Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-9 U 28/16
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 26.11.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.01.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 34.565,05 € vom 01.08.2013 bis zum 08.09.2014 und aus 43.206,32 € vom 09.09.2014 bis zum 02.11.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 5 % und der Beklagte 95 % mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, von denen die Klägerin 5 % und die Streithelferin selbst 95 % tragen. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 20 % und der Beklagte 80 % mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, von denen die Klägerin 20 % und die Streithelferin selbst 80 % tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
3I.
4Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verzugszinsen bereits seit dem 01.08.2013, bis zum 08.09.2014 allerdings nur aus 34.565,05 €, denn nur wegen dieses Betrages erfolgte durch das Schreiben vom 05.06.2013 (Anlage K 45, Bl. 292 - 295 GA) eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB, d. h. eine Aufforderung an den Beklagten, seiner nach § 172 Abs. 4 HGB wiederaufgelebten Haftung als Kommanditist der Fondsgesellschaft nachzukommen (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl., § 286 BGB Rz. 16 f.).
51.
6Das Schreiben stammte von der geschäftsführenden Kommanditistin der Fondsgesellschaft und war seinem Inhalt und den Umständen nach sinngemäß in deren Namen verfasst (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Fondsgesellschaft ihrerseits sprach ausdrücklich „im Namen der Kreditgeber“. Ihre Vertretungsmacht hierzu ergab sich aus § 3Abs. 2 Satz 1 (ii), Nr. (1) der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ vom 14.03.2013 (Anlage K 5, Bl. 115 - 128 GA).
7In der Sache wurde einleitend formuliert, der angeschriebene Beklagte erhalte „nuneine Zahlungsaufforderung zur Einzahlung von 80 % der gesamten bislang erhaltenen Auszahlungen einschließlich des hierauf zuvor abgeführten Betrages an Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf das Konto der Kreditgeber mit einer Frist bis spätestens zum 31.07.2013“, wobei weitere Detailinformationen den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen seien. Zwei Absätze weiter hieß es unter der Überschrift „Zahlungsaufforderung und Zahlungsmodalitäten“: „... möchten wir Sie nunmehr im Namen der Kreditgeber höflich auffordern, den auf Sie entfallenden unten genannten Zahlbetrag zu leisten“. Nach Darstellung des Angebotes der Kreditgeber aus der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ folgte sodann der Satz: „Hiermit fordern wir Sie im Namen der Kreditgeber auf, Ihrer Verpflichtung gegenüber den Kreditgebern in dem vorbenannten Umfang nachzukommen, indem Sie sich wie von den Kreditgebern angeboten verhalten und den auf Sie entfallenden Zahlbetrag in Höhe von EUR 34.565,05 wie vorbeschrieben leisten“. Diese Leistungsaufforderungen waren für sich eindeutig und wurden auch nicht durch den weiteren Inhalt des Schreibens nebst Anlage in einer Weise relativiert oder entwertet, die begründete Zweifel am unbedingten Zahlungsverlangen hätten aufkommen lassen:
8Dass es sich nicht nur um eine Aufforderung zur Annahme des Vergleichsangebotes bzw. zur Zahlung des Vergleichsbetrages für den Fall der Annahme handeln sollte, ergibt sich schon daraus, dass die Zahlungsaufforderung bereits vor dem Angebot der Kreditgeber und nach Wortwahl und Sinnzusammenhang unbedingt und unabhängig von diesem ausgesprochen wurde. Demgemäß konnte die Begrenzung auf 80 % der Bruttoausschüttungen nicht im Sinne eines an die Annahme des Angebotes geknüpften Leistungsverlangens, sondern nur als vorläufige Beschränkung im Hinblick auf eine mögliche Annahme des Angebotes verstanden werden. Das kommt auch in der abschließenden Darstellung der „Folgen der Nichtzahlung oder der nicht rechtzeitigen Zahlung“ zum Ausdruck, wonach der Beklagte für diesen Fall mit einer Inanspruchnahme „im Umfang von bis zu 100 %“ zu „rechnen“ hatte. Damit wurde angesichts der eindeutigen Leistungsaufforderung nicht die Inanspruchnahme insgesamt, sondern nur diejenige wegen des 80 % übersteigenden Betrages zur Disposition gestellt. Daran ändert es auch nichts, dass der Verzug nicht ausdrücklich als weitere Folge genannt wurde. Verzug tritt auch ohne besondere Aufklärung ein und der entsprechende Abschnitt des Schreibens war ersichtlich nicht auf eine umfassende Rechtsfolgenbelehrung, sondern vielmehr darauf gerichtet, dem Empfänger die möglichen Auswirkungen einer Ablehnung es Angebotes auf die Höhe der Hauptforderung vor Augen zu führen.
