Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 21/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland, Spruchkörper in Köln, vom 11. Mai 2016 (VK VOL 33/2015) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 178.855 Euro
1
G r ü n d e:
2I. Der Antragsgegner als Kreispolizeibehörde schrieb für seinen Geschäftsbereich Rahmenverträge über die Erteilung von Abschlepp- und Sicherstellungsaufträgen im Wege einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb in drei Gebietslosen aus (§ 3 Abs. 4 Buchst. b VOL/A - unterhalb des Schwellenwerts). Die Angebotsaufforderung, die auf Anfrage auch die Antragstellerin erhielt, datiert vom November 2015. Die Aufträge sollten vom 1. Januar 2016 an auf fünf Jahre befristet sein. Für Notfälle behielt sich der Antragsgegner eine Vertragsverlängerung um ein Jahr vor. Zuschlagskriterium war allein der Preis.
3Die Antragstellerin beteiligte sich nach ihrem Vorbringen mit einem Angebot zu Los zwei (Gebiet der Polizeiwache D.), sollte nach Bieterinformationen des Antragsgegners aus Wirtschaftlichkeitsgründen jedoch nicht den Zuschlag erhalten. Der Zuschlag wurde inzwischen einem konkurrierenden Bieter erteilt.
4Zuvor, nämlich durch Anwaltsschreiben vom 23. November 2015, hatte die Antragstellerin das Vergabeverfahren rügen lassen, und zwar
5- das Verfahren einer beschränkten Ausschreibung; tatsächlich sei wegen Überschreitung des maßgebenden Auftrags-Schwellenwerts unionsweit auszuschreiben gewesen;
6- eine mittelstandsfeindliche Losaufteilung,
7- Unklarheit in den Vergabeunterlagen, wie der niedrigste Preis letztendlich ermittelt werde.
8Unter anderem mit diesen Beanstandungen hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt, den die Vergabekammer im schriftlichen Verfahren (als unzulässig) verworfen hat, weil bei den streitbefangenen Aufträgen der erforderliche Auftrags-Schwellenwert unterschritten sei und das Vergaberechtsregime des Vierten Teils des GWB nicht gelte. Auf die Gründe der Entscheidung der Vergabekammer wird verwiesen.
9Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Angriffe gegen das Vergabeverfahren wiederholt, vertieft und ergänzt.
10Die Antragstellerin beantragt,
11unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner anzuweisen, das Vergabeverfahren aufzuheben und bei weiter bestehender Vergabeabsicht neu auszuschreiben,
12hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag unter Berücksichtigung ihres Angebots zu erteilen.
13Der Antragsgegner beantragt,
14die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
15Er verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer.
16Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen. Der Senat hat im Senatstermin Beweis erhoben durch Vernehmung eines Zeugen.
17II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
181. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, weil der bei Einleitung des Vergabeverfahrens maßgebende Auftrags-Schwellenwert von 207.000 Euro nicht erreicht gewesen ist. Die Ausschreibung unterliegt infolgedessen keiner Nachprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen.
19§ 3 Abs. 9 VgV a.F. bestimmt als maßgebenden Zeitpunkt für die Ermittlung des Auftragswerts die Einleitung des Vergabeverfahrens, sofern dieses nicht durch eine Bekanntmachung (wie im Streitfall nicht) begonnen worden ist. Das Vergabeverfahren ist durch Angebotsaufforderung an bestimmte Bieterunternehmen, so auch an die Antragstellerin, im November 2015 eingeleitet worden. Für den Schwellenwert maßgeblich ist der Netto-Auftragswert (§ 1 Abs. 1 VgV a.F.).
20Der Vergabevermerk des Antragsgegners vom 4. November 2015 führt dazu aus: Es seien drei Gebietslose gebildet worden (Los eins: Gebiet der neu errichteten Polizeiwache C.; Los zwei: Gebiet der Polizeiwache D.; Los drei: Gebiet der Polizeiwache E.). Gemessen am bisherigen Wertaufkommen liege der Auftragswert bei etwa 255.600 Euro netto (unter Zugrundelegen einer fünfjährigen Vertragslaufzeit zuzüglich einer möglichen Vertragsverlängerung um ein Jahr), was den Auftrags-Schwellenwert überschreite.
21Anschließend geht der Vergabevermerk jedoch nachvollziehbar auf bestimmte organisatorische und strukturelle Mängel bei der Kreispolizeibehörde ein, die bislang zu einem vermeidbar hohen Kostenvolumen bei Abschlepp- und Sicherstellungsaufträgen geführt haben. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind im Vergabevermerk im Einzelnen dargestellt worden (auf eine detaillierte Wiedergabe wird an dieser Stelle verzichtet). Aufgrund dessen ist der Auftragswert im Schätzweg auf etwa 195.114 Euro (bei einer Vertragslaufzeit von sechs Jahren) zurückgeführt worden. Der Senat hat zum Inhalt des Vergabevermerks vom 4. November 2015 den Verfasser Kreisamtmann M. als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat die in der Vergangenheit zu verzeichnenden Mängel und Einsparungsmöglichkeiten bei der Abwicklung von Abschlepp- und Sicherstellungsaufträgen in der Behörde ermittelt und hat ein Bündel bestimmter Gegenmaßnahmen konzipiert (die insbesondere eine effektivere Überwachung und Abrechnung von Sicherstellungen zum Gegenstand haben). Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge den Eindruck einer gewissenhaften, konsequenten und engagierten Vorgehensweise vermittelt. Das Maßnahmenkonzept ist plausibel und in sich schlüssig. Das Einsparpotential (zwischen zwei und zehn Prozent je Gegenmaßnahme) ist zurückhaltend und realistisch, mithin vertretbar, bewertet worden. Die Verteilung auf die Gebietslose und die Polizeiwachen ist von dem Zeugen nachvollziehbar erklärt worden. Seiner Aussage ist zu glauben.
22Aufgrund dessen ist der Ausschreibung der im Vergabevermerk vom 4. November 2015 dargestellte und näher begründete Auftragswert von etwa 195.114 Euro zugrundezulegen, der unter dem Schwellenwert von 207.000 Euro liegt. Tatsächlich beträgt der Auftragswert sogar lediglich rund 162.600 Euro, weil die Vertragsdauer mittels eines unzutreffenden Multiplikators abgebildet worden ist. Die Verträge sollen zwar auf fünf Jahre befristet sein. Sie gehen in die Auftragswertermittlung indes nicht mit einer Dauer von fünf Jahren, sondern lediglich mit einer solchen von 48 Monaten ein (siehe § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV a.F.), weil für die ausgeschriebenen Dienstleistungen kein Gesamtpreis angegeben wird. Bei der Auftragswertermittlung hinzuzusetzen ist allerdings die mögliche Vertragsverlängerung um ein Jahr (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV a.F.; BGH, Beschluss vom 18. März 2014 - X ZB 12/13, Bioabfallvergärungsanlage, Rn. 12).
232. Die am Vergabeverfahren von der Antragstellerin angebrachten Beanstandungen müssen bei dem vorstehenden Befund dahingestellt bleiben.
24Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 120 Abs. 2 GWB a.F.
25Der Streitwertfestsetzung nach § 50 Abs. 2 GKG sind der Einfachheit halber die zu vereinbarende Vertragsdauer von fünf Jahren sowie ein Verlängerungszeitraum von sechs Monaten (50 %) zugrundegelegt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2014 - X ZB 12/13, Bioabfallvergärungsanlage, Rn. 7/8, 13), dies auf der Grundlage der Auftragswertschätzung des Antragsgegners.
26Dicks Barbian Rubel
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Referenzen
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