011; VII Verg 20/11, VergabeR 2012, 35 juris Rn. 90 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014, VII – Verg 32/13, VergabeR 2014, 557, juris Rn. 24).
125Der Antragsgegner erhält über die in Rede stehende Vertragsanpassungsklausel die Möglichkeit, die ursprünglich vertraglich vereinbarten Dienstleistungen in erheblichem Umfang zu erweitern. Nach § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags kann der Antragsgegner gemeinsam mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) quantitative Änderungen der Leistung verlangen. Hierbei kann es sich um Zu- oder Abbestellungen handeln (§ 11 Abs. 2). In qualitativer Hinsicht erhält sie gemäß § 11 Abs. 4 die Möglichkeit, zusätzliche Anforderungen an die Fahrkartenautomaten oder Ähnliches zu verlangen. Die Vertragserweiterung darf gemäß § 11 Absatz 5 in Summe pro Kalenderjahr ein Volumen von 5 % der Jahresvergütung des Auftragnehmers nicht überschreiten. Über die Vertragslaufzeit von neun Jahren gesehen darf die Summe aller Leistungsanpassungen 20 % der Gesamtvergütung nicht überschreiten. Handelt es sich bei den maximal möglichen Leistungsanpassungen um Zubestellungen, ist der maßgebliche Schwellenwert in jedem Fall überschritten. Ausgehend von dem jährlichen Auftragswert, den der Antragsgegner ausweislich seines Vergabevermerks vom 16. Juli 2015 geschätzt hat (Vergabevermerk Seite 3 Ziff. 2.): 7,2 Mio. € p.a.), wäre der Schwellenwert von 207.000 € sowohl bei einer Vertragserweiterung in Höhe von maximal 5 % der Jahresvergütung (ca. 360.000 €) als auch in Höhe von max. 20 % der Gesamtvergütung (ca. 12,96 Mio. €) überschritten.
126b.
127Ein Verstoß gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot scheidet nicht deshalb aus, weil der Antragsgegner die Möglichkeit zur Vertragsänderung bereits bei der Ausschreibung des in Rede stehenden Auftrags vorgesehen und die Bieter hierüber informiert hat, indem er ihnen den Entwurf des Vertriebsdienstleistungsvertrags zusammen mit den übrigen Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt hat. Es fehlt an einer vorherigen Bekanntmachung einer Vertragserweiterung durch eine Leistungsänderung nach § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags. Zur Sicherung der Gleichbehandlung der in Frage kommenden Bieter und der Transparenz der Auftragsvergabe gehören zu den Auskünften, die die Auftragsbekanntmachung enthalten muss, auch die ergänzenden Gegenstände des Auftrags, die Beschreibung sowie die Menge und der Gesamtumfang der Arbeiten (EuGH, Urteil vom 22. April 2010 (C-423/07, Kommission/Spanien, Rn. 55; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014, VII-Verg 32/13, VergabeR 2014, 557, juris Rn. 26). Da in dem Standardformular für die Bekanntmachung regelmäßig nur ein begrenzter Raum zur Verfügung steht, können die Informationen in den Vergabeunterlagen als natürliche Ergänzung der Bekanntmachung näher ausgeführt werden (EuGH, Urteil vom 22. April 2010 (C-423/07, Kommission/Spanien, Rn. 60).
128Diesen Anforderungen genügen die Angaben des Auftraggebers nicht. Er hat für die Bekanntmachung das Standardformular gemäß Anhang II der VO (EU) Nr. 842/2011 verwendet. Dort werden unter Ziff. II.2.2) Angaben zu Optionen gefordert. Der Antragsgegner hat angegeben: „Optionen: ja; Beschreibung der Optionen: - weitere stationäre Fahrkartenautomaten – weitere Entwerter“. Anders als die Vergabekammer meint, handelt es sich bei der in Rede stehenden Vertragsklausel um eine Option. Unter einer Option wird die Rechtsmacht einer Vertragspartei verstanden, durch einseitige Erklärung den Leistungsumfang in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht zu verändern (Rechten in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3. Aufl., § 15 EG Rn. 39). Hierzu zählen in der Regel Vertragsverlängerungsklauseln oder auch Bedarfspositionen. Charakterisierend ist in jedem Fall, dass die betreffende Leistung erst nach einer einseitigen Erklärung des Auftraggebers vom Auftragnehmer zu erbringen ist. Ein solches Optionsrecht ist in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags geregelt. Dort enthalten sind Regelungen, nach welchem Verfahren und in welchem Rahmen die zu erbringenden Vertriebsdienstleistungen quantitativ und qualitativ nachträglich geändert werden können. Wie sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 ergibt, kann der Antragsgegner eine Änderung der Vertriebsleistungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht zwar nur gemeinsam mit dem jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen verlangen. Gleichwohl hängt die Änderung der Leistung nicht von einem Zutun des Auftragnehmers ab und wird daher einseitig verlangt.
129Enthält § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags somit ein Optionsrecht des Antragsgegners, sind die Angaben in der Bekanntmachung nicht ausreichend. Aus den Angaben unter II.2.2) der Bekanntmachung ergibt sich zwar, dass Optionen vorgesehen sind. Allerdings betreffen diese Optionen nicht nur – wie dort angegeben – weitere stationäre Fahrkartenautomaten und Entwerter. Sie betreffen vielmehr den gesamten Leistungsumfang in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Entscheidend aber ist, dass die Bekanntmachung keine Angaben dazu enthält, in welchem Umfang und unter welchen Umständen der Vertrag geändert werden kann. Anders als der Antragsgegner meint, ist eine vollständige Bekanntgabe der Regelungen in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags nicht zu fordern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine zumindest stichwortartige Bekanntgabe einer maximal möglichen Auftragserweiterung. Daran fehlt es hier.
130III.
131Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 120 Abs. 2 GWB.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.