9Auch der letzte Absatz unter Nr. 1 des Schreibens begründete keine Unklarheit in Bezug auf eine unbedingte Leistungsaufforderung. Dort wurde lediglich - und zutreffend - erläutert, dass der Beklagte der Fondsgesellschaft derzeit nichts schulde. Die Verpflichtung gegenüber den Gläubigern wurde damit nicht in Frage gestellt. Schließlich stellte die dem Schreiben beigefügte, vom Beklagten zu unterschreibende „Bestätigung zu Informationszwecken“ (Bl. 296 GA) mit ihrem Einleitungssatz: „Ich erkläre mich bereit, ... EUR 34.565,05 ... einzuzahlen“ die Entscheidung für oder gegen eine Leistung nicht wieder ins Belieben des Beklagten, sondern sollte, wie gut verständlich im letzten Absatz der „Bestätigung“ selbst sowie ausführlicher auf Seite 2 des Schreibens erläutert, den zahlenden Kommanditisten lediglich durch eine Aufrechnung weiter absichern.
10Der Verzugseintritt wurde nicht gemäß §§ 161 Abs. 2, 129 Abs. 1 HGB dadurch gehindert, dass die Fondsgesellschaft eine Einwendung gegen ihre Darlehensverbindlichkeit hätte erheben können. Ob die frühere „Stillhaltevereinbarung“ eine Einwendung in diesem Sinne hätte begründen können, kann dahinstehen, denn sie wurde letztmals bis zum 14.03.2012 verlängert und dann durch die „Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ vom selben Tag (Anlage K 49, Bl. 418 - 430 GA) ersetzt (s. „Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ sowie „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“, jeweils Präambel, Buchst. (J)). Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das in § 1 der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ vereinbarte bzw. verlängerte „nicht ernsthafte Einfordern“ des Darlehensrückzahlungsanspruchs durch die Klägerin bei fortbestehender Fälligkeit eine solche Einwendung gestattet hätte. „Nicht ernsthaft eingefordert“ ist ein Begriff des Insolvenzrechts und bezeichnet dort solche Forderungen, die trotz Fälligkeit nach bürgerlichem Recht im Rahmen von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht als fällig anzusehen sind, weil der Gläubiger sie rein tatsächlich und ohne rechtliche Bindung derzeit nicht geltend macht (vgl. BGHZ 181, 132, 140, Rz. 22). Entscheidet sich der Gläubiger in einem solchen Fall, die Forderung doch wieder zu verfolgen, begründet das vorangegangene „nicht ernsthafte Einfordern“ keine Einrede des Schuldners. Dass die Parteien der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ den Begriff des „nicht ernsthaften Einforderns“ mit einem anderen Sinngehalt als dem insolvenzrechtlich eingebürgerten hätten verwenden wollen, macht der Beklagte nicht greifbar und unter Beweisantritt geltend, und es ergibt sich auch nicht aus den eingereichten Unterlagen.
112.
12Wegen der über den angeforderten Betrag von 34.565,05 € hinausgehenden 8.641,27 € wurde dagegen noch keine Mahnung ausgesprochen. Unter Nr. 3 des Schreibens vom 05.06.2013 hieß es lediglich, dass der Beklagte für den Fall, dass er die 34.565,05 € nicht oder nicht rechtzeitig an die Kreditgeber zahle, „damit rechnen“ müsse, dass diese ihn „in einem Umfang von bis zu 100 %“ seiner „bislang erhaltenen Auszahlungen, die zu einem Wiederaufleben“ seiner „persönlichen Haftung geführt haben, ... außergerichtlich und/oder gerichtlich in Anspruch nehmen“. Hiermit wurde auf eine noch ausstehende Entscheidung der Kreditgeber verwiesen und noch keine aktuelle, lediglich befristete Aufforderung zur Leistung ausgesprochen. Das steht im Übrigen im Einklang mit dem Umstand, dass sich die Bevollmächtigung der Fondsgesellschaft durch die Darlehensgläubiger ausdrücklich auf die Aufforderung zur Zahlung des 80 %igen Anteils beschränkte (§ 3 Abs. 2 Satz 1 (ii), Nr. (1) in Verbindung mit § 3 Nr. (4) Satz 3 der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“).
13Die Mahnung war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, weil die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt gewesen wäre. Aus Nr. 3 des Schreibens vom 05.06.2013 kann das schon deshalb nicht folgen, weil diese Passage, wie ausgeführt, bereits keine Anforderung des übersteigenden Betrages enthielt und die Fondsgesellschaft insofern von den Gläubigern auch nicht bevollmächtigt war; zudem würde eine einseitige Bestimmung der Leistungszeit durch den Gläubiger ohnehin nicht genügen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rz. 22 m.w.N.). Dass die Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft dem Abschluss der „Ergänzungsvereinbarung zur Rückführungs- und Abwicklungsvereinbarung“ mehrheitlich zugestimmt hatte, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos; in dieser Vereinbarung findet sich keine Zahlungsaufforderung, geschweige denn ein Zahlungsdatum für die letzten 20 %, und ohnehin könnte die Fondsgesellschaft hier keine Vereinbarung zu Lasten ihrer einzelnen Kommanditisten treffen.
14II.
15Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 101 Abs. 1 ZPO.
161.
17Aus der für die erste Instanz erforderlichen Berechnung nach Prozessabschnitten folgt eine Kostenbelastung der Klägerin von 5 % und des Beklagten vom 95 %.
18Im ersten Prozessabschnitt entstanden nach einem Wert von 43.206,30 € Kosten in Höhe von 4.946,88 €, nämlich 1.533 € Gerichtskosten und insgesamt 3.413,88 € Verfahrensgebühren der Prozessbevollmächtigten der Hauptparteien (jeweils einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer). Diese Kosten gehen vollständig zu Lasten des Beklagten, denn soweit die Klägerin mit einem Teil ihrer Zinsforderung und den in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten letztlich unterliegt, handelt es sich hier um streitwert- und gebührenneutrale Nebenforderungen (§ 43 Abs. 1 GKG).
19Infolge der am 03.11.2015 beim Landgericht eingegangenen Teil-Erledigungserklärung der Klägerin reduzierte sich der Streitwert ab diesem Zeitpunkt auf 10.863,48 €, nämlich den Wert der verbliebenen, gemäß § 43 Abs. 2 GKG zur Hauptsache gewordenenNebenforderungen (4.209,66 € Zinsen und 1.706,94 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) zuzüglich 4.946,88 € Kosten des ersten Prozessabschnitts für die insgesamt für erledigt erklärte Hauptforderung (vgl. dazu BGH NJW-RR 1996, 1210). Nach diesem Wert entstanden die Terminsgebühren der Prozessbevollmächtigten (einschließlich Mehrwertsteuer) in Höhe von zusammen 1.725,02 €. Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Parteien bleiben hierbei außer Betracht, weil sich derzeit keine Kostenausgleichungsanträge der Parteien bei der vom Landgericht vorgelegten Akte befinden; diese Kosten würden das Ergebnis aber auch nicht nennenswert verschieben. In diesem Prozessabschnitt unterliegt die Klägerin mit 2.131,79 € (424,85 € unbegründete Zinsforderung und 1.706,94 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten). Das entsprichteinem Anteil von rund 19,62 % am Streitwert dieses Prozessabschnitts, so dass dessen Kosten von 1.725,02 € in Höhe von 338,45 € von der Klägerin und im Übrigen von der Beklagten zu tragen sind.
20Ob sich durch die Anschließung des Beklagen an die Teil-Erledigungserklärung der Klägerin im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht der Streitwert noch weiter reduziert hat, braucht nicht entschieden zu werden, weil bis dahin schon alleGebühren entstanden waren.
21Die auf die Klägerin entfallenden 338,45 € entsprechen von den 6.671,90 € Gesamt-kosten der ersten Instanz gerundet 5 % und der vom Beklagten zu tragende Rest gerundet 95 %. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der Möglichkeit des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gebrauch zu machen.
222.
23In der zweiten Instanz ergeben sich nach dem Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens Kostenquoten von 20 % zu Lasten der Klägerin und von 80 % zu Lasten des Beklagten. Die Klägerin hat weitere Zinsen aus 43.206,32 € begehrt, aber- bei identischem Zinssatz und Zeitraum - nur aus 34.565,05 € zugesprochen erhalten.
24III.
25Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
26Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt. Soweit in der Instanzrechtsprechung unterschiedliche Auffassungen über die ver-zugsbegründende Wirkung des Schreibens vom 05.06.2013 bestehen (vgl. u. a. Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 30.09.2016, 9 U 54/16), betrifft dies die Würdigung einer Tatfrage im Einzelfall in Bezug auf Nebenforderungen, die weder der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleiht noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
27Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 3.000 € festgesetzt, der Streitwert für die erste Instanz in Abänderung der im angefochtenen Urteil enthaltenen Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 43.206,30 € bis zum 03.11.2015 und auf 10.863,48 € ab dem 04.11.2015, wobei wegen der Begründung auf Abschnitt II. 1. (2. und 3. Absatz) Bezug genommen wird.
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